MISSION UND GELD. GLAUBENSPRINZIP UND SPENDENGEWINNUNG DER DEUTSCHEN GLAUBENSMISSIONEN. GENESE, STRUKTUR UND LEGITIMATION (MISSION AND MONEY: THE FAITH-PRINCIPLE AND FUNDRAISING BY THE GERMAN FAITH MISSIONS. GENESIS, STRUCTURE AND LEGITIMACY) by ARNDT ELMAR SCHNEPPER submitted in accordance with the requirements for the degree of DOCTOR OF THEOLOGY in the subject MISSIOLOGY at the UNIVERSITY OF SOUTH AFRICA PROMOTER: PROF DR JOHANNES REIMER JOINT PROMOTER: DR CHRISTOF SAUER OCTOBER 2004 *************************** Statement Student-Numer: 3376-608-8 I declare that Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissi- onen. Genese, Struktur und Legitimation (Mission and Money: The faith-principle and fundraising by the German faith missions. Genesis, Structure and Legitimacy) is my own work and that all the sources that I have used or quoted have been indicated and acknowledged by means of complete references. Witten (Germany), 25th October 2004, Arndt Elmar Schnepper Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissi- onen. Genese, Struktur und Legitimation (Mission and Money: The faith-principle and fundraising by the German faith missions. Genesis, Structure and Legitimacy) by Arndt Elmar Schnepper Degree: Doctor of Theology (DTh) Subject: Missiology Promoter: Prof Dr Johannes Reimer Joint Promoter: Dr Christof Sauer Zusammenfassung Diese Arbeit untersucht Genese, Struktur und Legitimation der Spendengewinnung bei den deutschen Glaubensmissionen von ihren Anfängen bis zum Ausbruch des Zweiten Welt- krieges. Den Untersuchungsgegenstand bilden die drei ältesten Glaubensmissionen in Deutschland: die Neukirchener Mission, die Allianz-China-Mission und die Liebenzeller Mission. Als besonderes Merkmal der Glaubensmissionen wird in der Literatur das soge- nannte Glaubensprinzip bezeichnet, das einen bewussten Verzicht auf Spendenwerbung beinhaltet. Die historische Entwicklung des Glaubensprinzips von Anthony Groves über George Müller auf Hudson Taylor wird nachgezeichnet. Eine leitende Frage der Untersu- chung ist, inwieweit die deutschen Glaubensmissionen dieses Glaubensprinzip tatsächlich übernehmen und umsetzen. Bei der Analyse von Spendentheorie und -methodik der drei genannten Missionen kristallisiert sich heraus, dass von einem Verzicht auf Spendenwer- bung bei den drei ältesten der deutschen Glaubensmissionen nicht die Rede sein kann. Im Falle der Allianz-China-Mission wird das Glaubensprinzip erst gar nicht ernsthaft adap- tiert, die Liebenzeller Mission gestaltet es ihr entsprechend um, und die Neukirchener Mis- sion muss sukzessive eine Erosion des Glaubensprinzips miterleben. Die Untersuchung beinhaltet ebenso ein Interpretationsmodell zur Bestimmung der Schlüsselfaktoren, die tatsächlich relevant für die Spendengewinnung der Glaubensmissionen sind. Die Legitimi- tät des Glaubensprinzips wird aus theologischen und grundsätzlichen Überlegungen in Frage gestellt. Key terms: Mission, Glaubensmission, Glaubensprinzip, Anthony Groves, George Müller, Hudson Taylor, Neukirchener Mission, Allianz-China-Mission, Liebenzeller Mission, Spenden, Fundraising, Finanzen, Deutschland. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissi- onen. Genese, Struktur und Legitimation (Mission and Money: The faith-principle and fundraising by the German faith missions. Genesis, Structure and Legitimacy) by Arndt Elmar Schnepper Degree: Doctor of Theology (DTh) Subject: Missiology Promoter: Prof Dr Johannes Reimer Joint Promoter: Dr Christof Sauer Summary This thesis analyses the genesis, structure and legitimacy of the acquisition of donations by the German faith missions from their beginnings up to the outbreak of World War II. The focus is especially directed to the three oldest faith missions in Germany: the Neukirchener Mission, the Allianz-China-Mission, and the Liebenzeller Mission. As a specific character- istic of faith missions, the contemporary literature emphasises the so-called faith principle which includes the deliberate renunciation of public fundraising. In this thesis the historical development of the faith principle is described from Anthony Groves via George Müller to Hudson Taylor. A guiding question of this analysis is how far the German faith missions emulate this faith principle and put it into practise. Looking closely at the fundraising the- ory and policy of those three oldest German faith missions it becomes evident that renun- ciation of fundraising is not the case. The German Allianz-China-Mission does not adopt seriously the faith-principle at all, the Liebenzeller Mission redesigns it according to its needs and the Neukirchener Mission experiences a successive erosion of the faith-principle along the years. This thesis includes also an interpretation model to determine the actual key-factors in the fundraising of the faith missions. The legitimacy of the faith-principle is questioned by theological and fundamental considerations. Key terms: mission, faith mission, faith principle, Anthony Groves, George Müller, Hud- son Taylor, Neukirchener Mission, Allianz-China-Mission, Liebenzeller Mission, dona- tion, fundraising, finance, Germany. Curriculum Vitae Persönliche Daten - 11. Mai 1966: Geburt - 1993: Heirat mit Marianne Schnepper (geb. Jacques). - Kinder: Roxane (1994), Constanze (1995), Lucy (1997) und Tristan (1999) Berufserfahrung - seit 2002: Pressesprecher im Bund Freier evangelischer Gemeinden (Witten) - 2000-2002: Pastor für Öffentlichkeitsarbeit in der Stiftung Elim (Hamburg) und Pastor der Freien evangelischen Gemeinde in Hamburg-Jenfeld - 1993-2002: Leitender Jugendpastor der Freien evangelischen Gemeinde in Nord- deutschland und Pastor der Freien evangelischen Gemeinde in Hamburg-Jenfeld Ausbildung und Studien - 2003: Master of Theology (University of South Africa) - 2000-2002: Ausbildung als Fundraiser an der Fundraising-Akademie (Frankfurt am Main) - 1999-2001: Ausbildung als Kommunikationswirt beim Gemeinschaftswerk der Evan- gelischen Publizistik (Frankfurt) - 1992: Auslandssemester an der Theologischen Hochschule Ansgarskolen in Kristian- sand (Norwegen) - 1989-1990: Einjähriges Praktikum mit der Allianz-Mission in Nagoya (Japan) - 1987-1993: Studium am Theologischen Seminar Ewersbach (Dietzhölztal-Ewersbach) - 1986: Allgemeine Hochschulreife der Wilhelm-von-Oranien-Schule (Dillenburg) - 1982: High School Diploma der Buffalo Senior High School in Minnesota (USA) Interessen - Mitgliedschaft beim Evangeliums-Rundfunk e.V. (Wetzlar) - Mitgliedschaft beim Förderkreis für Theologie im Bund Freier evangelischer Gemein- den e.V. (Dietzhölztal-Ewersbach) - Mitgliedschaft im Arbeitskreis für evangelikale Missiologie e.V. (Korntal) - Mitglied beim Verein für Freikirchenforschung e.V. (Erzhausen) Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 1 Vorwort Die Möglichkeit des Vorwortes nutze ich für einen Dank an all diejenigen, die meine Arbeit ermöglicht haben. Ohne Zweifel sind hier an erster Stelle meine Frau Marianne und unsere Kinder Roxane, Constanze, Lucy und Tristan zu nennen. Durch ihre wunderbare Gegenwart wurde ich regelmäßig inspiriert und motiviert. Danken möchte ich an dieser Stelle vor allem auch Herrn Prof. Dr. Johannes Reimer für seine Bereitschaft, die Betreuung der vorliegenden Arbeit zu übernehmen und mit kompe- tentem Rat zu begleiten. Ebenso erwähnen möchte ich Herrn Dr. Christof Sauer, dem ich wertvolle Hinweise und kritische Rückfragen verdanke. Dem Dekanat für Theologie und Missiologie der University of South Africa, Pretoria, besonders Prof. Dr. Nico Botha, danke ich für die freundliche Aufnahme und Unterstützung. Bei den zu tätigenden Recherchen haben mich Freunde und Kollegen durch Gespräche bereichert und durch Hinweise und reges Interesse unterstützt und begleitet. Auch ihnen gilt mein herzlicher Dank. Widmen möchte ich diese Arbeit meinem verstorbenen Urgroßvater Otto Heyenbruch (1857-1935). Als Kind hörte ich die Älteren in un serer Familie erzählen, wie er – ein ehemali- ger Absolvent des Neukirchener Seminars – das Gl aubensprinzip lebte. Als Prediger der Frei- en evangelischen Gemeinde in Wuppertal-Vohwinkel kannte er viele Jahre nicht die Einrich- tung eines festen Gehaltes. Im Glauben erwartete er für sich und seine Familie die notwendi- gen Finanzen. Und wenn es dann doch knapp wurde, bat er seine Frau, meine Urgroßmutter Anna Heyenbruch, geborene Mußhoff (1857-1950), noch einmal in der Opferbüchse im Ge- meindehaus nachzusehen. Wer weiß, vielleicht hatte ja doch noch jemand etwas hineineinge- legt? Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 2 Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Grafiken 7 Abkürzungsverzeichnis 8 1 Disposition 9 2 Die gegenwärtige Rezeption des Glaubensprinzips 22 3 Die historische Diskussion der Spendengewinnung 29 4 Genese und Entwicklung des Glaubensprinzips 49 5 Glaubensprinzip und Spendengewinnung der Neukirchener Mission 91 6 Glaubensprinzip und Spendengewinnung der Allianz-China-Mission 114 7 Glaubensprinzip und Spendengewinnung der Liebenzeller Mission 134 8 Statistische Tendenzen der Spendengewinnung 154 9 Interpretationsmodell der Spendenakquise 164 10 Legitimation des Glaubensprinzips 200 11 Bibliographie 210 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 3 Ausführliches Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Grafiken Abkürzungsverzeichnis 1 Disposition 9 1.1 Thematik 9 1.2 Methodologie 10 1.3 Charakter der deutschen Glaubensmissionen 12 1.4 Forschungslage 16 1.5 Zielsetzung 18 1.6 Quellenlage 20 1.7 Konzeption der Arbeit 20 2 Die gegenwärtige Rezeption des Glaubensprinzips 22 2.1 Ausgangslage 22 2.2 Wilhelm Oehler 22 2.3 Dietrich Kuhl 23 2.4 Klaus Fiedler 24 2.5 Andreas Franz 25 2.6 Bernd Brandl 26 2.7 Zusammenfassung 27 3 Die historische Diskussion der Spendengewinnung 29 3.1 Ausgangslage 29 3.2 Friedrich Fabri: Die Rheinische Mission im Juni 1869. Mittheilung und Aufruf (1869) 29 3.3 Theodor Christlieb: Der gegenwärtige Stand der evangelischen Heidenmission (1880) 32 3.4 Franz Michael Zahn: Mission und Geld (1891) 35 3.5 Friedrich von Bodelwschwingh: Dürfen christliche Anstalten und Missionsgesellschaften Schulden machen? (1896) 36 3.6 Gustav Warneck: Evangelische Missionslehre (1903) 39 3.7 Zeller: Paulus als Kollektant (1904) 40 3.8 Charles Buchner: Glauben und Rechnen in der Mission (1906) 41 3.9 Siegfried Knak: Warum kann eine alte Missionsgesellschaft ihre Ausgaben nicht nach den Einnahmen richten? (1913) 43 3.10 Christoph Schomerus: Die Mission und das Geld. Eine biblische und missionspraktische Studie (1933) 45 3.11 Zusammenfassung 47 4 Genese und Entwicklung des Glaubensprinzips 49 4.1 Ausgangslage 49 4.2 Anthony Groves 4.2.1 Christian Devotedness (1825) 4.2.2 Missionsdienst in Persien und Indien 4.2.3 Fazit 50 50 53 56 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 4 4.3 George Müller 4.3.1 Gemeindedienst (1829-1833) 4.3.2 Gründung der Scriptural Knowledge Institution for Home and Abroad (1834) 4.3.3 Beginn der Bristoler Waisenhausarbeit (1835) 4.3.4 Der Einfluss von August Hermann Francke 4.3.5 Entwicklung der Waisenhausarbeit 4.3.6 Fazit 57 58 62 64 66 68 70 4.4 James Hudson Taylor 4.4.1 Taylors Vorbereitung auf den Missionsdienst (1849-1853) 4.4.2 Ausreise nach China und Bruch mit der CES (1853-1857) 4.4.3 Gründungsphase der China-Inland-Mission (1857-1865) 4.4.4 Fazit 73 74 76 78 81 4.5 Arthur Tappan Pierson 85 4.6 Zusammenfassung 87 5 Glaubensprinzip und Spenden werbung der Neukirchener Mission 91 5.1 Ludwig Doll 5.1.1 Gründung der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt 5.1.2 Spendenerfahrung bei Dolls Vorgänger Andreas Bräm 5.1.3 Einrichtung des Missionshauses 5.1.4 Fazit 91 91 94 95 98 5.2 Julius Stursberg 5.2.1 Systematisierung des Glaubensprinzips 5.2.2 Fazit 98 99 105 5.3 Wilhelm Nitsch 5.3.1 Reorganisation der Mission 5.3.2 Kaiserspende (1913) 5.3.3 Weltwirtschaftskrise 5.3.4 Fazit 105 105 107 108 111 5.4 Zusammenfassung 112 6 Glaubensprinzip und Spenden werbung der Allianz-China- Mission 114 6.1 Fredrik Franson und Carl Polnick 6.1.1 Beginn in Barmen 6.1.2 Fredrik Franson 6.1.3 Kontakte zur CIM 6.1.4 Fazit 114 114 116 118 121 6.2 Hermann Scholder-Develay und Wilhelm Meili 6.2.1 Hermann Scholder-Develay 6.2.2 Wilhelm Meili 6.2.3 Fazit 122 122 122 124 6.3 Eduard Zantop, Karl Engler, Wilhelm Rosenkranz und Kurt Zimmermann 6.3.1 Eduard Zantop 6.3.2 Karl Engler 125 125 125 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 5 6.3.3 Wilhelm Rosenkranz und Kurt Zimmermann 6.3.4 Offene Kommunikation 6.3.5 Ekklesiologische Verankerung 6.3.6 Fazit 126 126 128 132 6.4 Zusammenfassung 132 7 Glaubensprinzip und Spenden werbung der Liebenzeller Mission 134 7.1 Heinrich Coerper 7.1.1 Anfang in Hamburg (1899) 7.1.2 Neubeginn in Bad Liebenzell (1902) 7.1.3 Aufbau eines eigenen Trägerkreises 7.1.4 Hilda von Diest 7.1.5 Geben als pädagogische Aufgabe 7.1.6 Methodische Hilfestellungen 7.1.7 Kaiserspende (1913) 7.1.8 Fazit 134 134 138 139 142 143 145 146 147 7.2 Ernst Buddeberg 7.2.1 Organische Fortführung 7.2.2 Staatliche Restriktionen 7.2.3 Fazit 148 148 149 151 7.3 Zusammenfassung 151 8 Statistische Tendenzen der Spendenentwicklung 154 8.1 Gesamtentwicklung der Spenden 154 8.2 Vergleich der Jahresabrechnungen von 1912 156 8.3 Kassenverwaltung bei der Neukirchener Mission 1885 158 8.4 Detailanalysen zur Spendenverteilung 159 8.5 Regierungssubsidien der Neukirchener Mission 162 8.6 Zusammenfassung 163 9 Interpretationsmodell für die Spendenakquise 164 9.1 Ausgangslage 164 9.2 Eschatologischer Horizont als inspirierende Leitidee 9.2.1 Parusie Christi 9.2.2 Das Jüngste Gericht 9.2.3 Plastizität der Leitidee 9.2.4 Soziale Not 167 167 169 171 172 9.3 Beziehungsorientierte Leitung 172 9.4 Strategische Publizistik 9.4.1 Missionszeitschriften 9.4.2 Emotionalität 9.4.3 Spenderdank 175 175 177 179 9.5 Systematischer Aufbau von Förderkreisen 179 9.6 Soziokultureller Kontext 9.6.1 Internationaler Kontext 9.6.2 Regionale Rahmenbedingungen 184 184 186 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 6 9.7 Ökonomischer Kontext 9.7.1 Folgen des Ersten Weltkrieges 9.7.2 Das Inflationsjahr 1923 189 190 192 9.8 Politisch-juristischer Kontext 9.8.1 Devisenbeschränkungen 9.8.2 Sammlungsgesetze 9.8.3 Steuergesetzgebung 193 194 196 197 9.9 Zusammenfassung 198 1 0 Legitimation des Glaubensprinzips 200 10.1 Ausgangslage 200 10.2 Das theologische Defizit des Glaubensprinzips 201 10.3 Das kommunikationstheoretische Defizit des Glaubensprinzips 204 10.4 Eine Neubewertung des Glaubensprinzips 206 10.5 Das bleibende Proprium 207 1 1 Bibliographie 210 11.1 Archive und Archivalien 210 11.2 Primärliteratur 211 11.3 Sekundärliteratur 219 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 7 Verzeichnis der Grafiken Grafik 1: Biographie von Anthony Norris Groves 57 Grafik 2: Biographien von George Müller und Henry Craik 71 Grafik 3: Biographie von James Hudson Taylor 84 Grafik 4: Evolution des Glaubensprinzips 90 Grafik 5: Chronologie der Neukirchener Mission 113 Grafik 6: Chronologie der Allianz-China-Mission 133 Grafik 7: Chronologie der Liebenzeller Mission 152 Grafik 8: Quellen des Glaubens prinzips im deutschen Kontext 153 Grafik 9: Kassenverwaltung bei der Neukirchener Mission 1885 158 Grafik 10: Interpretationsmodell der Spendengewinnung 166 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 8 Abkürzungsverzeichnis AEM Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen ACM Allianz-China-Mission AM Allianz-Mission AMZ Allgemeine Missions-Zeitschrift BFeG Bund Freier evangelischer Gemeinden CB China-Bote CES Chinese Evangelisation Society CIM China-Inland-Mission CM Chinas Millionen CMS Christian Missionary Society DCAM Deutsche China-Allianz-Mission DEMA Deutscher Evangelischer Missions-Ausschuss DEMB Deutscher Evangelischer Missions-Bund DEMH Deutsche Evangelische Missions-Hilfe DEMR Deutscher Evangelischer Missions-Rat DEMT Deutscher Evangelischer Missions-Tag EC Jugendbund für Entschiedenes Christentum ELTI East London Institute for Home and Foreign Missions EMW Evangelisches Missionswerk KM Kieler Mission LM Liebenzeller Mission LSPCJ London Society for Promoting Christianity among the Jews MuH Missions- und Heidenbote NAMZ Neue Allgemeine Missions-Zeitschrift NM Neukirchener Mission WEC Weltweiter Einsatz für Christus WMC World Missionary Conference Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 9 1 Dispositi o n 1.1 Die Thematik Die vorliegende Arbeit berührt einen scheinbar recht profanen Aspekt der missionarischen Unternehmungen: ihre Finanzierung durch Spendengewinnung. Bei näherer Betrachtung wird jedoch schnell deutlich, dass es sich hier um einen nervu s rerum der Mission handelt. Nüchtern konstatiert die Weltmissionskonferenz in Edinburgh (1910), dass der Erfolg der Mission neben der Qualif ikation der Missionare im wesentlichen in der Menge der vorhan- denen Finanzen besteht: „The success of foreign m issions largely depends upon the financial support it re- ceives and upon the candidates available for appointment ... In order that there may be no misunderstanding, it should be stated that there is no Missionary Society which believes that success depends wholly upon financial support. There is an universal expression of opinion that it is through the Divine Spirit that missions will and must succeed“ (WMC 1910:146). Die ganze Geschichte der deutschen protestantischen Missionen ist dementsprechend auch immer ein Mühen und Ringen um die Akquise der notwendigen Gelder. Seit den Tagen von Bartholomäus Ziegenbalg (1683-1719) und seiner Trankebarmission (Oehler 1949:27- 44) ist das Geld einer der schmerzenden Minimumfaktoren in der Mission. Fast scheint es, als sei der finanzielle Mangel ein character indelebilis der sprichwörtlichen „poor germ an mission“. Niemand kann sich völlig dem Diktum Arno Lehmanns entziehen, wenn er schreibt: „D er Ruf nach Geld ist die ständige und reichlich unerfreuliche Begleitmusik der Missionsarbeit von Anfang an gewesen: er gleicht einem Lied mit ungezählten Versen gleichen Inhalts“ (in Ruf 1963:121) . So verwundert es nicht, dass in Korrelation zur Spen- dengewinnung auch die Kritik an ihr existiert. Bekannt ist an dieser Stelle die Klage von Johann Tobias Beck seinerzeit gegenüber der Baseler Mission, deren Werben er als „Ablaßkram “ stigm atisiert (in Schlatter 1916:287). Und durch Thomas Manns Familienge- schichte Buddenbrooks, die ihm 1929 den Literaturnobelpreis beschert, findet der um Geld werbende Missionar selbst in der deutschen Literatur eine kritische Erwähnung. Die nach dem Tod ihres Mannes recht religiöse Konsulin Elisabeth Buddenbrook veranstaltet „Jeru- salemabende“, bei denen auch regelm äßig Ha ndarbeiten für Missionszwecke erstellt wer- den. Ihre Tochter Tony ärgert sich dagegen „ über die Pastoren und Missionare“, die nach ihrer Meinung „im Hause allzusehr das Regiment“ führen und „allzuvi el Geld“ bekomme n (Mann 1978:191-192). Gegenstand dieser Untersuchung ist ein Teil der deutschen evangelischen Missi- onsbewegung, der sich im ausgehenden 19. Jahrhundert konstituiert, um andere und neue Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 10 Akzente in der Spendengewinnung zu setzen: die Glaubensmissionen. Inspiriert von Per- sönlichkeiten aus dem angelsächsischen Raum, wie George Müller und Hudson Taylor, wollen sie Mission „im Glauben“, d.h. ohne gesteuerte Spendenwerbung durchführen. Wie die deutschen Glaubensmissionen ihre Theorie der Spendengewinnung entwi- ckeln, und wie sie tatsächlich in der Praxis verfahren – das ist das Thema der vorliegenden Arbeit. 1.2 Methodol ogie Die Missionsgeschichte als Teilbereich der Kirchengeschichte ist stets der Gefahr der Ha- giographie ausgesetzt. Ein Grund dieser permanenten Tendenz mag im Idealismus der Missionspioniere zu finden sein. Wenn Frauen und Männer das bürgerliche Leben zuguns- ten einer Existenz im fernen Land aufgeben, wenn unter Entbehrungen kirchliche Dienste verrichtet werden, wer mag da mit gutem Gewissen kritisch die wahren Sachverhalte durchleuchten? Und doch ist Werner Ustorf ausdrücklich zuzustimmen, wenn er kritisch formuliert: „Pointiert gesagt: Missionsge schichtsschreibung ist weder kulturelle noch denominationel- le Hofberichterstattung“ (Ust orf 1995:16). Gerade für die Missionsgeschichte gilt das, was Heinrich Bornkamm im Anschluss von Wilhelm Dilthey für die ganze Kirchegeschichte als Desiderat artikuliert: die „Mahnu ng zu äußerster Unbefangenheit“ und die „Unerschro- ckenheit des Geistes“, „d ie auch auf liebgewordene Anschauungen um der Wahrheit willen zu verzichten mag“ (Bornkamm 1949:13). Missions geschichte ist zu unterscheiden von der Gattung der Missionsliteratur oder von organisationsinternen Darstellungen, die leider all- zu oft dazu neigen, pro domo zu sprechen. Diese Sensibilisierung entspringt nicht einem fremden Hyperrealismus, sondern ist Ausdruck eines reflektierten Kirchengeschichtsverständnisses. In seinem Essay Kirchenge- schichte als Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift (1947) tituliert Gerhard Ebe- ling die „Kritik“ als ein „Haupterfordernis historischer Arbeit“ (Ebeling 1947:10): „Die der Geschichtswissen schaft zugrunde liegende und im deutschen Wort ‚Ge- schichte’ enthaltene Dialektik zwischen dem objektiven Geschehen in der Vergan- genheit und dem subjektiven Verstehen des vergangenen Geschehens in der Ge- genwart macht die Kritik zum Haupterfordernis historischer Arbeit. Und zwar in dem doppelten Sinn einer kritischen Reinigung der mannigfach getrübten Quellen sowie einer kritischen Reinigung des mannigfach getrübten Vorverständnisses des Historikers“ (:10-11). Die Kirchengeschichte – und die Missionsgeschichte als ein Teil von ihr – ist nicht eine „heilige Geschichte“, die von der profangeschich tlichen Historie zu trennen wäre (:16). Es Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 11 existiert hier kein Arkanum, das von der Kritik zu schützen sei. Und es gibt auch keine „theologische Historiographie“ in dem Sinne, da ss sie in der Geschichte „die Spuren und Urteile Gottes“ aufdeckte und diese dann unangreifbar wären.1 „Es könnte“, so Ebeling, „nur eine theologi sche Historiographie geben, nämlich ei- ne solche, die die Verkündigung des Wortes Gottes in die Geschichte verfolgte“ (:16). Im Grunde geht es um das „Aufeinanderbezoge nsein von Wort Gottes und Geschichte“, um „die Geschichte des Zeugnisses von Jesu s Christus in der Geschichte“ (:16). 2 „Die Kir- chengeschichte ist das, was zwischen uns und der Offenbarung Gottes in Jesus Christus steht“ (:26 ). „Kirchengeschich te“, s o präzisiert Ebeling es für das evangelische Verständ- nis, „ist die Geschichte der Ausleg ung der Heiligen Schrift“ (:22). Dabei vollzieht sich die „Auslegung der He iligen Schrift“ nicht exk lusiv in Ver- kündigung, Lehre oder theologischer Reflexion, sondern nimmt einen ganzheitlichen Cha- rakter ein: „Auslegung der Heiligen Schrift vollzieht sich in Kultus und Gebet, in theologi- scher Arbeit und persönlichen Entscheidungen, in kirchlicher Organisation und Kirchenpolitik, in der Weltherrschaft der Päpste und in der Kirchenhoheit von Lan- desherren, in Kriegen im Namen Gottes und in Werken barmherziger Liebe, in christlicher Kulturgestaltung und klösterlicher Weltflucht, in Martyrien und Ket- zerverbrennungen. Unter ‚Auslegun g’ will nich t nur die ausgesprochene, nicht nur die bewusste, sondern auch die unbewusste, nicht nur die positive, sondern auch die negative Beziehung zur Heiligen Schrift verstanden sein“ (:2 4). Aufgabe der kirchengeschichtlichen Arbeit ist es, „diese Relation des Geschehens zur Hei - ligen Schrift“ zu identif izieren und „das Gesc hehen zu ordnen und zu wägen“ (:24). In dieser Bewegung übt sie zwei Funktionen aus. Zum einen fragt sie, „wieweit historis che Vollzüge, Entwicklungen und Ansichten gelungene oder mißlungene Bezugnahm en, Umsetzungen oder Revisionen biblischer The- ologumena, biblischer Lebensordnungen und Frömmigkeitsgestalten sind“ (Markschies 1995:150). Die Kirchengeschichte trägt damit auf ihre Art „zur Entwicklung von Beurtei - lungskriterien“ für Theologie und kirchliche Sozialgestalten bei (:150). Neben dieser kriti- schen Dimension füllt sie aber auch zusätzlich eine konstruktive Funktion aus. Die Kir- chengeschichte, so Heinrich Bornkamm, verhilft der gegenwärtigen Gemeinde „zu mög- 1 „Der Ki rchenhistoriker hat darum bei der allgemeinen Geschichtswissenschaft in die Schule zu gehen und nicht bloß an ihren Forschungsergebnissen, sondern vor allem an ihren Arbeitsmethoden zu lernen. Das ent- bindet ihn jedoch nicht von der Notwendigkeit, die Frage der Methodologie der Geschichtswissenschaft im Blick auf sein Stoffgebiet erneut und selbständig zu durchdenken“ (Ebeling 1947:10). 2 Äh nlich auch Kurt Dietrich Schmidt in seinem Grundriß der K irchengeschichte (1963): „D ie Kirchenge- schichte ist nichts weniger als die Geschichte des in der Welt fortwirkenden Christus“ ( Schmidt 1963:9) oder Heinrich Bornkamm in seinem Werk Grundriß zum Studium der K irchengeschichte (1949): „D ie Kirchenge- schichte ist die Geschichte des Evangeliums und seinen Wirkungen in dieser Welt“ (Bornkamm 1949:17). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 12 lichster Vollständigkeit in den Äußerungen des Glaubens und des kirchlichen Lebens“ (Bornkamm 1949:19): „Jede Zeit ist einseitig. Sie hat ihre eigenen Probleme, Gedanken und Ausdrucks- formen. Der innere Zusammenhang des Geschichtsverlaufs ginge weithin verloren, wenn immer nur eine Periode mit ihren Besonderheiten die andere ablöste und nicht in der geschichtlichen Erinnerung eine unerschöpfliche Quelle gem einsamen geisti- gen Besitzes gegeben wäre. Aus ihr kann sich jede Zeit ergänzen und erneuern“ (Bornkamm 1949:19). Die Bereicherung durch die Begegnung mit dem Gewesenen greift auch Ebeling auf, wenn er schreibt: „Nur in der Auseinandersetzung m it unserer eigenen Vergangenheit werden wir ihr gegenüber frei, – frei allerdings nicht im Sinne absoluter Beziehungslosigkeit. Die Geschichte bleibt in jedem Fall, so wahr sie uns jetzt und hier unabsehbar berei- chert, eine unabsehbare Belastung. Als erkannte Geschichte jedoch vermag sie eine fruchtbare Belastung zu werden“ (Ebeling 1947:4). Dieses heuristische Prinzip der kirchengeschichtlichen Forschung soll auch der spezifisch theologische Gesichtspunkt dieser Untersuchung sein. Es impliziert sowohl die kritische Analyse als auch die Frage nach der Inspiration für die Gegenwart. Wie entwickelt sich das Glaubensprinzip ideengeschichtlich? W elche Anwendung findet es bei den deutschen Glaubensmissionen? Wie ist es im Kontext der biblischen Texte zu beurteilen? Und gibt es ein bleibendes Proprium bei der Spendengewinnung der Glaubensmissionen für die Ge- genwart? 1.3 Charak ter der deutschen Glaubensmissionen Die im 19. Jahrhundert entstehenden Glaubensmissionen sind nicht nur neue, sondern „neuartige Missionen“ (Franz 1993 :1). Von den bereits existierenden Gesellschaften unter- scheiden sie sich sowohl in der Missionstheologie als auch in der Missionsmethodik. Ur- sprünglich ein angelsächsisches Phänomen, fassen sie nun peu à peu in Deutschland Fuß. 3 Hervorzuheben ist die ekklesiologische Seite dieser Glaubensmissionen, die „inter- denominationell und kirchengründend zugleich“ ist (Fiedler 1987:132). Im Gegensatz zu den älteren Missionen repräsentieren sie keine strenge kirchliche Bindung, sondern verste- hen ihre missionarischen Bemühungen stellvertretend für die allgemeine Kirche (:20). Ent- sprechend können in der Regel die Missionare ungeachtet ihrer denominationellen Hinter- gründe den Glaubensmissionen beitreten. So geschieht es immer wieder, dass Missionare 3 Einen Überblick über Geschichte und Charakter der deutschen Glaubensmissionen bieten Oehler 1951, Fiedler 1987, Fiedler 1988, Fiedler 1989 und Fiedler 1991. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 13 mit gegensätzlichen ekklesiologischen Ansätzen zusammenarbeiten. In den Missionslän- dern entstehen dann oft Kirchen mit presbyterialer Ordnung und baptistischer Taufpraxis (:132). Es fällt auf, dass in den Glaubensmissionen einzelne Gruppen Verantwortung über- nehmen können, wie dies sonst in der Weltmission nicht üblich ist. Dazu zählen besonders die Dienste von Frauen und von Missionaren ohne akademische Ausbildung. Wichtiges Element der Missionsmotivation ist ihre ausgesprochene eschatologische Tendenz. Die Neigung der Glaubensmissionen, in erster Linie vom Christentum unerreichte Gebiete zu missionieren, wurzelt in ihrer Überzeugung, dass die Wiederkunft Christi erst möglich wird, wenn alle Völker mit dem Evangelium erreicht sind (:28). Das ihnen eigentümliche Finanzierungsprinzip gibt ihnen ihren Namen: „Glau- bensmissionen“. Moira McKay konstatiert zu R echt: „Faith m issions is a term generally applied to nondenominational foreign mission agencies whose governing concept is to look to God alone for financial support“ (McKay 1981:6). In der Praxis bedeutet es, dass ihre Missionare auf ein festes Gehalt verzichten, da sie überzeugt sind, Gott werde sie mit den nötigen Mitteln für den Unterhalt versorgen. In Korrespondenz dazu steht auch der Anspruch der aussendenden Missionen, niemals aktiv um Spendengelder zu werben. Diese Haltung gründet in dem Vertrauen, das bei Hudson Taylor, dem Gründer der China-Inland-Mission (CIM), seine klassische Formulierung fin- det: „GOD’s work done in GOD’s way will never lack GOD’s supplies“ (Guinness 1893:238). Der Beginn der deutschen Glaubensmissionen ist mit der Gründung der Neukirche- ner Mission (NM) zu datieren.4 1877 hält George Müller (1805-1889) in den Städten am Niederrhein Vorträge und berichtet von den Erfahrungen in seinen Waisenhäusern im eng- lischen Bristol. Einer seiner Zuhörer, Ludwig Doll, reformierter Pfarrer in Neukirchen, beschließt, nach Müllers Vorbild ein W aisenhaus zu eröffnen und später sich auch für die Weltmission zu engagieren. 1878 kann die Waisenanstalt eingeweiht werden, 1882 folgt die Eröffnung des Missionshauses, wozu George Müller als Festredner geladen ist. 1887 beginnen die Neukirchener mit ihrer Missionstätigkeit im kenianischen Ngao unter den Stämmen der Pokomo. Die Relevanz der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt für die Erforschung der deutschen Glaubensmissionen ergibt sich aus ihrem „Vorbildcharakter“ für d ie deut- sche Situation (Brandl 1998:7). Mit Recht skizziert deshalb Wilhelm Oehler im zweiten 4 Zur Neukirchener Mission vgl. Brandl 1998. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 14 Band seiner Geschichte der Deutschen Evangelischen Mission die Prinzipien der NM, um damit die deutschen Glaubensmissionen zu porträtieren (Oehler 1951:44-47). In den ersten Jahren ihres Bestehens bildet die NM „eine n icht zu unterschätzende Vermittlerin“ zwi- schen den deutschen und angelsächsischen Glaubensmissionsbewegungen (Brandl 1998:7). Weiteres Spezifikum von Neukirchen ist ihre historische Unabhängigkeit von Hudson Tay- lor. Während die meisten deutschen Glaubensmissionen wichtige Impulse von ihm erhal- ten, bezieht sich Neukirchen nur auf George Müller. In seinem Buch J. Hudson Taylor und die China-Inland-Mission (1897) stellt Julius Stursberg, der Nachfolger Dolls, erstaunt Gemeinsamkeiten mit Taylor und der CIM fest, verwahrt sich aber gegen den Eindruck, dass hier eine geschichtliche Abhängigkeit vorliege (Brandl 1998:7). Seit dem Jahr 1892 besucht Hudson Taylor (1832-1905) den deutschsprachigen Raum regelmäßig und berichtet hier von der Arbeit seiner China-Inland-Mission. Durch ihn angeregt, gründet Johannes Witt (1862-1934), lutherischer Pastor und Leiter der Kieler Gemeinschaftsbewegung, 1897 die Kieler China Mission als deutschen Zweig der CIM. Wegen interner Differenzen löst die CIM die Kooperation bald wieder auf 5 und errichtet in Hamburg mit den beiden lutherischen Pastoren Johannes Röschmann (1862-1901) und Heinrich Coerper (1863-1936) 1899 einen neuen deutschen Zweig der CIM.6 Im selben Jahr kann Heinrich Witt als erster deutscher Missionar von den Hamburgern nach China ausgesandt werden. Mit Blick auf ökonomische Widrigkeiten nimmt Heinrich Coerper ein Angebot an, den Standort der Mission nach Liebenzell zu verlegen. Durch die Umsiedlung entstehen im Laufe der Jahre zwei neue landeskirchliche Gemeinschaftsverbände: die Süd- deutsche Vereinigung (1910) und der Liebenzeller Gemeinschaftsverband (1933). Schon bald entfaltet die Liebenzeller Mission (LM) eine größere Selbständigkeit gegenüber der CIM, indem sie 1906 vom Jugendbund EC eine Missionsarbeit auf den Karolineninseln übernimmt und 1914 auf Wunsch des Bundes Gläubiger Offiziere die Mission in Manus auf den Admiralitätsinseln beginnt. Zwei weitere Glaubensmissionen gehen auf den Amerikaner Fredrik Franson (1852-1908)7 zurück. Von seiner Gemeinde, der von Dwight Lyman Moody (1837-1899) gegründeten interdenominationellen Chicago Avenue Church, wird Franson 1878 als E- vangelist ausgesandt. 1889 reist er zum wiederholten Mal nach Barmen und gründet mit 5 1922 bietet die Kieler Mission ihre Arbeit der Breklumer Mission zum Verkauf an. Zur Geschichte der Kieler Mission vgl. Franz 1991. 6 Zur Liebenzeller Mission vgl. Franz 1993:188-232. 7 Zu Fredrik Franson vgl. Torjesen 1984. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 15 dem Kaufmann Carl Polnick (1856-1919) die Deutsche China-Allianz-Mission (DCAM).8 Am 5. Oktober 1890 findet in Barmen die Verabschiedungsfeier der ersten drei Missionare für China statt. Auch wenn die Allianz-Mission kein offizieller Zweig der CIM wird, arbei- tet sie mit ihr als assoziierte Mission immer eng zusammen. Im Oktober 1898 evangelisiert Franson in Ostpreußen, nachdem er elf Jahre zuvor schon einmal in dieser Gegend gearbeitet hat. Als eine indirekte Konsequenz seines Enga- gements darf die Entstehung des Diakonissenmutterhauses Vandsburg9 anzusehen sein. Franson hat, ähnlich wie Taylor, keine Bedenken, Frauen als Evangelistinnen einzusetzen. Und als einige, durch ihn inspirierte Frauen, als Diakonissen in den traditionellen Mutter- häusern kein geeignetes Umfeld finden, gründet das Ehepaar Blazejewski ein eigenes Mut- terhaus. Unter der Leitung von Theophil Krawielitzki (1866-1942) wird das Diakonissen- mutterhaus Vandsburg zur Keimzelle des Deutschen Gemeinschafts-Diakonie-Verbandes. Anfangs werden die Vandsburger Missionarinnen noch von Liebenzell ausgesandt, bis 1928 das Mutterhaus die chinesische Provinz Yünnan als eigenen Distrikt von der CIM erhält. Doch nicht nur China ist im Fokus der deutschen Glaubensmissionen. Der Mittlere Osten und Osteuropa rücken ebenso ins Blickfeld. 1896 wird der Deutsche Hilfsbund für christliches Liebeswerk im Orient gegründet, 1900 die Sudan-Pionier-Mission,10 1903 die Mission für Süd-Ost-Europa, 1904 die Evangelische Karmelmission, 1908 die Christoffel- Blindenmission und 1920 der Missionsbund Licht im Osten. Eine weitere geographische Ausdehnung erhalten die deutschen Glaubensmissionen durch die Gründungen der Gna- dauer Brasilien-Mission 1927 und der Marburger Brasilienmission 1932.11 Die Mehrzahl der heute in Deutschland ansässigen Glaubensmissionen entsteht erst nach dem Zweiten Weltkrieg.12 Heute sind sie in der Regel unter dem Dachverband Ar- beitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) zusammengeschlossen. Erwähnenswert ist, dass der Begriff „Glaubens mission“ in der Gegenwart nur noch einen historischen Cha- rakter besitzt. Während in den USA die bezeichneten Gesellschaften sich „interdenom ina- tional missions“ nennen, 13 werden im deutschsprachigen Raum die Glaubensmissionen ausnahmslos als evangelikale Missionen identifiziert (Fiedler 1992:12; Franz 1993:1). 8 Zur Allianz-Mission vgl. Franz 1993:79-125. 9 Zur Vandsburger Mission vgl. Franz 1993:258-266. 10 Zur Sudan-Pionier-Mission vgl. Sauer 2001. 11 Zur Marburger Brasilienmission vgl. Schmidt 1991. 12 Die erste eigenständige deutsche Gründung ist 1959 die Mission „Fr eunde Mexikanischer Bibelzentren“ (Fiedler 1992:36). 13 So heiß t der Zusammenschluss der historischen Glaubensmissionen in den Vereinigten Staaten „I nterde- nominational Foreign Mission Association“ . Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 16 1 . 4 Forschungslage Lange Zeit führen die Glaubensmissionen in den deutschen Missionswissenschaften ein Aschenbrödeldasein. Typisch für die Reserviertheit gegenüber den neuen Missionen ist Gustav Warnecks Frontstellung. So warnt er seinerzeit in der Allgemeinen Missions- Zeitschr ift (AMZ) im Zusammenhang mit der Gründung der Neukirchener Mission als zehnte deutsche Missionsgesellschaft vor einer drohenden Atomisierung der protestanti- schen Mission (AMZ, 9, 1882:505-509).14 Und als Ludwig Doll, der Gründer und Leiter der Mission in Neukirchen stirbt, empfiehlt Warneck Dolls Nachfolgern sich der Rheini- schen Mission in Barmen anzuschließen (AMZ, 10, 1883:463). Warneck bemängelt vor allen Dingen theologische Defizite, die sich besonders in der Eschatologie der neuen Mis- sionsbewegung manifestieren. Sie gehe davon aus, dass die Mission der Völker die Parusie Christi beschleunigen könne. Dies habe eine unzureichende Missionsmethodik zur Folge: Die Verkündigung eile und deshalb spiele die Ausbildung der Missionare keine Rolle (Warneck 1903b:235). Warneck wendet sich ebenso gegen den Dienst der vielen Frauen in den Missionen15 und registriert kritisch, dass die Männer nur zu einem Bruchteil ordiniert sind (Warneck 1905:112).16 Ebenfalls ablehnend ist Franz Michael Zahn (1833-1900), der Mitherausgeber der AMZ, in seiner Beurteilung. Sein Vorwurf ist, dass die Glaubensmissionen eine Ver- schwendung der Ressourcen bedeuten.17 Ähnlich kritisch äußert s ich 1935 Julius Richter (1862-1940) in seinem Buch der deutschen Weltmission . Alle protestantischen Missionen erhalten einen eigenen Raum zur Darstellung. Nur die Glaubensmissionen werden als so- genannte „G emeinschaftsmissionen“ summarisc h abgehandelt (Richter 1935a:223ff.). Einen grundsätzlichen Neuansatz bei der Interpretation der Glaubensmissionen führt Wilhelm Oehler (1877-1966) in seiner Geschichte der deutschen evangelischen Mis- sion (1951) durch. Oehler räumt den Glaubensmissionen einen separaten Raum als eigen- 14 Erst 1898 erhält Dolls Nachfolger, Julius Stursberg, in der AMZ mit dem Bericht Z ur N eukirchener Missi- on in Ost afrika (AMZ, 25, 1898:117-125) die Gelegenheit zur Selbstdarstellung. 