Die vorliegende Studie untersucht die Wahrnehmung von Christen durch die wichtigsten so-ziopolitischen Milieus in der heutigen Türkei mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse von fünf türkischen Tageszeitungen. Zunächst schildert ein Rückblick die bedeutendsten ge-schichtlichen Faktoren für die Haltung gegenüber Christen in der Türkei: den frühen Islam, die gesellschaftliche Stellung der christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich und in der Türkischen Republik sowie die Einflussnahme „christlicher“ Mächte in den Kreuzzügen und dann im Zeitalter des Kolonialismus.
Die Analyse der Zeitungen Yeniçağ, Millî Gazete, Yeni Şafak, Milliyet sowie Cumhuriyet, die als Repräsentanten verschiedener Milieus ausgewählt wurden, erweist sich als aussage-kräftig in Bezug auf einen hinreichend differenzierten Befund der Wahrnehmung von Chris-ten. Es wird deutlich, dass laizistischer Kemalismus, türkisch-islamischer Nationalismus, Is-lamismus in seinen verschiedenen Spielarten sowie demokratischer Liberalismus die Christen durchaus sehr unterschiedlich wahrnehmen. Insbesondere in dem Misstrauen gegenüber christlicher Missionstätigkeit in der Türkei, die vorwiegend von Protestanten getragen wird, sind jedoch auch beachtliche Gemeinsamkeiten in der Sichtweise der untersuchten Milieus
festzustellen.
Im systematisierenden Teil der Arbeit werden für die vorwiegend negative Einstellung gegenüber Christen in der Türkei ideologische, historisch-politische und psychologisch-soziologische Gründe nachgewiesen. Zusätzlich wird die Notwendigkeit einer christlich-theologischen Interpretation der gegen Christen erhobenen Anschuldigungen dargelegt. Ge-eignete christliche Reaktionen werden unter besonderer Berücksichtigung des Ersten Petrus-briefes aufgezeigt. Dabei legt die theologisch begründete Einordnung verbaler Angriffe in den Gesamtrahmen von Verfolgung das Fundament für ein Spektrum solcher Reaktionen. Dazu gehören die Auseinandersetzung mit Vorwürfen gegen Mission und die Vergewisserung der eigenen christlichen Identität. Der Erste Petrusbrief legt aktive Strategien zur Korrektur ge-sellschaftlicher Vorurteile nahe, gebietet aber ebenso geduldiges Ertragen von Anklagen nach dem Vorbild Christi und um seinetwillen.
This study examines the perceptions of Christians within the most important socio-political milieus in today’s Turkey. Methodically it undertakes a qualitative content analysis of five Turkish daily newspapers. First a retrospect depicts the most prominent historical factors for the attitude towards Christians in Turkey: early Islam, the societal status of Christian minori-ties in the Ottoman Empire and the Turkish Republic, the interference of “Christian” powers during the crusades and later in the age of colonialism.
The analysis of the newspapers Yeniçağ, Millî Gazete, Yeni Şafak, Milliyet and Cumhuri-yet, which are selected for representing the different milieus, proves to provide meaningful and adequately differentiated results concerning the perceptions of Christians. It becomes obvious that secular Kemalism, Turkish-Islamic nationalism, Islamism in its different flavors, and democratic liberalism manifest thoroughly different perceptions of Christians. Simultane-ously, significant common ground of the perspectives under examination can be demonstrat-ed, especially in terms of a deep mistrust against Christian missionary activities in Turkey.
In the systematizing part of the study, ideological, historic-political, and psychological-sociological reasons are established for the mostly negative attitude towards Christians in Turkey. In addition the necessity of a Christian theological interpretation of the accusations against Christians is substantiated. Appropriate Christian responses are identified, with special attention to the First Letter of Peter. A theologically justified integration of verbal abuse into the broader framework of persecution creates the interpretational foundation for determining a variety of possible responses. Prominent among these responses are a debate about the accu-sations against Christian mission and the self-assurance of one’s Christian identity. The First Letter of Peter suggests active strategies to mitigate societal prejudice, but at the same time calls for Christians to patiently bear accusations according to the example of Christ and for his sake.