15 In Warnecks Personalstatistiken werden Frauen als Missionare nicht gezählt. Frauen können in seinen Augen nur Missionarsfrauen sein oder, falls ledig, „m issionarische Hilfskräfte“ (Warneck 1903a:247-249). Die Missionspredigt von Frauen erklärt er als „ung esund und schriftwidrig“ (Warneck 1903a:248). 16 Fiedler weist in diesem Zusammenhang auf das Kuriosum hin, dass die evangelikale Missionstheologie der Gegenwart sich oft als Fortführung der traditionellen Missiologie des 19. Jahrhundert einschätzt, wobei Gus- tav Warneck „d ie Hauptfigur“ d arstellt (Fiedler 1992:39). 17 „Ich gl aube, wenn man die ‚Gl aubensmissionen’ genau verfolgte, würde sich finden, dass keine andere so viel Zeit, Geld und Lebenskraft vergeudet an Unternehmungen, die dann liegen gelassen werden. Daß si e übrigens mit dazu helfen, die Maschen des Netzes, das ins Völkermeer geworfen wird, dichter zu machen, ist dennoch wahr“ ( AMZ, 25, 1898:369). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 17 ständige Missionsbewegung ein, die er als Korrektur des deutschen Missionslebens wür- digt (Oehler 1951:44). Diese positive Linie in der Rezeption führt nach dem Zweiten Weltkrieg Hans- Werner Gensichen (1915-1999) fort. In seiner Missionsgeschichte der neueren Zeit (1961) beschreibt er die Glaubensmissionen als „Mi ssionen der radikalen Erneuerung“, wobei er das Engagement und die Opferwilligkeit der Missionare hervorhebt (Gensichen 1961:41- 42). In Relation zu diesem Perspektivenwechsel gibt es in den letzten Jahren sowohl in der angelsächsischen Welt als auch im deutschsprachigen Raum den Versuch einer histori- schen Aufarbeitung der Glaubensmissionen. Sicher hat es in diesem Bereich noch nie an Literatur gemangelt, doch besitzt deren Großt eil wohl eher einen hagiographischen Cha- rakter.18 Diese defizitäre Situation verändert sich entscheidend durch die Untersuchung von Klaus Fiedler Ganz auf Vertrauen. Geschichte und Kirchenverständnis der Glaubensmissi- onen (1992). Fiedler zeigt auf, dass die Glaubensmissionen in der Geschichte der evangeli- schen Weltmission eine eigenständige Bewegung darstellen (Fiedler 1992:12-35). Im Ge- gensatz zu den gängigen denominationellen Typologien der Missionsgeschichte, entwi- ckelt Fiedler Kategorien, die sich am historisch-religiösen Kontext orientieren und neue Missionen hervorbringen. Dabei wird die Missionsgeschichte nicht als eine linear verlau- fende Entwicklung von Denominationen interpretiert, sondern als eine Geschichte von aufeinander folgenden Erneuerungsbewegungen. Die jeweiligen neuen Missionen sind aber nicht nur neue organisatorische Körper, sie repräsentieren in vielen Fällen auch neuar- tige missionstheologische und missionsmethodische Ansätze (:30). Im Vergleich mit den vorklassischen19 und klassischen Missionen,20 prägen die nachklassischen Missionen21 die Situation der Gegenwart. Zu den wichtigsten Gruppen der nachklassischen Missionen zäh- len laut Fiedler die Glaubensmissionen. Die erste bekannte ihrer Art ist die von Hudson 18 Lange Zeit ist die historisch-systematische Studie von Daniel Bacon From Fa ith To Fa ith: The influence of Hu dson Taylor on the faith missions move ment (1983) die einzige wissenschaftliche Monographie zum The- ma Glaubensmissionen, die über den Rahmen einer individuellen Mission hinausführt. 19 Zu ihnen zählen u.a. die Society for the Propagation of the Gospel (1701), die Dänisch-Hallesche Mission (1706) und die Mission der Herrnhuter Brüdergemeine (1732). Tragende Erneuerungsbewegung dieser Mis- sionen ist der europäische Pietismus (Fiedler 1992:25-26). 20 Zu ihnen gehören u.a. die Baptist Missionary Society (1792), die London Missionary Society (1795) und in Deutschland die Barmer Mission (1828). Das historisch religiöse Umfeld ist bei diesen Gesellschaften in der Erweckungsbewegung des ausgehenden 18. Jahrhunderts und des beginnenden 19. Jahrhunderts zu finden (Fiedler 1992:26-29). 21 Neben den Glaubensmissionen rechnet Fiedler zu ihnen die Freimissionen, die Nichtkirchenmissionen, die nachklassischen denominationellen Missionen, die fundamentalistischen nachklassischen Missionen, die denominationellen Glaubensmissionen, die Pfingstmissionen und die charismatischen Missionen (Fiedler 1992:30-35). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 18 Taylor 1865 gegründete China-Inland-Mission. Nukleusartig besitzt sie viele Charakteris- tika für die ihr folgenden Glaubensmissionen: Als Namen führt die CIM ihre geographi- sche Zielbezeichnung, sie ist interdenominationell ausgerichtet, die Missionare sind Mit- glieder und nicht Angestellte der Mission, und für die notwendigen Finanzen sind keine kirchlichen Beiträge vorgesehen (:30-35). 1.5 Zielsetz ung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, jenes Element der Glaubensmissionen zu untersuchen, das in der gegenwärtigen missionswissenschaftlichen Forschung als „Glaubensprinzip“ bezeichnet wird. Apostrophiert ist dieser Begriff, weil er als solcher in der Literatur der Glaubensmissionen kaum Erwähnung findet. Das Glaubensprinzip bezeichnet heute den Standpunkt, den die Glaubensmissionen gegenüber der Spendengewinnung einnehmen (Brandl 1998:71; Fiedler 1992:100; Franz 1993:13-15): Jede Art von Kollektieren und Spendenwerbung gegenüber Menschen wird strikt abgelehnt. Alles Bitten um Gelder wird allein dem Gebet zu Gott vorbehalten. Moira McKay hält in ihrer Dissertation Faith and Facts in the History of the China Inland Mission 1832-1905 fest, dass „the practise of not taking up a collection at a missionary meeting is fundamental to faith mission principles“ (McKay 1981:182). Darüber hinaus beinhaltet dieses Prinzip aber auch weitere Facetten. Nach Daniel Bacon und Moira McKay sind diese bei Hudson Taylor, der neben George Müller ja der prägende Exponent der Glaubensmissionen ist, folgende: der Verzicht der Missionsgesell- schaft auf die Inanspruchnahme von Schulden (Bacon 1983:32-33), die Absage an ein fest zugesagtes Gehalt der Mission an ihre Missionare (McKay 1981:182) und die Aussendung von geeigneten Missionaren unabhängig von den finanziellen Ressourcen der Mission (Ba- con 1983:32). Zwar liegen heute etliche historische Darstellungen über die Glaubensmissionen vor, doch eine kritische Betrachtung ihrer Finanzierungsmethoden steht noch aus. Dies ist insofern erstaunlich, als dass in der zeitgenössischen Literatur kontinuierlich auf dieses Momentum hingewiesen wird. So interpretiert Arthur Tappan Pierson (1837-1911), ein populärer Förderer der Glaubensmissionen seiner Zeit, diesen typischen Umgang mit den Finanzen als eines der Hauptkriterien der Glaubensmissionen (Pierson 1900:93-106). Auch heute gilt in der evangelikalen Missiologie der von Pierson beschriebene mo- dus der Spendengewinnung als historischer Wesenszug der Glaubensmissionen. Dabei fällt jedoch auf, dass die ausgesprochen optimistische Betrachtung Piersons einer gewissen Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 19 Nüchternheit gewichen ist. Während Fiedler die allgemeine Situation sibyllinisch so be- schreibt, dass es in der gegenwärtigen Praxis „sehr unterschiedli che Verständnisweisen dieser von allen geteilten Auffassung“ gibt (F iedler 1987:132), spricht Harold Lindsell bruta verba : „W hile many of them started with the same financial principles made famous by the CIM (never ask for money, never tell anyone except God of your need, and look to God through prayer to supply your needs) most of the faith agencies now ask for money or make their needs known to Christians everywhere“ (Lindsell 1971:206). Um die Untersuchung einigermaßen vernünftig einzugrenzen, beschränke ich mich hierbei auf die Neukirchener Mission, die Allianz-Mission und die Liebenzeller Mission. Diese Auswahl ist meines Erachtens zweifach begründbar: Erstens handelt es sich bei diesen Ge- sellschaften um die ältesten heute noch existierenden evangelikalen Missionen, die sich auf deutsche Glaubensmissionen zurückführen lassen. Dieser Umstand verspricht eine größere Nähe zu den ursprünglichen Ideen der Spendengewinnung als dies bei späteren Missions- gründungen zu vermuten ist. Und zweitens sind alle drei genannten Missionen von unter- schiedlichen Gründergestalten geprägt. Während George Müller in Verbindung mit der Neukirchener Mission zu bringen ist, steht Fredrik Franson in Beziehung zur Allianz- Mission und Hudson Taylor zur Liebenzeller Mission. Die chronologische Grenze der Arbeit ist auf das Jahr 1939 fixiert. Dieser terminus ante quem ist durch einen zweifachen Umstand sinnvoll: Zum einen bedeutet der Zweite Weltkrieg für die protestantischen Missionen in Deutschland eine deutliche „Zäsur“ (Brandl 1989:14). Die allgemeine Missionsarbeit kommt zum völligen Erliegen, viele der deutschen Missionare werden interniert oder verlassen das Missionsfeld. Nach den Kriegs- jahren findet bekanntermaßen eine grundsätzlic he Neuausrichtung der europäischen Missi- onen statt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird auch die Theorie und Praxis des Glaubens- prinzips als Finanzierungsmethode obsolet. Heute gilt als historisch sicher, dass das Glau- bensprinzip in der Tradition von Georg Müller und Hudson Taylor sich im angelsächsi- schen Raum auf Dauer nicht hat etablieren können.22 Die vorliegendende Arbeit wird dar- stellen, dass diese Entwicklung ebenso für die deutschsprachigen Glaubensmissionen gel- 22 Michael S. Hamilton stellt in seinem Essay More Money, More Ministry: The Financing of Ame rican Evan gelicalism Since 1945 die Tatsache heraus, dass im 19. Jahrhundert Müllers „fai th model“ und Moodys „ent repreneurial model“ gleichberechtigte Modelle in der evangelikalen Welt darstellen. Das Glaubensmo- dell gewinnt anfangs mit Taylor stark an Einfluss, denn es besitzt scheinbar die „ presumption of higher spiri- tuality“. Do ch spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg „ev angelical organizations would soon cast asides Müller in favor of Moody“ (Ha milton 2000:106). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 20 ten kann. Entweder kommt es bei den deutschen Glaubensmissionen erst gar nicht zu einer bewussten Adaption des Glaubensprinzips oder aber es findet eine kreative Umdeutung bzw. eine schleichende Erosion dieses Gedankens statt. 1 . 6 Quellenlage Der Quellenbefund zu den hier zu untersuche nden Glaubensmissionen ist reichhaltig. So- wohl die Liebenzeller Mission als auch die Neukirchener Mission verfügen über gut aus- gestattete Archive. Allein das Archiv der Allianz-China-Mission wird im Zweiten Welt- krieg zerstört. Im Zentrum der historischen Analyse stehen die kontinuierlich erscheinenden Mis- sionszeitschriften der Gesellschaften. Sind es doch gerade diese Periodika, mit denen sich die Glaubensmissionen an ihre Förderer wenden. Hinzu kommen die zahlreichen gedruck- ten Quellen der Missionsverlage. Bei der Erörterung der Genese des Glaubensprinzips kann auf die autobiographischen Zeugnisse von Anthony Groves, George Müller und Hud- son Taylor zurückgegriffen werden. Gerade im angelsächsischen Raum existiert zu diesem Bereich der Missionsgeschichte schon ein gewisses Spektrum an wissenschaftlicher Se- kundärliteratur. 1.7 Konz eption der Arbeit Die Arbeit ist so konzipiert, dass sie im Anschluss an die Disposition (Kapitel 1) in Kapitel 2 eine Übersicht gegenwärtiger Darstellungen des sogenannten Glaubensprinzips in der deutschen Missionswissenschaft unternimmt. Kapitel 3 greift die historische Diskussion zur Spendengewinnung im Allgemeinen und zum Glaubensprinzip im Besonderen auf. Diverse Repräsentanten der klassischen Missionsgesellschaften kommen hier zu Wort. Ihre Darstellung stellt den geschichtlichen Kontext der leitenden Fragestellung dar. Kapitel 4 analysiert die Genese dieser Finanzierungstheorie mithilfe ihrer populären Exponenten Anthony Groves, George Müller, Hudson Taylor und Artur Tappan Pierson. Die Struktur der Spendengewinnung wird anhand der Neukirchener Mission, der Allianz-China-Mission und der Liebenzeller Mission in den Kapiteln 5 bis 7 dargestellt. Es folgt eine Übersicht statistischer Tendenzen in Kapitel 8. Eine zentrale Rolle der Arbeit nimmt das neunte Kapitel ein. Hier wird der Versuch unternommen, ein Interpretationsmodell für die Spendenakquise der deutschen Glaubens- missionen aufzuzeigen. Mittels neuzeitlicher Ergebnisse der Fundraising-Forschung wer- den die internen und externen Schlüsselfaktoren ermittelt, die zum Spendenaufkommen der Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 21 Missionen wesentlich beitragen. Das zehnte Kapitel beinhaltet die kritische Rückfrage nach der Legitimation des Glaubensprinzips. Anhand von theologischen und kommunika- tionstheoretischen Kriterien werden die Defizite des Glaubensprinzips dargestellt. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 22 2 Die gegenwärtige Rezeption des Glaubensprinzips 2.1 Ausgangslage Der Begriff „Glaubensprinzip” bes itzt einen schillernden Charakter.1 In der Literatur der deutschen Glaubensmissionen findet er so gut wie keine Verwendung, dafür ist er in der missionswissenschaftlichen Literatur umso präsenter. Formal handelt es sich um eine Ü- bertragung des englischen Begriffes „faith principle”, inhaltli ch wird hiermit die Spenden- gewinnung und die damit einhergehende Finanzpraxis der Glaubensmissionen expliziert. In einer Tour d’Horizont soll in diesem Teil der Arbeit die zeitgenössische Darstel- lung des Glaubensprinzips mit seinen unterschiedlichen Facetten wiedergegeben werden. 2.2 Wilhelm Oehler In dem zweiten Band seiner Geschichte der Deutsche n Evangelischen Mission (1951) skiz- ziert Wilhelm Oehler die Glaubensmissionen in einem separaten Paragraphen (Oehler 1951:44-47). Der in seinen Augen neuen „Missi onswelle“ billigt er durchaus eine revitali- sierende Rolle in der deutschen Missionsgeschichte zu. Als „Zustrom ... neuen Lebens aus der angelsächsischen Welt“ (: 44) und Teil der „ne upietistischen Richtung“ (:44) vermögen die Glaubensmissionen dort, wo das institutionelle Moment Überhand gewinnt, neu zu inspirieren und zu motivieren. Neben diesem positiven Akzent meint er bei den Glaubensmissionen aber auch be- denkliche Seiten zu entdecken. Allgemein führt er hier das „alte Üb el deutschen Wesens“ an, „fremden Geist zu verehren“ und „fremde Formen nachzuahmen“ (:44). Oehler bezieht sich dabei auf die Missionsmethodik, welche die deutschen Glaubensmissionen in Beson- derheit von George Müller und James Hudson Taylor übernehmen. Die Bezeichnung „Glaubensmission“ interpreti ert er als „Bekenntnis“ und auch als ein „Urteil gegen die alten Gese llschaften“ (:45). So nimmt es nicht Wunder, dass Oehler den Begriff der Glaubensmissionen konsequent apostrophiert. In Anlehnung an Stursbergs Darstellung der Neukirchener Mission in der Allgemeinen Missions-Zeitschrift (AMZ, 25, 1898:12-18) nennt er „vier Grundsätze“ der Glaubensmissionen, die den vermeintlichen Anspruch des Glaubens in der Mission unterstreichen: die Interdenominationalität, der Verzicht der Spendenwerbung, die dezentrale Organisation und der private Charakter der 1 „The term is a slippery one. Biblically, as we shall see later, it means nothing more nor less than a life lived in union with Christ. But in some evangelical thinking, particularly in the field of missiology, a concept has arisen which – in practise – restricts the term to a sel ect group of believers who exercise faith not only for their salvation and, some would add, for their sanctification, but also for the supply of their material needs” (Rowdon 1995:339-340). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 23 Gesellschaft (1951:45-46). Der zweite Punkt, der das „Rechnungswesen der Missionen“ betrifft (:46), beinhaltet den Verzicht auf Schulden, die rigorose Ausrichtung der Ausgaben nach den Einnahmen und das Vermeiden von regelmäßigen Gehältern für die Missionare. In seiner Kritik an diesen Überzeugungen bezieht sich Oehler auf den Essay von Charles Buchner Glauben und Rechnen in der Mission (1907), der wiederum darlegt, dass der isolierte Glaube keine biblische Basis besitzt. In dem Verzicht auf ein kontinuierliches Gehalt liegt nach Oehler die Gefahr, dass dies leicht als „U ngerechtigkeit“ seitens der Mis- sionare empfunden wird. Hier sei vor allen Dingen die Geschichte von Gossners Mission zu nennen, die zeige, dass diese Praxis die „Arbeitsfreudigkeit“ lähme (1951:46). 2 . 3 Dietrich Kuhl In Folge der Jahrestagung 1991 des Arbeitskreises für evangelikale Missiologie publiziert der Informationsdienst der Deutschen Evangelischen Allianz (idea) eine Dokumentation mit den gehaltenen Referaten unter dem Titel Missionswerke ohne Spendenkampagnen – Die Glaubensmissionen heute und in der Vergangenheit. Ein Dokument ist das Referat Sind die speziellen Anliegen und Grundsätze der Glaubensmissionen heute noch tragfähig? von Dietrich Kuhl (Kuhl 1991:76-86), dem damaligen Missionsleiter von Weltweiter Ein- satz für Christus (WEC). In seinem Essay nennt Kuhl August Hermann Francke als den Begründer des Glau- bensprinzips. Im Gegensatz zu Klaus Fiedler interpretiert er die Verbindung von George Müller zu Anthony Norris Groves als eine „v on sekundärer Bedeutung“ (:86). Franckes Lebensbeschreibung und ein Aufenthalt in den Halleschen Anstalten seien für Müller von prägender Kraft gewesen. Von Müller habe dann Hudson Taylor das Glaubensprinzip für sich und seine China-Inland-Mission adaptiert (:77).2 Dieses ist in seinen Augen für Glau- bensmissionen ein konstitutives Element. Anders als zum Beispiel die Taylorsche Beto- nung der Reisepredigt, die als „zeitbedingt“ angesehen werden muss, sei das Glaubens- prinzip auch für den WEC heute von grundlegender Bedeutung (:80). Die Tragfähigkeit dieses besonderen Finanzierungssystems stellt Dietrich Kuhl außer Frage. Er weist darauf hin, dass selbst in den schweren Jahren der Weltwirtschafts- krise 1929-1932 und im Zweiten Weltkrieg der WEC als internationale Mission überlebt hat. Zwar habe, so Kuhl, „das Glaubensprin zip dazu beigetragen, daß der WEC nie zu den reichen Missionen gehört hat“ (:84). Auch ha be es in Einzelfällen ein Ausscheiden von Missionaren aus der Gesellschaft wegen finanzieller Fragen gegeben. Doch deren Anzahl 2 Zum tatsächlichen Einfluss von August Hermann Francke auf George Müller vgl. Kapitel 4.3.4 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 24 stehe in keiner Relation zu der großen Me nge derer, „die beze ugen können, daß Gott in Seiner Treue sie versorgt und ihnen auch ihre Arbeit ermöglicht hat“ (:84). Auch in der Mission selbst sei das Glaubensprinzip unbestritten und werde von den Mitarbeitern getra- gen. Für Kuhl besteht kein Zweifel: „Wir sind davon überzeugt, daß das sogenannte Glau- bensprinzip biblisch begründbar ist“ (:84). 2 . 4 Klaus Fiedler Aus der großen Menge der Publikationen, die Klaus Fiedler zu den deutschen Glaubens- missionen verfasst hat, ist sein Werk Ganz auf Vertrauen. Geschichte und Kirchenver- ständnis der Glaubensmissionen aus dem Jahr 1992 hervorzuheben. Es ist vor allen Dingen deshalb für die Diskussion unverzichtbar, weil Fiedler hier eine historische Typologie ent- wirft, in der die Glaubensmissionen als eigenständige Gruppe in der Kategorie der nach- klassischen Missionen erscheinen (Fiedler 1992:9-64). Der Begriff der „Glaubensmission“, der „von anderen stammt“, aber „dann doch von den damit Gemeinten übernommen wurde“ (: 11), fußt seines Erachtens auf dem Fi- nanzierungssystem der Missionen. Problematisch sei er, weil er einerseits anderen Missio- nen die Qualität des Glaubens indirekt abspräche und andererseits sich „im Kreis der Glaubensmissionen im Lauf der Geschichte auch sehr unterschiedliche Verständnisweisen der wirtschaftlichen Seite des ‚Glaubensprinzips’ entwickelt haben“ (:11). In diesem Zu- sammenhang ist sein Hinweis erwähnenswert, dass bis dato „keine umfassende Darstel- lung der Finanzierung der Glaubensmissionen“ ex istiere (:147). Im Vergleich mit der In- terdenominationalität als Hauptcharakter der Glaubensmissionen nimmt für Fiedler das Glaubensprinzip der Finanzierung allerdings eine sekundäre Funktion ein (:146). Fiedler nennt als „Vorstufen zu den Glaubensmissionen“ inter alia die Goßner Mis- sion und die Pilgermission St. Chrischona. Wiewohl „literarische Fernwirkungen“ denkbar sind, schließt er „direkte Beeinflussungen“ oder „persönliche Beziehungen“ aus (:28). Die historische Entwicklung des Glaubensprinzips lokalisiert Fiedler in der Brüderbewegung (:32), genauer gesagt bei Anthony Norris Groves, einem der ersten Missionare der engli- schen Brüderbewegung (:100). Er ist wiederum „Vorbild“ für George Müller (:100), der mit seinen Waisenhäusern in Bristol und der „Scriptural Knowledge Institution for Home and Abroad“ das Glaubensprinzip einem weiteren Kreis bekannt macht. Wenn Müller auch nur indirekt Einfluss auf die Weltmission nimmt, so ist seine langfristige Wirkung auf die Glaubensmissionen immens. So wird Hudson Taylor und seine China-Inland-Mission in Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 25 den frühen Jahren von Müllers Bibelgesellschaft unterstützt und Taylor übernimmt von Müller in der Folgezeit das Glaubensprinzip als modus der Finanzgewinnung (:100). Darüber hinaus trägt Müller in Deutschland auch direkt zur Gründung der Neukir- chener Mission als erster Glaubensmission bei. Nach einem Besuch Müllers im Rheinland ruft der reformierte Pfarrer Ludwig Doll nacheinander ein Waisenhaus und ein Missions- seminar ins Leben (:100-101). 2 . 5 Andreas Franz In seiner Arbeit Mission ohne Grenzen: Hudson Taylor und die deutschsprachigen Glaubens- missionen (1993) untersucht Andreas Franz solche deutschsprachigen Glaubensmissionen, die in einer direkten Beziehung zu dem Gründer der China-Inland-Mission (CIM), James Hudson Taylor, stehen. Zu ihnen gehören zuvorderst die Deutsche China-Allianz-Mission, der China-Zweig der Pilgermission St. Chrischona, die Kieler Mission und die Liebenzel- ler Mission (1993:2). Die „erste deutschspr achige Glaubensmission“, die Neukirchener Mission, führt er nicht auf, da sie auf George Müller, den er eine „weniger bedeutende“ Wurzel der Glaubensmissionen nennt, zurückgeht (:2). Nicht nur „neue“, sondern auch „neuartige“ Missionen tituliert Franz die genannten Gesellschaften (:1). Findet er bei der CIM und den von ihr beeinflussten Glaubensmissio- nen doch in der Summe zehn Missionsprinzipien, welche in der Zusammenstellung ihnen ein „charakteristisches Gepräge“ (:13) geben. Als erstes Merkmal beschreibt Franz das „Glaubensprinzip“ der CIM (:13-15). Zwar sei es nicht das „entscheidende Prinzi p“ zu nennen, doch kreiert es langfristig den Namen der Glaubensmissionen (:13). Ausgehend von Taylors Grundsatz, dass die mate- rielle Versorgung allein von Gott zu erwarten ist, verzichten die Missionare auf die Zusage eines festen Gehaltes. Die Gesellschaften lehnen im Gegenzug jegliche Kreditaufnahme und öffentliche Kollekten ab. Franz nennt darüber hinaus als typisches „Finanzierungssys- tem“ bei der CIM die Einrichtung eines „general fund“ und den usus der Veröffentlichung der anonymen Spendeneingänge (:14). Das Glaubensprinzip besitzt in der Theorie – wie die anderen Grundsätze auch – einen verpflichtenden Charakter für die mit der CIM assoziierten Missionen. Für Taylor selbst gehören die Bejahung des Glaubensprinzips, das Bewusstsein der eigenen Berufung und die Bereitschaft zur kulturellen Anpassung als Minimalvoraussetzungen zur Sendung des Missionars (:277). Franz schildert die praktische Anwendung der Taylorschen Missi- onsprinzipien im deutschsprachigen Kontext allerdings als problematisch. Trotz der orga- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 26 nisatorischen Verbundenheit, habe „keine“ dies er Missionen, so Franz in einem Resümee, loyal an den Grundsätzen der CIM festgehalten und auf Dauer praktiziert (:279). Kontinu- ierlich habe eine Anpassung an die klassischen Missionsprinzipien stattgefunden. Das Prä- dikat einer eigenständigen Bewegung will er den Glaubensmissionen dennoch auch wei- terhin zuerkennen. Betonen sie doch auch heute noch eine „auf bewusster Bekehrung be- ruhende[n] Frömmigkeit“ und ein daraus ab geleitetes „Kirchenve rständnis“ (:287). 2 . 6 Bernd Brandl In seiner 1998 erschienenen Arbeit Die Neukirchener Mission schildert Bernd Brandl die Geschichte der ersten deutschen Glaubensmission. Mit Blick auf die beiden ersten Missi- onsleiter Ludwig Doll und Julius Stursberg sowie George Müller als ihrer primären Inspi- rationsquelle nennt Brandl das Glaubensprinzip als eines von sieben Missionsprinzipien der Neukirchener Mission (Brandl 1998:102-116). Zum Ausdruck des Glaubensprinzips zählt Brandl neben den schon oben genannten Merkmalen auch den Verzicht der Kollekte außerhalb des kirchlichen Raums (:71-72). In Anlehnung an David Bebbington (1989:151-152) lokalisiert Brandl den histori- schen Ursprung des Glaubensprinzips in der Heiligungsbewegung (Brandl 1998:72-73). Obwohl er in Anthony Groves, einem der ersten Missionare der Brüderbewegung, den ei- gentlichen „Urheber“ des Glaubensprinzips en tdeckt (:72), ist für ihn nicht die Brüderbe- wegung, sondern die Heiligungsbewegung das geistige Klima, in dem das Glaubensprinzip reift. So nennt Brandl das Glaubensprinzip gar „einen entscheidenden Gedanken der Heili- gungsbewegung“ (:72). Die Betonung des Glaube ns als wirkungsmächtige Kraft in Hei- lung und Heiligung gewinnt durch George Müller und Hudson Taylor in den Missionen somit eine weitere Ausgestaltung: Das Wunder der Versorgung allein durch den Glauben wird zum lebendigen Hinweis für die Existenz Gottes. Bemerkenswert ist Brandls dezidierte Kritik am Glaubensprinzip mit Blick auf die Praxis der Neukirchener Mission (:453-455). Mit seinem Einblick in die Quellenlage stellt er die grundsätzliche Frage, inwieweit der „Glaubensstandpunkt“ von den frühen Missi- onsleitern wie Doll und Stursberg überhaupt in der Lage sei als „Glaubensprinzip“ für eine ganze Missionsgesellschaft zu gelten. Für die Neukirchener Mission gelte jedenfalls, dass „diese spezielle Theologie des Geldes“ (:453) si ch auf Dauer nicht als vorteilhaft erwiesen habe. Das selbstauferlegte Werbeverbot führt in der Missionszentrale immer wieder zu chronischem Geldmangel und lässt auf den Missionsfeldern die Gefahr der Bigotterie ent- stehen. „Anders ist es nicht zu verstehen“, so Brandl, „wenn manche Missionare einerseits Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 27 ganz aus Glauben leben wollten und andererseits lukrative Nebeneinnahmen hatten, die allerdings oftmals das nackte Überleben sichern halfen“ (:453). In gewisser Spannung stehen diese Äußer ungen Brandls zu seinem im Jahr 2003 publizierten Essay Mission in evangelikaler Perspektive im Rahmen des Leitfaden Ökume- nische Missionstheologie. Die gegenwärtigen evangelikalen Missionen in Deutschland werden hier vorzugsweise als geistige Erben der Glaubensmissionen skizziert (Brandl 2003:182). Dabei wird das „Glaubensprinzip“ ausgesprochen unkritisch als eines der kon- stitutiven Elemente der Glaubensmissionen dargestellt (2003:185). Das Glaubensprinzip ist hier „eine nur den Glaubensmissionen bis he ute eigentümliche Art der Finanzierung“ (:185). Über George Müller, der wiederum Hudson Taylor inspiriert, schreibt Brandl: „Ohne Menschen um Hilfe oder Geld anzuge hen, allein Gott im Gebet alle Anlie- gen sagend und dann im Vertrauen auf Gott damit rechnend, dass er für alle Be- dürfnisse das Nötige geben werden – auf diese Weise leitete Müller seine Waisen- häuser in Bristol“ (:185). Ohne die in seiner Dissertation aufgedeckten Mängel und Unzulänglichkeiten des soge- nannten Glaubensprinzips anzudeuten, bezeichnet er diese Art der „Finanzierung durch Spenden mit Variationen“ als gültig „bei allen evangelikalen Missionen“ (:185). 2 . 7 Zusammenfassung Die vorangehende Übersicht lässt die übereinstimmenden und unterschiedlichen Darstel- lungen des Glaubensprinzips in der Gegenwart deutlich werden. Alle Autoren betonen übereinstimmend das Glaubensprinzip als konstitutives Element der Glaubensmissionen. Ohne letztlich klären zu können, wie der Begriff an sich entsteht, wird die besondere Fi- nanzierungsmethode doch als namensstiftend interpretiert. Eingedenk der Einsicht, dass die Identität der Glaubensmissionen nicht auf das Glaubensprinzip verengt werden kann, so wird dasselbe doch quasi als character indelebilis angeführt. Zusammenfassend können fünf Facetten des Glaubensprinzips genannt werden: a) der Verzicht auf Spendenwerbung; b) die Ablehnung der Durchführung von Kollekten; c) keine Zusage von festen Gehältern an die Missionare; d) die Nichtaufnahme von Krediten; e) die Beschränkung der Finanzierung auf den kirchlichen Raum. Dabei kommt dem Verzicht auf Spendenwerbung ein Primat in der Bedeutungsskala zu. Gegensätzlich wird die Frage nach dem historischen Hintergrund des Glaubensprinzips beantwortet. Während Fiedler hier die Brüderbewegung als geistigen Kontext nennt, sehen Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 28 Brandl die Heiligungsbewegung und Kuhl August Hermann Francke als stärkste Inspirati- onsquellen. Unterschiedlich wird auch die Praktikabilität des Glaubensprinzips interpretiert. So skizziert Brandl die praktische Anwendung für die Neukirchener Mission als äußerst prob- lematisch, wogegen Kuhl für die internationale Missionsgesellschaft WEC dazu keinen Anlass sieht. Oehler weist mit Blick auf die Erfahrungen der deutschen Missionsgeschichte auf die gefährdenden Momente des Glaubensprinzips hin. Sowohl Franz als auch Fiedler entdecken Divergenzen in der Entwicklung des Glaubensprinzips bei den Glaubensmissio- nen, ohne diese allerdings näher zu erläutern. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 29 3 Die historische Diskussion der Spendengew innung 3.1 Ausgangslage Es gibt wenige Topoi, die in der missionswissenschaftlichen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts so kontinuierlich und engagiert disku- tiert werden wie die Thematik der Spendengewinnung. Mancherorts nimmt sie eine solche Breite ein, dass Franz Zahn in seinem Aufsatz Mission und Geld (1891) den Vorwurf auf- greift, das Geld erscheine, „während es in dem Missionswerk der ersten Christenheit kaum erwähnt werde“, „in der heutigen Missi on als die Hauptsache“ (Zahn 1891:355). Eine Begründung für diese auffallende Diskussionsbreite ist in der historischen Ent- wicklung der evangelischen Missionen in Deutschland zu suchen. Als eigenverantwortli- che Gesellschaften ohne finanzielle Zusagen seitens der Landeskirchen, sind sie ständig herausgefordert, die notwendigen Mittel einzuwerben. Eine parallele theologische Reflexi- on findet daher ganz natürlich statt. Der Anspruch der Glaubensmissionen, Schulden zu vermeiden und auf Werbung zu verzichten, ist dabei oft direkt oder indirekt ein Element der Diskussion. Allerdings werden hier die Glaubensmissionen weniger mit den deutschen Vertretern als vielmehr mit ihren angelsächsischen Exponenten, das heißt George Müller und Hudson Taylor identifiziert. Im Folgenden werden in chronologischer Reihenfolge prägnante Rezeptionen der Spendengewinnung seitens der deutschen Missionswissen- schaften dargestellt. Dies geschieht jeweils durch Darstellung ausgesuchter Texte zu die- sem Themenkomplex. 3.2 Friedrich Fabri: Die Rheinische Mission im Juni 1869. Mi ttheilung und Aufruf (1869) Im Sommer 1869 veröffentlicht die Rheinische Mission ihren Bericht Die Rheinische Mis- sion im Juni 1869. Mitt heilung und Aufruf, der zusätzlich als Separatdruck an die verbun- denen Missionsvereine weitergegeben wird. Der Aufruf ist vom Missionsinspektor der Missionsgesellschaft, Dr. Friedrich Fabri (1824-1891), verfasst und vom Beirat der Rheini- schen Missions-Konferenz unterschrieben. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 30 Hintergrund des Schreibens ist das seit einigen Jahren kumulierte Defizit der Mission in Höhe von 35.000 Thalern.1 Neben ihrem erklärenden Charakter zur Ursache der aufgelaufenen Schuld und der Bitte zur Deckung der finanziellen Lücke enthält Fabris Schrift auch grundsätzliche Ge- danken zur Thematik der Spendengewinnung und des Umgangs mit Finanzen im Rahmen einer Missionsgesellschaft. Das ist wohl auch der Grund, weshalb in der zeitgenössischen missiologischen Literatur immer wieder auf Fabris Äußerungen Bezug genommen wird (Christlieb 1876:78; Warneck 1876 :14). Gustav Warneck bezeichnet sie in seinem Werk Die apostolische und moderne Mission (1876) als eine „in weiten Kreisen bekannt gewor- dene vortreffliche Denkschrift“ (W arneck 1876:14). In einem ersten Schritt greift Fabri ihm gegenüber geäußert e Vorschläge zum Umgang mit dem finanziellen Engpass auf. Er verwirft die „an sich ganz schön klingende und in manchen Heimathkreisen noch immer popu- läre Idee, dass Brüder, vereinzelt in Heidenländer ausgesandt, sich selbst unterhal- ten und dabei missionieren sollen“ (Fabri 1869:199). Mit Hinweis auf die Misserfolge der Gossnerschen Mission erklärt er diesen Weg als un- durchführbar. Es würde auch „den Mission sberuf der Brüder compromittieren und damit das ganze Werk demoralisieren“ (:199). Auch eine Redukti on des missionarischen Enga- gements sieht er durchaus kritisch. Wohl ließe sich in „secu ndären Missionszwecken, etwa im Schulwesen und colonisatorischen Unternehmungen“ etwas einsparen, doch „niem als“ bei den primären Aufgaben wie der „Evange lisationsarbeit“ (:212). Und wenn man sich dennoch für eine Beendigung eines Missionsprojektes entschlösse, dann entstünde die Ge- fahr, dass ebenso die Einnahmen durch die mit diesem Projekt verbundenen Förderer zu- rückgingen (:214). Für Fabri ist nur eine einzige Lösung der Dilemmata möglich, nämlich die Steigerung der Einnahmen: „Also was bleibt? Genügend wirksame Ersparnisse nicht ausführbar, Reduktion unmöglich, Ablösung auch nur der Anfang des Endes! W as übrigt noch? Nichts an- deres als die stete Loosung aller ächten Arbeit im Reiche Gottes: Vorwärts in Got- tes Namen!“ (:215). 1 Fabri nennt für die Jahre 1863 bis 1868 folgende Einnahmen und Ausgaben. Nur 1865 liegt ein positiver Abschluss vor (Fabri 1869:195): J ahr E innahme Ausgabe 1 863 69.300 Thlr. 84.000 Thlr. 1 864 72.200 Thlr. 76.800 Thlr. 1 865 74.000 Thlr. 66.300 Thlr. 1 866 64.400 Thlr. 77.000 Thlr. 1 867 63.900 Thlr. 75.900 Thlr. 1 868 71.900 Thlr. 88.800 Thlr. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 31 Fabri nennt als die vier hauptsächlichen Einnahmequellen der Rheinischen Mission „Bei- träge von Hülfs-Vereinen“, den „Collekten -Verein“, „directe freie Gaben“ und „Ver- mächtnisse“ (:215). Nach de m „Feuer eine r kurzen Kritik“ gegenüber d en genannten Ein- nahmen (:215), wendet sich der Aufruf unter den Überschriften Vom Glauben und vom Calcul (:226-231) und Sind Schulden geziemlich? (:231-236) dann grundsätzlichen Über- legungen zu. Für Fabri ist nichts „schwieriger in eine m freien Glaubens- und Liebeswerke, zumal in einer ausgedehnten Missionsarbeit, als stets das richtige Verhältniß zwischen Glauben und verständiger Ueberlegung zu treffen“ (F abri 1869:226). Er formuliert die Frage: „ Wie wird da jederzeit das richtige Verhältniß zwischen Glaube und Calcul, oder sagen wir lieber zwischen Glaube und Weisheit der Ueberlegung zu finden sein?“ (:226), und findet seinerseits zur Überzeugung: „Eine allgem eine Antwort, eine feste Formel, welche das allezeit richtige Proporti- ons-Verhältniß zwischen diesen beiden Faktoren ausspräche, giebt es nicht und kann es nicht geben, denn die Dinge des Reiches Gottes bewegen sich im Gebiete der Freiheit und eines höheren Lebens, als das unter starren Gesetzen und Formeln gebundene, materielle Leben“ (:226). An diesem Punkt unterscheidet sich für Fabri der „Kaufmann“ von einer Missionsgesell- schaft. Würde der mit denselben „Glaubensfa ktoren“ rechnen wollen, er „würde für ver- rückt angesehen, und mit Recht, und würde jedenfalls bald bankrott machen“ (:226). Auch wenn dieser als Christ mit dem Eingreifen Gottes rechnet, so muss sein „Geschäfts-Calcul“ sich doch immer in den „Grenzen natürlic her Arithmetik“ bewegen und kann nicht „zu jener höheren Potenzenlehre aufsteigen, in der Kräfte des Geistes auch die irdischen Zah- lenverhältnisse zu lenken und zu herrschen berufen sind“ (:226-227). Vice versa ist es auch einer Missionsgesellschaft verwehrt, allein nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu ent- scheiden. Sie „würde sofort rückw ärts gehen und dem Bankrotte unaufhaltbar zueilen“ (:227). Nach Fabri befinden sich Glaube und Rechnen in der Mission in einer geheimnis- vollen Balance, die sich eher in organischen als in technischen Kategorien ausdrücken lässt: „Jedes Gew ächs, jede Arbeit im Reiche Gottes hat ein verborgenes Wachsthums- und Lebens-Gesetz in sich, in dessen richtiger Erkenntniß die Grundlage zur richti- gen Leitung und Mitarbeit ruht. Es ist eben so schädlich unter Umständen dasselbe im überfliegenden Glauben zu überschreiten, als hinter dem wirklichen und natürli- chen Entwicklungstriebe in irreführender Aengstlichkeit zurückzubleiben“ (:228). Bei anstehenden Entscheidungen bedarf es deshalb „eines geistlichen Sensorium s, eines geistlichen Taktes, der nur aufgrund der Erfahrung gewonnen und ausgebildet wird“ (:230). Auch wenn Fabri sich an dieser Stelle nicht explizit auf die Glaubensmissionen Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 32 bezieht, so nimmt er nolens volen s zu ihnen Stellung. Der nackte „Glaubensgeist“ reicht bei der Missionsleitung nicht aus, es muss vielmehr „der von der Weisheit aus Erfahrung getragene Glaubensgeist“ sein. Denn nach der Charismenlehre des Paulus sind ja sowohl der Glaube als auch die Weisheit gleichberechtigte Gaben Gottes (:231). Bei der Frage nach der Angemessenheit von Schulden einer Missionsgesellschaft nimmt Fabri dann expressis verbis auf einen Exponenten der Glaubensmissionen, nämlich George Müller, Bezug. Er konstatiert, dass es „offenba r ein bedeutsamer Unterschied“ sei, „ob Gott einen einzelnen Mann erweckt, und diesen mit einem speciellen charisma- tischen Glaubens-Geist ausrüstend zu einem bestimmten Glaubens- und Liebes- Werk beruft, oder ob er ein solches an einen Verein von Christen überträgt, die eine in Statuten formirte in einen Vorstand und viele Unterabtheilungen gegliederte, aus vielen Köpfen, ja vielleicht aus verschiedenen Parteien und Confessionen zusam- mengesetzte Gesellschaft bilden“ ( :232). Unterschiedliche Größen- und Strukturverhältn isse erfordern eben eine unterschiedliche Arbeits- und Finanzpraxis. Und ob der ausgesprochen „personelle Standpunkt“ bei „einer ausgebreiteten Arbeit in der Heiden-Mission“ überhaupt pr aktikabel ist, wird für Fabri erst die Zeit zeigen (:232-233). Fabri gibt zu, dass es „gewiss nicht schön, jedenfalls nicht an- genehm“ ist, „wenn eine Missionsgesellschaf t häufig von Schulden gedrückt wird“ (:233), aber für Missionen mit einer Größe wie die der Rheinischen Mission ist es „praktisch ganz unmöglich, die Ausgaben wirklich nach den Einnahmen einzurichten“ (:235). Die Tatsa- che, dass zwar die Ausgaben – „freilich nur in Bausch und Bogen vorbehaltlich einer Dif- ferenz von mehreren tausend Thalern“ – eini germaßen kalkulierbar sind, die Einnahmen aber nie, lässt Defizite und Liquiditätslücken zwangsläufig immer wieder entstehen (:235). Fabri geht sogar so weit, den Defiziten der Missionsgesellschaften in gewissen Grenzen eine geistliche Dimension zuzuordnen. Sie dienen zur „Aufrüttl ung der Heimathgemeinde, zur erneuten Anspornung in der Mitarbeit des Glaubens, des Gebetes und der Liebe“ (:236). Mit dem notwendigen Quantum an Selbstbewusstein bezeichnet Fabri den „jeweili- gen Schuldenstand“ als „die Differenz zw ischen dem Glauben des Vorstandes und dem Glauben der Missions-Heimath-Gemeinde“ (:236). 3.3 Theodor Christlieb: Der gegen w ärtige Stand der evangelischen Heidenmission (1880) Theodor Christliebs (1833-1889) Essay Der gegenwärtige Stand der evangelischen Hei- denmission. Eine Weltüberschau (1880) umfasst sowohl eine kompakte Skizze der protes- tantischen Missionen „in de n Heidenlanden“ als au ch der „Miss ionsagentien der Mutter- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 33 kirchen“ seiner Zeit (Christlieb 1880:6). Mit ei nem „kurzen Vergleich des Einst und Jetzt“ stellt er summarisch fest, „daß wir in eine m Jahrhundert der Missionsarbeit leben, wie die christliche Kirche noch keines sah“ (:6-7). Mom ente, die seines Erachtens nach diese Ein- schätzung belegen, sind u.a. die geografische Ausdehnung der Missionsgebiete (:7-10), „das W achsthum des Missionssinnes“ (:10-11) , die Vermehrung der Missionsgesellschaf- ten und ihrer materiellen Kräfte (:11-15) und „der unm eßbar tiefe und weite m oralische Einfluß des Evangelium s“ (:15-16). Dennoch hat dieses „ermuthigende Bild“ fü r Christlieb auch seine „Kehrseite“, denn er konstatiert, dass in großen Teilen de r Weltmission „trotz schö ner partieller Fort- schritte im Großen und Ganzen m ehr als vielversprechende Anfänge bis heute nicht ge- macht sind“ (:17). Und er stellt die kritisch e These auf, dass der Grund dieser Tatsache „in den Zuständen der Mutterkirchen selbst zu suchen“ ist (:18) . Christlieb zitiert Gustav Warneck, wenn er schreibt: „Nicht die f eindliche Welt mit ihren hämischen Angriffen ist das Haupthinderniß einer lebendigeren Missionsbethätigung unter uns; es lieg t in den Kreisen, die den Schein der Missionsfreundschaft haben, aber die Kraft derselben verleugnen“ (:19). Christlieb erinnert in diesem Zusammenhang an die „Begeisterung der Gründerzeit“, wie sie bei der Abordnungsfeier der vier ersten Barmer Missionare 1829 zu Tage trat, als auf die Opferteller nicht nur Geld, sondern auch goldene Ketten, Uhren und Preziosen gelegt werden (:19). Die fehlende Förderung in Deutschland manifestiert sich vornehmlich in den chronischen Defiziten, mit denen etliche Missionsgesellschaften seit einigen Jahren zu kämpfen haben (:19). Um seine These von der ausbaubaren Unterstützung in der Heimat zu unterstrei- chen, führt Christlieb empirische Vergleiche an. So weist er darauf hin, dass Deutschland im Vergleich mit dem englischen Nachbarn bei den Ausgaben für die Weltmission weit abfällt. Etwa sieben bis acht Pfennig spenden die Mitglieder der deutschen und schweizeri- schen Landeskirchen jährlich für die Mission (:28). In der englischen Staatskirche dagegen kommt jedes Mitglied auf rund eine Mark im Jahr, in der United Presbyterian Church gar auf vier bis fünf Mark (:22). Die Christen in England bringen alleine mehr als die Hälfte der Gesamtleistungen der protestantischen Missionen weltweit, etwa 14.000.000 Mark per annum, auf (:21). Ein ähnlich beschämendes Ergebnis gilt für die Gegenüberstellung mit den Vereinigten Staaten. Die 375.000 aktiven Mitglieder der Kongregationalisten spenden pro Kopf ca. fünf bis sechs Mark, die beiden Presbyterianerkirchen des Nordens und des Südens mit ihren 682.000 Kommunikanten etwa drei bis vier Mark (:24). Außerdem erhal- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 34 ten in keinem Land der Welt die Missionen „so große Schenkungen und Verm ächtnisse von einzelnen Wohlhabenden wie in Amerika“ (:24). Einen weiteren Hinweis, auf die noch nicht ausgeschöpften Potenziale der deut- schen Kirchen sieht Christlieb in dem Umstand, dass die Missionsgelder in Deutschland selbst sehr unterschiedlich ausfallen. „Am weitesten stehen wol die Gegenden (besonders des mittleren Deutschlands) zurück, in welchen die Nachwirkungen des alten Rationalis- mus noch am fühlbarsten sind“ (C hristlieb 1880:28). Die meisten Finanzen für die Welt- mission bringen „th eils mild lutherische, theils unirte Lande wie Württemberg, Rheinland und Westfalen (besonders die Siegener und das Ravenberg’sche Land)“ auf (:28). In einer Skala berechnet geben die Protestanten je Mitglied und Jahr in Württemberg 20 bis 25 Pfennig, im Rheinland und in Westfalen etwa 17 Pfennig, in Bremen, Hamburg, Hannover, Oldenburg, Schleswig-Holstein und Baden zehn Pfennig, in den sechs östlichen Provinzen Preußens und in Bayern fünf Pfennig, in Mecklenburg und im Königreich Sachsen nur etwa zwei Pfennig. Allerdings sind auch in diesen Ländern regionale Differenzen deutlich. So kommen im rheinischen Elberfeld und Barmen die Protestanten auf 18 bis 19 Pfennig, in Aachen aber nur auf drei bis vier Pfennig (:28). Für Christlieb ist kein Zweifel, dass die- se „große Ungleichheit in de m Missionsinteresse der Gemeinden“ vom „ungleichen Ver- halten der Geistlichen“ herrührt (:31). „Nein, an Geld fehlt es nicht, aber an Verständniß und innerer Liebe für dieses Werk“ (:32). Um diesem misslichen Umstand entgegenzuwirken und zur „Erweiterung der hei- mathlichen Missionsgemeinde da und dort“, nennt Christlieb abschließend als Desiderate „einig e praktische Winke“ (:33 -35): - Zielgruppe der Bemühungen für ein vertieftes Missionsinteresse dürfen nicht einzelne Christen, sondern sollte jeweils die ganze Gemeinde sein; der „wahr e, opferwillige Träger des Missionsgedankens“ is t aber „n icht unsere Kirche talis qua lis, vermischt, verweltlicht wie sie ist, sondern die communio Sanctorum et vere credentium “ (:33); - Den Universitäten sollte ein besonderes Interesse der Missionen gelten, denn hier wird die junge Generation der Theologen geprägt (:33); - Der „Miss ionsgedanke“ darf nicht „isolirt“, etwa bei Missionsfesten, in Erscheinung treten; er s ollte ein „integrierend er Faktor des christlichen Gemeindebewußtseins“ werden (Christlieb 1880:33-34); - In den einzelnen deutschen Ländern ist eine „grö ßere Concen tration auf Unterstützung einer bestimmten Mission wünschenswerth“, denn es ist eine „Thatsache, daß die m is- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 35 sionseifrigsten Gemeinden des In- und Auslandes immer ihr Hauptinteresse einer be- stimmten Gesellschaft zuwenden“ (:34); - Die Verbreitung der Missionsschriften ist zu fördern (:34); - Die Einführung von Patenschaften soll bejaht werden, d. h. „einzelne reichere Gem ein- den“ übernehm en den Unterhalt eines Missionars oder die Trägerschaft einer ganzen Station (:34). 3.4 Franz Michael Zahn: Mission und Geld (1891) Im Jahr 1891 veröffentlicht der Missionsinspektor der Norddeutschen Mission und Mither- ausgeber der Allg emeinen Missions-Zeits chrift, Franz Michael Zahn (1833-1900), einen Aufsatz, in dem er die „Verbindung“ aufgreif t, an der kontinuierlich „Anstoß“ genomme n wird: Mission und Geld (Zahn 1891:355). Für Zahn selbst ist es keine Frage: „Ohne Geld keine Mission, ohne viel Geld, ohne Geld in der modernen Form keine Weltmission, die alle Erdteile umspannt“ (:361). Zahn for muliert in seinem Essay ein Plädoyer für eine posi- tive und offensive Haltung gegenüber der Gewinnung von Finanzen für den Zweck der Mission. Kronzeuge seiner Überlegungen ist dabei der Heidenapostel Paulus selbst, der bekanntermaßen keine Scheu an den Tag legt, als er um die Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde wirbt (:355). Er, der „ein ganz guter Finanzmann“ und „ein ausgezeichneter Kollektant“ ist (:365), m acht überaus klar: Nicht das Geld an sich ist kritikwürdig, es ist allein der Umgang mit demselben, der es verdächtig macht. „Schm utzig wird das Geld erst, wenn es durch unsere Hände, durch unsre Beutel geht; da heftet sich das an, was häßlich ist“ (:362). Und ebenso kann es bei rechtem Gebrauch als ein gesegnetes Instrument fun- gieren. Deshalb macht es auch wenig Sinn „wie der Bristoler Müller“ aus „f alscher Geist- lichkeit oder in Reaktion gegen einen Mißbrauch “ die M enschen nie um Geld zu bitten (:363). „Allein eine Bitte nich t aussprechen, ist manchmal nur die andre Form zu bitten.“ (:363).2 Es gilt vielmehr, die divine Qualität der Spendensammlung neu zu entdecken. „Die Heidenmission ist die Lehrmeisterin kirchlicher Freigebigkeit geworden“ (:364). Das Bit- ten um Geld wird zum „Segen“ (:364). Es is t eine „Tugend“, und „zu dieser Tugend soll die Christenheit ermahnt werden“ (:372). Natürl ich kann es sich hierbei nicht um die me- chanische Freisetzung von Gaben handeln: „W ie Geld haben keine Sünde ist, so ist Geld geben an und für sich keine Tugend ... Es hat nur Verdienst oder richtigen Wert, wenn es Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 36 eine Frucht der Liebe ist“ (:367 ). Die echte „Freigebigkeit“ kann nur „aus dem Herzen“ heraus wachsen. Dies geschieht aber nicht als ein in sich autonomes Geschehen, sondern „allerlei k leine Hilfsmittel und Mittelchen“ erle ichtern es, „daß m an sein Geld los wird“ (:373). Die Animation zur angestrebten Großzügigkeit steht in einer unauflösbaren Span- nung menschlicher Bemühungen und göttlichem Wirken. 3.5 Fried rich von Bodelsch wingh. Dürfen christli che Anstalten und Missionsgesellschaften Schulden machen? (1896) Im Jahr 1896 verfasst Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910) als Leiter der Anstalt Bethel bei Bielefeld einen Essay mit dem provozierenden Titel Dürfen christliche Anstal- ten und Missionsgesellschaften Schulden machen? Hintergrund der Schrift sind aktuelle „Gerüchte“ zur Finanzierungs praxis der „hiesigen Anstal ten“ (Bodelschw ingh 1896:227).3 Unter anderem steht der Vorwurf im Raum, Bethel könne nur mit großen Krediten die Ar- beit aufrecht erhalten (1896:229). Bodelschwingh gibt unumwunden zu: „Es ist wahr! Un- sere Anstalten sind wohl die belastetsten in Deutschland. Mit einer Million wären unsere Schulden bei weitem nicht bezahlt“ (:229) . Zur Überraschung der Leser geht Bo- delschwingh aber sogleich in die Offensive, wenn er schreibt: „Darüber en tsetzen sich viele Freunde. Der Schreiber dieser Zeilen aber, den man meist als den unverständigen Schuldenmacher ansieht, kann um dieser Schulden willen sehr ruhig schlafen, wenn er auch von Herzen dankbar ist für jeden Pfennig, um den die Schuld sich mindert“ (:229). Bodelschwinghs Argumentationskette für diese positive Haltung besteht aus zwei Glie- dern. Zum einen greift er den in kirchlichen Werken weit verbreiteten Vorbehalt gegenüber Krediten auf. Dieser beinhaltet, dass man weder als Privatperson noch als juristische Kör- perschaft seine Ausgaben über Schulden finanzieren solle (:227). Dieser allgemeinen Dar- stellung des Sachverhalts hält Bodelschwingh eine differenzierte Sichtweise entgegen: „Es gibt böse Schulden und gute Schulden, leichtfertige und gewissenhafte, und ich bin weit 2 „Au ch diese Männer würden schwerlich so viel von ihrem Werke veröffentlicht haben, wenn sie nur das Gebet nötig gehabt hätten. Nach der Ordnung Gottes dient es zu unsrer Erziehung, dass auch in geistlichen Dingen die äußeren Mittel b edürfen“ (Zahn 1891:363). 3 Zwar wird an dieser Stelle die neue Verantwortung Bethels für die Deutsch-ostafrikanische evangelische Missionsgesellschaft (auch Berlin III genannt) ex pressis v erbis nicht erwähnt, aber sicher spielt ihre finan- zielle Rolle hier auch eine Rolle. So hatte die am 15. April 1886 in Berlin von kolonialen Kreisen gegründete Mission in den Jahren 1898 und 1899 einen Fehlbetrag von etwa drei Viertel der benötigten Jahreseinnah- men. Durch die Kooperation mit Bethel geschieht sukzessive eine Konsolidierung. Auf Bodelschwinghs Rat wird die Sammlung „B rot für Steine“ ins Leben gerufen, aus der sich 1900 der Pfennigverein für die Ostafri- kamission entwickelt. In der Gestalt der Baseler Halbbatzen-Kollekte ähnelnd, wird dies später die sicherste Einnahmequelle der Mission. Am 1. Oktober 1906 wird die Missionsleitung ganz nach Bethel verlegt (Oehler 1951:23-25). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 37 davon entfernt, der ersten Klasse das Wort zu reden“ (:227). W ährend „böse Schulden“ solche ohne Deckung sind, verfügen „gute Schuld en“ über die sichere Aussicht, bald ge- tilgt zu werden (:227-228). Und solche „guten Schulden“ b esitzen eine dezidiert biblische Grundlage. Bodelschwingh führt als Schriftbeweis die neutestamtliche Aufforderung zum Verleih an: „ Wenn ein Christ keine Schulden machen darf, so darf er auch niemand etwas lei- hen, denn dadurch würde er einen anderen ja zu einem Unrecht veranlassen, und er würde auch den Heiland ins Unrecht stellen, der da spricht: ‚Gib dem , der dich bit- tet, und wende dich nicht von dem, der dir abborgen will’“ (:228). Weitere Belegstellen sind für ihn Lukas 6:35 („ Leihet, da ihr nichts dafür hoffet“) und die Handhabe des Paulus mit dem Sklaven Onesimus. Sagt nicht auch der Heidenapostel zu Philemon, er habe sich zum Schuldner gemacht? (:227). Im Anschluss an diese Form der biblischen Argumentation fährt Bodelschwingh mit dem Erfahrungshorizont der Betheler Anstalt fort. Immer wieder seien dort Schulden für dringend benötigte Projekte aufgenommen worden. In Erinnerung an den Neubau von Bethel, der nur mit großzügigen Bürgschaft en von Förderern und einem Kredit der Spar- kasse finanziert werden konnte, hält er fest: „Es lagen um diese Zeit 300 Anm eldungen armer epileptischer Kranker bereits vor. Hätten sie richtiger gehandelt, wie viele behaupten, wenn sie gesagt: ‚Erst m uß die ganze Bausumme bis auf den letzten Pfennig daliegen, ehe wir ans Bauen gehen, laßt die Kranken nur noch ein paar Jahr e in ihrem Elend liegen und schreien?’“ (:230). Auf diese rhetorische Frage folgt der Hinweis, dass die Mittel für die aufgenommenen Kredite schon eingegangen waren, als der Neubau fertiggestellt wurde. Gelder, „a uf die wir vielleicht bis heute noch warten müßten, wenn der Rat rich tig wäre: ‚Fü r christliche Anstalten darf man keine Schulden machen’“ (:230). Den größten Teil der Betheler Schul- denlast schreibt Bodelschwingh der Stiftung „Arbeiterheim “ zu (:231). Insgesamt 600.000 Mark wurden hierfür aufgenommen. Im Gegenzug konnten 126 Doppelhäuser für je zwei Familien mit Gärten errichtet werden. Durch die günstige Verzinsung des eigenen Kredits und die Ansparungen der zukünftigen Besitzer „nimm t die Schuld beständig ab, während die Besitzung mindestens ein Drittel mehr wert ist, als sie uns gekostet hat“ (:231). P oin- tiert formuliert Bodelschwingh: „W ir haben hier nur getan, was wir zu tun schuldig waren, und wünschen uns nur viel Nachfolger in diesem allerfröhlichsten Schuldenmachen“ (:231). Ein ebenso nicht unerheblicher Teil der Betheler Schulden gründet sich auch auf Kredite, die wiederum an andere diakonische Einrichtungen vermittelt werden. So hat die Anstalt in den letzten Jahren insgesamt 300.000 Mark an kleinere Einrichtungen weiterge- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 38 geben. Bodelschwingh sieht sich hier in der geistigen Nachfolge der katholischen Klöster (:232). „W ir sind hier also mit unseren Anstalten nicht nur die Borger, sondern auch die fröhlichen Darleiher von billigem Gelde“ (:232). Auch wenn Bodelschwingh in seiner Schrift sehr profiliert das Recht einer christ- lich geführten Einrichtung zur Kreditaufnahme vertritt, so bindet er dieses doch streng an zwei Konditionen: Zum einen muss der Grund des Kredits eine große Dringlichkeit besit- zen und zum zweiten soll die Leitung des Werkes unbedingt in der Lage sein, die anfallen- den Zinsen pünktlich zurückzuzahlen (:232-233). Einen Sonderfall in den Überlegungen zur Frage des Schuldenmachens nimmt die „Hei- denmission“ ein. Denn diese „ist am allerwenigsten in der Lage, irdische Sicherheiten zu bieten. Wenn sie auch manchmal Hunderte an Häusern und Quad ratmeilen von Land in den Heidenlanden besitzt, so stehen doch diese nicht in den Grundbüchern eingetragen und Hypothe- kenschulden lassen sich darauf nicht aufnehmen“ (:235). Nichtsdestotrotz soll auch sie unter den genannten Bedingungen Schulden aufnehmen dür- fen. Im Vollzuge dessen werden die Missionsgesellschaften zu einer „Wechselban k des Glaubens“, „für alle solche, die ihnen gerne ihr Geld leihen“ (:237). Und auch hier gilt, dass diese Schulden nicht ein lästiges Übel darstellen, sondern viel mehr als „Glaubens- schulden“ zu interpretieren sind. In der schon gewohnten Zuspitzung schreibt Bo- delschwingh: „Denn nichts ist lähmender für di e Kriege des Herrn als behagliche Sicher- heit und viel Geld. O, wie tut eine mäßige Armut so gut, und auch eine m äßige Schuld“ (:237). Mit Blick auf diesen Umstand rät der Leiter der Betheler Anstalten dem Leser „frei- willig und ungebeten einer Heidenmissionsgesellschaft Geld auch als Darlehen anzubieten, sofern er dazu in der Lage ist, ohne seine eigenen Hausgenossen zu versäumen“ (:235). Nicht die Missionen sollen um die nötigen Finanzen bitten müssen, sondern die Christen mögen von sich aus ihnen die Gelder anbieten (:236). Dieses Bereitstellen von Mitteln für die Mission sei allemal eine solidere Geldanlage als die Investition in „Spekulationspapie - ren“ (:235). Erwähnenswert ist der Schluss des Essays, in dem Bodelschwingh die Leser – ins- besondere die „Missionsleiter“ – ausdrücklich auffordert, zu seiner Auffassung Stellung zu nehmen und in die Diskussion zu treten (:238). Diese Haltung ist insofern hervorzuheben, als dass man sich bei anderen Autoren dem Eindruck nicht entziehen kann, es handele sich hier um einen articulus stantis et cadentis ecclesiae. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 39 3 . 6 Gustav Warneck: Evangelisc he Missionslehre (1903) In seiner Evangelischen Missionslehre skizziert Gustav Warneck (1834-1910), der „Alt - meister der deutschen Missionswissenschaft“ (Oehler 1949:191), seine Vorstellungen von der Finanzierung der missionarischen Aktivitäten. Im zweiten Band Di e Organe der Sen- dung stellt er im 24. Kapitel Der U nterhalt der Missionare (Warneck 1903a:207-217) mit Blick auf den neutestamentlichen Befund „d ie Berechtigung der Missionare zum Empfan- ge ihres Lebensunterhaltes“ fe st (:20). Versuche seitens Goßners und Heldrings, Missiona- re auszusenden, die „du rch ihrer Hände Arbeit sich ihr tägliches Brot“ verdienen, sind für Warneck bei aller Anerkennung des persönlichen Engagements nur „ein schattenreicher Beitrag zur Missionsgeschichte.“ „D ie überwiegend große Z ahl ihrer Sendlinge ist nämlich – außer aus Mangel an genügender Bildung und heimatlichen Anschluß – an Nahrun gsnö- ten teils wirklich zugrunde gegangen, teils dem Missionsberufe entfremdet worden, und nur ein kleiner Bruchteil hat sich tapfer durchgeschlagen“ (:209). Ebenso sind die „Indust- riemissionen“ und „Glaubensm issionen“ keine angemessenen Alternativen, verkennen sie doch die Funktion der „sendende[n ] Heim atgemeinde“ (:210-214). 4 Warneck erscheint es als „eine übergeistliche Bu chstabenklauberei“, wenn die geregelte Versorgung der Missio- nare von der heimischen Missionsleitung „f ür unbiblisch und ungläubig“ erklärt wird (:212). Im dritten Band Der Betrieb der Sendung betont Warneck im 26. Kapitel Die finan- zielle Selbstunterhaltung der heidenchristlichen Kirchen (Warneck 1903b:141-179), die Einsicht, dass „auf die Dauer für heidenchris tliche Kirchen die sendende Christenheit die nötigen Unterhaltungsmittel nicht aufbringen kann“ (:142). „Und selbst wenn sie es könn- te, sie darf es nicht“ (:143), denn die „sich selbst erhaltend en Kirchen sind in der alten Christenheit die selbständigsten“ (:147). Fina nzielle Selbständigkeit ist für Warneck ein Zeichen der geistlichen Integrität. Damit dies tatsächlich geschieht, nennt Warneck als Proprium den „Appell an die individuelle Frei gebigkeit“, der wesentlich durch „Beleh- rung“ und „Gewöhnung“ Gestalt gewinnt (:168). Darüber hinaus sollen die Missionsge- sellschaften die „Samm lung von Kirchenkapitalien“, den „Erwerb von Landbesitz“ und die „Gewinnerzielung aus industriellen und Hande ls-Unternehmungen“ forcieren (:171). Was die „m erkantile[n] Tätigkeiten“ anbelangt, ist darauf zu achten, dass sie nicht zu dem Zweck betrieben werden „nur um Geld zu verdienen“ (:168). Sie so llen, ähnlich wie der 4 Warneck apostrophiert konsequent den Begriff der „ Glaubensmissionen“: „Der Nam e ist wenig bescheiden, da er über die anderen Missionen, welche ihren Sendboten eine regelmäßi ge Versorgung gewähren, das indi- rekte Verdikt fällt, daß sie keine Glaubensmissionen sind. Daher das Beiwort: sogenannte“ (W arneck 1903a:212). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 40 Landbesitz, eine „wirtschaftliche Hebung der Eingeborenen“ bewirken und som it quasi als „ein indirektes Mittel“ zur „kirchlichen Selbstunterhaltung“ dienen (:173). 9 . 7 Zeller: Paulus als Kollek tant (1904) „ Collectare necesse es t“ – dessen ist sich Zeller, in seinem Vortrag vom 8. Februar 1904 in Halle, der im selben Jahr auch in der Allgemeinen Mis sions-Zeitschrift veröffentlicht wird, gewiss (Zeller 1904:304). Mit Blick auf das „Defizit“, dem „Skelett im Hause so mancher Missions- und anderer Gesellschaft“, for muliert der Magdeburger Pastor das Ziel der ge- meinsamen Bemühungen: „Es gilt, d as Gold, das Silber, den Nickel ins Rollen zu bringen und zugleich dafür zu sorgen, dass der Geldstrom in das richtige Bette sich ergieße“ (:304 ). Das „Kollek tieren“ ist f ür Zeller mehr eine „Kuns t“ a ls eine „ Wissenschaft“. „Zum Kollek- tanten kann man nicht so leicht herangebildet werden, man muß dazu geboren sein“ (:305). Immerhin lässt sich durch „Fleiß und Eifer“ eine „m angelhafte natürliche Anlage“ verbes- sern, kann die „fehlende Begabung durch techni sche Geschicklichkeit“ angehoben werden (:304). Zeller schätzt die Zeiten zur Geldsammlung für die Weltmission als keine einfa- chen ein. „Es ist ein Leiden“, schreibt er, wenn „m an durch ein mühsames, viel kostbare Zeit und Kraft in Anspruch nehmendes Drucksystem das zum Leben Notwendige einem harten Boden förmlich abringen muß“ (:306- 307). Erschwerend kommen mancherorts die Konkurrenzsituation zwischen unterschiedlichen Gesellschaften hinzu und die Tatsache, dass das „K ollektieren hin und wieder auf Bahnen geht, an denen ein christlich geläuterter Geschmack keine rechte Freude hat“ (:306). Den „Schlüssel“ zur F reisetzung der so dringend benötigten Finanzen für die Mis- sion findet Zeller bei keinem Geringeren als dem Heidenapostel Paulus, der selber „ein unermüdlicher und ein vom Erfolg gekrönter Kollektant“ ist (:308). Folgende Faktoren seitens Paulus haben nach Zeller zum Gelingen der Jerusalemer Kollekte beigetragen: - seine „system atische“ „Erziehung“ de r Gemeinden zum Geben (:309); - sein „Universalism us“, der jeden „Lokalpat riotismus“ ausschließt und imm er an den ganzen kirchlichen „Organis mus“ denken lässt (:310-311); - seine Animation zur „Noblesse“; Paulus ge wöhnt „die von ihm gewonne nen Christen“, sowohl für die materiellen als auch die geistlichen Bedürfnisse der anderen Gemeinden zu geben (:311-312); Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 41 - der Verzicht auf jede Art von „Fanatism us“ und „Komm unismus“; m it großer „Nüch- ternheit“ wird „den Gem einden niemals zugemutet, alles was sie haben hinzugeben“ (:312-313). Neben diesen theologischen Grundvoraussetzungen findet Zeller u.a. bei dem „Kollektan- ten Paulus“ (:312) auch einige methodische Charaktermerkmale: - das persönliche Engagement von Paulus; „P aulus sammelt wirklich, d.h. er arbeitet für diese Sammlung“ (:313); beim Kollektieren handelt es sich um eine Kampfsituation „m it einem listigen und zähen Feind, dessen Brust mit dreifachem Erz bewehrt ist, um den Kampf mit dem Geiz“ (:313); - das Zusammenspiel des Grundsatzes von „Bet e und arbeite!“ (:313) ; Wege der Missi- onsgesellschaften, wo nur das Gebet im Fokus steht und das Kollektieren einem „Hilfsverein “ oder einem „Dam enkuratorium“ übertragen wird, nennt Zeller ironisc h „eine etwas starke Ausnutzung m eines Rechtes auf Schlangenklugheit“; ohne die Glaubensmissionen hier zu erwähnen, greift er dennoch ihre Gefährdung auf (:314); - das Bemühen, „in persönlicher Beziehung und Verbindung“ m it den Förderern zu ste- hen; m it Blick auf Paulus und Personen wie George Müller und Friedrich von Bo- delschwingh macht Zeller die Beobachtung, „d aß die großen Kolle ktanten alle auch große Korrespondenten gewesen sind“ (:316); - die konsequente Übung der Dankbarkeit (:317). Zeller schließt zur Mo tivation den Vortrag mit der Erinnerung an ein Satzspiel, das von Gustav Warneck stammt: „Paulus sagt: Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb, und Warneck setzt dazu: Einen fröhlichen Sammler hat der Geber lieb. Das Kollektieren ist ein schweres Werk, a- ber auch ein Ehrenamt. Wir sollten dahin kommen, solch Werk mit Freuden zu tun und nicht mit Seufzen“ (:323). 3 . 8 Charles Buchner: Glauben un d Rechnen in der Mission (1906) Charles Buchner (1842-1907), Leiter der Mission der Herrnhuter Brüdergemeine, setzt sich 1906 in einer seiner letzten Arbeiten mit dem Verhältnis von menschlichen Überlegungen und göttlichem Wirken auseinander.5 Entsprechend dem Titel versucht Buchner eine Ant- wort auf die Frage zu formulieren, „in welc hem Verhältnis Glauben und Rechnen in der Mission zueinander stehen, und wie die Forderungen beider in Einklang miteinander zu 5 Da Buchner zum Zeitpunkt des Referates auf der Herrnhuter Missionswoche am 17. Oktober 1906 schwer erkrankt ist, wird der Vortrag von seinem späteren Nachfolger Paul Hennig gelesen (Buchner 1907:135). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 42 bringen sind“ (Buchner 1907:135). 6 Zwei Anstöße erfordern hi er eine gründliche Ausei- nandersetzung: Zum einen sind es die neuartigen Missionsgesellschaften, „die sich m it Vorliebe ‚G laubensmissionen’ nenn en“ (:136) . Mit ihrer Bezeichnung verbinden manche von ihnen den Vorwurf gegenüber den älteren Missionsgesellschaften, dass diese „gar zu sehr auf menschliches Kalkulieren aufgebaut seien“ und dem „i m Reich Gottes allein gilti- gen Glauben nicht die ihm gebührende Stellung zuerkennten“ (:136). Auf der anderen Sei- te sind es die „Mehrau sgaben“ der Gesellsch aften, die sich „aus der gan zen Weltlage“ und „den imm er neu der Mission erwachsenden Ausgaben“ ergeben (:136). Buchner verfolgt mit seinem Essay das Ziel, „theoretisch wie praktisch den Aus - gleich zu finden zwischen Glauben und Rechnen“ (:137). Er führt aus, dass beide Momen- te nicht durch Divergenz bestimmt sind, sondern sich gegenseitig ergänzen können. Die Wahrheit gleicht einer „Diagonale“, die zwischen menschlicher Anstrengung und göttli- cher Verheißung verläuft (:138). „Der Glaube ve rsetzt uns in eine unsichtbare, unsern na- türlichen Sinnen verschlossene Welt ... Rechnen dagegen führt uns hinein in die reale Welt dieser Erde“ (:138-139). Die Ki rchengeschichte bietet eine Fülle von Beispielen, wo ver- sucht wird, diese Einheit aufzulösen. Buchner erinnert an dieser Stelle, „daß es Ch risten gibt, die den Gebrauch ärztlicher Hilfe für unvereinbar mit dem Glauben halten“ (:139). Sowohl „Übergeistlichkeit“ als auch „Unge istlichkeit“ sind ständi ge Gefahren (:139). Doch weder reine „Jens eitsmenschen“ noch pure „Diesseits menschen“ entsprechen Gottes Plan (:140). Es gilt vielmehr, „nicht einseitig eine r Welt zu leben, sondern innerhalb der sichtbaren Welt und ihr auf jede Weise gerecht werdend, doch auch die Forderungen der unsichtbaren Welt nicht zu übersehen“ (:140). Zu „einer gesunden christlichen Weltan- schauung“ zählt es, diese beiden Dim ensionen nicht voneinander isoliert, sondern „als die eine Welt“ zu sehen: „Die Aufgabe des chris tlichen Lebens wird also darin bestehen, für diese beiden Welten gemeinsame göttliche Gesetze zu finden und damit die Einheit fürs Leben, Tun und Handeln“ (:140). Buchner exemplifiziert diesen Ansatz bei Jesus Christus selbst: Er, der vom bergeverset- zenden Glauben sprechen kann, fordert im Gleichnis des Turmbaus zur vernünftigen Kal- kulation auf (:141). Wer diesen Zusammenhang von Glauben und Rechnen bestreitet, macht sich einer „völlig verkehrten Exegese“ de r biblischen Texte „schuldig“ (:142). Doc h 6 Diese Arbeit von Buchner ist Wilhelm Oehler zufolge insofern noch heute interessant, als dass Buchner sich auch dem Standpunkt der „Glau bensmissionen“ stellt, „d ie meinen, die alten Gesellschaften hätten alles zu sehr auf Kalkulieren aufgebaut und dem weltüberwindenden Glauben die ihm gebührende Stellung nicht zuerkannt“ (Oe hler 1951:78). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 43 dort, wo alle menschlichen Optionen ausgeschöpft werden, da gilt die tröstende Gewiss- heit: „Jetzt darffst du glauben, jetzt, da du sowe it es dir möglich ist das Deine getan hast in ernster Arbeit, jetzt kannst du dich in Gottes Hand vertrauensvoll legen, nachdem du allen menschlichen Faktoren die gebührende Berücksichtigung geschenkt hast“ (:146).7 3.9 Siegfried Knak : Warum k ann eine alte Missionsgesellschaft ihre Ausgaben nicht nach den Einnahmen richten? (1913) Siegfried Knak (1875-1955) 8, Enkel des pommerschen Erweckungspredigers und Lieder- dichters Gustav Knak (1806-1878) und seit 1909 Heimatinspektor der Berliner Mission, hält 1913 auf der Halleschen Missionskonferenz einen Vortrag mit dem Titel Warum kann eine alte Missionsgesellschaft ihre Ausgaben nicht nach den Einnahmen richten? Der Text wird im selben Jahr in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Mission und Pfarramt abgedruckt. Hintergrund des Vortrages ist nicht ein rein akademisches Interesse, sondern die als bedrückend empfundene Tatsache, dass die Berliner Mission für das vergangene Jahr ein Defizit ausweist, dass in etwa die Hälfte der veranschlagten Jahreseinnahmen umfasst (Knak 1913:1). Auf diesem Hintergrund zitiert Knak den Vorwurf gegenüber der Berliner Mission, sie hätte Schulden gemacht „wie ein leichtsinniger Student“ (:1). In m ehreren Punkten bietet er eine Analyse der finanziellen Situation und wirbt um Verständnis. Zu Beginn greift Knak geäußerte Vorschlä ge auf, die der Mission bei der Schulden- tilgung helfen sollen, namentlich die Reduzierung der Missionarsgehälter und des Geld- flusses in die Missionsfelder. Knak hebt im Gegenzug die „Verpflichtungen“ gegenüber den Mitarbeitern der Berliner Mission hervor (:2-3). Seine Mission sei kein „Arm enunter- stützungsverein“, der „Wohltaten an Bedürftige“ austeilt (:2). „Ein solcher Verein hat ge- wiß genau soviel auszugeben, al s er einnimmt“ (:2) . Die Mission aber hat eine Verantwor- tung für ihren „beträchtlichen Arbeiterstab diesseits und jenseits des Meeres“ (:2). Eine Reduzierung der Gehälter sei zwar juristisch möglich, doch nur als ultima ratio denkbar. 7 In einem zweiten Abschnitt stellt Buchner dar, wie das Gesagte im Kontext der Herrnhuter Brüdergemeine Gestalt gewinnt (Buchner 1907:142-146). Dabei greift er schwerpunktartig einen Beschluss der Synode der Brüdergemeine auf, die die Mission seinerzeit zu zwei Dingen verpflichtet: Erstens, das Missionswerk soll auch zukünftig ein „Gl aubenswerk“ sei n, d.h. die „vo n den Vätern überkommene Arbeit“ soll in vollem Um- fang fortgeführt werden. Zweitens verpflichtet sich die Mission zu einer „ zeitgemäßen Reform “ des ges amten Rechnungswesens und beschließt die Einführung „ei nes jährlichen Voranschlags über Einnahme und Ausga- be“, wo alle berechenbaren Faktoren aufgenommen werden (:143). 8 1921 übernimmt Siegfried Knak als Nachfolger von Missionsdirektor Axenfeld die Leitung der Berliner Mission (Oehler 1951: 69; 302). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 44 Mit Blick auf die kleinen Gehälter der Missionare schreibt Knak, „wenn die Missionare ihr Gehalt rechtlich nicht fordern dürfen, so darf umgekehrt die Missionsleitung ihnen nur im allerernstesten Falle das tägliche Brot versagen“ (:3). De n Vorschlag der Eigenversorgung durch die Missionare lehnt er wegen der Erfahrung in der Goßnerschen Mission ab (:3). Ebenso schwer wiegt für Knak die Verantwortlichkeit gegenüber dem „Missions- werk“, das heißt den von der Mission ins Le ben gerufenen Kirchen (:3-6). Die Mission betreibe ja eine „Erziehungsar beit“, die wiederum „Stetigke it“ brauche (:3). Im Gegenüber zur Industrie versucht er das Proprium der Mission zu skizzieren: „Ein Fabrikant ist wohl in der Lage, wenn die Nachfrage nach seinem Artikel nach- lässt, einen Teil seiner Arbeiter zu entlassen und ein paar Maschinen stillstehen zu lassen. Aber das Missionswerk hat es nicht mit Maschinen und mit Arbeitskräften, die sie bedienen, sondern mit unsterblichen Seelen zu tun“ (:3-4). Als weiteren Vorschlag zur Defizitbekämpfung, der auch die Überschrift des Vortrages ergibt, greift Knak das Einfrieren der Ausgaben für die Missionszwecke auf. Er zitiert in diesem Zusammenhang die kritische Meinung, die Berliner Mission habe „in unverant- wortlicher Hartnäckigkeit immer neue Stationen gegründet, immer neue Unternehmungen ins Werk gesetzt“ (:9). Dieser „Diagnose“ des unkontrollierten Wachstums (:9) versucht er mit dem Hinweis auf das „organische(n) W achstum gesunder Missionsarbeit“ zu begegnen (:10). Wo Mission in angemessener Weise betrieben wird, da gewinnt sie automatisch auch an Ausdehnung und verursacht deshalb auch weitere Kosten. Knak geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er den dynamischen Aspekt der Ausgabensteigerung betont. Gele- gentlich der kontinuierlichen Steigerung der heimatlichen Missionseinnahmen schreibt er: „Man kann wohl bestim mt behaupten, daß ein solches Anwachsen der Einnahm en nicht erfolgt wäre, wenn die Gesellschaft in jedem Jahre ihre Ausgaben streng nach den Einnahmen des vergangenen Jahres berechnet hätte. Vielmehr sind die wach- senden Bedürfnisse auf dem Missionsfelde allezeit einer der stärksten Antriebe zum Wachsen der Einnahmen in der Heimat gewesen (:9). An dieser Stelle komme das „rechte Verh ältnis“ zwischen „Glauben und Rechnen“ zum Tragen. Dem Ratschlag „Hoff nungen, Glaubensgesichtspunkte, Gebete und dergl. andere kaufmännisch unberechenbare Imponderabilien“ außer acht zu lassen und sich „einm al einfach auf nüchternes Rechnen“ zu kon zentrieren, will Knak nicht folgen. „Eine Missionsgesellschaft ist nun einm al nicht nur ein kaufmännischer Betrieb. Sie würde sich selbst die Adern abbinden, wenn sie Glaubensgesichtspunkte außer Rechnung stellte. Ich meine das nicht nur in dem Sinne, daß Glaubenstreue nicht ohne inneren Schaden vergessen wird, nein, Glauben und Rechnen sind in der Mis- sion so eng miteinander verwachsen, daß de r Verzicht aufs Glauben zugleich auch unmittelbar wirtschaftliche Nachteile im Gefolge hat “ ( :11). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 45 Dies ist der eigentliche Grund für Knak, warum die Berliner Mission in ihrer prekären Si- tuation ihre Ausgaben nicht ausschließlich nach den Einnahmen richtet: Es ist die Einbe- ziehung des visionären Glaubens in die finanztechnische Planung der Gesellschaft (:12). So wie die Gründer der Berliner Mission nicht davon ausgehen konnten, dass die Kosten des Werkes sich in den Grenzen der ersten Jahresausgaben für immer halten würden, so könne dies auch nicht für die Gegenwart gelten. Ihre Planung schloss damals auch die „Glaubenskraft der späteren Generationen“ ein (:13). Die Verpflichtung zum Missionsen- gagement ist für Knak eine kirchliche Herausforderung, die durch die Zeiten hindurch im- mer größere Kreise zieht. „Sie [die Gründer] haben in ihre Kostenberechnung etwas vom Glauben an die eine heilige christliche Kirche hineingewoben. Sollen wir unsere Väter und ihren Glau- ben desavouieren, sollen wir uns weigern, ihren Wechsel einzulösen, oder wollen wir ihren Glauben an die Gemeinschaft der Heiligen bestätigen, und selber dadurch in unserem Glauben gestärkt werden?“ (:13 ). 3 . 1 0 Christoph Schomerus: Die Missi on und das Geld. Eine biblische und missionsprak tische Studie (1933) Als Missionsdirektor der Hermannsburger Mission veröffentlicht Christoph Schomerus (1871-1944) im Jahr 1933 in drei aufeinander folgenden Ausgaben der A llgemeinen Evan- gelisch-Lutherischen Kirchenzeitung seinen Beitrag Die Mission und das Geld. Eine bibli- sche und missionspraktische Studie. In seiner Einleitung zeigt Schomerus die Nähe zwischen den Themata Finanzen und Mission auf. So wie für die Mission das Geld „ein lebenswichtiger, ja lebensnotwen- diger Faktor“ ist, stellt die aufgebrachte Ge ldmenge der Kirchen den „Gradm esser[s] ihres Missionslebens“ dar. D em Geld kommt beim rechten Gebrauch eine divine Qualität zu (Schomerus 1930:754). Und so liegt es auf einer Linie, wenn er schreibt: „Indem das Geld in den Dienst Gottes und seines Reiches gestellt wird, wird es zu einer Quelle reichen Segens. Durch das Geld und an dem Geld offenbart Gott seine Herrlichkeit“ (1930:754). Doch auch eine „versuchliche Kraft“ wohnt dem Geld inne: „Auf de m Gebiet des Geldes stehen Gott und Teufel nahe beieinander. In dem Geld liegen verborgene Angeln und Klippen, die die Lauterkeit, Einfalt und Glaubens- kraft der Mission bedrohen“ (:754). Mit Hilfe der synoptischen und paulinischen Texte über den Umgang mit Finanzen im Be- reich der Evangeliumsverkündigung (:754-758) hält Schomerus fest: Erstens wird das Evangelium den Heiden „um sonst und ohne jede Entschädigung“ verkündigt. Zweitens sei es eine „Pflicht“ der jungen Gem einden gewesen, nicht nur für die Kosten der Evangeli- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 46 umsverkündigung im eigenen Ort aufzukommen, sondern die Verkündigung auch jenseits der lokalen Grenzen zu fördern (:758). Doch trotz dieser biblisch begründeten Verantwortung der Kirche für die Mission, besitzt letztere doch keinen finanziell saturierten Status. Die historische Entwicklung der protestantischen Mission in Deutschland bringe es mit sich, dass die Mission nur von „pri- vaten Gesellschaften“ getrieben werde (:778) . Selbst die Missionen der Brüdergemeine und die der Hannoverschen Freikirche haben insofern einen „privaten Charakter“, als dass ihre Mittel nicht aus den „allgem einen kirchlichen Mitteln“ gedeckt werden, sondern „auf freiwilligem Wege“ besonders aufgebracht werden müssen (:778). Als Beispiel führt Schomerus die finanzielle Situation der Hermannsburger Mission an. Die gegenwärtigen Ausgaben der Hermannsburger Mission lassen sich auf etwa 400.000 bis 450.000 Mark im Jahr beziffern. Die zur Deckung notwendigen Einnahmen aber „schweben völlig in der Luft“ (:780). „Die Mission hat keine Rechts ansprüche und kennt keine menschliche Si- cherheit“ (:780). Diese „äußere Abhängigkeit vom Gelde“ mutiert in der Mission zu einer „inneren Abhängigkeit von Gott“ (:804): „ Wir leben in der Mission von der Hand in den Mund. Die Hand ist leer und muß täglich aufs neue gefüllt werden. Aber Gott füllt sie täglich und läßt die nicht zu- schanden werden, die auf ihn harren“ (:804). Als ernste Gefahr für die Mission bezeichnet Schomerus die „Veräußerlichung in dem Hei- matbetrieb“, wozu er expressis verb is den „W erbedienst“ zählt (:802). Dennoch sei die Werbung an sich nicht zu kritisieren: „ Werbung für die Mission ist etwas tief Innerliches, tief Religiöses, etwas ganz und gar Geistliches. Denn Werbung für die Mission ist immer zugleich Werbung für den Herrn“ (:802). Mit Blick auf diese Erfahrung wehrt sich der Direktor der Hermannsburger Mission auch gegen die Meinung, „die gegenw ärtige Geldnot der Mission“ sei ein Anhaltspunkt, den modus der freiwilligen Finanzierung endlich aufzugeben (:804). Die Mission würde dann unweigerlich – so Schom erus – „ihren Schm elz einbüßen“ (:804-805). Darunter versteht er die „freiwillige Liebe, d urch die Gott „seine Herrlichkeit“ in der Mission offenbart. Der Verlust dieses „Quell der Freude und des Gl aubens“ (:805) sei ke inesfalls durch die scheinbare Sicherheit von „Kirchen kassen“ zu kompensieren (:803). Das Ziel der Werbung sind sowohl die „Her zen und Seelen der Menschen“ als auch „im Hintergrund“ ihre „Geldbe utel“ (:802). Dies zu vers chweigen sei unredlich: „Man verschleiert d ie Sache, wenn man sagt, die Mission solle nur Gott, aber nicht Menschen bitten. Jedes Wort über die Mission ist ausgesprochen oder nicht eine Bitte um Geld.“ (:803). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 47 Es komme allerdings auf die „Form “ an, „in die die Bitte gefasst“ ist. Ein e Ethik des Sammlungswesens bleibt ein fortdauerndes Desiderat der Missionsgesellschaften (:803): „ Wo das Geld in der Werbearbeit der Mission die Hauptrolle spielt, da wird das Werben zum Betrieb, verliert seine Einfalt und Lauterkeit und damit seine Kraft und sein Recht“ (:803). 3 . 1 1 Zusammenfassung Die vorliegenden Texte ergeben – trotz der jeweils unterschi edlichen Akzentuierungen – ein klares Bild von der Spendengewinnung, wie sie in der missionswissenschaftlichen Lite- ratur des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts diskutiert wird. Ein professi- oneller Ansatz auf dem Gebiet der freiwilligen Finanzmittel wird als unabdingbar darge- stellt. Wichtiger Hintergrund zum Verständnis ist die immer größer we rdende Spanne zwi- schen den Einnahmen und Ausgaben der Missionsgesellschaften. Parallel zu einem stetig wachsenden Spendenvolumen entwickeln sich die Verbindlichkeiten für die Missionen in einem noch größeren Maße (Fabri 1869:195-198). „Das Zeitalter der Mission ist angebro- chen“ (Christlieb 1876:80), und die expansive Ausdehnung der Gesellschaften erfordert enorme Finanzanstrengungen. Die Feststellung über das dürftige Spendenaufkommen im Vergleich mit den angelsächsischen Ländern wird als beständige Herausforderung emp- funden (Christlieb 1880:20-27). „W ir sind“, so schreibt W arneck, „was unsere Selbstopfer für das Reich Gottes betrifft, zu gar bescheidne Leute, d. h. wir haben uns durch lange Ge- wöhnung in unsere kleinen Leistungen gefunden, als ob sie ganz in Ordnung wären“ (Warneck 1876:18). Die biblische Legitimation zur Spendengewinnung wird dogmatisch durch die Rol- le der „sendenden Gem einde“ ( Warneck 1903a:210-214; Schom erus 1933:758), die für ihre Ausgesandten angemessen aufkommt, bestimmt. Deshalb sind auch nicht nur einzelne Personen, sondern ganze Gemeinden zur Unterstützung der Mission berufen (Christlieb 1880:33). Bei den Entwürfen einer Spendenmethodik geschieht vorzugsweise eine Orien- tierung an der Jerusalemkollekte des Paulus (Zahn 1891:365; Zeller 1904:308). Mögliche Gefahren einer Überbetonung und Verfremdung des Kollektenwesens werden benannt und reflektiert (Zeller 1904:306; Schomerus 1933:803). Die Auseinandersetzung mit den Glaubensmissionen findet – dire kt oder indirekt – auf vier Ebenen statt. Erstens wird das propagierte Nicht-Kollektieren in Frage gestellt. Wer überall kundtue, dass er nicht um Gelder bitten will, sagt Zahn, der bitte auch, nur auf eine sublimere Art und Weise (Zahn 1891:363). Gleichsam formuliert es Schomerus, wenn er betont, dass jede Information über die Mission auch einen Appell beinhaltet, diese zu Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 48 fördern (Schomerus 1933:803). Das eigene Unterlassen von Spendenaufrufen und das gleichzeitige Übertragen der Spendenakquise auf Fördervereine wird als unredlich be- zeichnet (Zeller 1904:314). Die zweite Ebene betrifft die Beurteilung von Kreditaufnahmen. Während die Glaubensmissionen die Kredite apodiktisch als „m oralische“ Schulde n interpretieren, fin- det bei den vorgestellten Texten eine differenzierte Darstellung statt. Tenor bei Fabri ist: Schulden und Liquiditätslücken sind nicht wünschenswert, aber bei Gesellschaften einer gewissen Größenordnung unverm eidbar (Fabri 1869:235). Bodelschwingh formuliert es ähnlich, indem er die Möglichkeit von „guten Sc hulden“ als biblisch legitim iert darstellt (Bodelschwingh 1896:227). Die von den Glaubensmissionen praktizierte Alternative, näm- lich die Reduzierung des Gehaltes oder die Verzögerung von Heimaturlauben, ist für Sieg- fried Knak nur als ultima ratio denkbar (Knak 1913:2-3). Die dritte Ebene der Auseinandersetzung berührt die Einschätzung des Glaubens bei der Planung der Missionsaktivitäten. Vor einer Priorisierung des visionären Glaubens wird ebenso gewarnt wie vor einem abstrakt wirtschaftlichen Denken. Beide Momente haben im biblischen und damit auch im missionsmethodischen Kontext ihre eigenständige Berechtigung (Fabri 1869:228; Bu chner 1907:140; Knak 1913:10-13). Der vierte Bereich ist die Erörterung des festen Gehaltes, das im Gegensatz zu den Glaubensmissionen nicht in Frage gestellt wird (Warneck 1903a:212). Die Möglichkeit, die Gehälter durch die Eigenversorgung der Missionare zu ersetzen, wird mit dem Verweis auf den misslungen Versuch in der Goßners chen Mission abgelehnt (Knak 1913:3). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 49 4 Genese und Entwicklung des Glaubensprinzips 4.1 Ausgangslage Dass bei der Genese und der Entwicklung des sogenannten Glaubensprinzips die Linie von Anthony Norris Groves über George Müller bis James Hudson Taylor eine tragende Rolle spielt, wird in der entsprechenden Literatur immer wieder betont. Schon G.H. Lang (1874- 1958) nennt Groves den modernen Pionier („mode rn pioneer“) dieses apostolischen Prin- zips („apostolic principle“) (Lang 1939:24). Über George Müller sei es dann von Hudson Taylor aufgegriffen worden, allerdings in einem modifizierten Modus („modified form“) (Lang 1939:24-25). Auch in der gegenwärtigen Forschung wird diese historische Abhän- gigkeit der drei Männer plausibel dargestellt (Bebbington 1989:94; Brandl 1998:72; Coad 1968:57; Fiedler 1992:31,100; Larsen 1998:67; Rowdon 1968:340). 1 Die These von Arthur Tappan Pierson, Johannes Gossner (1773-1858) und Ludwig Harms (1808-1865) bildeten im Blick auf die Spendengewinnung der Glaubensmissionen ideengeschichtliche Vorbilder (Pierson 1900:99-102), kann nicht bestätigt werden. Eine Erwähnung ihrer Namen im Zusammenhang mit der frühen Entwicklung des Glaubens- prinzips lässt sich nicht nachweisen. Klaus Fiedler schreibt zu dieser Frage: „Direkte Be- einflussungen oder persönliche Beziehungen sind ... nicht festzustellen gewesen“, lediglich „literarische Fernwirkungen“ hält er für denkbar (Fiedler 1992:28). Der sehr begrenzte Einfluss von August Hermann Francke (1663-1727) auf George Müller wird in Kapitel 4.3.4 nachgezeichnet. In einem nächsten Schritt soll die Entwicklung des Glaubensprinzips bei Groves, Müller und Taylor chronologisch und systematisch dargestellt werden. Die entscheidenden Fragen sind: Wie sieht die Finanzierungspraxis im Einzelnen aus, und was sind die ihr zugrunde liegenden theoretischen Prinzipien? In wiefern liegt eine historische Abhängigkeit vor, und wo entstehen originale Konzeptionen? Die Darstellung wird zeigen, dass das Glaubensprinzip kein monolithisches Gebäude ist, sondern bei allen drei genannten Per- sönlichkeiten individuelle Ausprägungen besitzt und auch teilweise auf unterschiedlichen Grundüberlegungen beruht. Das ist umso interessanter, als diese Pluriformität sich bei den deutschen Glaubensmissionen widerspiegelt. Ein letzter Punkt ist eine Skizze des Glau- bensprinzips bei Arthur Tappan Pierson, einem frühen publizistischen Förderer der Glau- bensmissionen. 1 Pars pro toto vgl. Rowdon: „But the concept did not originate with Hudson Taylor. If he was its father, then George Müller (of orphanage fame) was its grandfather, and Anthony Groves (the Brethren pioneer mission- ary) its great-grandfather. A. N. Groves’ Christian De votedness (1825), a fervent tract advocating strict obe- dience to the letter of the Sermon on the Mount and the (supposed) practise of the apostles, constituted a fountain from which Müller (who married a sister of Groves) drank deeply” (Rowdon 1995:340). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 50 4 . 2 Anthony Norris Groves Anthony Norris Groves (1795-1853), der zu den Gründungspersönlichkeiten der engli- schen Brüderbewegung („Plymouth Brethren“) 2 zählt, wird am 1. Februar 1795 in der Nä- he von Lymington in Hampshire geboren. Der gesellschaftliche Stand seiner Familie ges- tattet ihm, in London Medizin zu studieren. Mit 19 Jahren kann er in Plymouth seine eige- ne Zahnarztpraxis eröffnen. Nach der Heirat mit seiner Cousine Mary Bethia Thompson verlegt er die Praxis nach Exeter. Schon 1822 beginnt Groves privat, intensiv die Bibel zu lesen. Eine erste Konsequenz dieses Studiums ist der Gedanke an ein Leben in der Missi- on. Die zweite Folge ist seine Entscheidung, den zehnten Teil seines Einkommens den Bedürftigen seines Stadtteils zu überlassen. Ein wenig später entscheidet sich das Ehepaar, den vierten Teil und daraufhin nahezu alle ihre gesamten Einkünfte abzugeben (Coad 1968:17). 4 . 2 . 1 Christian Devotedness (1825) In dieser Zeit – im Jahr 1825 – veröffentlicht Groves die erste Ausgabe seiner Schrift Christian Devotedness or The Consideration of Our Savior’s Precept: „Lay not up for yourselves treasures upon earth.” In ihr skizziert Groves das ursprüngliche Konzept des „to live by faith“ (Groves 1829:440). Angesichts der melancholischen Tatsache, dass das Christentum in den vergange- nen 1500 Jahren kaum erkennbaren Fortschritt gemacht habe („that Ch ristianity has made little or no progress for fifteen successive centuries”), wirft Groves die Frage nach der Be- gründung auf (:419). Für ihn besteht kein Zweifel: Die Kirche hat den Verlust ihrer ur- sprünglichen und unwiderstehlichen Energie (:419) durch Aufgeben ihrer alten Werte selbst verschuldet. Christian Devotedness ist ein dringender Appe ll Groves an die Kirche, sich wieder an den – von ihm so interpretiert en – neutestamentlichen Zeiten zu orientieren. Groves Modell im gegenwärtigen „silken age” (:433) ist das „primitive Christianity” (:419), die „primitive Church” (:426) und die „primitive times” (:433). Was das Neue Testament und die alte Kirche vor allen Dingen auszeichnet, ist der Umgang mit dem Besitz. Wohlstand und Reichtum lassen sich nach Groves mit einem Le- ben aus dem Glauben nicht vereinbaren: 2 Entgegen ihrem populären Namen beginnt die Bewegung der Plymouth Brethren 1820 nicht in der südeng- lischen Hafenstadt, sondern mit einigen lose vernetzten gottesdienstlichen Treffen im irischen Dublin (Calla- han 1996:1-2). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 51 „All our misconceptions on this subject seem to arise from one deeply rooted opin- ion, learnt of Satan and the world over which he presides, that riches and comforts are better for our children, than poverty and dependence” (:430-431). Und so kann das christliche Leben auf eine einfache Formel reduziert werden: „The Chris- tian Motto should be: Labor hard, consume little, give much, and all to Christ” (:434). Der Christ lebt nicht von seinem Vermögen, sondern ausschließlich auf der Basis des Glau- bens: „So intensely am I convinced of this thrust , that I can, with my whole heart, pray for myself and all who are nearest and dearest to me, that we may be so circum- stanced in life, as to be compelled to live by faith on the divine promise day by day“ (:440). Dieses „living by faith“ schließt für Groves eindeutig die Veräußerung jeden Besitzes ein und jegliche materielle Vorsorge aus. Als ein Beispiel für letzteres nennt er die Handlung Jesu am Kreuz gegenüber seiner Mutter: „How different the spirit an d conduct of our Blessed Lord. Did he fear to leave, without temporal provision, his widowed Mother to the promise and providence of God? No; he left her unprovided to an unprovided (Acts 3:1 and 6) disciple: and this he did, not at a time when probabilities were greatly in favor of a comfortable confidence being easily procured, but when he knew that difficulties and dangers would beset them at every step. Surely had laying up beforehand been the duty of a child, our Savior would have exhibited this virtue among that constellation of vir- tues which shone forth from his character; for He knew that we were to follow his example. Why then did He act thus; whilst we hesitate to follow His steps? Because He knew the truth, nature and extent, of the promises of God, which we doubt or deny. Some will say – ‚But this was a provision!’ Yes, – the very provision which God will ever make for those that trust in Him, – a provision at the moment of ne- cessity” (:440). 3 Groves ist sich sicher: Wenn die Kirche und die Missionsgesellschaften dieses Prinzip des Glaubens als Besitzlosigkeit auslebten, wäre die religiöse Landschaft eine andere: „If this simple principle had been per ceived, how differently would many public re- ligious bodies have been constituted for the purpose of extending the influence of Christ’s Kingdom” (:418). In seiner Beweisführung zitiert er Stellen wie Matthäus 6:19-34, Markus 12:41-44, Lukas 18:22-30, Acta 2:44-45, 4:32,34,35 und 2. Kor 8:9, 13-15. Im Alten Testament beruft sich Groves auf Abrahams Opferbereitschaft seines Sohnes, die Institution des Sabbats und die Aufforderung an alle männlichen Israeliten, dreimal im Jahr in Jerusalem zu dienen. Bei 3 In ähnlichem Duktus klingen solche Sätze wie diese: „If any object to selling ‚houses or lands’ it remains to themselves to distinguish between the motives, which induce them to retain their property, and those which induced the ‚young man’ to retain his … The principle I have here ende avoured to establish from the sacred volume, demands of no man the relinquishment of a present sphere of usefulness, till he is himself conscien- tiously convinced that he is called to another, where he may accomplish more for the great cause for which he lives – the exaltation of Jesus, and the gathering Hi s sheep. But though it does not require a relinquish- ment of present occupations, it is most uncompromising as to the end which they must be directed” (:443). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 52 allen diesen biblischen Texten hebt Groves hervor, sei es notwendig, den wörtlichen Sinn („literal truth“) der Aussagen festzuhalten (: 441). Der Mangel der kirchlichen Exegese sei das Außerkraftsetzen der klaren biblischen Aufforderungen durch allgemeine Urteile. „To all arguments drawn from passages of th is description, the usual answer is, that the exhortations contained in them are not to be taken literally, but are to be consid- ered merely as loose general statements, strongly, and only in appearance abso- lutely, made, with a view of producing greater effect” (:422). Man mag in Groves Beschreibung der Kirche seiner Zeit eine Karikatur und in seiner Exe- gese einen naiven Biblizismus sehen. Tatsache aber ist, dass er selbst mit seiner Frau suk- zessive jede Art von Vermögen auflöst und den Weg des „live by faith“ praktiziert. Timothy Stunt weist in seiner Arbeit From Awakening to Secession. Radical Evan- gelicals in Switzerland and Britain 1815-35 (2000) darauf hin, dass Groves mit dieser Ges- talt des christlichen Radikalismus nicht alleine steht.4 Stunt spricht von einem besonderen Klima, dem „adventurous spirit” der frühen zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts im Ver- einigten Königreich (Stunt 2000:85). Bekanntester Repräsentant dieser radikalen Protes- tanten („radical evangelicals“) (:117) , die sich auf der Suche nach dem apostolischen Ideal der ersten Christen („quest for the primitive apostolical ideal“) (:94-102) befinden, ist Ed- vard Irving (1792-1834). Ein guter Einblick in diese Stimmung findet sich in dessen Pre- digtreihe For Missionaries after the apostolica l school, a series of orations von 1825: „This is the age of expedienc y, both in the church and out of the church; and all in- stitutions are modelled upon the principle of expediency, and carried into effect by the rules of prudence … Money, money, mone y, is the universal cry. Mammon hath gotten the victory; and may say triumphantly (nay he may keep silence and the ser- vants of Christ will say it for him), ‚W ithout me ye can do nothing’”(in Stunt 2000:100-101). Die theologische Unterschiedlichkeit von Irving und Groves könnte nicht größer sein. Und doch ähneln sich beide in der Verpflichtung für ein romantisches Ideal der christlichen Mission („romantic ideal of the Christian Missionary“) (:117). 5 Beide artikulieren den Vorwurf, das Geld bestimme den Geist der kirchlichen Entscheidungen. Irvings Predigten erscheinen kurioserweise im selben Jahr wie Christian Devotedness. Auch wenn sich eine direkte Beeinflussung des einen auf den anderen nicht endgültig nachweisen lässt, ist die gemeinsame Radikalität bemerkenswert.6 4 Ähnlich auch Callahan über das allgemeine geistige Klima in der Brüderbewegung: „Simplicity was the hallmark of apostolic Christian existence, according to the early Brethren; this was obviously so against the background of the confused, divided, complicated, and corrupt nature of subsequent Christian history” (Cal- lahan 1996:51). 5 Auf die Parallelität der Gedanken von Groves und Irving verweist ebenso Bebbington (1989:92-94). 6 „Whether Groves was influenced by Irving is less sign ificant than the rigorist spirit that is shared by the writers“ (Stunt 2000:128). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 53 Groves, der in der Frühzeit erheblichen Einfluss auf die Brüderbewegung ausübt, initiiert das, was Rowdon die Gegenkultur der Brüderbewegung („counter-culture“) nennt (Row- don 1995:345). Die Plymouth Brethren verlassen ihren durch und durch bürgerlichen Kon- text und machen das „living by faith“ in ihrer Gründungszeit zu einem ethischen Ideal. Nun wäre es aber missverständlich, Groves als verbissenen Asketen zu verstehen. Er selbst spricht vom Weg des Glaubens als unaussprechlichem Privileg („unspeakable privilege”), das es ermöglicht, alle menschlichen Erwartungen abzuschütteln („and to feel that we are thereby delivered from the slavery of earthly expectations”) (Grove s 1829:432). Es ist die Herrlichkeit der Kinder Gottes, sich von Gott allein abhängig zu wissen („the glorious li- berty of the children of God, but to be dependent only upon One”) (:432). In Gott, so Gro- ves, ist das Glück zu finden, dass die Welt nicht bereithalten kann: „IN GOD we find that which all men seek out of Him, - the maximum of present peace and happiness, with the certainty of future blessing” (:288). Auch die Kirche ist entsprechend zur Freude berufen. Sie gleicht damit der Braut, die auf das Kommen ihres Bräutigams wartet. „I look on the Church as the expecting bride of a living and victorious, yet contend- ing Lord, and not, as some think, a widow, nor can she be reduced to the feeling of widowhood, but through the dominancy of unbelief. It is our privilege to rejoice in a loving, risen Lord of glory, and while mourning His absence, to be expecting Him as loving bride assured of final union, and external happiness and glory with her Lord” (:292). Dieser Ansatz liegt auf einer Linie mit George Müller, der in seinem Alter den Weg des Glaubens auch als Glück bezeichnet und immer wieder betont: „I am a happy, a very hap- py old man“ (in Lang 1939:18). 4.2.2 Missionsdienst in Persien und Indien Parallel zur Entwicklung des Konzepts des „living by faith“ fällt für Groves die Entschei- dung, sein Leben zukünftig als Missionar zu führen. Mit diesem Entschluss wird er später zum Pionier der Missionsarbeit der Brüderbewegung („the real pioneer of Brethren over- seas missionary work“) (Rowdon 1967:188). Nach dem anfänglichem Zögern seiner Frau werden beide von der Christian Missionary Society (CMS) für einen Dienst in Bagdad angenommen. In der Vorbereitung für diese Ausreise besucht Groves in vierteljährlichen Abständen das Trinity College in Dublin. Und hier erlebt der 32-jährige nun seine Lebenskrise („ crisis of consience”) (Coad 1968:15). Groves, der zu diesem Zeitpunkt noch ein selbstbewusster Anglikaner ist („strict Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 54 churchman“) (:15), lernt bei seinen Besuchen in Dublin die aufkeimende Brüderbewegung kennen. Er erlebt, wie das Abendmahl jenseits der kirchlichen Leitung durchgeführt wird und lernt keinen Geringeren als John Nelson Darby, den Nestor der Brethren Movement, kennen (:20). Eine erste persönliche Konsequenz dieser Begegnung ist die Entscheidung, auf die Ordination und damit auch auf die vorbereitenden Studien am College zu verzichten. Als die Missionsgesellschaft daraufhin seinen Dienst in Bagdad in Frage stellt, ringt sich Gro- ves zu einer folgenreichen Erkenntnis durch, die die ganze Brüderbewegung prägt: Er lehnt die Ordination, in diesem Fall die kirchliche Berufung als Voraussetzung für den missiona- rischen Dienst, ab. Diese Einsicht, so schreibt er später, sei für ihn von fundamentaler Be- deutung gewesen. „My mind was then in great st raits; for I saw not yet my liberty of ministry to be from Christ alone, and felt some ordination to be necessary, but hated the thought of being made a sectarian. But, one day the thought was brought to my mind, that ordination of any kind to preach the gospel is no requirement of Scripture. To me it was the removal of a mountain” (Groves 1856:35). Als die Christian Missionary Society ihn in Kenntnis setzt, dass eine kirchliche Ordination unumgänglich sei, beginnen Groves und seine Frau die Reise in das persische Bagdad selbst zu organisieren.7 Im Januar 1828 gibt Groves die Verantwortung für seine Praxis auf, empfängt die Glaubenstaufe und segelt am 12. Juni 1829 von Gravesend mit seiner Familie und zwei weiteren Begleitern nach St. Petersburg, um anschließend über Russland nach Bagdad zu reisen. Auch wenn er sich der Unterstützung von Freunden und der Brü- dergemeinden sicher sein kann, besitzt er von nun an kein gesichertes Einkommen für die Arbeit, die vor ihm liegt. Die Finanzierung der Reise selbst wird durch eine Erbschaft von Groves Schwiegervater ermöglicht. Diese folgenden Jahre von Groves sind insofern bemerkenswert, als dass die prakti- sche Umsetzung des „living by faith“ nun in ei nem missionarischen Umfeld stattfindet und somit auch einen Modellcharakter für nachfolgende Missionare erhält. Dies gilt – so G.H. Lang – besonders für den Bereich der Brüde rbewegung. Männer wie George Müller, Lord Radstock (1833-1913), Friedrich Wilhelm Baedeker (1823-1906) und Robert Cleaver 7 Coad schreibt über die sich schnell lösende Beziehung zur C.M.S.: „The bonds were being rapidly loose- ned. First there had been that almost naive simplicity of heart in response to the reading of the Bible. The simple-hearted devotion to Christ had led to a growing realization of the implications of true Christian unity; and as a direct result to the loosening one after the other the restrictions of denominational discipline” (Coad 1968:21). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 55 Chapman (1803-1902) orientieren sich an Groves und übernehmen das „faith enterprise“ für ihre Aktivitäten (Lang 1939:24).8 Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind in Bagdad allerdings schwie- rig. Unstimmigkeiten in der Gruppe erschweren den Dienst (Rowdon 1967:193). Im März 1831 bricht eine Epidemie in der Stadt aus, an deren Folgen Groves Frau ein wenig später stirbt. Der Versuch, Anfang 1833 George Müller und Henry Craik für die Mission in Bag- dad zu gewinnen, gelingt nicht. Im Stadium des Scheiterns seiner Mission schifft sich An- thony Groves deshalb im Mai 1833 nach Indien ein, um ein neues Ziel für seinen Dienst zu finden. Nach einem anschließenden zweijährigen Au fenthalt in England, wo er auch erneut heiratet und Unterstützung für seine Mission sucht, reist Groves zurück ins indische Madras. An dieser Stelle erfahren frühere Aussagen von Groves zur Missionsfinanzierung eine Modifizierung: Er entscheidet sich, die erste Zeit seinen Unterhalt mit der Tätigkeit als Zahnarzt zu verdienen. Auch eine Schule wird bald eröffnet (:198). Später beschäftigt ihn ernsthaft der Gedanke einer wirtschaftlich selbstständigen Mission (Groves 1856:265).9 Diese Aktivitäten Groves sind insofern erstaunlich, als er noch 1829 auf der Durchreise nach Bagdad die Herrnhuter Kolonie Sarepta besucht und dort die Verbindung von Missi- on und unternehmerischer Tätigkeit grundsätzlich in Frage stellt. „All missionary character is now lost here; they are a simple colony of artificers, who, for the sake of the preservation of this character, have relinquished that of the missionary. I see here the great evil of having anything mercantile connected with missionaries, unless a simple accident of support, and not as essential part of the constitution” (:45). Doch scheint dieser Gesichtspunkt für Groves in Indien an Bedeutung zu verlieren. Er ver- legt 1837 die Missionsstation von Madras in das hundert Meilen entfernte Chittoor. Dort baut er eine Seidenzucht mit dem Ziel auf, eine Beschäftigung der ihm anvertrauten Missi- onsschüler zu erreichen (:283). Dabei trägt ihn die Hoffnung, dass er von pensionierten Freunden („pious pensioners“) unterstützt wird (:283). Auf der Suche nach den notwendi- gen Finanzen eröffnet sich ihm plötzlich eine einmalige Möglichkeit: „The object he had so near his heart appeared in a fair way of being accomplished, and nothing but funds seemed wanting to carry out this object, when there came from an unexpected quarter the unsolicited offer of a loan of thirty thousand rupees. 8 Alvyn Austin nennt auch Thomas John Barnardo, der mit seiner Waisenhausarbeit vom Glaubensprinzip beeinflusst sei (Austin 2000:216). Davon kann aber nicht ernsthaft die Rede sein, da Barnardo nach seinem anfänglichen Enthusiasmus für die Brüderbewegung sich schnell wieder kirchlichen Kreisen zuwandte. „Barnardo had never committed himself to seeing fu nds come in response to prayer alone“ (McKay 1981:262-264). 9 „The subject of a self-supporting mission was, at this time, occupying many minds, and Mr. Groves had much correspondence on the subject” (Groves 1856:265). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 56 This was regarded by himself, his wife, and brother-in-law, as an indication of the mind of God in this matter” (:284). Groves Frau nennt diesen Schritt der Kreditaufnahme rückblickend den ersten Abschied vom Weg des Glaubens, der mit bitteren Erfahrungen bezahlt werden muss: „The first de- parture from the way of faith was, in the providence of God, followed by most bitter con- sequences” (:284). Alle Pläne und alle Bemühungen der Seidenzucht finden ein schleichendes Ende durch das unaufhaltsame Sterben der Seidenraupen.10 Gegen Ende des Jahres 1845 muss das Experiment endgültig beendet werden (:287). Die finanziellen Verluste können erst durch eine Erbschaft seitens der Mutter von Mrs. Groves aufgefangen werden (Lang 1993:395). Festgehalten werden aber kann, dass Groves die wirtschaftliche Unternehmung – entgegen seiner früheren Überzeugung – nicht kr itisiert. Der „departure from the way of faith“ wird ausschließlich in den Zusammenha ng mit der Kreditaufnahme gesetzt. Entspre- chend baut auch Groves Sohn Frank 1847 die Paulhully Sugar Works in Indien auf (Row- don 1967:199).11 Auch wenn die Thematik der Verschuldung erst an dieser Stelle explizit artikuliert wird, so ist dies keine neue Erweiterung des Konzeptes vom „living by faith“, sondern sie ist inhaltlich schon in seiner Schrift Christian Devotedness (1825) begründet. 4.2.3 Fazit Zum Ende kann für Anthony Norris Groves formuliert werden, dass er das Konzept des „living by faith“ als Ausdruck seiner persönlichen Frömmigkeit entwickelt. 12 Der Verzicht auf Besitz, die Ablehnung der materiellen Vorsorge und der Kreditaufnahme sind die Spit- zen dieser Spiritualität. Dieser Ansatz impliziert aber keinen introvertierten Charakter. Er schließt vielmehr die aktive berufliche Tätigkeit – sowohl in der Heimat als auch auf dem Missionsfeld – mit ein. Die Wur zel des „living by faith“ ist nicht original auf Groves zu beschränken, sondern sie steht im Kontext des geistigen Klimas ihrer Zeit. 10 „But, soon after, disease of every kind began among the worms” (Groves 1856:285). 11 G.H. Lang kritisiert ihn auch für die wirtschaftliche Unternehmung an sich. „He was lured into this by the prospect of forming an industrial self-supporting mission enterprise. That his motives were utterly unselfish we know. He was seeking a solution for the practical and very real problem of support of both workers and converts. But did he not fail to observe a very plain distinction as to the practise of the apostles? Paulus toiled hard at his trade to support himself and his travelling companions (Acts 20:34, etc.); but he did this only when necessary, and never in such manner as to become tied to any place and thus be hindered from moving on immediately” (Lang 1939:397). Dies ist ein typisches Beispiel für die Weiterentwicklung der Missionsme- thodik in der Brüderbewegung. Vgl. auch Watchmann Nee, der später als Träger der Brüderbewegung in China, das Konzept der faith-mission prägt (Nee 1939:192-222). 12 „The root of his ideas was in his personal piety” (Coad 1968:17). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 57 Grafik 1: Biographie Anthony Norris Groves 1795 1. Februar. Groves wird in Newton / Hants geboren 1814 1. Februar. Beginn einer Zahnarztpraxis in Plymouth 1814 Bekehrung in Plymouth (so G.H. Lang; nach Stunt schon in der Kinderzeit) 1816 Heirat seiner Cousine Mary Bethia Thompson 1818 Umzug nach Exester. Dort Bekehrung seiner Frau 1822 Groves beginnt sein persönliches Bibelstudium 1825 Publikation von Christian Devotedness 1825 Das Ehepaar Groves wird von der CMS für Bagdad angenommen 1826 21. August. Henry Craik wird Hauslehrer in Groves Familie (bis 1828) 1826 16. Oktober. Studium am Trinity College in Dublin. Begegnungen mit der Brüderbewe- gung 1827 Annäherung an die Plymouth Brethren in Dublin. Verzicht auf seine Ordination 1828 Aufgabe der Praxis und Entschluss zur Mission. Bruch mit CMS 1829 12. Juni. Abreise von Gravesend nach Bagdad 1831 14. Mai. Mary Groves stirbt in Bagdad 1831 Publikation des Journals über die Reise nach Bagdad 1832 Publikation des Journals über die Jahre 1831-1832 in Bagdad 1833 Juli. Eintreffen im indischen Bombay 1834 Januar. Rückkehr Groves nach England 1835 März. Reise mit Müller nach Basel 1835 25. April. Heirat mit Harriet Baynes 1836 Juli. Groves Abreise nach Indien 1837 Juli. Groves zieht von Madras nach Chitoor um 1841 Beginn der Seidenraupenzucht 1848 20. März. Eintreffen in England 1849 20. Juni. Rückkehr nach Indien 1852 25. September. Eintreffen in England 1853 20. Mai. Tod in Bristol im Haus von George Müller im Alter von 58 Jahren 1856 Publikation der Memoir of the Late Anthony Norris Groves durch Groves Frau 4 . 3 George Müller George Müller, dem durch Dolls Gründung der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt direkt Einfluss auf die deutschen Glaubensmissionen zugeschrieben werden kann, ist das zweite Glied in der Genese und Entwicklung des Glaubensprinzips. Bei Müller können drei aufeinanderfolgende Phasen in der Evolution des „living by faith“ fixiert werden: Die Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 58 erste fällt in den Anfang seines Gemeindedienstes (1829-1833), die zweite ist mit der Gründung seiner Bibelgesellschaft in Zusammenhang zu bringen (1834), und die dritte Phase ist mit dem Beginn seiner Waisenhausarbeit verknüpft (1835). In allen drei Etappen entwickelt Müller unterschiedliche Akzente des „living by faith“, welche teilweise die Vorstellungen über das Glaubensprinzip bis heute prägen. 4.3.1 Gemeindedienst (1829- 1 8 3 3 ) George Müller wird am 27. September 1805 im anhaltinischen Kroppenstedt geboren. Ent- gegen den Plänen seines Vaters entscheidet sich der Theologiestudent George Müller für den missionarischen Dienst.13 Im Frühjahr 1829 reist er dank der Vermittlung seines Leh- rers Professor August Tholuck (1799-1877) nach London, um sich bei der London Society for Promoting Christianity among the Jews (LSPCJ), der späteren Church Mission to the Jews, auf einen zukünftigen Dienst vorzubereiten. Zwei Monate nach seiner Ankunft erlei- det Müller eine körperlich Schwäche, weshalb er im Juli 1829 als Rekonvaleszent nach Teignmouth reist. Dort begegnet er dem gleichaltrigen Henry Craik (1805-1866), der sich wie er als Theologiestudent auf den kirchlichen Dienst vorbereitet.14 Craik plagen wie Müller allerdings ernsthafte Zweifel, ob ein Dienst im Rahmen der großen Kirchen für ihn eine authentische Option ist. Diese offensichtliche Kongenialität der beiden begründet eine lebenslange Freundschaft, die erst 1866 mit Craiks Tod endet. Müller rekapituliert in sei- nem Vorwort für Craiks Tagebuch fast ein wenig lyrisch diese Beziehung: „That which drew me to him was not that we both were then nearly twenty-four years of age; nor was it that we both had had a university education; nor was it that we both, with great love and earnestness, pursued the study of the Hebrew lan- guage; nor was it even, that both of us had been about the same time brought to the knowledge of the Lord Jesus, whilst at university; but it will be seen in what fol- lows, what it was that drew me to him … While at Teignmouth, I became ac- quainted with Mr. Craik, and his warmth of heart towards the Lord drew me to him. It was this which was the attraction to me” (in Coad 1968:37). Im Zusammensein mit Craik erlebt Müller das, was er später seine zweite Bekehrung („that it was like a second conversion“) nennt (Müller 1906:31). Nebe n neuen Einsichten in die Erwählung und die Eschatologie wird Müller durch Craik auch der Zugang zu den Ideen von Anthony Norris Groves vermittelt.15 War es Henry Craik doch, der von 1826 bis 1828 in der Familie von Groves als Hauslehrer arbeitete. Es besteht kein Zweifel, dass Craik in 13 Seine Mutter stirbt als Müller vierzehn Jahre alt ist. 14 Wie über Müller existiert auch über Craik keine wissenschaftliche Monographie. Coad über seine Persönlichkeit: „Craik is one of the most attractive and level-headed of all men who were brought together in the early days of the Brethren movement” (Coad 1968:47). 15 Lang formuliert es ein wenig nostalgisch: „It theref ore seems clear that the river of George Müller’s faith took its rise from the spring of A.N. Grove’s faith” (Lang 1939:19). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 59 diesen zwei Jahren die Idee des „living by faith“ bei Grove s kennen lernt. So bekennt Craik zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber Henry Groves, dem Sohn von Anthony Nor- ris Groves: „It was not at St. Andrews [his university] , it was not at Plymouth [the scene of the early ministry in England of B.W. Newton and J.N. Darby], it was at Exeter that the Lord taught me those lessons of dependence on Himself and of catholic fellowship, which I have sought to carry out” (in Lang 1939:20). Für Müller ist Groves keine unbekannte Person. Kurz nach seiner Ankunft in England no- tiert er schon in seinem Tagebuch: „Soon after my arrival in England, I heard one of the brethren in the seminary speak about a Mr. Groves, a dentist in Exeter, who, for the Lord’s sake, had given up his profession, which brought him in fifteen hundred pounds a year, and who intended to go as a Missionary to Persia, with his wife and children simply trusting in the Lord for temporal supplies” (Müller 1906:32). Neben allen anderen zu erwägenden Momenten, die zur Entscheidung, den Dienst bei der Mission aufzulösen, beitragen, ist dieser sicher der wichtigste: Das indirekte Kennenlernen von Groves und dessen Ansichten über Ordination und die Versorgung durch den Glauben. Denn nur kurze Zeit später entdeckt er während der Vorbereitung auf seinen missionari- schen Dienst: „it struck me that I was wrong and acting unscripturally, in waiting for the appointment to missionary work from my fellow-men” (:35). Und weiter: „I further had a conscientious objection to being led by men in my missionary la- bours. As a servant of Christ, it appeared to me, that I ought to be guided by the spirit, and not by men, as to time and place … A servant of Christ has but one Mas- ter” (:36). So ist es nicht verwunderlich, dass Müller seinen Abschied von der Missionsgesellschaft neben einigen Bibelstellen mit Groves Vorbild begründet: „In addition to this, the example of brot her Groves, the dentist before alluded to, who gave up his profession and went out as a missionary, was a great encourage- ment to me. For the news, which by this time had arrived, of how the Lord had aided him, strengthened my faith” (:37). Und so beendet Müller im Januar 1830 konsequenterweise seine Vorbereitung für den mis- sionarischen Dienst bei der LSPCJ. Das folgende Jahr ist für Müllers Biografie in mehrfa- cher Hinsicht bemerkenswert. Der ehemals lutherische Theologiestudent lässt sich taufen und wird ebenso Prediger in der Baptistengemeinde Ebenezer Chapel in Teignmouth. Am 7. Oktober 1830 heiratet er Groves Schwester Mary.16 In dieser Zeit entwickelt er die Pra- 16 Somit wird aus der ideellen Nähe auch eine familiäre. Groves selbst äußert sich in seinen Briefen ausge- sprochen positiv über Müller. „I have just finished dear G. Müller’s ‚Brief Narrative of Facts’, relative to the orphan-houses, and can truly bless God for the grace and faith that is manifested” (Grove s 1856:326). Als Anthony Groves stirbt, begleitet Müller ihn in den letzten Tagen (:366-382). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 60 xis, sonntäglich das Abendmahl zu feiern und in die Gestaltung des Gottesdienstes auch andere Gemeindemitglieder mit einzubeziehen („there should be given room for the Holy Ghost to work through any of the Brethren whom He pleased to use“) (:45-46). Und in diesem Jahr beschließen er und seine Frau da s Glaubensprinzip zu übernehmen, wie sie es ansatzweise von Anthony Groves kennen gelernt haben: erstens, die Absage an ein festes Gehalt („stated salary“); zweitens, die Entscheidung, niemand über die persönlichen Be- dürfnisse zu unterrichten („it appeared to me right, that henceforth I should ask no man, not even my beloved brethren and sisters, to help me“); und drittens, der Entschluss, den eigenen Besitz zu verkaufen und damit die persönliche Armut als Lebensstil zu wählen (:46-47). Im Vergleich mit Groves ist eine Systematisierung und Weiterentwicklung des „li- ving by faith“ bei Müller unve rkennbar. In seiner Begründung der Ablehnung eines festen Gehaltes stützt sich Müller auf drei Einsichten. Die Pastorengehälter seinerzeit finanzieren sich zum Großteil aus den Stuhlmieten („pew- rents“). Diese aber haben zur Folge, dass finanziell besser gestellte Mitglieder auch bevorzugte Sitzplätze erhalten, was Müller mit Blick auf Jakobus 2:1-6 aber ablehnt (:46). Ebenso behindert seines Erachtens das feste Gehalt ein fröhliches Geben der Gemeinde (:46) und es fördert die Gefahr der inneren Ab- hängigkeit des Empfängers (:46-47). Diese letzte Begründung erinnert an seine Entschei- dung, die Missionsgesellschaft 1830 zu verlassen und befindet sich somit auf der Linie von Anthony Groves. Hier findet sich bei Müller der unbedingte Wunsch der Unabhängigkeit und die damit einhergehende Ablehnung eines wie auch immer definierten Amtsverständ- nisses durch Bezahlung eines regelmäßigen Gehaltes. Die Entscheidung, niemanden über die persönliche Finanzlage zu unterrichten, steht im Zusammenhang mit der Anbringung einer Kollektenbüchse („a box“) im Kirchen- gebäude, die auf seinen Dienst hinweist (:47). In sie sollen die Mitglieder von nun ihre Unterstützung einlegen: „A box was put up in the chapel, ove r which was written, that whoever had a desire to do something towards my support, might put his offering into the box“ (:47). Den Verkauf seines Besitzes begründet Müller mit dem Verweis auf die Worte Jesu: „About the same time also my wife and I ha d grace given to us to take the Lord’s commandment, ‚Sell that ye have, and give alms’ (Luke xii. 33), literally, and to carry it out. Our stuff and support in this matter were Matthew vi. 19-34, John xiv. 13,14. We leaned on the arm of Lord Jesus” (:47). Die Betonung des „literally“, also des wörtlich en Gehorsams an dieser Stelle macht auch hier die Nähe zu seinem Schwager Anthony Groves deutlich. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 61 In dieser Zeit von Müllers Gemeindedienst in Teignmouth kommt es jedoch immer wieder zu finanziellen Krisen. So schreibt er über die Zeit vom 6. bis 8. Januar 1831: „I had re- peatedly asked the Lord for money, but received none“ (:49). Do ch für ihn ist klar, dass die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen sich nicht stellt. Mit Blick auf Römer 13:8 ist selbst das Anschreiben beim Kaufmann nicht statthaft: „ … and therefore we have no bills with our tailor, shoemaker, grocer, butcher, baker, etc., but all we buy we pay for in ready money. The Lord helping us, we would rather suffer privation than contract debts” (:51). Gegen Ende des Jahres 1831 scheint es, als hätte sich die finanzielle Situation bei Müller stabilisiert. Es ist sogar eine Steigerung der Einnahmen gegenüber seinem alten Gehalt festzustellen. „I am so particular in mentioning these th ings, to show that we are never losers by acting according to the mind of the Lord. For had I had my regular salary, humanly speaking, I should not have had nearly as much” (:52) George Müller betont deutlich die Allgemeinverbindlichkeit des „living by faith“. Er lehnt strikt die Anschauung ab, das Glaubensprinzip sein ein persönliches Charisma, das Gott nur einzelnen Christen gewähre. Mit Blick auf die Gabe der Heilung in Kor 12:9 unter- scheidet er zwischen der Gabe des Glaubens („gift of faith“) und der Gnade des Glaubens („grace of faith“): „According to the gift of faith I am able to a thing, or believe that a thing will come to pass, the not doing of which, or the not believing of which would not be sin; ac- cording to the grace of faith I am able to do a thing, or believe that a thing will come to pass, respecting which I have the word of God as the ground to rest upon, and, therefore, the not doing it, or the not believing it would be sin” (:53-54) Der Glaube bei der Versorgung materieller Güter ist für Müller also keine besondere Gabe Gottes:17 „The faith which I am enabled to exercise with reference to the Orphan Houses and my own temporal necessities, is not that ‚faith’ spoken of in 1 Cor. xiii. 2 (evidently in allusion to the faith spoken of in 1 Cor. xii. 9) … but it is the self-same faith which is found in every believer, and the growth of which I am most sensible of to myself” (:173). Dieser Glaube kann auf alle Dimensionen des alltäglichen Lebens ausgedehnt warden, und es wäre eine Täuschung Satans, der Meinung zu verfallen, dies sei nur einzelnen Christen vorbehalten: „Especially I affectionately warn them against being led away by the device 17 So auch Rowdon: „Faith for the supply of material needs, he insists, is not a special gift of faith, but a ‚grace’ which is mandatory for all believers” (Rowdon 1995:342). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 62 of Satan, to think that these things are peculiar to me, and cannot be enjoyed by all the children of God” (:172). Als fördernde Momente für die Entwicklung des Glaubens nennt Müller das Lesen der Bibel („the careful reading of the Word of God, combined with meditation on it“), das Einüben des guten Gewissens („an upright heart and a good conscience”), das Ertragen schwieriger persönlicher Situationen („we s hould not shrink from oppurtunities where our faith may be tried“) und das Hoffen auf seine Hilfe ( „ trusting in Him alone”) (:175-177). 4.3.2 Gründung der Scriptural Knowle dge Institution for Home and Abroad (1834) Im Mai 1832 ergibt sich die Möglichkeit, dass Müller und Craik gemeinsam den Gemein- dedienst in der noch unabhängigen und später zu den Plymouth Brethren zählenden Gideon Chapel in Bristol übernehmen können. Zwei Monate später übernehmen sie auch die Be- thesda Chapel. Rowdon schreibt zu Recht, dass durch Müller und Craik die Stadt Bristol das dritte Zentrum der Brüderbewegung neben Dublin und Plymouth wird (Rowdon 1967:111). In beiden Gemeinden, die 1837 vereinigt werden, setzen Müller und Craik ihre Ge- danken über die finanziellen Belange für sich und ihren Dienst ohne Widerstand durch. Bemerkenswert ist das Jahr 1841, wo Müller gemeinsam mit Craik die Praxis des Gehaltes durch freiwillige Spenden in Kollektenbüchsen weiter modifizieren. Am 7. Juli dieses Jah- res notiert Müller, dass ihnen die öffentlich angebrachten Büchsen im Kirchengebäude für ihre Finanzierung nicht länger als optimal erscheinen: „For some time past brother Craik and I have questioned whether, under our present circumstances, the mode of receiving the free-will offerings of the saints among whom we labour, by means of boxes on which our names were fixed, together with the explanation of the object of the boxes, was any longer the more excellent way” (Müller 1906:155). Sie beschließen daraufhin di e Entfernung der Kollektenbüchsen. Als Hauptgrund führen sie in einer schriftlichen Mitteilung an die Gemeinde das mögliche Missverständnis an, sie beide übten ein besonderes Amt in der Gemeinde aus („assuming office to ourselves“). Sie wollen aber selbst für sich nur den Platz in der Gemeinde, den der Geist ihnen im Leib Christi gibt, suchen („just seeking to fill the place which the Holy Ghost may have given us in the body“) (:156). Es könnten, so Müller , einige der 550 Mitglieder denken, alleine sie beide wären ausschließlich die Leiter der Gemeinde („we have reason to believe that some of the saints look upon us exclusively as ‚ministers’“) (:156). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 63 An diese Stelle der Erläuterung tritt deutlich Müllers Amtsverständnis zutage, das er mit der gesamten Brüderbewegung teilt. Ein festes Gehalt, finanziert durch öffentliche Kollek- ten, so seine Sorge, begünstige die Gefahr einer hierarchischen Struktur in der Gemeinde.18 Und so werden fortan Craik und Müller ausschließlich privat unterstützt. Ihr Postkasten wird zwangsläufig ihre neue Kollektenbüchse (:162). Die offensichtliche Armut in ihrem Stadtteil veranlassen Müller und Craik, eine Armenkü- che und eine kleine Schule einzurichten. Im Rahmen ihrer weiteren Erfahrungen formt sich bei Müller die Idee, zusätzlich eine Bibelgesellschaft zu etablieren. So schreibt er am 25. Februar 1834: „I was led again this day to pray about th e forming of a new Missionary Institution, and felt still more concerned that we should do so. The Institution will be called ‘The Scriptural Knowledge Institu tion for Home and Abroad’” (:64). Als Ziele der Gesellschaft („The Objections of the Institution“) nennt Müller: „1. To assist Day Schools, Sunday Schools, and Adult Schools, in which instruction is given upon scriptural principles … 2. To circulate the Holy Scriptures … 3. To aid missionary efforts” (:65-66). Unter den „scriptural principles“ versteht er die Regel, dass alle Lehrer Glaubende („belie- vers“) sein sollen (Müller 1906:65). Für uns eren Themenkomplex von außerordentlicher Bedeutung sind die sieben von Müller formulierten Prinzipen der Gesellschaft („The Prin- ciples of the Institution“). Während das er ste Prinzip das Kommen Christi als Handlungs- horizont darstellt und das letzte Prinzip die Notwendigkeit des Gebets betont, behandeln die restlichen fünf Prinzipien die Frage nach der Finanzierung und Durchführung der Bi- belgesellschaft. Weil sie als solche sozusagen stilbildend für viele Glaubensmissionen ge- wirkt haben, seien sie an dieser Stelle aufgeführt:19 „(2) The Lord helping us, we do not mean to seek the patronage of the world; i.e., we never intend to ask unconverted persons of rank or wealth to countenance this Institution, because this, we consider, would be dishonourable to the Lord. ‚In the name of our God we will set up our banners’ (Ps. xx. 5); He alone shall be our Pa- tron, and if He helps us we shall prosper, and if he is not on our side, we shall not succeed. (3) We do not mean to ask unbelievers for money (2 Cor. Vi. 14-18); though we do not feel ourselves warranted to refuse their contributions, if they, of their own ac- cord, should offer them (Acts viii. 2-10). 18 Bekannt ist die Aussage John Nelson Darbys in seinem Brief von Neuchatel am 22. November 1839, die exakt dieselbe Tendenz zum Ausdruck bringt: „I have a very strong objection – I am, in fact, entirely op- posed – to sending anyone into the Lord’s field with a salary of so much per annum“ (Darby o.J.:32). 19 So führt Arthur Tappan Pierson in seinem 1900 erschienenen Buch Forward Movements of the Last Centu- ry im achten Kapitel die Satzung von Müllers Bibelgesellschaft als schlechthin beispielhaft für die Glau- bensmissionen auf (Pierson 1900:98-99) Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 64 (4) We reject altogether the help of unbelievers in managing or carrying on the af- fairs of the Institution (2 Cor. Vi. 14-18). (5) We intend never to enlarge the field of labour by contracting debts (Rom. Xiii. 8), and afterwards appealing to the Church of God for help, because this we con- sider to be opposed both to letter and the spirit of the New Testament; but in secret prayer, God helping us, we shall carry the wants of the Institution to the Lord, and act according to the means that God shall give. (6) We do not mean to reckon the success of the Institution by the amount of money given, or the number of Bibles distributed, etc., but by the Lord’s blessing upon the work (Zech. Iv. 6); and we expect this, in the proportion in which He shall help us to wait upon Him in prayer” (:65). Festzustellen ist, dass Müller mit der Gründung seiner Bibelgesellschaft das Glaubensprin- zip aus seinem privaten Rahmen löst und auf eine Körperschaft überträgt. Zu den bekann- ten Momenten der Nichtwerbung und der Kreditvermeidung wird hier die dezidierte Ab- lehnung von Geldern jenseits des kirchlichen Raums fixiert. Nur Christen dürfen die Mis- sion finanziell unterstützen. 4.3.3 Beginn der Bristoler Wa isenhausarbeit (1835) Die dritte Phase in der Entwicklung des Glaubensprinzips beginnt mit dem Aufbau der Waisenhäuser. Am 20. November 1835 schreibt Müller: „This evening I took tea at a sister’s house, where I found Franke’s life. I have fre- quently, for a long time, thought of labouring in a similar way, though it might be on a much smaller scale; not to imitate Franke, but in reliance upon the Lord” (:80). Einen Tag später, am 21. November kristallisiert sich bei Müller der Plan, selbst ein Wai- senhaus zu eröffnen. „To-day I have had it very much impressed on my heart, not longer merely to think about the establishment of an Orphan House, but actually to set about it, and I have been very much in prayer respecting it, in order to ascertain the Lord’s mind” (:80). Am 9. Dezember 1835 berichtet Müller in einer gottesdienstlichen Versammlung seiner Gemeinde von dem Unterfangen der Waisenhausarbeit, worauf auch die ersten Hilfsange- bote und Spenden eingehen (Müller 1906:82). Bei der Planung dieses Vorhabens ist sicher ein Grund das soziale Elend in den englischen Städten. Aber es steht außer Frage, dass bei Müller ein weiterer Gedanke viel größeres Gewi cht in der Entscheidungsfindung besitzt. In einer Zeit der immer stärker werdenden Säkularisation will Müller einen sichtbaren Beweis („visible proof“) für den lebendigen Gott („li ving GOD“) schaffen. Es gehört zum inhaltli- chen Kern der Bristoler Waisenhausarbeit, dass sie durch ihr bloße s Dasein Glauben bei Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 65 den Menschen wecken sollen. Dass bei ihrer Finanzierung ganz auf Spendenwerbung ver- zichtet wird, soll den Zeitgenossen die Wirksamkeit Gottes vor Augen stellen.20 Müller formuliert diesen Sachverhalt nachdrücklich, wenn er schreibt: „It may be well to enter somewhat minutely into the reasons which led me to estab- lish an Orphan House. I had constantly cases brought before me, which proved that one of the special things which the children of God needed in our day, was, to have their faith strengthened. I longed to have something to point to, as a visible proof, that our God and Father is the same faithful God as ever He was; as willing as ever to prove Himself to be the LIVING GOD, in our day as formerly, to all who put their trust in Him … Also I longed to be instrumental in strengthening their faith, by giving them not only instances from the Word of God, of his willingness and ability to help all those who rely upon Him, but to show them by proofs, that He is the same in our day” (:80-81). Den Entschluss Müllers, mit den Waisenhäusern eine Inspiration für den Glauben zu schaf- fen, interpretiert Bernd Brandl (Brandl 1998:72-74)21 im Anschluss an David Bebbington (Bebbington 1989:151-152) 22 als Ausdruck seiner Zugehörigkeit zur Heiligungsbewegung („holiness movement“). Durch die Betonung de s Glaubens werde dem Wirken Gottes ein besonderer Raum geschaffen werden. Das Unterlassen von menschlichen Hilfeleistungen wie die der Spendenwerbungen lasse ein Dokument des lebendigen Gottes („living God“) entstehen. Brandl charakterisiert das Glaubensprinzip entsprechend als einen „entschei- denden Gedanken der Heiligungsbewegung“ (:72). Ohne diese Korrelation zwischen George Müller und der Heiligungsbewegung in Frage stellen zu wollen, ist jedoch die Feststellung wichtig, dass andere geistige Exponen- ten der Heiligungsbewegung, wie z.B. Charles Finney (1792-1875)23 oder Dwight Lyman Moody (1837-1899),24 das Glaubensprinzip nicht praktizieren. Im Gegenteil: Gerade diese 20 „Müller determined to provide a demonstration that God hears and answers believing prayer without the interposition of any humanly contrived ‚means’. This was one reason – perhaps the main one – why he so assiduously documented the progress of his orphanage and the Scriptural Knowledge Institution of which it was a part. And he missed no opportunity of pointing out the moral” (Rowdon 1995:345). 21 So schreibt Brandl im Zusammenhang mit der Gründung der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt: „Es war ... der Impuls, der durch die Heiligungsbewe gung nach Deutschland kam, wodurch Doll angesteckt wurde, im Glauben und zur Ehre Gottes ein solches Werk zu beginnen. Gerade George Müller, obwohl ein Vertreter der Brüderbewegung, hat mit diesem von ihm entwickelten und von Doll übernommenen Glau- bensprinzip einen entscheidenden Gedanken der Heiligungsbewegung vertreten“ (Brandl 1998:72). 22 „The new style of devotion laid stress on the ‚rest of faith’. With spiritual struggle over, trust brought calm to the soul. This attitude was clearly of a piece with the conviction of those who ran organisations or mis- sions on the faith principle. As much as George Müller of the orphanage, Hudson Taylor of the China Inland Mission, the advocates of holiness by faith appealed to the trustworthiness of God. Just as human means must be laid aside in Christian mission, so human effort must be abandoned in the Christian life. Defence against temptation would be granted by a God who ensured a supply of funds” (Bebbington 1989:152). 23 Zur Spendengewinnung von Charles Finney vgl. Hambrick-Stowe 2000. 24 Zur Spendengewinnung von Dwight Lyman Moody beachte Hamilton 2000. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 66 beiden Männer sind es, die mit einem Maximum an Organisation und Planung die Spen- dengewinnung zur Finanzierung ihrer ausgedehnten Evangelisationskampagnen ausführen. Dementsprechend ist die Idee Müllers, mit den Bristoler Waisenhäusern einen le- bendigen Gottesbeweis zu kreieren, nicht ausschließlich auf die Heiligungsbewegung zu- rückzuführen. Sein Modell ist vielmehr eine genuine Weiterentwicklung des Finanzie- rungsprinzips der Brüderbewegung. Es zeugt von Müllers Genialität, dass er die ekklesio- logische Begründung des Glaubensprinzips durch eine missionarische Dimension erwei- tert. 4 . 3 . 4 Der Einfluss von August Hermann Francke Die These, der deutsche Pietist August Hermann Francke (1663-1727) spiele bei Müllers Entwicklung des Glaubensprinzips eine kardinale Rolle, findet in der Missionsliteratur des öfteren Niederschlag (Pierson 1900:99-102; Kuhl 1991:77). Bei der Analyse der Quellen- lage kristallisiert sich jedoch nur ein äußerst beschränkter Einfluss von Francke auf Müller heraus. Weder die Bezugnahmen Müllers in seiner Autobiographie noch die tatsächliche Finanzierungspraxis von Francke unterstützen die Annahme einer näheren Beziehung zwi- schen den beiden Männern. Müller erwähnt Francke an verschiedenen Stellen kurz in seiner Biographie: zum ersten Mal am 9. Februar 1833. Hier schreibt er, dass er „Franke’s life“ gelesen hätte, und dass er ihm gefolgt wäre, allerdings mit der Einschränkung „as far as he followed Christ“ (:62), dann am 1. April 1835 im Rahmen seines Besuches der Anstalten in Halle (:74) und im selben Jahr etwas später mit dem allgemeinen Hinweis auf Franckes Vorbildcharakter (:81). 1837 verfasst Müller ein Vorwort für sein persönliches Lebensbild, wo er das einzige Mal etwas ausführlicher sich mit August Hermann Francke befasst. Dort schreibt er über das Jahr 1826: „About the time that I first began to preach I lived for about two months in free lodgings, provided for poor students of divinity in the Orphan House, built in de- pendence upon God, by that devoted and eminent servant of Christ, A.H Franke, Professor of Divinity at Halle, who died 1727. I mention this, as some years after- wards I was benefited myself through the faith of this dear man of God” (:16). G.H. Lang weist zu Recht daraufhin, dass Müller erst relativ spät auf Francke als Modell- charakter verweist. Viel früher – nämlich ab 1829 – und erheblich regelmäßiger nennt er seinen Schwager Groves als Inspirationsquelle (Lang 1939:18-19). Es scheint so, als habe Müller seinen Landsmann Francke erst nachträglich für sich und sein Glaubensprinzip ent- deckt. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 67 Franckes Anstöße spielen weder in seinem entscheidenden Jahr 1830 noch bei der Fixie- rung der Missionsprinzipien seiner Bibelgesellschaft eine Rolle. Franckes Funktion ist le- diglich die, an der entscheidenden Stelle Müller die Motivation bei der Errichtung des ersten Waisenhauses zu vermitteln.25 In diesem Kontext stellt Müller dann auch fortan Francke öffentlich als persönliches Vorbild dar, so etwa am 29. und 30. März 1878 bei sei- ner dritten sogenannten Missionsreise („missionary tour“) in Halle. Seine Frau berichtet 1889: „The next afternoon Mr. Müller spoke at th e great Hall of Francke’s Orphan Institu- tion from Heb. Xi. 4, and on March 30 th gave an address on prayer at the same Hall, upon which occasion he made particular reference to the life and labours of Francke, because the example set by that devoted servant of Christ of founding an Orphan Institution, in dependence upon God alone for help, was a encouragement to him when he began his Orphan work in Bristol” (Müller 1889:21). Das weitere Argument gegen die angenommene geistige Verbindung zwischen Müller und Francke, ist eine realistische Betrachtung der Finanzierungsmethodik des deutschen Pietis- ten und Reformpädagogen.26 Anfang 1695 lässt Francke eine Armenbüchse im Wohnzim- mer seines Pfarrhauses in Glauchau bei Halle anbringen. Nach etwa drei Monaten legt ein Gast die große Summe von vier Talern und sechszehn Groschen in die Büchse. „Als ich diese in die Hände nahm“, schreibt Francke rückblickend, „sagte ic h mit Glaubensfreudig- keit: das ist ein ehrlich Kapital, davon muß man etwas Rechtes stiften; ich will eine Ar- menschule anfangen“ (in Beyr euther 1956:150). Aus diesen bescheidenen Anfängen entwi- ckelt sich im Laufe der Jahre der große Komplex der Waisenhausarbeit in Halle. In seinem Werk August Hermann Francke (1956) nennt Erich Beyreuther Franckes folgenden Weg der Spendengewinnung eine „B efreiung von der bisherigen Finanzie- rungsmethode“ (:150). Frühere karitative Einrichtungen der Kirche beginnen immer mit einem Aufruf um Spenden. Aus den eingehenden Gelder wird ein Kapital gebildet, dessen Zinsen die soziale Aufgabe finanzieren. (:151). „Francke bricht mit der bisherigen Met hode der Ingangsetzung einer sozial beding- ten Arbeit. Es ist nicht die Lust am Wagnis oder am frommen Abenteuer, die ihn zu diesem ungewöhnlichen Schritt treibt; ihm is t lediglich klar geworden, daß man auf dem bisherigen Weg nicht vorwärts kommt“ (:151). Er kritisiert nicht grundsätzlich die Einrichtung und Förderung von kirchlichen Stiftungen, wohl aber „die Festlegung von hunderttausenden von Talern in Häusern, Grundstücken und 25 Rowdon spricht mit Blick auf die Franckeschen Anstalten von einer Prähistorie des Glaubensprinzips („pre-history of the concept of ‚living by faith’“) (Rowdon 1995:344 ). 26 Vgl. hierzu Francke 1994 [1701] und Beyreuther 1956. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 68 in Anleihen an städtische Behörden“ (:151). Mit diesem Geld sollen vielmehr Waisenhäu- ser, Krankenanstalten und Altenheime finanziert werden. Beyreuther schreibt: „Francke vernimmt das Ja Gottes zu se iner revolutionären Tat, ohne Kapitalan- häufung von der Hand in den Mund zu leben und glaubensvoll auszuteilen, was an Spenden eingeht, ohne Reserven zu bilden“ (:153). 27 Damit sich das schnellwachsende Werk entwickeln kann, bedarf es der großzügigen Unter- stützung der Regierung von Brandenburg-Preußen. Bereits am 2. Oktober 1697 gewährt der Kurfürst ihm ein Privileg der Steuerfreiheit: Alles, was Francke zur Durchführung der Waisenhausarbeit benötigt, darf er ohne Besteuerung erwerben (:159).28 Auch wenn Fran- cke Wert auf die „Freiwilligkeit“ aller Spende n legt, scheut er sich bei der Finanzierung nicht, die angebotene Unterstützung des Staates in Anspruch zu nehmen. Jede Kirche im Herzogtum Magdeburg und im Fürstentum Halberstadt soll jährlich einen Taler an die An- stalten in Halle weitergeben. Diese Landesteile sind auch verpflichtet, den zehnten Teil der Strafgelder unter fünfzig Talern an die Einrichtungen auszuzahlen. Am einträglichsten ist wohl die Erlaubnis von Hauskollekten in allen Provinzen von Brandenburg-Preußen (:161). Im Vergleich mit Müller fällt auf, dass die strikte Ablehnung des Werbeverzichts bei Francke keine Rolle spielt. Von Francke kann Müller lediglich zwei Momente für sich und sein Werk in Anspruch nehmen: das glaubensvolle Wagnis ohne finanzielle Sicherheiten und das eigentliche Objekt der Gestaltung, nämlich die Errichtung von Waisenhäusern. 4 . 3 . 5 Entwicklung der Waisenhausarbeit Am 11. April 1836 kann Müller die ersten Waisen in einem gemieteten Haus in der Wilson Street, ganz in der Nähe der Gideon Chapel aufnehmen (Coad 1968:49). Es ist aufgefallen, dass Müller seine Angestellten nicht verpflichtet, das Glaubensprinzip zu übernehmen, sondern ihnen feste Gehälter auszahlt. Sicherer sind sie deshalb allerdings nicht. In den ersten Monaten können die Gehälter nicht monatlich, sondern nur wöchentlich ausgezahlt werden (:49). Harold Rowdon interpretiert diesen Umstand dahingehend, dass für Müller das Leben aus dem Glauben eine durch und durch private Angelegenheit sei, und er nie- manden zu diesem Schritt habe zwingen wollen (Rowdon 1995:343).29 Doch wenn man die Tatsache einbezieht, dass in seiner Bibelgesellschaft durchaus keine festen Gehälter 27 „Es wurde kein Kapital gesammelt, sondern was Gott gab, das ging drauf“ (Francke 1994:30). 28 Der Kurfürst äußert: „Man muß dem Mann auf alle Weise sekundieren“ (Beyreuther 1956:160). 29 „ It is, at first sight, curious that Müller paid wages to those who worked for him in the orphanage. If this had been queried with him, his answer would probably have been that faith is a matter for individuals to exercise voluntarily, not something to be imposed on others” (Rowdon 1995:343). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 69 gezahlt werden, so scheint es sich wohl eher um eine Konzession zur Durchführung der Waisenhausarbeit handeln. Entsprechend informiert Müller die Mitarbeiter und Lehrer der Waisenhäuser später auch über die finanziellen Situationen, worauf sich diese genötigt sehen, sich persönlich zu engagieren (Coad 1968:50). Eine Praxis, die aus heutiger Sicht sicherlich nicht unproblematisch ist. Darüber hinaus veröffentlicht er einmal jährlich einen Rechenschaftsbericht, der Auskunft über die Spendeneingänge gibt. Im Jahr 1843, als die finanzielle Lage sehr angespannt ist, verzichtet er allerdings auf die Publikation. Seine Be- gründung ist, dass dies fälschlicherweise als Spendenaufruf missverstanden werden könne (Müller 1906:162). Die öffentliche Akzeptanz seiner Arbeit ist derart groß, dass im Oktober 1836 ein zweites und ein Jahr später ein drittes Waisenhaus eröffnet wird. In diesen ersten Jahren leben Müllers Familie und die Häuser quasi von der Hand in den Mund. So schreibt Müller am 5. September 1838: „Our hour of trial continues still. The Lo rd mercifully has given enough to supply our daily necessities; but He gives by the day now, and almost by the hour, as we need it. Nothing came in yesterday. I have besought the Lord again and again, both yesterday and to-day. It is as if the Lord said: ‚Mine hour is not yet come.’ But I have faith in God. I believe that He will surely send help, though I know not whence it is to come. Many pounds are needed within a few days, and there is not a penny at hand” (:105). Im Oktober 1845 wird seitens der Anwohner in der Wilson Street an den mittlerweile vier Waisenhäusern mit etwa 120 Kindern Kritik laut, so dass Müller das Wagnis eines Neu- baus eingeht. Das neue Gebäude in Ashley Down soll Platz für 300 Personen bereithalten. Bis zur Eröffnung des Komplexes 1849 gehen die gesamten Kosten für Erwerb und Be- bauung in Höhe von 15.000 Pfund tatsächlich ein. In den folgenden Jahren wird Müllers großes organisatorisches Talent zunehmend si chtbar. Coad spricht in diesem Zusammen- hang von Müllers germanischer Methodik und Disziplin („germanic method and discipli- ne“). Im November 1857 wird ein zweites Gebäude für etwa 700 Kinde r in Ashley Down eröffnet, bis sich 1870 fünf große Waise nhäuser mit rund 2.000 Kindern auf dem Grund- stück befinden. Parallel führt Müller seinen Gemeindedienst fort. 1866 – im Todesjahr von Craik – gehören zur Bethesda Chapel 1.000 Mitglieder. Auf ein Sekretariat verzichtet Müller, trotz der etwa 3.000 Briefe, die er jährlich schreibt (Coad 1968:53). Als Müller im Jahr 1898 stirbt, haben circa 10.000 Kinder seine Häuser durchlaufen. Für diese Arbeit sind zu seinen Lebzeiten etwa eine Millionen Pfund gespendet worden, ebenso rund 460.000 Pfund für seine Bibelgesellschaft. Aus den zwei ehemaligen Gemeinden Bethesda und Gideon sind Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 70 sechs Gemeinden entstanden. George Müller selbst hinterlässt einen Besitz im Wert von etwa 100 Pfund und eine Geldsumme von 60 Pfund. 4.3.6 Fazit Insgesamt können bei George Müller entsprechend der drei Entwicklungsphasen drei Schwerpunkte bei seinem Konzept des „living by faith“ skizzier t werden. Im Anschluss an Anthony Groves entspringt das Glaubensprinzip in erster Linie seiner persönlichen Fröm- migkeit. Wie sein Schwager propagiert er die wörtliche Zuverlässigkeit („literal truth“) einzelner Textpassagen des Neuen Testaments. Deshalb sind die persönliche Armut, die Ablehnung von Krediten und der Verzicht auf ein festes Gehalt integrale Bestandteile sei- nes „living by faith“. Später erhält der Geha ltsverzicht in der Gemeinde und die Ablehnung jeglicher Spendenwerbung für die Bibelgesellschaft eine stärkere theologische Komponen- te. Aufgrund seines Kirchenverständnisses aus der Brüderbewegung will er jeden Anschein eines finanzierten und damit exaltierten Amtes vermeiden. Einen dritten Akzent erhält Müllers Glaubensprinzip bei der Errichtung der Waisenanstalten. Die Tatsache, dass ohne Spendenwerbung eine solche Einrichtung finanziert werden kann, soll zum Glauben inspi- rieren. Dieser Gedanke ist ideengeschichtlich wohl nicht der Heiligungsbewegung zuzu- ordnen, sondern stellt eine genuine Weiterentwicklung von George Müller selbst dar. Die ekklesiologische Begründung des Glaubensprinzips wird durch die missionarische Dimen- sion erweitert. George Müllers Glaubenserfahrungen gehören zum heutigen Erbe der evangelika- len Tradition. Es ist nur allzu verständlich, dass die Gefahr der Mythologisierung hier be- sonders stark ist. Umso sachlicher muss eine Einordnung seines Glaubensprinzips und der daraus entstehenden Praxis stattfinden. Grundsätzlich zu betonen ist, dass George Müller sich nicht für eine romantische Idealisierung eignet. Das „living by faith “ impliziert für ihn Besitzlosigkeit und persönliche Armut. Im Anschluss an seinen Schwager verzichtet er deshalb auch auf Versicherungen und Vorsorge für sein Alter (Coad 1968:56-57). Dabei macht er keine Unterschiede zwischen dem Missionar im Ausland und dem Christen, der in England lebt. Ebenso bedeutsam erscheinen aber zwei weitere Aspekte, die die Praktikabilität des Glaubensprinzips betreffen. Müllers Glaube ist, wie Coad es formuliert, nur die eine Seite der Medaille („one side of the coin“) (:55). Es wird oft vergessen, dass der Glaube Müllers nur im Kontext seiner kontinuierlich wachsenden Brüdergemeinde in Bristol möglich ist. Coad ist zuzustimmen, wenn er schreibt: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 71 „If I am to exercise a simple childlike faith like Müller’s, I must be certain that the venture for which I am exercising it is one worthy of inspiring the faithful response of other men and women. Mere credulity belongs to the isolated individual, but faith of this nature is essentially a partnership” (Coad 1968:55). Weder die Bibelgesellschaft noch die Waisenhäuser sind ohne die enorme Unterstützung der Heimatgemeinde von Müller und Craik in der Anfangszeit denkbar gewesen. Zusätz- lich ist Müllers Sinn für die Relevanz der Publizität zu nennen. Schon 1836 beginnt er sei- ne Autobiographie unter dem Titel A Narrative of Some of the Lord’s Dealings with George Müller aufzuzeichnen. Den ersten Teil der sechsbändigen Ausgabe veröffentlicht er ein Jahr später, die anderen fünf Ausgaben sukzessive (Rowdon 1967:132). Im Rahmen seines Besuches in Stuttgart 1845 berichtet Müller von gedruckten 4.000 Exemplaren sei- ner eigenhändig in die deutsche Sprache übersetzten Ausgabe der Narrative und 220.000 verteilten deutschen Traktaten. Er schreibt: „In this I was particularly encouraged by re- membering that that great work of the Reformation, was chiefly accomplished by means of printed publications” (Müller 1906:421). Michae l Hamilton charakterisiert Müller aus heu- tiger Sicht mit Blick auf diese Umstände nicht zu Unrecht als den Typ eines aggressiven Publizisten („ aggressive publicist”) (Hamilton 2000:105). Müllers Biographie erzählt aber nicht nur von dem Publizisten und Beter in Bristol, sondern auch von dem rastlos Reisenden, der das Vereinigte Königreich, den europäischen Kontinent, Nordamerika, Asien und Australien hin und her durchkreuzt. Nach der Ernen- nung seines Schwiegersohnes James Wright zum Nachfolger (Müller 1906:446:447) kon- zentriert sich Müller mehr und mehr auf seine sogenannten Missionsreisen. Müllers zweite Frau, Susannah Grace, gibt in ihrem Buch The Preaching Tours and Missionary Labours of George Müller of Bristol (1889) einen Einblick, wie ihr Mann bei diesen Reisen – sicher mit bester Motivation – auch immer wieder von der Bristoler Waisenhausarbeit berichtet. Dass diese Reisen auch langfristig seine Arbeit unterstützen, ist nachvollziebar. Grafik 2: Biographien von George Müller und Henry Craik 1805 8. August. Henry Craik wird in Prestonpans geboren 1805 27. September. George Müller wird im anhaltinischen Kroppenstedt geboren 1820 Craik beginnt Studium an der University of St. Andrews 1825 November. Müllers Bekehrung in Halle 1826 21. August bis 1828. Henry Craik wird Hauslehrer in Groves Familie 1828 Sommer. Hauslehrer bei der Familie von John Synge bei Teignmouth 1829 19. März. Erste Ankunft von Müller in England zur Ausbildung an das Seminar LJS 1829 Müller besucht Teignmouth und trifft Craik zum ersten Mal Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 72 1830 Müller heiratet Mary Groves, die Schwester von Anthony Groves. Empfang der Glaubens- taufe und Beginn des Pastorendienstes in der Baptistengemeinde Ebenezer Chapel in Teignmouth 1831 April. Henry Craik wird Pastor der Baptistengemeinde in Shaldon 1831 Sommer. Craik heiratet Mary Anderson 1831 Craik veröffentlicht die Principia Hebraica 1832 1. Februar. Mary Craik stirbt 1832 Craik und Müller werden gemeinsam Pastoren der unabhängigen Gideon Chapel in Bristol 1832 20. Oktober. Nach dem Tod der ersten Ehefrau erneute Heirat von Henry Craik 1833 Craik und Müller lehnen Groves Einladung nach Bagdad zur Mitarbeit ab 1834 Februar. Gründung der Scriptural Knowledge Institution 1835 März. Reise von Müller mit Groves in die Schweiz und anschließend alleine nach Deutsch- land 1835 9. Dezember. Müller gibt die Planung eines Waisenhauses bekannt 1836 11. April. Müller eröffnet das erste Waisenhaus in der Wilson Street 1836 Oktober. Eröffnung des zweiten Waisenhauses in der Wilson Street 1837 Oktober. Eröffnung des dritten Waisenhauses in der Wilson Street 1837 November. Vereinigung der Gideon Chapel und Bethesda Chapel zu einer Gemeinde 1840 April. Gideon Chapel wird aus der Verbindung von Bethesda Chapel gelöst 1842 Oktober. Salem Chapel wird mit Bethesda Chapel vereinigt 1843 Juli. Eröffnung des vierten Waisenhauses in der Wilson Street 1843 9. August bis 6. März 1844. Müller in Deutschland. In Stuttgart Gründung einer Brüder- gemeinde 1849 März. Eröffnung des ersten selbsterbauten Waisenhauses in Ashley Down in Bristol 1857 November. Eröffnung des zweiten Waisenhauses in Ashley Down in Bristol 1866 22. Januar. Henry Craik stirbt 1870 6. Februar. Müllers Frau Mary stirbt 1871 30. November. Müller heiratet Susannah Grace Sangar 1872 26. Mai. Müller ernennt seinen Schwiegersohn James Wright als zweiten Direktor und zukünftigen Nachfolger in der Leitung der Waisenhausarbeit 1875 26. März bis 6. Juli. Erste Missionsreise des Ehepaars Müller durch England 1875 14. August bis 5. Juli. Zweite Missionsreise durch England, Schottland und Irland 1876 16. August bis 25. Juni 1877. Dritte Missionsreise in die Schweiz, nach Deutschland und Holland 1877 18. August bis 8. Juli 1878. Vierte Missionsreise nach Kanada und in die USA 1878 Beginn der Freundschaft zwischen Müller und Arthur Tappan Pierson 1878 5. September bis 18. Juni 1879. Fünfte Missionsreise durch Europa Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 73 1879 27. August bis 17. Juni 1880. Sechste Missionsreise nach Kanada und in die USA 1880 15. September bis 31. Mai 1881. Siebte Missionsreise nach Kanada und in die USA 1881 23. August bis 30. Mai 1882. Achte Missionsreise durch Ägypten, Palästina, Syrien, Klein- asien, Türkei und Griechenland 1882 8. August bis 1. Juni 1883. Neunte Missionsreise durch Deutschland, Österreich, Ungarn, Böhmen und Russland 1883 7. September bis 5. Juni 1884. Zehnte Missionsreise durch Schottland und Indien 1884 18. August bis 2. Oktober. Elfte Missionsreise durch England und Wales 1885 16. Mai bis 1. Juli. Zwölfte Missionsreise durch England 1885 1. September bis 3. Oktober. Dreizehnte Missionsreise durch England und Schottland 1885 4. November bis 13. Juni 1887. Vierzehnte Missionsreise nach Australien, China und Japan 1887 10. August bis 8. Juni 1889. Fünfzehnte Missionsreise nach Australien, Tasmanien, Neu- seeland, Ceylon und Indien 1894 13. Januar. Müllers Frau Susannah Grace stirbt 1898 10. März. George Müller stirbt 4 . 4 James Hudson Taylor Daniel Bacon ist zuzustimmen, wenn er schreibt, dass für viele Christen der Name Hudson Taylor geradezu ein Synonym für den Zusammenhang von Glauben und Geld darstellt.30 Und tatsächlich: Für James Hudson Taylor und die von ihm gegründete China-Inland- Mission (CIM) stellt das Thema der Finanzen keinen Nebenschauplatz dar, es bildet viel- mehr in der ganzen Geschichte der CIM ein integrales Element.31 Wie bei Müller lassen sich auch bei Taylor drei Entwicklungsphasen in der Formu- lierung des Glaubensprinzips nachzeichnen: Die erste Phase umfasst Taylors Vorbereitung auf den Missionsdienst und die Zugehörigkeit zur Brüderbewegung (1849-1853), die zwei- te Phase betrifft die erste Ausreise nach China und den Bruch mit seiner Missionsgesell- schaft (1853-1857), die dritte und entscheidende Zeitspanne fällt in die Gründungsphase der China-Inland-Mission (1857-1865). In allen drei genannten Phasen erfahren Taylors Ansichten über die Missionsfinanzierung entscheidende Impulse. Im Gegensatz zu der populären Darstellung von J.C. Pollock, dass nahezu ausschließlich George Müller für die 30 „To many Christians the name of Hudson Taylor is almost synonymous with faith and finance. Perhaps more than any other distinctive, Taylor’s convictions on mission finance and the record of God’s supply for him and the CIM attracted the notice and admiration of the Christian public” (Bacon 1983:27). 31 „Suffice to say that Taylor’s financ ial policies were very much a distinctive feature of the mission. The two policies of making no appeal for funds and guaranteeing no salary to the missionaries were to become char- acteristic of many faith missions” (McKay 1981:145). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 74 Genese des Glaubensprinzips bei Taylor verantwortlich sei (Pollock 1962:24)32, ist festzu- halten, dass bei Taylor eine Vielgestaltigkeit der Entwicklung vorliegt (McKay 1981:76- 77). 4.4.1 Taylors Vorbereitung auf den Missionsdie nst (1849- 1 8 5 3 ) James Hudson Taylor fasst schon früh als Kind den Entschluss, in China missionarisch tätig zu werden. Um sich auf seine Berufung adäquat vorzubereiten, beginnt er eine medi- zinische Ausbildung in seiner Heimatstadt Barnsley. Parallel lernt er als Autodidakt die chinesische Sprache und macht sich mit Literatur über China vertraut. Inter alia liest er das Missionsmagazin The Gleaner in the Missionary Field , das von der Chinese Association, der späteren Chinese Evangelization Society (CES) herausgegeben wird. Die Zeitschrift erscheint ab 1850 und berichtet in regelmäßigen Abständen über Karl Gützlaff (1803- 1851) und seine 1845 gegründete China Union. Es erscheint mehr als plausibel, dass Tay- lor durch den Gleaner einen ersten Anstoß für seine sp ätere Finanzierungspraxis erhalten hat (McKay 1981:67). So erinnert die Constitution der China Union inhaltlich an spätere Aussagen Taylors: „Means: To effect all these objects, they [Chinese eva ngelists] posses not a single farthing, and still they think it is their duty to press forward in faith, and hope, which have hitherto upheld them. They do not wish to encumber fellow Christians with demands on their purse, but are anxious to establish a fund, which may furnish them the means to go on independent in their work and not to be constantly ham- pered by appeals. How this is to be done, they know not, but leave the whole with entire childlike confidence, to their father in heaven. His will be done in all things, if he withdraw his support we must naturally sink, if he upholds, he will do with his miraculous power as hitherto up to this day” (in McKay 1981:68). Diese Worte hätten im Duktus auch später von Taylor selbst geschrieben werden können. Es ist somit kein Wunder, wenn Taylor Gützlaff als den „father of CIM“ tituliert (:68). 33 Noch bevor Hudson Taylor Barnsley verlässt, löst er seine Mitgliedschaft bei den Wesleyan Methodists auf und schließt sich einer methodistischen Reformgruppe an, den später sogenannten United Methodist Free Churches. Der Eindruck wird vermittelt, dass seit dieser Zeit die Frage der konfessionellen Kirchenzugehörigkeit bei Taylor eine zu- nehmend unbedeutendere Rolle spielt (McKay 1981:69). Schon in Barnsley besucht Taylor auch die Versammlungen der Plymouth Brethren, geleitet von William Neatby. Als Taylor 32 Pollock über Taylors Vorbereitungszeit: „Hudson Taylor lebte dem Beispiel Georg Müllers nach, der in Bristol Hunderte aufnahm und Missionare unterstützte, obwohl er keinen Pfennig sein eigen nannte und nie Menschen um Gaben bat “ (Pollock 1962:24). 33 Andreas Franz weist aber darauf hin, dass Gützlaff sehr wohl die Freiheit besaß, in Europa um Spenden zu bitten (Franz 1993:14). Insofern geht Taylor in dieser Hinsicht über Gützlaff hinaus. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 75 1849 eine Stelle als Assistenzarzt in Hull annimmt, kommt er dort in Kontakt mit der Brü- dergemeinde. Er vertieft seine Freundschaft zu den Plymouth Brethren, indem er die Got- tesdienste der Versammlung von Andrew Jukes besucht und sich dort auch taufen lässt.34 So schreiben Geraldine und Howard Taylor in Hudson Taylor in Early Years. The Growth of a Soul (1912): „He needed a fresh vision of eternal things, and the presence of Christ was often so real on these occasions that it was like heaven on earth being among them. He was facing a difficult future, and they set before him an example of faith in temporal as well spiritual things that surpassed his utmost thought. For this meeting was in close touch with George Müller of Bristol, whose work was even then assuming remarkable proportions … All this extens ive Work, carried on by a penniless man through faith in God alone, with no appeals for help or guarantee of stated income, was a wonderful testimony to the power of ‚e ffectual, fervent prayer.’ As such it made a profound impression upon Hudson Taylor, and encouraged him more than anything else in the pathway he was about to enter” (Taylor 1912:113). Auch lernt er in dieser Zeit bei Besuchen in London die Plymouth Brethren in der Brook Street, Tottenham, näher kennen. McKay bezeichnet den ersten Besuch hier als „beginning of a life-long connection“ (M cKay 1981:70). Später schreibt er in China einen Brief mit einer Erinnerung an diese Zeit in Tottenham: „I love Tottenham ... I love those I know there dearly. Of no other place can I say that my every recollection is sweet and profitable, marred by no painful thought of circumstance, save that I see it no more” (Taylor 1912:116). Die Brüdergemeinden sind es, die in den frühen Jahren die finanziellen Lasten der CIM großzügig tragen. Und sie sind es auch, die Taylor inspirieren, si ch in China zukünftig alleine Gott anzuvertrauen: „To me it was very grave matter to contemplate going out to China, far from all human aid, there to depend on the living God alone for protection, supplies and help of every kind. I felt that one’s spiritual muscles required strengthening for such an undertaking” (Taylor 1894:13). Und weiter: „I thought to myself, ‚When I get out to Ch ina, I shall have no claim on any one for anything, my only claim will be on God. How important therefore to learn before leaving England to move men through God by prayer alone’” (:14). 34 Erstaunlich ist, dass Taylor als ursprünglicher Methodist sich über Jahre der Brüderbewegung anschließen kann, um später Mitglied einer Baptistengemeinde zu werden. Es ist eine interessante Frage, ob der interde- nominationelle Ansatz von Taylor und den ihm folgenden Glaubensmissionen nicht auch in Taylors ekklesio- logischem Desinteresse liegen könnte. In diesem Zusammenhang vgl. McKay: „The role of the church was always to remain secondary in the history of the CIM and this was true of nearly all faith missions“ (McKay 1981:137). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 76 Taylor verlässt die komfortable Wohnung seiner Verwandten und mietet ein Zimmer in Drainside, dem unangesehensten Teil der Stadt. Er spricht in dieser Zeit von einem zweifa- chen Ziel („twofold object“), das er verfol gt: das Aushalten von schwierigen Umständen („endure hardness“) und die Fähigkeit zum Spar en („economising“). Zweck ist die bessere Vorbereitung für seinen späteren Dienst in China (:13). So nimmt sich Taylor bewusst vor, seinen Vorgesetzten in Hull nicht an die Auszahlung des Gehaltes zu erinnern, obwohl dieser ihn darum bittet. Immer wieder berichtet Taylor, wie durch Gebet und Glaube sein Arbeitgeber ihm sozusagen in letzter Minute das dringend benötigte Geld aushändigt (McKay 1981:409-414). Im September 1852 zieht Taylor nach London, um seine medizi- nische Ausbildung zu vervollständigen. Sowohl das Angebot seines Vaters als auch das der CES, ihn finanziell zu unterstützen, lehnt er ab. Am 19. September 1853 reist er im Auf- trag der Chinese Evangelisation Society nach China aus. In der beschriebenen Zeitspanne ist Taylors Nähe zur Brüderbewegung deutlich. In ihren Gemeinden in Barnsley, Hull und Tottenham lernt er ein „example of faith“ kennen und kommt in den Wirkungskreis George Müllers (Taylor 1912:113). Moira McKay weist deshalb auf die erstaunliche Tatsache hin, dass er mit der Ausreise der CES auch den usus der fest vereinbarten Gehälter akzeptiert (McKay 1981:71).35 Im Rückblick kann wohl gesagt werden, dass Taylor das „living by fa ith“ der Brüdergemeinden nur in modifizierter Form adaptiert. Vor seiner Ausreise ist es wohl ein wichtiges Instrument, um die Mission persönlich vorzubereiten. Die Ausgestaltung zu einer Missionsmethodik geschieht aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. 4.4.2 Ausreise nach China un d Bruch mit der CES (1853- 1 8 5 7 ) Im Alter von 21 Jahren erreicht Taylor China und wird dort mit der mangelnden Unterstüt- zung seitens der CES konfrontiert. Per annum empfängt er 80 Pfund, obwohl allein die Miete für ein einfaches Hauses in Shanghai mit etwa 120 Pfund im Jahr veranschlagt wird. An Mr. Pearse, den Sekretär der CES, schreibt er daraufhin: „The unavoidable expenses into which I ha ve been driven, have been a continual source of mental pain and anxiety, and have cost me many sleepless nights, but I cannot help them” (in McKay 1981:73). Seiner Bitte, diesen Mangel auszugleichen kommt die Mission nicht nach. Taylors Unzu- friedenheit über ihr finanzielles Gebaren erreicht 1856 einen Höhepunkt. Die offensichtli- 35 „At no time did he regard service with an existing missionary society as incompatible with his principles of living by faith“ (McKay 1981:71). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 77 che Praxis der kontinuierlichen Kreditaufnahme veranlasst ihn, seine Verbindung mit der CES zu lösen. „During the latter part of this year my mind was greatly exercised about continued connection with my society, it being frequently in debt. Personally I had always avoided debt, and kept within my salary, though at times only by very careful econ- omy. Now there was no difficulty in doing this, for my income was larger, and the country being in more peaceful state, things were not so dear. But the Society itself was in debt. The quarterly bills which I and others were instructed to draw were of- ten met by borrowed money, and a correspondence commenced which terminated in the following year by my resigning from conscientious motives. To me it seemed that the teaching of GOD’S word was unm istakably clear: ‚Owe no man any thing.’ To borrow money implied, to my mind, a contradiction to Scripture – a confession that GOD had withheld some good thing, and a determination to get for ourselves He had not given. Could that which was wrong for one Christian to do be right for an association of Christians?” (Taylor 1894:99). Hier ist besonders der Umstand zu berücksichtigen, dass die Vermeidung von Schulden schon früh zum Wertekanon Taylors gehört. Als Methodist in der vierten Generation be- sitzt er „a typical nonco nformist fear of debt“ (Austin 2000:217), die nun zur persönlichen Gewissensfrage mutiert. Für Taylor vertragen sich die Schulden seiner Missionsgesell- schaft nicht mit der Eigenschaft Gottes als fürsorglichem Vater. Doch die finanzielle Situa- tion stellt für ihn nicht nur einen äußeren Mange l dar, sie ist im Kern auch ein Zeichen der mangelnden Zugehörigkeit zu Gott. „I could not think that GOD was poor, that he was short of resources, or unwill- ingly to supply any want of what work was really his. It seemed to me that if there were lack of funds to carry on work, then to that degree, in that special develop- ment, or at that time, it could not be the work of GOD” (Taylor 1894:99). Auf dem Hintergrund dieses Verständnisses ist es nachzuvollziehen, dass Taylor etwa ein Jahr später die Chinese Evangelisation Society verlässt. Dies tut er gemeinsam mit seinem Freund Jones (:99). Das Leben ohne menschliche Sicherheiten, das er in Hull noch freiwil- lig praktiziert, wird für ihn nun eine Notwendigkeit: „I had no friends whatever from whom I expected supplies. I did not know what means the LORD might use” (:100). In diesen ersten Jahren der Eigenständigkeit, überlebt er auch durch die kontinuierlichen Spenden von George Müller36 und William T. Berger (1812-1899), dem späteren ersten Generalsekretär der CIM (McKay 1981:79). Im Jahr 1857 entdecken Taylor und Jones für sich die beiden alttestamentlichen Mottos, die später für die CIM übernommen werden: „Well, on that Saturday morning we paid all expenses, and provided ourselves for the morrow, after which we had not a single dollar left between us. How the LORD 36 „Hudson Taylor was to receive considerable support from Müller over the years“ (McKay 1981:58). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 78 was going to provide for Monday we knew not; but over our mantelpiece hung two scrolls in the Chinese character – Ebenezer , ‚Hitherto hath the LORD helped us’; and Jehova-Jireh, ‚The LORD will provide’ – and he kept us from doubting for a moment” (Taylor 1894:106). 4.4.3 Gründungsphase der China- Inland-Mission (1857- 1 8 6 5 ) Zurück in England beschäftigt sich Hudson Taylor mit der Gründung einer neuen Missi- onsgesellschaft. Entgegen der populären Überlieferung entwickelt Taylor aber nicht erst am Strand von Brighton 1865 diesen Gedanken. Schon für 1862 weist sein Cash Book 1 erste Spendeneinträge für eine neue Mission auf (McKay 1981:83). Geraldine Guinness berichtet in ihrem Buch The Story of the China Inland Mission (1893) wie nach der Publi- kation von China’s Spiritual Need and Claims die Ehepaare Taylor und Berger gemeinsam im Landhaus der Bergers in Saint Hill die Grundlinien für die zukünftige Arbeit der CIM entwarfen (Guinness 1895:205-220). Dort nimmt die Frage nach der Missionsfinanzierung und Spendenakquise eine Spitzenstellung ein. „There were serious questi ons to be considered, prominent amongst which was the problem of how to attempt an auxiliary effort which should be helpful to all previ- ously existing agencies and injurious to none. Twenty or more societies were al- ready at work in the field; and although th eir efforts were almost entirely confined to the seaboard provinces, they were rendering much-needed and very important service, upon which GOD had set the seal of His marked approval. Mr. Taylor and those associated with him were anxious from the very first that any effort they might be led to make might not for a moment appear to conflict with the work of these older organisations, and still more so that it should actually divert help of any kind from already familiar channels. Such a result they felt would be no gain either to China or to the cause of GOD; and th eir earnest desire and prayer was a method might be given them that should draw out fresh labourers, who probably might not otherwise have reached the missions field, and open up new channels of pecuniary aid” (Guinness 1893:230-231). Eine erste Antwort auf die „wic htigste unter allen“ Fragen ist der Entschluss, an keinem Ort und zu keiner Zeit um Geld zu werben oder Menschen im Rahmen einer Kollekte di- rekt darum zu bitten. „Thus it was recognised as a general principl e of the Mission that all its needs were to be brought before the LORD in faith and prayer; and that though, when it seemed desirable, they might also be publicly mentioned, any thing of the nature of solicita- tion for money was to be carefully avoided. Further, it was also decided to adopt the plan of making no collection at meetings held in connection with the Mission – partly with the desire to avoiding the danger of drawing away contributions from other channels, and partly in order to leave upon the minds of the hearers as deep an Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 79 impression as possible of individual responsibility with regard to the claims of hea- thendom” (:239). 37 Die einleitende Begründung der gewählten Praxis, die Daniel Bacon die „nonsolicitation policy“ nennt (Bacon 1984:31), ist der Wunsch nach Vermeidung eines Wettbewerbs mit anderen Gesellschaften.38 Diese „competition avoidance“, so Bacon, ist historisch einer der Hauptgründe für den Werbeverzicht der CIM (:31). Im letzten Halbsatz deutet sich auch ein zweiter Grund für die Ablehnung an. Es ist das Ziel, mit dem Verzicht auf öffentliche Kollekten „einen möglichst ti efen Eindruck“ bei den Anwese nden bezüglich „ihrer persön- lichen Verantwortlichkeit gegenüber den Bedürfnissen der Heidenwelt“ auszulösen. Taylor selbst unterstreicht diese Argumentation mit der Erzählung einer Begebenheit in Retrospect (1894). Nach einer gottesdienstlichen Versammlung möchte der Leiter eine Kollekte durchführen. Taylor lehnt dieses Ansinnen ab, und antwortet: „If, after thought and prayer, they were satisfied that a pecuniary contribution was what He wanted of them, it could be given to any Missionary Society having agents in China; or it might be po sted to our London office; but that perhaps in many cases what GOD wanted was not a money contribution, but personal consecration to His service abroad; or the giving up of son or daughter – more precious than silver or gold – to His service. I added that I t hought the tendency of a collection was to leave the impression that the all-important thing was money, whereas no amount of money could amount a single soul; that what was needed that men and women filled with the HOLY GHOST should give themselves to the work: for the support of such there would never be a lack of funds” (T aylor 1894:124). Vergleicht man diese Aussage mit Anthony Norris Groves oder George Müller, so fällt sofort ins Auge, dass die Erklärung des Nichtwerbens eine ganze andere Richtung enthält. Weder biblische Beweisführung (so Groves) noch Sorge um ein dezidiertes Amtsverständ- nis (so Müller) sind die theoretische Basis von Taylors „nonsolicitation policy“. Hinter- grund ist vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz in der Kommunikation. Nicht kurzfristige Aktionen wie die einer spontanen Spende sollen provoziert werden, sondern Nachhaltig- keit ist das Ziel der heimatlichen Missionspredigt. Sicher benutzt auch Taylor biblische Texte um das Glaubensprinzip darzustellen, doch dann eher im Kontext des Glaubens, der 37 In der deutschen Übersetzung von 1895: „Es wurde als allgemeines Princip festgestellt, daß alle Bedürfnis- se in gläubigem Gebet Gott kund gemacht werden sollten, und daß auch in Fällen, wo es wünschenswert erscheinen könnte, etwas mehr davon in der Oeffentlichkeit zu erwähnen, eigentliche Bitten um Geld sorgfäl- tig vermieden werden müßten. Ferner wurde auch be stimmt, bei Versammlungen, die mit dieser Mission in Verbindung stehen, nie Kollekten zu veranstalten, teilweise um der Gefahr zu entgehen, anderen Kanälen die gewohnten Zuflüsse zu entziehen, teilweise auch, um in den Gemütern der Zuhörer einen möglichst tiefen Eindruck ihrer persönlichen Verantwortlichkeit gegenüber den Bedürfnissen der Heidenwelt zu hinterlassen“ (Guinness 1895:217-218). 38 So auch Bacon: „Hudson Taylor’s policy was based not only on his understanding of biblical principles but also came out of a specific historical context … To avoid deflecting monies from denominational channels, Taylor adopted the nonsolicitation policy” (Bacon 1984:30). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 80 die Kraft ist, diese Haltung auch auszuüben.39 Dieses Konzept verschafft sich ohne Zweifel Aufmerksamkeit und in einzelnen Fällen bringen die Zuhörer tatsächlich auch größere Fi- nanzen auf.40 Der beschriebene Fall von Retrospect bestätigt dies. Am nächsten Morgen erscheint Taylors Gesprächspartner und sagt: „I thought last night, Mr. Taylor, that you were in the wrong about a collection; I am now convinced you were quite right. As I thought that night of that stream of souls in China ever passing onward into the dark, I could only cry as you suggested, ‘LORD what wilt Thou have me to do?’ I think I have obtained the guidance I sought, and here it is” (:125). Daraufhin überreicht er Taylor einen Scheck in Höhe von 500 Pfund, den Taylor auch oh- ne Zögern entgegennimmt. An dieser Stelle erscheint Taylors „nonsolicitation policy“ durch und durch modern und liegt auf einer Linie mit modernen Kommunikationstheorien. Bei Geraldine Guinness wird er mit diesen Worten zitiert: „We do not appeal for men or money. The th ing we do appeal for is love to GOD and a walk that pleases Him. Nothing is of any value that is not the outcome of hearts brought near to GOD. Let men see GOD working; let GOD be glorified; let souls be holier, happier, nearer to Him, and they won’t want to be asked to help. A consecrated shilling, given from love to GOD, is worth far more to us than an un- consecrated souvereign” (Guinness 1893:240). 41 Bei Taylors späterem Besuch 1893 in Wuppertal ist dieser ganzheitliche Ansatz in der Spendenwerbung bei seiner Rede am 14. April bilderbuchartig wiederzufinden: „Betet für die Missionare in China! Viele können gewiß auch etwas für sie geben; ich bin überzeugt, daß das Geld, welches wir Gott geben, am besten angelegt ist, es ist gleich dem Samen, den wir säen, es wird wachsen zur Ernte und sich ver- vielfältigen, es ist auch gleich dem Gelde in der Bank, denn es kommt zurück mit Zinsen ... Einige unter euch können vielleicht noch etwas besseres thun; sie haben Söhne und Töchter, die ihnen kostbarer als Gold und Silber ... Es ist nichts Kleines, unsere Kinder dem Herrn zu geben ... Einige unter euch könnten vielleicht etwas noch Näheres geben, sie können sagen: Hier bin ich selbst, sende mich!“ (Taylor 1893:87). Taylor spricht von der Möglichkeit des Gebens, stellt sie aber als untergeordnetes Ziel sei- ner Rede dar. In einer rhetorischen Klimax fordert er die Zuhörer auf, sich nicht nur finan- 39 „I saw the Apostolic plan was not to raise ways and means, but to go and do the work trusting in His sure word who has said, ‚Seek ye first the Kingdom of God and His righteousness, and all these things shall be added unto you’” (Taylor 1894:118). 40 „There is no doubt that Taylor aroused considerable interest in his refusal to have collections and the net result was substantially more in terms of money received” (McKay 1981:184). 41 Vgl. die deutsche Übersetzung von 1895: „Wir bitten nicht um Leute oder Geld. Wir flehen um Herzen, die Gott lieb haben und nach seinem Wohlgefallen wandeln. Was nicht aus solchen in Gemeinschaft stehen- den lebenden Herzen hervorkommt, ist durchaus wertlos. Wenn die Menschen Gott wirken sehen, wenn Er verherrlicht wird, wenn Seelen heiliger, glücklicher, göttlicher werden, dann braucht man nicht um Hilfe bitten. Ein Gott geweihter und aus Liebe zu Ihm gegebener Schilling ist weit mehr wert, als ein ungeheiligter Sovereign (20 Mark)“ (Guinness 1895:218). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 81 ziell zu engagieren, sondern die Frage der Berufung für sich persönlich und die Familien- angehörigen zu klären. In ihrem Buch The Story of the China Inland Mission (1893) berichtet Geraldine Guinness auch von der Festschreibung des Kreditverzichts in der Gründungsphase der CIM. Taylors Austrittsgrund aus der CES gehört von nun an zum Profil der neuen Missi- onsgesellschaft. „The funds received would be used as they were needed; but beyond this not one penny more. And as natural outcome of such an understanding, no regular salaries could be promised to the workers. Whatever sums of money the LORD might be pleased to send would be prayerfully appropriated to the various objects of the work, the personal needs of the members of the Mission being proportionally met. If none came in at home, none could be forwarded to China; but if, on the other hand, more was received than usual, more would be sent on” (Guinness 1893:235- 236). Bemerkenswert ist die Identifizierung der Spenden als eine Art Hinweis auf die Führung Gottes. Die Ablehnung regelmäßiger Gehälter gr ündet in dem Verzicht auf Kredite. Auch hier fällt wieder der Unterschied zu George Müller auf, dessen Gehaltsverzicht den ekkle- siologischen Hintergrund der Brüderbewegung besitzt. Die Kraft, die den einzelnen Missionar in den Stand versetzt, ohne Spendenwer- bung oder andere menschliche Sicherheiten nach China zu gehen, ist der Glaube an den sorgenden Gott. Taylor drückt diesen Umstand in den heute klassisch gewordenen Sätzen so aus: „He [God] had no difficulty in sustaining two ore more millions of Israelites in the wilderness for forty years. We scarcely expect that He will send two million mis- sionaries to China; but if He should do so, He would have abundant means to sus- tain them all. Let us see to it that we keep GOD before our eyes, that we walk in His ways, and seek to please and glorify Him in all things great and small. Depend upon it, GOD’s work, done in GOD’s way, will never lack GOD’s supplies” (:238). 4.4.4 Fazit Taylors Glaubensprinzip besteht aus drei grundsätzlichen Merkmalen: die Vermeidung von Schulden, der Verzicht auf Spendenwerbung und die Ablehnung von öffentlichen Kollek- ten. Diese Haltung ist in erster Linie sowohl politisch („competition avoidance“) als auch psychologisch begründet („Love to GOD“). Eine biblische Begründung erscheint hier eher im Zusammenhang mit dem Glauben, der diese Haltung ermöglicht. Die Übertragung des Glaubensprinzips von Groves über Müller auf Taylor ist durch Taylors zeitweise Zugehö- rigkeit zu den Brüdergemeinden, nachvollziehbar. Taylor und Müller ähneln sich darin, Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 82 dass sie beide die alternativlose Vertrauenswürdigkeit Gottes für die Mission betonen.42 Im Vergleich verfolgt Taylor allerdings bei der Formulierung seines Glaubensprinzips einen tendenziell pragmatischen Ansatz. Zwar sind vereinzelt das christliche Armutsideal von Groves43 und Müllers ekklesiologisch bedingtes Amtsverständnis und dessen Wunsch nach einem lebendigen Gottesbeweis aus der Heiligungsbewegung nachweisbar, aber sie bilden nicht das geistige Fundament von Taylors Spendengewinnung. Recht pragmatisch ordnet dieser die Finanzierungspraxis der Mission unter. Sie ist nicht wie bei Müller eine Mission an sich, sondern sie dient dieser für einen besseren Vollzug.44 Bei einer sachlichen Würdigung der Spendengewinnung von Taylor und seiner CIM ist von grundsätzlicher Bedeutung das Problem der praktischen Durchführbarkeit. Es stellt sich nämlich die Frage, inwieweit Taylor seinem Ideal überhaupt gerecht werden kann. Gleich zu Beginn der CIM veröffentlicht Taylor ein kleines Heft namens Occasional Pa- per, No. 1 für Förderer („donors“) und Freunde („friends“) (Taylor 1894:121). Über das Ziel ist sich Taylor aber durchaus im Klaren: „I expected that GOD would incline the hearts of some of the readers to send some contributions” (Taylor 1894:121). Schon hier deutet sich die Schwierigkeit an, denen alle Glaubensmissionen ausge- setzt sind. Die Problematik ist: Werben wollen sie nicht, aber informieren müssen sie. Die Unterscheidung zwischen beiden Wegen ist dabei manchmal nicht wirklich durchsichtig. So werden auf den letzten Seiten von Retrospect (1894) die CIM und ihre Prinzipen in einem kurzen Abriss dargestellt. Unter dem Stichwort „Support“ ist expressis verbis zu lesen: „The mission is supported entirely by the fr ee-will offerings of the LORD’S people. The needs of the work are laid before GOD in prayer, no personal solicitation or collections being authorised. No more is expended than is thus received, going into debt being considered inconsistent with the principle of entire dependence upon GOD” (:141). 42 „ It is significant that both Müller and Hudson Taylor appeal to such Scriptural passages, particularly Mat- thew 6:34 which may be regarded as the key text claimed in support of the concept of ‘living by faith’” (Rowdon 1995:341). 43 Allerdings ist zu beachten, dass Hudson Taylor und seine Familie in späteren Jahren über persönliche Spenden verfügten, die sie nicht dem General Fund der Mission zur Verfügung stellen mussten. Taylor selbst empfing derart viel, dass er sogar imstande war, andere Gesellschaften finanziell zu unterstützen (McKay 1981:181). Darüber hinaus erhielt er die Tantiemen seiner Bücher, die zu Hunderttausenden verkauft wurden. Nur teilweise flossen diese Gelder in die CIM zurück (Austin 2000:220). Und sicher konnten nicht viele Missionare der CIM ihren Lebensabend wie er in der klimatisch günstigen Schweiz verbringen. 44 Auch hier zeigt sich wieder Taylors pragmatische Tendenz. „Theology, to Taylor’s mind was a ‚non- essential’. That he was never interested in theology ma y be seen in his pilgrimage through several denomina- tions before becoming a Baptist. Never was theology his main reason for moving on elsewhere” (McKay 1981:138). Vgl. seine Auslegung des Hohenliedes Union and Communion , eine ausgesprochen allegorische Deutung, die nur für die persönliche Andacht konzipiert ist (McKay 1981:138). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 83 Trotz dieser deutlichen Ablehnung der Spendenwerbung findet sich ein Absatz weiter je- doch die Aussage: „Donations and Correspondence to be addressed to the Secretary at any above addresses” (:141). Die schwierige Differenzierung von Werbung und Information fällt auch bei der Distribu- tion für die Missionsbüchsen der CIM auf. 1894 erscheint in China’s Millions die Anzeige: „We have lately prepared new missionary boxes with an entirely fresh design, and shall be very glad to forward them to any friends who will undertake their charge, not for the solicitation of contributions, but for the freewill offerings of the Lord’s own people” (in McKay 1981:174). Auch hier ist wieder die Unterscheidung zwischen der Spendenwerbung („solicitation of contributions“) und den freiwilligen Spende n („freewill offerings“) , ohne dass wirklich ersichtlich wird, was das eine vom anderen unterscheidet. Es erscheint aus heutiger Sicht ein wenig sophistisch, zwischen freiwilligen und geworbenen Spenden zu differenzieren, sind doch auch die Kollektenbüchsen eine Art von Spendenwerbung. Moira McKay führt als weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang eine Rede Tay- lors bei einem Missionstreffen im Jahr 1875 an, die später in China’s Millions erscheint und sicher als typisch gelten kann: „We meet together this afte rnoon, he continued, not to ask your money; but we beg, we entreat your prayers on behalf of 150 millions of perishing souls! We are pecu- niarily sustained by the freewill offerings of the children of God; as you have heard, nearly £ 52.000 have been sent in during the past eleven years, without solicitation. But oh, we do beseech your earnest prayers, that those vast portions of China which are still without the light of the Gospel may soon be evangelised” (in McKay 1981:178-179). Das kontinuierliche Erwähnen der Finanzen und ihr gleichzeitiges Abwehren kann einen gewissen Eindruck der Bigotterie nicht vermeiden. Taylor verbittet sich selbst und den anderen Missionaren eine Spendenwerbung. Die Frage, ob ihm dies wirklich gelingt, kann nicht eindeutig mit Ja beantwortet werden. Die CIM – ob sie es wollte oder nicht – wa rb durch ihr pures Dasein. Nicht zu un- terschätzen ist in diesem Zusammenhang das persönliche Charisma ihres Gründers.45 We- der William T. Berger noch später Benjamin Broomhall besitzen als Generalsekretäre in England die notwendige Ausstrahlung, Menschen und Finanzen für die Mission in China zu gewinnen, weshalb Taylor immer wieder seine Heimat und den europäischen Kontinent 45 „It would indeed be wrong to deny that his personal charisma was a major factor in moving people to sup- port CIM … Taylor was for a long tim e, the reason for the successful appeal for the CIM. As long as the mission was attractive and people wanted to be part of the work – by praying, giving or going – there was no need to resort to fund raising activities or to make appeals for money” (McKay 1981:175). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 84 besuchte. Zwar ist es ein spekulativer Gedanke, aber sicher wäre die Geschichte der CIM anders verlaufen, wenn Hudson Taylor zu einem früheren Zeitpunkt verstorben wäre (Mc- Kay 1981:177). Nicht zu unterschätzen ist auch die Einführung des CIM Councils 1872 nach dem Ausscheiden William Bergers aus der Leitung der CIM. Neben den administrati- ven Aufgaben, die von den „council members“ au sgeübt werden, umfasst das Council auch sogenannte „referees“, die mit ihrem Namen und ihrer denominationellen Herkunft für das angemessene Image in den Kirchen sorgen (:259-295). Ebenso zu nennen ist das publizisti- sche Engagement der China-Inland-Mission. Die englische Ausgabe von China’s Millions wird regelmäßig in einer Auflage von 12.000 Exemplaren verkauft. Als die Cambridge Seven ihre publizistisch wirksamen Abschiedsversammlungen durchführen, ordert Benja- min Broomhall eine Extraauflage mit 50.000 Kopien, die darüber berichten kann (:177). Hinzu kommen die Bücher von Taylor und seiner Familie, die zu Hunderttausenden als Originale und autorisierte Übersetzungen die Förderer in aller Welt erreichen. Mit Blick auf diese Tatsachen schreibt McKay über die CIM und die ihr folgenden Glaubensmissionen sicher zu Recht: „Something of a spiritual mystique ha s wrongly surrounded the financing of faith missions. Money may never have been solicited vociferously, but human agency has always played a very important part in finance” (:174-175). Grafik 3: Biographie von James Hudson Taylor 1832 21. Mai. James Hudson Taylor wird in Barnsley / Yorkshire geboren 1849 Hudson Taylors Bekehrung in der Methodistengemeinde in Barnsley 1849 Taylor beginnt seine medizinische Ausbildung in Hull 1851 bis 1852. Taylor besucht Brüdergemeinde in Hull. Dort erhält die Glaubenstaufe 1853 19. September. Taylor reist das erste Mal nach China im Auftrag der CES 1854 1. März. Taylor erreicht Shanghai 1857 Juni. Taylor verlässt die CES und wird Freimissionar 1858 Hudson Taylor und Maria Jane Dyer heiraten 1860 Taylor kehrt nach London zurück 1860 bis 1865. Die sogenannten „hidden years“ 1864 3. Juni. Taylor eröffnet Bankkonto unter der Bezeichnung „China Inland Mission“ 1865 Gründung der China-Inland Mission 1865 Taylor veröffentlicht China’s Spiritual Need and Claims 1869 Erlebnis des „ausgetauschten Lebens“ 1870 Tod Maria Taylors 1871 Hudson Taylor heiratet Jane Elizabeth Faulding Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 85 1872 Heimatleitung der CIM geht von W. Berger auf das London Council über 1885 Eintritt der Cambridge Seven, unter ihnen C.T. Studd 1888 Die CIM wird eine internationale Mission 1888 Taylor bei Moodys Northfield Conference 1889 Taylor besucht Skandinavien 1889 Dezember. In China’s Millions erscheint der erste Teil des Editorials „To Every Creature“ 1893 5. bis 14. April. Taylors erste Vortragsreise in Deutschland 1893 5. bis 9. August. Taylors zweite Vortragsreise in Deutschland 1896 31. August bis 4. September. Taylors dritte Vortragsreise in Deutschland 1897 26. Februar bis 27. April. Taylors vierte Vortragsreise in Deutschland, der Schweiz und Österreich 1905 Sommer. Beginn seines Ruhestandes in der Schweiz 1905 Frühjahr. Taylor tritt seine elfte China-Reise an 1905 3. Juni. Taylor stirbt in Shangsha in der chinesischen Provinz Hunan 3.5 Arthur Tappan Pierson Der Nordamerikaner Arthur Tappan Pierson (1837-1911)46, der mit Adoniram Judson Gordon (1836-1895) zu den beiden populären Publizisten und Theologen der Glaubens- missionen zählt (Fiedler 1992:82), skizziert in seinem 1900 erschienenen Buch Forward Movements of the Last Century im achten Kapitel (Pierson 1900:93-106) das Wesen des „faith work“ seiner Zeit. 47 Seine Bemerkungen sind für unseren Themenkreis vor allen Dingen deshalb erwähnenswert, weil Pierson bei seiner Beschreibung einen bisher nicht gekannten Grad der Kategorisierung vornimmt. Dies liegt zum einen in der Prägung seiner Begriffe. Sprechen Groves, Müller und Taylor eher allgemein vom „faith“ oder „living by faith“, formuliert Pierson das „principle of faith“ (:93,105) als da s bestimmende Charakte- ristikum der Glaubensmissionen (:93). Und während die Glaubensmissionen sich selten als „faith missions“ bezeichnen, erhebt Pierson di esen Begriff (:93) zusammen mit dem Prädi- kat „faith work“ (:93) und dem der „faith movements“ (:94) zur allgemeinen Beschreibung dieser Missionen. Neben dieser begrifflichen Kategorisierung führt Pierson eine Gegenüberstellung der „faith missions“ und den sonstigen Missions gesellschaften: „There are two classes of activities mong disciples“ (:93) . Zur ersten Klasse zählen solche, die Geschäftsmethoden 46 Vgl. zu A.T. Pierson Robert 2003. 47 Als unabhängiger Presbyterianer nähert sich Pierson ab 1897 der Heiligungsbewegung. Er nimmt an der Erweckung in Wales von 1903 bis 1905 teil und besucht die Keswick-Konferenzen (Fiedler 1992:83). Gustav Warneck nennt ihn ironisch einen „Hauptträger“ der „Dampf-Weltevangelisierung“ (Warneck: 1903a:15). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 86 zu ihrer methodischen Basis machen („business methods and principles“) (:93). Sie scheu- en sich nicht, Appelle für Gelder auszusprechen, und sie erwarten Garantien, bevor sie neue Aufgaben in Angriff nehmen (:94). Für diese Missionen ist das wirtschaftliche und das missionarische Handeln kein Unterschied: „God’s blessing will be sought by true disciples, who carry into the Lord’s work the principles practically found to assure to worldly enterprises the greatest prosperity and progress” (Pierson 1900:94). Diesen Missionsgesellschaften stehen die „f aith missions” gegenüber, denen ein göttlicher Vorsehungscharakter zukommt („the providen tial meaning of these faith movements”) (:94): „They are designed by God to make more vivid and prominent to our faith the Presence and Power of a Prayer Hearing God“ (:94). Diese „faith missions” sind es, die sich an Go tt als ihren unsichtbarer Leiter („Invisible Administrator“) (:95) halten und ausschließlich biblische und geistliche Wege der Finanz- gewinnung ausüben („to use only scriptural and spiritual methods in appealing to men, or in raising funds“) (:95). Als zeitgenössischen Beweis der H öherwertigkeit der Glaubens- missionen führt Pierson einen Vergleich von George Müller und Dwight Lyman Moody an. Müller, der nie öffentlich um Gelder bittet, hinterlässt nach seinem Tod eine Waisen- hausarbeit ohne finanzielle Engpässe: „Day by day, without any machinery of coll ectors, any asking for help save of God, money and other gifts pour in increasingly. Mr Müller’s departure left no gap to be filled save in the love and yearning hearts of those who loved him. The same prin- ciples of faith and prayer which he laid as the cornerstone of the work remain to sustain it” (:105). Im Gegensatz zu Müller vertraut Moody bei der Finanzierung seiner Evangelisationskam- pagnen und sozialen Aktivitäten auf die üblichen Geschäftsprinzipien. Er bittet in seinen Versammlungen um Kollekten, verwahrt die Namen der vermögenden Christen in einer Datenbank und scheut sich nicht, persönlich Bittbriefe zu schreiben. Als Moody allerdings stirbt, so Pierson, können nur enorme Anstrengungen eine finanzielle Krise seiner Werke abwenden (:103). Deshalb stellt Pierson die rhetorische Frage: „Now the contrast compels us candidly to ask, which is the more scriptural and spiritual method of carry on work for God, and which brings the work into least peril when the workman dies?” (:105). Allerdings will Pierson auch nicht auf jedwedes methodische Element bei der Spendenge- winnung verzichten. Er überträgt es nämlich von der Missionsgesellschaft auf die Verant- wortung des einzelnen Christen: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 87 „The Word of God distinctly teaches us th at the basis of Christian giving must be found in prayer to God and the culture of individual responsibility as in trust with God’s property. This principle faith missions seek to emphasize” (:105). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei Pierson eine starke Systematisierung und Dogmatisierung des Glaubensprinzips stattfindet. Für ihn besteht kein Zweifel, dass das „principle of faith“ alle Vorzüge ge genüber den üblichen Finanzierungsmethoden be- sitzt. Auch ist ihm daran gelegen nachzuweisen, dass es in der Missionsgeschichte mit Au- gust Hermann Francke (1663-1727), Johannes Gossner (1773-1858) und Ludwig Harms (1808-1865) kirchengeschichtliche Vorläufer des Glaubensprinzips gibt (:99-102). Es fällt indes auf, dass Pierson bei der Skizzierung der Glaubensmissionen vorzugsweise auf George Müller zurückgreift. Auch seine Begründung des Glaubensprinzips geht auf Müller zurück: „They are designed by God to make more vivid and prominent to our faith the Presence and Power of a Prayer Hearing God“ (:94). Dass Pierson den ekklesiologischen Hintergrund des Glaubensprinzips in der Brü- derbewegung nicht erwähnt, 48 dafür aber umso mehr Müllers Modell des Gottesbeweises hervorhebt, ist symptomatisch für die weitere Rezeption des Glaubensprinzips in der evan- gelikalen Welt. Zwar besitzt die Darstellung Piersons eine eingängige Übersichtlichkeit, doch leistet sie auf Generationen der unglückseligen Polarität zwischen den Missionsge- sellschaften Vorschub. 3 . 6 Zusammenfassung In einer abschließenden Zusammenschau (vgl. Grafik 4) kann die Genese und Entwicklung des Glaubensprinzips in einer Linie von Groves über Müller zu Taylor unterstrichen wer- den (Bebbington 1989:94; Brandl 1998:72; Coad 1968:57; Fiedler 1992:31,100; Larsen 1998:67; Rowdon 1968:340). Diese Evolution ist aber weder monokausal noch stellen die Ideen über die Missionsfinanzierung ein monolithisches Gehäuse dar. Bei allen drei ge- nannten Personen sind einzelne Schwerpunkte und Ausgestaltungen des Glaubensprinzips nachweisbar. Der Verzicht auf öffentliche Spendengewinnung erscheint nichtsdestotrotz als inhaltlicher Nukleus. Anthony Norris Groves entwickelt das Konzept des „living by faith“ als Ausdruck seiner persönlichen Frömmigkeit. Der Verzicht auf Besitz, die Ablehnung von materieller Vorsorge und Kreditaufnahme sind die Spitzen dieser Spiritualität. Die Wurzel dieser Hal- 48 Es ist symptomatisch, dass Pierson in seiner Biographie über George Müller die Idee des Gottesbeweises hervorhebt (Pierson 1960:80-81), den theoretischen Hintergrund des Glaubensprinzips in der Brüderbewe- gung aber nicht verdeutlicht. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 88 tung liegt in seinem geistigen Kontext: es ist die Zeit der „radical evangelicals“ (Stunt 2000:117). Wichtiges Element ist dabei das Verständnis der „literal truth“ als hermeneuti- scher Schlüssel für die Exegese. Bemerkenswert ist Groves Anbindung an die frühe engli- sche Brüderbewegung. So wird Groves Glaubenshaltung Vorbild für deren Anhänger und missionarischen Unternehmungen.49 Durch die Freundschaft mit Henry Craik lernt George Müller das Konzept des „li- ving by faith“ kennen. Rasch entscheidet auch er sich für die persönliche Armut, die Ab- lehnung von Krediten und den Verzicht auf ein festes Gehalt. In Müllers Adaption und an- schließender Weiterentwicklung der Glaubens haltung sind drei Tendenzen unverkennbar. Anfänglich ist sie, wie bei seinem Schwager Groves, Gestalt einer persönlichen Frömmig- keit. Später tritt ein ekklesiologisch begründetes Verständnis hinzu. Um jeden Anschein eines kirchlichen Standes zu vermeiden, verzichtet er ausdrücklich auf ein festes Gehalt und jedwede Werbung in diesem Zusammenhang. Bei der Gründung und Durchführung der Bristoler Waisenanstalten wird ein dritter Akzent dem „living by faith“ eingefügt. Die Tatsache, dass ohne Spendenwerbung eine solche Einrichtung finanziert werden kann, soll zum Glauben inspirieren. Das Leben aus dem Glauben erhält eine missionarische Ausrich- tung. Dieser dritte Akzent des Glaubensprinzips bedeutet eine genuine Weiterentwicklung George Müllers und ist ideengeschichtlich weder August Herrmann Francke noch der Hei- ligungsbewegung ausschließlich zuzuordnen. Die historische Übergabe des Glaubensprinzips von Müller zu Taylor ist durch Taylors zeitweise Zugehörigkeit zu den Brüdergemeinden darstellbar. Auch wenn sich das „living by faith“ auf der praktischen Ebene bei Müller und Taylor stark ähnelt, ist ihre je- weilige Begründung ausgesprochen unterschiedlich. Zwar sind vereinzelt das christliche Armutsideal von Groves und Müllers ekklesiologisch bedingtes Amtsverständnis nach- weisbar. Aber sie bilden nicht das geistige Fundament von Taylors Spendengewinnung. Taylor begründet seine Haltung vielmehr politisch und psychologisch. Die „nonsolicitation policy“ soll einen Wettkampf um Mission sfinanzen vermeiden und einen nachhaltigen Eindruck bei den Förderern bewirken. Verhältnismäßig pragmatisch ordnet Taylor seine Finanzierungspraxis der Mission unter. Bei Pierson ist eine starke Kategorisierung und Dogmatisierung des Glaubensprin- zips feststellbar. Dabei fällt auf, dass er lediglich das beweisende Moment des Glaubens- 49 Larsen weist darauf hin, dass die Idee des „living by Faith” in der Brüderbewegung im Laufe der Zeit ei- nen immer verbindlicheren Charakter erhielt. Diese Tendenz wurde auch deshalb verstärkt, da einzelne Brü- dertraditionen („Brethren distinctives“) wie die Selb ständigkeit der Ortsgemeinde und der Prämillienialismus immer stärker zum Allgemeingut der evangelikalen Christen wurden (Larsen 1998:69). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 89 prinzips von Müller aufgreift. Bei ihm und vielen nachfolgenden Darstellungen verliert der ursprüngliche „Sitz im Leben“ des Glaubens prinzips – nämlich die Brüderbewegung – an Erwähnung.50 Seine Herausstellung des divinen Charakters der Glaubensmissionen trägt mittelfristig zur unglücklichen Polarisierung gegenüber den klassischen Missionen bei. Problematisch erscheint bei allen Protagonisten des Glaubensprinzips die doketi- sche Darstellung der Spendengewinnung. Ohne Werbung wollen sie alleine durch den Glauben die Spenden gewinnen. Der Tatsache, dass Werbung aber nicht ausschließlich in bewussten Appellen geschieht, sondern auch durch Information und Publizistik, tragen sie nicht ausreichend Rechnung. 50 „In several major ways the Brethren movement has had a greater influence on the wider Christian commu- nity than its numerical size would have led one to predict. The practise of ‚living by faith’ is one such area.” (Larsen 1998:67). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 90 Grafik 4: Evolution de s Glaubensprinz ips Radical Eva ngelicals (18 20) Anthony Norris Groves (1795 - 1 8 5 3 ) „living b y faith” Elemente: Besitzlosigkeit und Kreditverzicht Begründung: spirituell bzw. biblizistisch Brethren Movement George Müller (1805 - 1 8 8 9 ) „grace of fai th“ Phase 1: Besitzlosigkeit und Kreditverzicht Begründung: spirituell bzw. biblizistisch Phase 2: Gehalts- und Werbe- verzicht Begründung: ekklesiologisch Phase 3: Werbeverzicht Begründung: Gottesbeweis Originale Neuschöpfung Müllers Einfluss der Heiligungsbewegung Vorbild Gütz laff Erfahrung mit CES Jam es Hudson Taylor (1 832 - 1 9 0 5 ) „nonsolicitat ion policy“ Elemente: Gehaltsverzicht, Werbeverzicht, Kreditverzicht Begründung: politisch und psychologisch Arthur T. Pi erson (1900) „principle of faith“ Element: Werbeverzicht, Be- gründung: Gottesbeweis Anmerkung: Diese Grafik verfolgt die Evolution ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Genese des Glaubensprinzips. Weitere historische Anknüpfungspunkte werden außer- acht gelassen. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 91 5 Glaubensprinz ip und Spendenw erbung der Neukirchener Mission 5.1 Ludw ig Doll Die Geschichte der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt ist untrennbar verknüpft mit ihrem Gründer Ludwig Doll. Sein Nachfolger Julius Stursberg spricht ungeniert von der „Glaubens- und Ge betsenergie eines einzelnen Mannes“ (Stursberg 1898:1), die den Anfang des Werkes ermöglicht. Am 22.11.1846 geboren, wächst er als jüngstes von drei Kindern des Pfarrers Jakob Doll (1811-1878) in Kirchen an der Sieg auf. Nach bestande- nem Abitur beginnt er sein Theologiestudium in Erlangen und wird am 14.11.1872 vom Presbyterium der reformierten Kirche in Neukirchen zum Pfarrer gewählt. Charakteristisch für Doll sind seine Kontakte zu den Kreisen der rheinischen Erweckungsbewegung, die sowohl kirchliche Gemeinschaften als auch freikirchliche Gemeinden umfassen.1 5.1.1 Gründung der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt Der erste Impuls zur Gründung der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt (NM) fällt in die Jahre 1875 und 1876. Doll kennt wohl August Hermann Franckes Biographie, der „ohne zu Kollektieren im Glauben das große Waisenhaus in Halle gegründet hat“ (MuH, Juli 1879:19). Doch in diesen Jahren beeindrucken ihn die Nachrichten über die sogenann- ten „Glaubensanstalten“ in England und Ho lland (:19). Neben den Waisenhäusern von Johannes van’t Lindenhout in Neerbosch im holländischen Nijmwegen2 und dem Waisen- haus von Frau Mittendorf in London,3 ist besonders George Müllers Vorbild in Bristol her- vorzuheben. Denn Doll begegnet Müller persönlich, als dieser im März und Mai 1877 u.a. in Ruhrort und in Düsseldorf predigt. Doll hört dessen Bericht über seine Erfahrungen, alle notwendigen Spendengelder für seine Waisenarbeit allein von Gott zu erwarten, ohne da- bei Menschen zu bitten (Stursberg 1897:17). Anschließend fühlt er sich von Zuhörern per- sönlich herausgefordert, die das Gehörte dahingehend kommentieren, dass eine solche An- stalt „wohl in England und Holland bestehen“ ka nn, aber in Deutschland, „wo die Christen 1 Brandl nennt Doll einen „ Grenzgänger zwischen Landeskirche und Freikirche“ (Brandl 1998:51). 2 1879 kann Doll mit Freunden die Waisenanstalt von Johannes van’t Lindenhaudt besuchen und berichtet im Missions- und Hei denboten darüber (MuH, August 1879:47). Allerdings scheint Lindenhaudt schon rasch die Finanzierungspraxis den Gegebenheiten angepasst zu haben (Crome 1893:69). In späteren Jahren wird auch kein Bezug mehr auf ihn und seine Arbeit genommen. 3 „Gest ärkt wurde ich darin sehr durch einen lieben Bruder Th. W. aus D., der uns im Jahre 1876 hier eine herrliche Stunde hielt, in welcher er von einer theuren Schwester M. in London erzählte, die im Glauben ohne alle Mittel nun schon seit 6 Jahren über 100 Waisenkinder aufgenommen haben“ (MuH, Juli 1879:19). Hier handelt es sich um Theophil Wilms aus der Freien evangelischen Gemeinde in Düsseldorf. Sein Bericht wird später im Heid enboten nachträglich veröffentlicht (MuH, September 1883:86-89). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 92 so arm sind“, dies „ein Ding der U nmöglichkeit“ sei (:17). Und so komm t Doll auf „den Gedanken, zu meiner und anderer Glaubensstärkung auch hier ein Waisenhaus im Glauben an die Allmacht und die Treue unseres Gottes ohne alle sichtbaren äuße ren Mittel zu grün- den, wenn der Herr sein Ja und Amen dazu sagen würde“ (MuH, Juli 1879:19). Festzuhalten ist, dass Doll mit der Einrichtung des Neukirchener Werkes nicht all- gemeine diakonische oder missionarische Unternehmungen verfolgt, sondern die Vertrau- enswürdigkeit Gottes unter Beweis stellen will.4 Der modus procedendi der Spendenge- winnung soll das Wirken Gottes sichtbar werden lassen. Indem man auf öffentliches Bitten und Werben um Gelder verzichtet, soll die Versorgung durch den unsichtbaren Träger des Werkes deutlich werden. Die Neukirchener Anstalt ist für Doll in dem Sinne ein Glau- benswerk, als dass sie wohl Glauben bei der Führung erfordert, aber noch viel mehr Glau- ben bei den Menschen erwecken kann. Stärkste Inspirationsquelle bei diesem Ansatz ist für Ludwig Doll George Müller mit seiner Waisenhausarbeit im englischen Bristol. Die Kon- genialität von Müller und Doll tritt in Müllers Autobiographie deutlich zu Tage, wenn Müller über die Gründe für die Errichtung seines ersten Waisenhauses berichtet: „I longed to have som ething to point to, as a visible proof, that our God and Father is the same faithful God as ever He was; as willing as ever to prove Himself to be the LIVING GOD, in our day as formerly, to all who put their trust in Him … Als o I longed to be instrumental in strengthening their faith, by giving them not only in- stances from the Word of God, of his willingness and ability to help all those who rely upon Him, but to show them by proofs, that He is the same in our day” (Müller 1906:80-81). Im Frühjahr 1878 lässt Doll drei gleichlautende Annoncen im E vangelisten des Siegerlan- des, im Westfälischen Hausfreund und im Duisburger Sonntagsblatt mit folgendem Wort- laut veröffentlichen: „Für W aisenkinder! Durch des Herrn Gnade bi n ich in den Stand gesetzt, fünf ar- me, halb- oder ganz verwaiste Kinder ohne alles Pflegegeld hier aufzunehmen und ihnen eine christliche Erziehung hier geben zu können, und zwar einen Knaben und vier Mädchen, die jedoch alle über sechs Jahre alt sein müssen ... Ich werde für diesen Zweck nicht kollektieren und niemand direkt um eine Gabe ansprechen. Der Herr aber, dem diese Sache gilt, wird mir, wie er auch schon getan hat, das nötige Geld zuschicken, und ich nehme von solchen Lesern dieser Zeilen, denen er das Herz dazu lenkt, eine Gabe zur Aufnahme und Unterhaltung der ärmsten unter den armen Waisenkindern mit großem Dank an. Neukirchen bei Moers (Rheinpreußen), den 20. Januar 1878, Ludwig Doll, Pastor“ (Oelschner 1964:12-13). 4 Bernd Brandl unterstreicht diesen besonderen Charakter, wenn er schreibt: „Der ga nze Ansatz Dolls zur Gründung der Waisen- und Missionsanstalt war nicht in erster Linie geprägt durch soziale Not oder Bedürf- nis. Dieser Gedanke half nebenher auch noch mit bei der Entscheidung. Es war vielmehr der Impuls, der durch die Heiligungsbewegung nach Deutschland kam, wodurch Doll angesteckt wurde, im Glauben und zur Ehre Gottes ein solches Werk zu beginnen“ (Brandl 1998:72). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 93 Die erbetenen Gelder fließen tats ächlich,5 und am 11. Mai 1878 eröffnet Doll das Waisen- haus in drei angemieteten Räumen mit zwei Waisenkindern. Eine Konkurrenz zu dem seit 1845 bestehenden Neukirchener Erziehungsverein empfindet er nicht, da dieser vorzugs- weise Waisen aufnimmt, für die ein Pflegegeld gezahlt wird, während Doll eine Anstalt gründen will, „in welcher Kinder ohne Pflegege ld Aufnahme finden“ (Stursberg 1897:18). Er gewinnt als Hauseltern Peter Matthies (1817-1892), einen ehemaligen Kollektanten von Bethel, mit seiner Frau Katharina (1811-1883).6 Am 28. September 1879 feiert Doll mit Freunden aus Düsseldorf, Barmen, Mett- mann, Rheydt, Ruhrort, Duisburg, Mülheim an der Ruhr, Remscheid und dem Siegerland das erste Stiftungsfest des Waisenhauses (MuH, Oktober 1879:78). Dieses Datum kann als der öffentliche Beginn des Aufbaus eines Förderkreises für Dolls Unternehmung bezeich- net werden.7 Die rasche Aufnahme weiterer Kinder erfordert bald eine neue Lösung der Raumfrage. Als Doll von seiner Schwiegermutter einen Morgen Land für den Bau eines Waisenhauses erhält, beginnt er mit dessen Planung. Mit 8,82 Mark in der Baukasse setzt er am 18. Mai 1880 den Grundstein. Sein weiteres Vorgehen bindet Doll ganz an die fi- nanziellen Möglichkeiten, die ihm gegeben werden: „Nun dachte ich, das erste, was du haben mußt, sind Zieg elsteine. So ging ich denn am 28. Januar zu einem hiesigen Oekonom, der mit seinem Bruder 20 Minuten von hier einen Ziegelofen hat, um die ersten Steine bei ihm zu bestellen. Da nun für den Bau 150 000 Steine nötig sein werden, so meinte der Mann, ich solle doch gleich eine größere Anzahl kaufen. ‚Nein,‘ erwide rte ich ihm, ‚der Herr Jesus hat ein gan- zes Brot nicht auf einmal, sondern nur nach und nach geschnitten. Daher darf ich auch vorläufig nur soviel Steine kaufen, als ich Geld habe“ (MuH, März 1880:155). Während des Baus unterrichtet Doll seine Förderer mittels des Heidenboten ausgesprochen detailliert über den Fortgang des Baus. Jeder kleinste positive Fortschritt wird in der Per- spektive des Glaubens gedeutet und als Hinweis auf die Treue Gottes dargestellt. Da sendet ein „Bruder“ auf einen Traum hin Doll 20 Mark (MuH, Juni 1880:9), eine „liebe Freundin“ 5 1878 betragen die monatlichen Durchschnittseinnahmen 100 Mark, 1879 200 Mark und 1880 rund 300 Mark (Rahn 1953:10). Neben den vielen Geld- und Sachspenden stiftet Doll auch die Einnahmen seines Buches Hi mmlische Liebesfunken hinzu (MuH, Juli 1879:22). 6 Diese und andere Gehälter werden alle von Spenden bestritten. Es ist allerdings ein Kuriosum, dass Ludwig Doll selbst sein Leben lang ein festes Pfarrergehalt bezieht und darin auch keinen Widerspruch zum Glau- bensprinzip entdeckt (Brandl 1998:455). 7 „Obgleich wir nach unserem Princip keine Collecte hielten, erweckte doch der Herr die Herzen vieler lieber Freunde, ihre Scherflein für unsere Waisen zu geben, so daß m ehr eingekommen war, als wenn wir zwei Collecten gehalten hätten“ (MuH, Oktober 1879:79). Dolls Optimismus ist in dieser Anfangsphase offen- sichtlich: „Bis j etzt sind 101 Mark für Ziegelsteine und Land eingegangen. Es ist unserem treuen Gott, dem Silber, Gold und Land gehört, ein Kleines noch eine oder zwei Nullen daranzuhängen“ (MuH, Oktober 1879:79). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 94 schickt durch einen mündlichen Bericht angeregt 12 Paar Strümpfe (:10), kleine Mädchen verzichten auf ihren Zucker und spenden den gesparten Betrag (:10) und der Maurermeis- ter verrechnet nur die Kostenmenge, dass „er eben dabei bestehen könne“ (MuH, Juni 1880:12). Diese Gaben und Geschenke dokumentieren für Doll „die Hülfe, Bar mherzigkeit und Allmacht des Herrn“ (:13) und dienen der „Glaubensstärkung“ (MuH, Juli 1879:19). Mit Hilfe vieler Förderer erhält er schließlich 1 2.000 Mark, und zum 29. und 30. Mai 1881 kann er die Freunde Neukirchens zum Fest der Einweihung des Waisenhauses einladen (MuH, Juni 1881:9-23). Ist für Doll der Zeugnischarakter das zu verfolgende Ziel bei der Unterhaltung der Waisenhäuser, so ist das Prinzip der Freiwilligkeit in der Spendengewinnung die Voraus- setzung hierfür. Dabei erscheint Doll die Korrelation zwischen Gabe und Geber von emi- nenter Bedeutung. Alle Gaben sollen in einer Atmosphäre der Freiheit und Spontaneität entrichtet werden. Psychischen Druck oder formalen Zwang gilt es grundsätzlich auszu- schließen. Darüber hinaus lehnt Doll auch die Spenden von Nichtchristen ab. 1879, ein Jahr nach dem Beginn der Waisenhausarbeit, reflektiert er diese Überzeugung: „Ich m öchte nun, nachdem der Herr Herr, der allmächtig und barmherzig ist, schon über ein Jahr unsere neue Waisenanstalt in großer Treue versorgt hat, ohne daß wir einen Pfennig von Jemand gefordert haben, meinen lieben Freunden die Entstehung und den Fortgang des Waisenhauses kurz vorstellen. Es war mir schon seit Jahren schwer, daß fast alle uns ere christlichen Anstalten in Rheinpreußen das P rincip ver- traten, eine Anstalt müsse nothwendig bei Christen und Weltleuten collectieren, wenn sie bestehen solle. Jeder Collectant weiß, wie viele un freiwilligen und erz- wungenen Gaben auf diesem Wege den Anstalten zukommen. An solchen unfrei- willigen Gaben aber, die zum Theil gar unter Schimpfen und Schelten gegeben werden, kann der Herr unmöglich Gefallen haben. Denn ‚was nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde.‘ Röm 14,23“ (MuH, Juli 1879:19). 5 . 1 . 2 Spendenerfahrung bei Do lls Vorgänger Andreas Bräm Ludwig Doll nimmt bei vorangehender Charakterisierung der Spendengewinnung Bezug auf die Praxis des gewerbemäßigen Kollektieren s seiner Zeit. Ein Beispiel für diese Art der Finanzbeschaffung ist der von seinem Vorgänger im Pfarramt, Andreas Bräm, gegründete Neukirchener Erziehungsverein. In Elsbeth Lohbeks Monographie Andreas Bräm (1797- 1882) - ein Wegbereiter der Diakonie im Rh einland und Gründer des Neukirchener Erzie- hungsvereins (1989) gewinnt man einen Einblick in die damalige Art und Weise der Haus- kollekten für kirchlich-diakonische Zwecke. Da es Bräm nicht ausreichend gelingt, Pfarrer für gottesdienstliche Sammlungen zu gewinnen, führt der Neukirchener Erziehungsverein ab 1853 auch behördlich genehmigte Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 95 Hauskollekten durch. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass Doll diese auch als Beispiel für seine Kritik vor Augen gehabt haben mag. Um die notwendigen Gelder zu gewinnen, muss der Verein jährlich neu einen Antrag beim Königlichen Oberpräsidium in Koblenz einrei- chen (Lohbeck 1989:182). Bei Erteilung der Sammelerlaubnis werden Kollektanten ge- sucht, die im genehmigten Bezirk von Haus zu Haus gehen, um Spenden für den Verein zu erbeten. Der jeweilige Ortsvorsteher oder Pfarrer muss im Vorwege konsultiert werden. Dieser ordnet dem Kollektanten einen ortskundigen Begleiter zu, der darauf achtet, dass alle Einnahmen ordnungsgemäß in ein dafür vo rgesehenes Buch eingetragen und quittiert werden. Wie aus dem Archiv des Erziehungsvereins ersichtlich ist, sind Betrügereien aber nie auszuschließen (:182). De m Kollektanten steht pro Tag ein Wege- und Zehrgeld zu, dazu ein Tageslohn und zehn Prozent Anteil an den Gesamterträgen. Auch dem Begleiter muss ein Tagessatz für die Verpflegung gezahlt werden. Bei der Ausübung jener Vorläufer der heutigen „Drückerkolonnen“ kommt es häufig zur Ausübung psychischen Drucks auf Seiten der Werber und Beschimpfungen seitens der Gebetenen (:185). Elsbeth Lohbek weist auf die Unzufriedenheit Bräms mit diesem Weg der Finanzbeschaffung hin. Der Ge- danke, dass Leute Geld oder Naturalien für den Verein spenden, nur um aufdringliche Kol- lektanten los zu werden, ist ihm unerträglich. So schreibt Andreas Bräm 1853: „Das Interes se für die vielen Zweige der inneren Mission muß auf eine andere Art, eine lebendigere, wahrere, in Anspruch genommen werde. Wir müssen mehr geben, um zu nehmen! Die Gaben und Beiträge müssen nicht aus dem Collekten Treiben und Jagen, sondern aus Überzeugung und Teilnahme kommen“ (:183). So gesehen entwickelt Ludwig Doll mit seiner von Müller übernommenen Theologie der Spendengewinnung eine weiterführende Antwort auf die Fragestellungen seines Vorgän- gers im Neukirchener Pfarramt. 5.1.3 Einrichtung des Missionshauses Bei der Grundsteinlegung des Waisenhauses am 18. Mai 1880 spricht Doll das erste Mal öffentlich von der Herausforderung, eine Mission8 ins Leben zu rufen (Stursberg 1897:62). Dafür erntet er selbst von Freunden Kritik, da die benachbarte Rheinische Mission zu die- sem Zeitpunkt wieder sehr unter Finanzknappheit leidet. Doll ficht dies nicht an, lebt er 8 Obwohl die Neukirchener Mission immer eine kleine Mission bleibt, so hat sie doch regional in Ostafrika und in Indonesien auf der Insel Java einen originalen Beitrag im Rahmen der evangelischen Weltmission geleistet. Darüber hinaus ist sie mitverantwortlich am Entstehen vieler Freier evangelischer Gemeinden in Hessen und ist beteiligt an einzelnen erwecklichen Aufbrüchen in Deutschland, so z.B. im Bentheimer Land. Zum Beitrag Neukirchens in Hessen vgl. Der Wind bläst, wo er will ...: Modell einer Erweckung (1974) von Gerhard Lehmann. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 96 doch in der Überzeugung, „der Herr sei reich genug“ (Stursberg 1898:60), beide Missionen mit den notwendigen Mitteln zu versorgen.9 Im Missions- und Heidenboten (MuH) setzt er die Leser von dem geplanten Vorhaben in Kenntnis: „ Wir gedenken kein eigentliches Missionsinstitut nach der im Allgemeinen herge- brachten Weise zu gründen, sondern möchten nur solchen jungen Männern, welche die Freudigkeit und Gabe und, soweit wir erkennen können, auch den Beruf vom Herrn haben, ihm als Missionare zu dienen, die Gelegenheit bieten, sich hier in Neukirchen noch tiefer in das Wort Gottes einzuleben ... Scheint uns dies zur Genüge erreicht zu sein, und bahnt der Herr weiter den Weg, so möchten wir die Brüder gehen lassen, wohin der Herr sie ruft. Auf Ihn sollen sie gewiesen sein, nicht auf uns, wenn wir auch ihnen fernerhin, soviel uns der Herr Gnade und Klar- heit giebt, als mitbetende und berathende Freunde zur Seite stehen wollen. Was der Herr uns zu ihrer Unterstützung schenken wird, möchten wir ihnen übermitteln, sie aber im Uebrigen, auch für ihr äußere s Durchkommen, im Glauben ganz auf den Herrn gewiesen sehen“ (MuH, Februar 1881:143). Julius Stursberg nennt in seinen Gedenk-Blä ttern (1897) zwei Momente, die Ludwig Doll, als seinen Vorgänger, abschließend zu r Gründung der Missionsanstalt veranlassen. Zum einen ist es das „Exem pel George Müllers“, der neben der Waisenhausarbeit auch die Bi- belgesellschaft Scriptural Knowledge Institution for Home and Abroad leitet (Stursberg 1897:59). Zum zweiten führt Stursberg die schon erwähnte „jahrelang immer größer wer- dende[n] Sc huld“ der Rheinisc hen Mission an (Stursberg 1897:60). Seit den Besuchen Müllers im Rheinland 1877 bewegt Doll der Gedanke, „eine Heidenm ission von Neukir- chen aus im Glauben zu gründen“ (S tursberg 1897:60). Bernd Brandl erörtert in seiner Dissertation Die Neukirchener Miss ion (1998) die Frage, inwieweit das East London Institute for Home and Foreign Missions (ELTI) von Henry Grattan Guinness (1835-1910) und seiner Frau Fanny (1832-1898) strukturell maß- gebend für die Missionsschule der Neukirchener gewesen sein kann (Brandl 1998:45-50). Viel wesentlicher erscheint die sich ähnelnde Finanzierungspraxis von Dolls Missions- schule und Müllers Bibelgesellschaft. Hier wie dort geschieht – wenigstens in der T heorie – keine Aussendung, sondern lediglich eine fi nanzielle Unterstützung. Die Missionare mö- gen, so Doll, „im Glauben ganz auf den Herrn gewiesen“ sein (MuH, Februar 1881:143). Diese Praxis beinhaltet unausgesprochen auch den Verzicht auf ein festes Gehalt. Mit die- ser Regelung übernimmt Doll neben der Müllerschen Idee eines Glaubensbeweises auch 9 Unbekümmert äuße rt sich Doll im MuH wie folgt: „Ich freue mich herzlich über die Siege aller Missionen, auch der Barmer, in der Heidenwelt, bin aber überzeugt, dass noch immer mehr auf dem Gebiete der Missi- onsarbeit unter den Heiden und der Evangelisationsarbeit unter uns geschehen muß. Ich werde auch keinen Pfennig collectieren, und brauchen also die, welche mit meinem Vorhaben nicht einverstanden sind, auch nicht mit Hand ans Werk zu legen“ (MuH, September 1880:60). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 97 dessen Missionsmethodik, wobei letztere allerdings ihre geistige Wurzel in der Brethren Movement besitzt. Dass die Gelder für die Mission und für andere Zwecke rasch fließen, is t sicherlich mit Dolls weitem Bekanntenkreis in Verbindung zu bringen.10 Die „ einigende Klammer“ (Brandl 1989:75) dieser Fördergruppen wird der Missions- und Heidenbote , den Doll im Juni 1879 zum ersten Mal mit 500 Exemplaren, „auf geringem Papier gedruckt“ (Nitsch 1928:15), publiziert. Die Zeitschrift erscheint monatlich und gewinnt schnell einen weiten Leserkreis. Doll beschreibt das Profil des MuH so: „Der Bote so ll in populärer Weise Nachrichten, sowie über das Werk des Herrn überhaupt und über unser Waisenhaus brin- gen“ (MuH, Juni 1880:261). Bei Dolls Tod am 23. Mai 1883 zählt der H eidenbote mit sei- nen acht Seiten 3.200 Abonnenten. Ende des 19. Jahrhunderts ist die Zeitschrift auf 20 Seiten angewachsen und wird in 7.000 Exemplaren verbreitet (Stursberg 1898:5). Die gro- ße Transpar enz, mit der Doll kleinste Details über den Fortgang des Werkes schildert, för- dert ohne Zweifel die Popularität der Arbeit. Im MuH finden auch alle eingehenden Spen- den ihre Erwähnung. Jede Spende, unabhängig ob es sich um Geld oder Naturalien handelt, wird hier verzeichnet. Mit Blick auf solche Bibelstellen wie „Laß dein e linke Hand nicht wissen, was die rechte thut“ wi rd ab der Ausgabe im Februar 1881 jedoch auf die vollstän- dige Namensnennung der Spender verzichtet. Die Initialen in Verbindung mit der gespen- deten Summe werden aber weiterhin publik gemacht (MuH, Februar 1881:143). Neben dieser öffentlichen Danksagung erhält jeder Spender schriftlich eine Q uittung zugesandt, die aus einem Vordruck mit handschriftlichem Eintrag des Betrages und eines persönlichen Dankes besteht. Als Standort des Missionsseminars findet sich in Neukirchen ein leerstehendes ehemaliges Wirtshaus mit großem Tanzsaal. Doll vereinba rt mit dem Verkäufer einen Kaufpreis in Höhe von 10.500 Mark, wovon 500 Mark gleich bezahlt werden, die Restsumme dagegen als Hypothek eingetragen wird. Am 17. Februar ziehen die ersten Missionsschüler unter der Leitung des neuen Missionslehrers Julius Stursberg in das notdürftig eingerichtete Ge- bäude, und am 27. August 1882 kann das Haus feierlich eingeweiht werden. Es trifft sich, dass der nun mittlerweile 77-jährige George Müller auf seiner neunten Reise in Deutsch- land ist und in Düsseldorf eine Predigtwoche durchführt. So kann Müller, der indirekt das 10 Im November 1881 bedankt Doll sich im Heid enboten für einen Doppelwaggon mit Kartoffeln, den ihm Freunde aus den hessischen Ortschaften Schlierbach, Hartenroth, Runzhausen, Mornshausen, Silberg, Hommelshausen, Eibach, Nanzenbach, Eibelshausen, Donsbach, Oberschelden und Oberndorf zugesandt haben (MuH, November 1881:104). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 98 Entstehen der Neukirchener Anstalt inspiriert hat, morgens in der Kirche und nachmittags im überfüllten Missionshaus die Festreden halten.11 5.1.4 Faz it Etwa ein Jahr später, am 23. Mai 1883, verstirbt Ludwig Doll unerwartet. Trotz seines kur- zen Wirkens gelingt es ihm, modellhaft eine Gesellschaft ins Lebens zu rufen, die sowohl diakonisches als auch missionarisches Engagement miteinander vereint. Dabei verlässt das Neukirchener Werk konfessionelle Grenzen und erhält eine interdenominationelle Ausrich- tung. Der sogenannte „Glaubensstandpunkt“ der NM wird von Doll begründet. Zwei Ak- zente verdienen eine besondere Erwähnung. Einmal ist für Doll der Verzicht auf Kollekten und Spendenwerbung beim Bau und Betrieb des Waisenhauses schon eine Mission an sich. Im Anklang an George Müller soll so der Glauben an Gott geweckt und gefördert werden. Mit der Gründung der Missionsschule übernimmt Doll ein zweites Merkmal der Finanzie- rungspraxis von George Müller, nämlich den Verzicht auf ein festes Gehalt. Ohne Müllers Ekklesiologie der Brüderbewegung als reformierter Pfarrer zu adaptieren, folgt er doch dessen Missionsmethodik: Die Missionsschule sendet die Missionare nicht aus, sondern will zur Mission nur „Gelegenheit bieten“ (MuH, Februar 188 1:143). Es ist allerdings bei dieser Einschätzung zu beachten, dass zu diesem Zeitpunkt die Neukirchener Anstalt einen relativ privaten Charakter trägt. Die Übertragung und Umset- zung des Glaubensprinzips im Rahmen einer größeren Verantwortung bleibt seinen Nach- folgern überlassen. 5.2 Julius Stursberg Durch den frühen Tod Ludwig Dolls wird der 26-jährige Engelbert Julius Stursberg (* 27. März 1857 in Dahlhausen an der Wupper, † 4. Oktober 1909), 12 seit 1880 Inspektor der Missionsschule, neuer Leiter der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt, eine Aufga- be, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1909 innehat. Julius Stursberg studiert Theologie und Philologie u.a. bei Johann Tobias Beck und Theodor Christlieb. Auf Einladung von Doll wohnt er der Grundsteinlegung des Waisenhauses am 18. Mai 1880 bei. Im September 1880 beginnt er seinen Dienst in Neukirchen, übernimmt nach Dolls Tod die Gesamtlei- 11 Die Reden Müllers in Neukirchen finden im MuH eine angemessene Darstellung (MuH, September 1882:74ff.). 12 Von Dolls Tochter Elisabeth gibt es eine Biographie zu seiner Person Missionsinspektor Julius Stursberg. Ei n Lebensbild (Doll 1922). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 99 tung in Neukirchen und heiratet 1886 die acht Jahre ältere verwitwete Elise Doll, geborene Paaschen. Durch Kontakte zur Heiligungsbewegung und Freunden aus Freien evangeli- schen Gemeinden entschließt sich Stursberg im Herbst 1882 zur Glaubenstaufe, bleibt aber zeitlebens Mitglied der evangelischen Landeskirche. Stursberg gelingt es nicht nur, die NM zu stabilisieren, unter seiner Leitung kommt es auch zur „Blütezeit“ (Brandl 1998:90) des Werkes.13 5.2.1 Systematisierung des Glaubensprinz ips In der Anwendung des Glaubensprinzips fällt auf, dass Stursberg anfangs zu einer gewis- sen Radikalisierung neigt. Deutlich wird dies in seiner Behandlung der Missionshaushypo- thek von 1882. Eine ironische Bemerkung von Gustav Warneck in der Allgemeinen Missi- ons-Zeitschr ift14 über den Hauskauf veranlasst Stursberg zum Hinterfragen der aufgenom- menen Hypothek. Schnell mutiert diese in Stursbergs Augen zur finanziellen Schuld und damit zum moralischen Schuldverhältnis. „So hatten wir also eine ‚S chuld‘, - und doch war es stet s einer der ersten Grundsät- ze unserer Anstalten gewesen, keine Schulden zu machen, war es einer der Haupt- zielpunkte bei der Begründung derselben, daß des Herrn Nam e in dem Werke eben darin verherrlicht werden möchte, daß hi er offenbar werden würde, wie ein Werk des Herrn nicht Schulden haben müsse, wie vielmehr der Herr für alle Bedürfnisse der seinen zur Genüge aufzukommen willig und mächtig sei“ (MuH, Juni 1884, Beiblatt: 2). In der Folge überzeugt Stursberg Doll von dem begangenen Fehler, und sie beschließen ein öffentliches Schuldbekenntnis. Um dem wiederholten Vorwurf vom „indirec tem Collecti- ren“ zu entgehen und Freunde je tzt erst recht nicht zum Spenden zu animieren, veröffentli- chen sie ihren „Fehltritt “ erst, nachdem die Hypot hek beglichen ist (:2). Erwähnenswert sind auch die Modifikationen, die Stursberg gegenüber Doll im Umgang mit den Spendengeldern durchführt. In den Gedenk-Blättern (1897) erwähnt Stursberg die Begebenheit, wo Doll „im Vertrauen auf den He rrn“ für das Waisenhaus Kohlen erwirbt, ohne das nötige Geld zu besitzen (Stursberg 1897:40; MuH , März 1880:152). Erläuternd fügt er in einer Anmerkung bei: „ Wir sind hernach darauf geführt worden, daß es besser ist, nicht eher etwas zu kaufen, als bis wir das erforderliche Geld in Händen haben. Sonderlich in einem größeren Anstaltswesen kann man sonst gar zu leicht eine Weile unbezahlte 13 „I n der Ausformulierung und Erprobung der Grundsätze einer Glaubensmission auf deutschem Boden fand Stursberg die Herausforderung seines Lebens und seine Lebensaufgabe“ (B randl 1998:103). 14 „Übri gens haben wir uns gewundert, daß der anwesende G. Müller seinen so energisch durchgeführten Grundsatz, nie Schulden zu machen, in Neukirchen nicht zur Nachahmung empfohlen hat“ (AMZ, 9, 1982:508). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 100 Rechnungen behalten. Wir bleiben so auch mit unserem Kaufen besser in der Ab- hängigkeit vom Herrn“ (Stursberg 1897:40). Auch beendet er den usus, dass Mitarbeiter der NM persönlich in Vorleistung für anfallen- de Ausgaben treten: „Am Anfang haben wir hier und da aus unsern Privat-Kassen Vorschuß geleistet. Später ist das nicht mehr geschehen, weil wir uns sagten, daß di e Anstalt doch auch nicht in ein Schuld-Verhältnis zu ihren Mitarbeitern treten darf“ (:96). Bei Stursberg findet sich im Laufe der Jahre aber bald auch ein gewisser Pragmatismus darüber, wie die Thematik der Spenden im MuH angesprochen werden kann. Zwar scheut sich Stursberg auf der einen Seite, direkt um Spenden für Personen und Projekte zu bitten, auf der anderen Seite nennt er aber dezidiert die Informationen, die seines Erachtens not- wendig sind, damit die Gelder den Anstalten zugute kommen können. Neben den obligato- rischen Kommunikationsdaten zu den Geldsendungen via Zahlkarte, die seit frühester Zeit im Missions- und Heidenboten veröffentlicht werden, schreibt er im November 1898 über die Möglichkeit, Neukirchen Erbschaften zu übertragen: „In der letzten Zeit werden wir wieder hier und da gefragt wegen der Form für Vermächtnisse zu gunsten unserer Anstalt. Das veranlaßt uns, noch einmal einiges für die werten Freunde und Freundinnen hier zusammenzustellen“ (MuH, Nove m- ber 1898: 88, Beiblatt). Auf dem Platz einer ganzen Seite erörtert Stursberg hier die juristisch relevanten Formalien für eine gültige Erbschaft. Dabei differenziert er die rechtlichen Unterschiede in der Rhein- provinz und im preußischen allgemeinen La ndrecht und schließt einen Vorschlag für den Wortlaut eines Vermächtnisses mit ein. Zum Schluss erinnert er daran, „daß in der Regel von allen Verm ächtnissen zu gunsten unserer Anstalten an den Staat 8% E rbschaftsstempel zu zahlen sind. Dieser Betrag fällt fort, wenn die Summen uns bei Lebzeiten der Erblasser ohne schriftliche Verfügung als Geschenk für unsere Anstalten gegeben werden. Wir sind aber nach Mtth. 22,21 auch gerne bereit, die Erbschaftssteuer zu zahlen“ (MuH, Novem ber 1898:88, Beiblatt). Um die Neukirchener Anstalt dem Vorwurf der geistlichen Arroganz nicht auszusetzen, diagnostiziert Stursberg im Rückblick bei seinem Vorgänger – wie auch bei August Her- mann Francke und Georg Müller – eine „besond ere Gabe des Glaubens‘“ (MuH, Septe m- ber 1883:79).15 Sie gewinnt in der NM ihre sichtbare Gestalt und er folgert weiter, 15 In diesem Punkt verlässt Stursberg die Haltung Müllers, der seinen Glaubensmut explizit nicht als Charis- ma, sondern als Möglichkeit für jeden Gläubigen versteht. In seiner Autobiographie schreibt er: „ The faith which I am enabled to exercise with reference to the Orphan Houses and my own temporal necessities, is not that ‚faith ’ of which it is said in 1. Cor. Xi ii. 2 … but it is the self-same faith which is found in every be- liever, and the growth of which I am most sensible to myself” (M üller 1906:173). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 101 „daß Glaubensanstalten und Glaubenswerk e in besonderem Sinne nicht Sache des Nachmachens sind; blo ß es Nachmachen hieße f remdes Feuer auf den Altar bringen ... Und andererseits folgt daraus, daß sich niem and darum zu grämen und zu be- trüben hat, wenn er solchen, daß ich so sa ge, ‚außerordentlichen‘ Glauben nicht bei sich findet“ (MuH, Septem ber 1883:79). Entsprechend äußert sich Stursberg auch ni cht grundsätzlich gegen das „Bitten um freiwil- lige Liebesgaben überhaupt“. „W o dies im Aufblick zum Herrn und im alleinigen Vertrau- en auf ihn in rechter Weise, welche wirklich der Freiheit und Fröhlichkeit des Gebens Raum läßt, geschieht, ist dagegen nach dem Beispiel eines Paulus und anderer (vgl. z.E. 1. Kor 16; 2. Kor 8,9) gewiß nichts zu sagen“ (MuH , September 1883:81). Trotzdem ist bei Stursberg anfangs auch ein gewisses Superioritätsgefühl gegen- über anderen Organisationen zu finden. So schreibt er 1883 im Heidenboten über die her- kömmliche Weise der Spendengewinnung: „Ohne daß wir jenen andern W eg verwerfen oder geringschätzen wollen, glauben wir auch mit dem seligen Gründer unsrer Anstalten, daß der N ame unsres Vaters im Himmel und unsres Heilandes Jesu Christi auf diesem Weg mehr verherrlicht wer- den kann“ (MuH, September 1883:81). Schon Doll spricht bei den in der Öffentlichkeit spendensammelnden Organisationen von einer „Schwäche der sonst ausg ezeichneten Anstalten“ (MuH , Juli 1879:19). Und im Juni 1881 berichtet der Gründer im Heidenboten von einer göttlichen Stimme, die ihm sagt: „ Wenn andere auf dem Wege der Collecten Anstalten bauen, meinst du denn, ich könnte nicht noch viel besser helfen, wenn man sich allein auf mich verläßt? Habe ich nicht beides: Silber und Gold! Ist die Sache nicht m ein, die du treibst? Meinst du, ich würde meines Namens Ehre zu Schanden werden lassen? Werde ich das nicht auch in Neukirchen thun können, was ich schon längst in anderen Orten gethan habe? “ (MuH, Juni 1881:16). Es scheint, als sei dieser anfängliche Enthusiasmus bei Stursberg im Laufe der Zeit einer Ernüchterung gewichen. Das Vermeiden von Bitten ist nun nicht mehr ein höherer Gna- denweg, sondern schlicht ein möglicher biblischer Weg. 1898 erhält Stursberg von Gustav Warneck die Gelegenheit, in der Allgemeinen Missions -Zeits chrift die Waisen- und Missi- onsanstalt zu porträtieren (AMZ, 25, 1898:12-18). Diese Darstellung erscheint im selben Jahr auch als Separatdruck Die Waisen- und Missionsanstalt in Neukirchen, Kreis Moers, ihr Entstehen, ihre Grundsätze und ihre Arbeitsfelder (1898). In den insgesamt sechs „Grundlinien der Arbeit“ greift Stursberg Dolls Zentralgedanken auf, indem er das Wesen der NM als „Denkm al“ beschreibt: „Nach dem Wunsch des Stifters soll die Waisen- wie die Missionsanstalt neben dem, was ihre Name besagt, ein Denkmal der Barmherzigkeit, Allmacht und Treue eines Gebete erhörenden Gottes sein, der für die Bedürfnisse der Armen und Elen- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 102 den zu sorgen weiß, wenn Menschen auch nicht darum gebeten werden. Alles Bit- ten um Gaben bei Menschen, welches wir an sich für erlaubt halten, wird darum für unsere Anstalten von uns grundsätzlich vermieden. (Stursberg 1898:7). Diese „Glaubensabhängigkeit“ bedeutet nebe n dem Verzicht auf Werbung und Kollekten auch die Ablehnung von Krediten und die Entscheidung, „stets die Ausgaben nach den Einnahmen zu richten“ (Stursberg 1898:7). „Anstaltsm itarbeiter“ und Missionare erhalten ihre Gelder erst, „wenn das Ge ld vorhanden ist“ (Stursberg 1898:7-8). Diese Gehaltspraxis entspricht dem „privaten Charakter“ der Ne ukirchener Mission. Stursberg betont nach- drücklich, dass es keine „irgendw ie organisierte Missionsgemeinde“ oder Missionsgesell- schaft gebe, die die Missionare unterstütze. Allein stehe er mit seinen Mitarbeitern im Mis- sions- und Waisenhaus in der Verantwortung. Lediglich ein weiter Kreis „zerstreuter Freunde und Freundinnen“ sind „in Gottes Hand das W erkzeug“, dass „immer wieder zur rechten Zeit das Nötige freiwillig zugeht“ (S tursberg 1898:8). An dieser Stelle erhält für Julius Stursberg die Nicht-Organisation der heimatlichen Missionsgemeinde geradezu ei- nen programmatischen Charakter. Sie soll das Wunder der Versorgung durch Gott noch sichtbarer machen. Neben der Politik der Nicht-Organisation tritt bei ihm auch die Linie der Nicht-Information. Als Antwort auf die Kritik der Skeptiker, jede Information über den Glaubensstandpunkt sei schon eine Art von Bitte an sich, schreibt er: „Doch haben wir eine Reihe von Jahren nur äußerst selten davon geredet und ge- schrieben, daß wir nicht bitten wolle n, damit auch solches Reden nicht als indirek- tes Bitten gedeutet werde“ (Stursberg 1898:7). Auch bei Einladungen zu Festen und Gottesdiensten sind die Prediger der NM angehalten möglichst wenig Bezug auf ihre Arbeit zu nehmen: „Grundsätzlich nehm en wir auch in unseren Ansprachen nur selten auf die Anstal- ten bezug, da es uns anliegt, alles direkte Werben für die eigene Sache möglichst zu meiden“ (:9) Stursberg erscheint bei der Behandlung dieser Frage als einer der wenigen Vertreter der Glaubensmissionen, der das grundsätzliche Problem der Spannung zwischen Information und Werbung offen anspricht. So scheut er sich nicht ambivalente Aussagen Dolls in den frühen Ausgaben des MuH zu kommentieren. „ Wenn uns hier und da in den Veröffentlichungen Dolls ein Ausdruck begegnet, welcher zwar nicht gerade ein direktes Bitten um Gaben ist, aber doch bei genaue- rem Zusehen als ein indirektes Bitten gefasst werden könnte, ( ... ), so glaube ich bestimmt sagen zu dürfe, daß dem seligen Verfasser in seiner kindlich- unmittelbaren, naiven Art zu reden und zu schreiben solche Ausdrücke völlig un- bewusst in die Feder geflossen sind“ (Stursberg 1897:25). Da er scheinbar oft dem Vorwurf des „verstecktem Collectiren“ au sgesetzt ist, entschuldigt er dies mit der lauteren Motivation. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 103 „Den m ancherlei Einwürfen und Vorwürfen von verstecktem Collectiren durch un- sere Berichte und Gabenverzeichnisse gegenüber, die wir oft zu hören bekommen, freuen wir uns vor dem Herrn ein gutes Gewissen zu haben. Er ist treu und weiß schon dafür zu sorgen, daß wir auf de rgleichen, was nun einmal wohl nicht wegbleiben darf, nicht unser Vertrauen und unsere Hoffnung setzen; wo uns aber einmal ein solcher Gedanke kommen will, da ist der Herr nach seiner Treue, daß wir so sagen, fast augenblicklich dahinter her“ (MuH, September 1883:82). Stursberg selbst geht so weit, Kollektenbüchsen aus allen Gebäuden zu entfernen. Nie- mand und nichts soll eine werbende Bitte aussagen. „ Wir wissen wohl, daß eine Büchse das Geben im Sinne von Matth. 6,3 erleichtern würde. Aber wir möchten auch gerne jeden Schein des Bittens vermeiden“ (Sturs- berg 1897:43). Fast möchte man meinen, dass hier der Glaubensstandpunkt zu einer hohen Kunst stilisiert wird. Ähnlich wie bei George Müller mutiert das Glaubensprinzip zum primum movens und dirigiert alle Lebensäußerungen. In den Jahren von Sturbergs Leitung gewinnt die NM eine kontinuierliche Ausdehnung. Immer öfter können Missionare nach Indonesien, Burundi, Kenia und Tansania ausgesandt werden. Doch in diese Zeit der geographischen und quantitativen Erweiterung des Werkes gerät das Glaubensprinzip, das in den Anfängen der Anstalt von allen Mitarbeitern bewusst vertreten wird, unter Druck. Dies betrifft sowohl den Bereich den Mission16 als auch den des Waisenhauses, wird aber im letzteren schneller augenfällig. Von Ludwig Doll selbst gibt es keine Statuten bezüglich der Waisenarbeit, bis auf eines: Für die Aufnahme der Kinder sollte „k ein Pflegegeld“ bezahlt werden“ (Stursberg 1897:26). Doch von Beginn an gibt es Fragen zur Praktikabilität dieser Grundlage. Unter anderem entsteht sie dort, wo für Kinder um Aufnahme gebeten wird, für die Pflegekosten durchaus gezahlt werden können. In diesem Zusammenhang stellt deshalb Stursberg die Frage: „Soll m an sie allein um deswillen zurückweisen, weil sie nicht völlig mittellos sind? Oder sollen wir u m des Prinzips willen die Kinder unter Verzicht auf den angebotenen Teil des Pflegegeldes einfach aufnehmen?“ (:26 ) und antwortet: „Das würde doch ein Unrecht sein, sowohl gegen die christliche Liebesthätigkeit, welche die Mittel für den Unterhalt unseres Waisenhauses darreicht, als auch gegen 16 „Di e Mission konnte in Zeiten knapper Kassen oft nur so am Leben erhalten werden. Die strikten Glau- bensgrundsätze, die kein Schuldenmachen und öffentliches Bitten erlaubten, förderten bei häufigen Geld- mangel eher den Status Q uo als ein mutiges Vorwärtsschreiten. Missionare konnten sich bei ausbleibenden Geldbeträgen meistens noch über Wasser halten, allerdings oft nur durch persönliche Gelder von Freunden oder einfach durch die Selbstversorgung auf den Missionsstationen. Diese Überlebensstrategien verschlangen jedoch viele Energien, so daß di e Arbeit im ganzen oft durch Phasen der Stagnation gehen mußt e“ (B randl 1998:238). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 104 diejenigen, die zur Zahlung eines Betrages für die Kinder imstande und verpflichtet sind. Einen dritten Weg giebt es noch, der auch thatsächlich in einigen wenigen Fällen gewählt wurde, wo man die Aufnahme solcher Kinder nicht glaubte auswei- chen zu können; aber befriedigend und unser Gewissen völlig beruhigend ist der- selbe nicht. Es ist der Weg, dass man zwar auf Pflegegeld verzichtet, es aber den betreffenden ins Gewissen schiebt, den entsprechenden Betrag der Waisenkasse als Geschenk zuzuwenden“ (:26-27). Es spricht für die Integrität von Stursberg, dass er die beschriebene Problematik so transpa- rent skizziert, es wirft aber auch ein Licht auf die Tragfähigkeit der alten Ideen von Doll. Im Laufe der Jahre kommt erschwerend die Tatsache hinzu, dass der Staat durch die Sozi- algesetzgebung für Waisenkinder immer mehr Finanzen zur Verfügung stellt. Die Neukir- chener können und wollen sich diesen Möglichkeiten nicht entziehen, was zur Folge hat, dass das Waisenhaus im Unterhalt sich anderen sozialen Einrichtungen angleicht.17 Den Charakter eines „Denkmal[s] der Barm herzigkeit, Allmacht und Treue eines Gebete erhö- renden Gottes“ (Stursberg 1898:7) im ursp rünglichen Sinne verliert es aber.18 Von Anfang an noch diffiziler gestaltet sich die Situation bei der von Stursberg noch kurz vor seinem Tod begründeten höheren Schule, dem heutigen Julius-Stursbeg Gymnasium. Hintergrund ist eine zu Lebzeiten Dolls vermachte Spende in Höhe von 5.000 Mark mit der Zweckbestimmung, eine Schule ins Leben zu rufen.19 Bis 1906 ist diese Summe mit ihren Zinsen und weiteren Spenden auf ein Kapital von 13.000 Mark gewach- sen. In einem provisorischen Gebäude beginnt am 25.04.1906 der Unterricht, während zeitgleich der Bau eines Schulhauses in Angriff genommen wird. Doch der Erste Weltkrieg mit seinen finanziellen Engpässen, der Umstand, dass zu wenige Spenden für das Projekt eingehen und die Schwierigkeit, Pädagogen mit einer Bejahung des Neukirchener Glau- bensprinzips zu finden, führen letztendlich 1931 zur Übertragung auf den finanzkräftigeren Neukirchener Erziehungsverein. 1940 erfolgt gegen den Willen der NM und des Erzie- hungsvereins die Kommunalisierung der Schule, und die Kommune Neukirchen-Vluyn übernimmt die Trägerschaft (Brandl 1998:319). 17 Dies ist wohl auch einer der Gründe, warum 1974 zu einer juristischen Trennung von Mission und Wai- senhaus (heute Ev. Kinderheimat e. V.) kommt (Brandl 1998:317). 18 Wilhelm Nitsch schreibt 1928: „M it den Finanzen des Waisenhauses steht es seit längeren Jahren so, daß gegenwärtig ein große r Teil des Bedarfs durch die von Angehörigen oder von Wohlfahrtsämtern gezahlten Pflegegelder gedeckt wird. Doch bleibt nach wie vor eine beträchtliche Lücke, für die wir, wie vor 50 Jahren, auf die sorgende Treue des Herrn angewiesen sind“ (Nitsch 1928:159). 19 „Noc h muß i ch erwähnen, dass mir an dem Tage des Festes von einem lieben Bruder 5000 Mark zur Grün- dung einer höheren Schule in Neukirchen geschenkt worden sind. Ich hatte schon länger darüber nachge- dacht, hier ... eine höhere Schule in entschieden christlichen Geiste zu gründen, in welcher sowohl begabte Waisenkinder als auch andre Kinder unterrichtet werden können“ (MuH, September 1882:82). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 105 5 . 2 . 2 Faz it Rückblickend kann festgehalten werden: Wie Ludwig Doll gehört Julius Stursberg zur Gründergeneration der Neukirchener Missions- und Waisenanstalt, doch im Gegensatz zu Doll bleibt es Stursberg vorbehalten, die Ideale der ersten Jahre in neue Zeiten zu überset- zen. Eine gewisse Tendenz zur Systematik ist unübersehbar. Der Glaubensstandpunkt wird wie bei George Müller zum allen regierenden Moment der Neukirchener Mission. Im Zuge dessen werden die Grenzen der Neukirchener Spendengewinnung offensichtlich. Allein für den missionarischen Zweig der Anstalt hält sie formal bestand, im diakonischen Bereich lässt sie sich nicht aufrecht erhalten. 5 . 3 Wilhelm Nitsch Julius Stursberg stirbt am 4. Oktober 1909 bei einer Missionsreise auf Java. Ihm folgt in der Leitung nach einer kurzen Interimszeit der reformierte Pfarrer Wilhelm Nitsch (1873- 1962),20 der für die nächsten 40 Jahre zur „behe rrschenden Gestalt“ (Brandl 1998:305) in Neukirchen wird. Eine der ersten Herausforderungen, denen sich Nitsch stellt, ist die Re- organisierung der Neukirchener Mission. Ihm gelingt es, in seinen ersten Jahren den Trans- formationsprozess der NM von einer privaten Einrichtung der Gründerfamilie hin zu einer „gefestigten Institution“ zu beschleunigen (:308). 5.3.1 Reorganisation der Mission Unter juristischen Gesichtspunkten ist Neukirchen die ersten dreißig Jahre eine rein per- sönliche Angelegenheit der Anstaltsleiter. Sogar die Gebäude sind persönliches Eigentum von Ludwig Doll. Nach dessen Tod werden sie auf Elisabeth Doll und später auf Julius Stursberg überschrieben (:84). Am 1. Dezember 1883 wird deshalb die Buchhandlung als Kommanditgesellschaft unter dem Namen „M issionsbuchhandlung Stursberg u. Cie.“ ge- gründet. 1890 wird diese Kommanditgesellschaft in eine „offene Handelsgesellschaft“ um - gewandelt. Alle Anstaltshäuser und Grundstücke werden auf diese Firma eingetragen (:68). Ein – in den W orten von Wilhelm Nitsch – „ganz äußerlicher Um stand“ führt 1907 zur Gründung eines bürgerlichen Vereins. Mit dem neuen Erbschaftsgesetz vom 1. Juli 1906 werden juristische Vereine begünstigt (:84), was die Anstaltsleitung zur Gründung des Vereins „Waisen- und Missionsans talt“ bewegt, der am 16. N ovember unter der Nr. 22 ins Vereinsregister des Königlichen Amtsgerichts in Moers eingetragen wird.21 Mitglieder des 20 Zu Nitsch siehe seine Autobiographie Al s die U nbekannten und doch bekannt (1960). 21 Der letzte Anstoß i st eine Großs pende in Höhe von 10.000 Mark, die ohne Vereinsrechte versteuert worden wäre (Brandl 1998:305). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 106 Vereins sind zu diesem Zeitpunkt freilich nur die leitenden Mitarbeiter Neukirchens (:85). Aufgrund ihres Selbstverständnisses als Glaubensmission wird die Finanzgewinnung ex- pressis verbis in einem separaten Paragraphen angesprochen: „Die f ür seine Tätigkeit nötigen Geldmittel erwartet der Verein, wie bisher die Waisen- und Missionsanstalt, durch freiwillige Liebesgaben und Vermächtnisse, in Glaubensabhängigkeit von dem Gebete erhörenden Gott, im Vertrauen auf die All- macht, Treue und Barmherzigkeit des himmlischen Vaters der Waisen und des großen Herrn der Mission“ (Satzung 1907, § 3). Unter Nitschs Ägide beschließt die Anstalt 1920, eine Änderung der V ereinssatzung, die die eine Hälfte des Ausschusses den Fördergruppen und die zweite Hälfte den Vereinsmit- arbeitern vorbehält (Brandl 1998:308). Dabei spielen die Förderkreise Neukirchens in Deutschland und Holland22 für Nitsch eine besondere Rolle. In Deutschland sind es vor allen Dingen die landeskirchlichen Gemeinschaften und die Freien evangelischen Gemein- den am Niederrhein und im Siegerland, in Holland das Komitee zur Unterstützung der Neukirchener Salatiga-Mission (:121-159). In den folgenden Jahren sind im Ausschuss die Freien evangelischen Gemeinden durch Friedrich Kaiser, Peter Bolten und August Ruders- dorf, die niederrheinischen und Siegerländer Gemeinschaften durch Wilhelm Krüsmann, Gerhard Jochums und Johannes Schmeck vertreten (:322). Neben der Partizipation von Fördergruppen versucht Nitsch, die Förderer der Wai- sen- und Missionsanstalt auch durch zielgruppenorientierte Kommunikation zu erreichen. Da die sonntäglichen Gastpredigten der Missionare im Heimaturlaub offensichtlich nicht ausreichen, die notwendigen Beziehungen zwischen Mission und Freunden aufrecht zu erhalten, initiiert Nitsch eine Reihe von gruppenspezifischen Veranstaltungen. So erwähnt im MuH Susanne Doll, Tochter von Ludwig Doll, die Gründung des Neukirchener Frauen- Missions-Gebetsbundes (N.F.M.G.). Dessen Aufgabe ist es, „g läubige Frauenkreise, die hinter ihren Schwestern draußen stehen, zu einem engeren Zusammenschluß zu verbinden und zu ernstlicher Mitarbeit in Teilnahme und Fürbitte, und je nachdem auch zu äußerer Handreichung, heranzuziehen“ (MuH, Sept ember 1928:184). Am 16. Juli 1930 findet dar- aufhin der erste Frauen-Missionstag in Neukirchen statt (MuH, November 1930:237). Mit- gliederbeiträge werden zwar nicht erhoben, aber zur Mitgliedschaft, die mit einer separaten Mitgliedskarte dokumentiert wird, gehören regelmäßige Zusamm entreffen, das Abonne- 22 So schreibt Nitsch 1928: „ Wir haben einen groß en, treuen Freundeskreis hin und her, am Niederrhein und im Bergischen Land, im Siegerland und Hessen-Nassau, in Wittgenstein und Waldeck und Bentheim und weit darüber hinaus, ja über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus“ (Ni tsch 1928:165). Bezüglich des Aus- landes schreibt Stursberg 1898: „Au ß er aus Holland empfängt unsere Anstalt aus Belgien, England, Frank- reich, der Schweiz, Österreich, Rumänien, Russland und Amerika gelegentliche Unterstützung“ (St ursberg 1898:8). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 107 ment des Missions- und Heidenboten , die persönliche Fürbitte und die Bereitschaft, die NM finanziell zu unterstützen (Neukirchener Frauen-Missions-Gebetsbund o.J.:2). Ende 1926 wird die neue Stelle des Heimatinspektors zur besseren Betreuung der Freundesgruppen geschaffen und mit Missionar F. Schneider besetzt. In R. Kühnen findet man einen Inspektor für dieselbe Aufgabe in Holland (Nitsch 1928:163). Darüber hinaus verstärkt Nitsch die Einladungen nach Neukirchen. Seine Begründung ist: „Gegenseitiges Besuchen ist nötig, um be stehende Verbindungen aufrecht zu erhal- ten. Darum gehen von Neukirchen im Laufe jedes Jahres verschiedene Einladungen an alle unsere Freunde mit der Aufforderung: Kommt, feiert mit uns! Zunächst ist es unser Jahresfest und die zweimal stattfindenden Allianzversammlungen, die uns Gelegenheit geben, die Freunde hier zu haben und ihnen zu dienen. Dann ist es das seit einigen Jahren eingerichtete Jugendmissionsfest, das uns Scharen von jungen Freunden für einen Tag nach Neukirchen bringt“ (MuH, Juli 1930:178). Eine weitere Einrichtung sind auch die regelmäßigen Mü tterfreizeiten (MuH, November 1933:261). Für Nitsch ist diese Bildung und Förderung einer Heimatgemeinde kein Neben- schauplatz, sondern eine Überlebensfrage. Ist sie es doch, die mit Geld und Gebet für die Mission entritt: „Da liegen Aufgaben vor für p riesterliche Seelen; da s ist der Anteil, der Hauptanteil der Heimatgemeinde am Missionswerk: nicht das Geldgeben vor allem (auch das Geldgeben, denn viel Geld ist ja nötig), sondern das, was auch Paulus sich so drin- gend erbat, die Front in der Heimat“ (MuH, Juni 1923:42). Die eingeschlagene Reorganisation der Neukirchener Mission deutet Nitsch im April 1922 offen im Missions- und Heidenboten an: „Nun ist im Laufe der Jahre Neukirchen doch in mancher Beziehung ein ‚Mis- sionsinstitut nach der im allgemeinen hergebrachten Weise’ geworden ... es ist eben doch ganz anders, als man im Anfang dachte, eine ‚N eukirchener Mission’ ge- worden“ (MuH, April 1922:51). Unantastbar bleiben aber für ihn die Ablehnung der Schulden und die Zusage tariflich fest- gelegter Löhne. Gehälter sind in seinen Augen „m onatliche Anteile an dem in der Kasse Vorhandenen“, das heiß t „Ante il an dem, was der Herr unserer Anstalt jeweilig geschenkt hat“ (:51). 5 . 3 . 2 Kaiserspende (1913) Nitschs Bemühungen können aber zu keiner Zeit die wirtschaftlichen Schwierigkeiten wirklich befriedigend aufwiegen. Symptomatisch ist sein Bericht von 1913 an die Missio- nare in Tana: „In le tzter Zeit hat die Geldfrage uns hier viel bewegt. Die Einnahmen waren im ganzen gering, geringer als im vorigen Jahr“ (in Brandl 1998:284). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 108 Im selben Jahr notiert er am 3. Juni selbstkritisch in sein Tagebuch über den Anspruch Neukirchens ohne Werbung die Missionsarbeit durchzuführen: „ Wenn wir nun trotzdem fortwährend tatsächlich Kompromisse schließen m it der bitteren Wirklichkeit ... ist es dann nicht besser, wir sagen das ruhig und öffentlich, und gehen von jetzt an dieselben Wege, die alle andern auch gehen? “ (:284). Diese Selbstzweifel führen bei Nitsch letztendlich zur Annahme der sogenannten „Kaiser- spende“ zum 25-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelms II., die zeitgleich im Deut- schen Reich durchgeführt wird. Sie gilt allen deutschen Missionen, die in den kolonialen Schutzgebieten tätig sind. In der Summe erbringt diese „Nationalspende für die deutschen christlichen Missionen“ 3,5 Mil lionen Mark für die evangelische und 1,5 Millionen Mark für die katholische Mission.23 Der größt e Teil der Einnahmen wird an die Missionen ver- teilt, rund 500.000 Mark werden der Deutschen Evangelischen Missionshilfe zugestiftet (Oehler 1951:34).24 Obwohl die „Kaisersp ende“ sowohl öf fentlich beworben wird als auch einen recht kolonial-kulturellen Charakter trägt, also im Sinne Dolls bei „W eltleuten“ ko llektiert (MuH, Juli 1879:19), entscheidet sich die NM zur Annahme der ihr zustehenden Gelder. Die Missionsarbeit im ostafrikanischen Burundi empfängt 42.536 Mark und wird von dem großen finanziellen Druck, der auf ih r lastet, befreit (Brandl 1998:283-285).25 5.3.3 Weltw irtschaftskrise Der Erste Weltkrieg mit der folgenden Weltwirtschaftskrise und den Inflationsjahren geht nicht spurlos am Einnahmeumfang der Missions- und Waisenanstalt vorüber.26 Bei Wil- 23 Optimistisch meint D. Würz 1914 im E van gelischen Missionsmagazin über die Nationalspende: „ Auf diese Weise hat die Kaiserspende der ev. Mission, wie wir hoffen, den Anstoß gegeben zu einem noch kräftigeren Aufschwung, als wir ihn zu Beginn der deutschen Kolonialära bereits erlebt haben. Den tieferen Wert des so schön gelungenen Unternehmens sehen wir in erster Linie darin, dass hier zum ersten Mal weitere Kreise des deutschen Volks sich zu ihrer Verpflichtung gegen die nichtchristliche Welt bekannt haben. Was ein Bruch- teil seit Jahrzehnten in der Stille tut, dazu hat nun einmal die deutsche evangelische Christenheit im Groß en – die katholische hat es in ähnlicher Weise getan – ei n erfreuliches vernehmliches Ja gesprochen, und der Kai- ser selbst hat seinen Namen darunter gesetzt“ (in Oehler 1951:34). 24 Das Stiftungsvermögen der Evangelischen Missionshilfe geht freilich durch die Inflation zwischen den beiden Weltkriegen verloren (Oehler 1951:35). 25 „Es wa r jedoch unbestritten, daß hier eine öffentliche Sammlung vollzogen worden war, die auch Gelder von vielen Nichtchristen angenommen hatte“ (B randl 1998:284). 26 „Das Geld sank im Wert, erst langsam, dann immer schneller, zuletzt so schnell, daß die Geldscheine fast schneller entwertet waren als sie gedruckt und in den Verkehr gegeben wurden. Alles Vermögen schmolz zusammen wie Schnee in der Frühlingssonne. Zuletzt war es so, daß die Liebesgaben, die uns für die Mission gegeben wurden, schon über dem Zusenden mit der Post auf die Hälfte und weniger ihres anfänglichen Wer- tes herabgesunken waren ... so mancher Freund im fernen Ausland, in Holland und in der Schweiz, in Schweden und in Böhmen und vor allem in Amerika sandte uns von dem wertvollen Auslandgeld, von dem in den schlimmsten Zeiten ein weniges genügte, um wieder einmal für eine Woche den Bedarf der ganzen Anstalt zu decken“ (Nitsch 1928:147). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 109 helm Nitsch wird in dieser Zeit wieder ein zweifelnder Ton bei der Reflexion über Neukir- chens Rolle als Glaubenswerk öffentlich. So formuliert er in der Ausgabe des Heidenboten vom April 1922 die Frage, ob denn die Spendeneinnahmen für den Unterhalt der tätigen, pensionierten, verwitweten und arbeitsunfähigen Missionare und Missionarinnen ausreiche, und antwortet: „1. hat der Herr imm er wieder zu diesen (freilich recht bescheidenen) Zahlungen aus der Anstaltskasse allerlei Zulagen gegeben von Bekannten und Unbekannten, aus der Nähe und der Ferne, an Geld und an allerlei andern wertvollen Gaben; 2. heißt’s ja freilich bescheiden sein und sparsam und auf manches verzichten. Dann meint man wohl einmal, dies und das müßte doch sein. Aber die Mittel fehlen. Also kann es nicht sein, - also braucht es nicht zu sein. Und als Ergebnis darf 3. doch festgestellt werden: Gott hat wunderbar geholfen“ (MuH, April 1922:50-52). Im Klang ähnlich ist auch sein Resümee zum Neukirchener Standpunkt, Schulden um je- den Preis zu vermeiden. Im Rückblick auf die schwierigen Jahre 1921 und 1922 zieht Nitsch das Fazit: „W ir sind auch auf unserer Glaubensbahn geblieben und haben keine Schulden gemacht. Und mit Gottes Hilfe denken wir auch fernerhin darauf zu bleiben, - ob- wohl es fast scheint, als ob wir für unser Nicht-Schuldenmachen damit gestraft worden sind, daß m an unserm Waisenhaus nichts vom ‚Notopf er‘ und der ‚Kinder- hilfe‘ gegeben hat“ (MuH, September/Oktober 1922: 114). Ähnlich wie bei der Kaiserspende scheint es im mer öfter, als ob Nitsch bewusst Grenzen der Spendenwerbung ausreizt oder sie unter der Wahrung des Scheins umgeht. Noch Sturs- berg legt in einen Gedenkblättern (1897) Wert auf die Erwähnung, dass „im Anschluß an unsere Feste und Versammlungen nie Sammlungen für Zwecke unsrer Anstalten abgehal- ten“ werden. Auch das Anbringen einer „Büc hse“ lehnt er m it Blick auf den „Schein des Bittens“ ab ( Stursberg 1897:43). Nitsch stellt diesen usus nicht in Frage, inspiriert aber die „Freunde Neukirchens“ eben solches trotzdem zu tun. So schreibt er im Februar 1931: „Da wir ein mal am Gelde sind, darf ich vielleicht bei dieser Gelegenheit eine Frage öffentlich beantworten, die mir kürzlich gestellt wurde, nämlich die Frage: Da nun Neukirchen nicht kollektiert, dürfen denn die Freunde Neukirchens für Neukirchen kollektieren? Dürfen die Freunde in ihre m Haus oder im Versammlungssaal eine Büchse aufhängen ‚für die Neukirchene r Mission‘? Ich habe dem betreffenden Freund geantwortet: Selbstverständlich dürfen Sie das, wenn der Herr es ihnen aufs Herz legt! ... Auf m einer letzten Rundreise zu verschiedenen Orten sind mir mehrmals Gaben mitgegeben worden, die in solchen Büchsen eingelegt worden waren. Es hat mir keine Gewissensbedenken gemacht, dies Geld anzunehmen“ (MuH, Februar 1931:46-47). Hier ist nun tatsächlich die Frage zu stellen, inwieweit es nachvollziehbar ist, dass Nitsch die Leser des Heidenbotens zu einem Handeln auffordert, dass für ihn selbst indiskutabel ist. Eine sachliche Antwort erscheint nicht möglich, eher macht es die Erosion des alten Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 110 Glaubensstandpunktes in der Leitung von Neukirchen deutlich. Auf derselben Linie liegen seine Informationen zur Rolle der Buchverkäufer der Neukirchener Buchhandlung. Auch hier räumt er die Möglichkeit einer „Sam mlung“ im Rahmen von Veranstaltungen ein (MuH, Juli 1930:167). Sind es bei Stursberg das Waisenhaus und der Schulbereich, die aus der reinen Spendenfinanzierung herausgelöst werden, so gilt das bei Nitsch nun auch für beträchtliche Teile der Mission. Spätestens in den zwanziger Jahren wirtschaften große Teile der ärztli- chen Mission der NM auf Java selbständig.27 So erhalten die Missionskrankenhäuser 1929/1930 Regierungssubsidien in Höhe von 124.793,51 Gulden, was einem Mehrfachen des Spendenaufkommen in Deutschland entspricht (:174). Nitsch schreibt im Juli 1930 mit Blick auf die Krankenhausarbeit in Ungaran: „. .. unsere so ausgebreitete ärztliche Mission belastet die Missionskasse in keiner Weise. Den Hauptteil der Kosten trägt die Regierung durch ihre – gesetzlich festliege nden – Beihilfen“ (MuH, Juli 1930:155). Eine praktische Folge dieser Inanspruchnahme öffentlicher Gelder sind die festen Gehälter der Missionsärzte, die sich deutlich von denen der Missionare unterscheiden. Der Arzt Dr. van der Ley kommentiert im Jahresbericht 1929 für das Missionskrankenhaus in Purwodadi selbstkritisch: „Die Regierung besoldet durch ihre Subsidie die Missionsärzte im Vergleich zu an- deren Missionsarbeitern gut, aber ob die Kraft des Glaubens zunimmt entsprechend der Vergrößerung des G ehalts, ist eine andere Frage. Geld und alles, worauf man ein wenig ruhen und sich stützen kann, unabhängig vom Herrn, kann leicht ein Strick werden. Der Herr bewahre uns davor“ (MuH, Juni 1930:129). In den Ausgaben des Missions- und Heidenboten der dreißiger Jahre sind auch die breit angelegten Anzeigen der Missionsbuchhandlung Stursberg & Ci e. augenfällig. An dieser Stelle nimmt die NM im Vergleich mit der LM und der ACM eine Sonderposition ein. So wird im Februar 1936 der „neue Ahnenpaß“ beworben (MuH, Februar 1936:24) und im März 1936 werden „Harm oniums in allen Anfertigungen und Preislagen“ angeboten (MuH, März 1936:74). Im Juli 1934 erscheint eine ganzseitige Anzeige bezüglich „Bücher über Obst- und Gemüse-Verwertung“ (MuH , Juli 1934:170) und im Juni 1933 sind mit demselben Raum Kameras der Marke „Contax“ angezeig t (MuH, Juni 1933:146). „Unsere Photo-Abteilung“ heißt es i m November 1931, „liefert C ameras und sämtliche Photo- Artikel in jeder gewünschten Art und Ausführung. Lassen Sie sich bitte ausführliche Kata- 27 Brandl nennt „spi tzfindige Konstruktionen“ der Missionare und der Neukirchener Leitung, „ um beides erhalten zu können: das Glaubensprinzip und als wichtig erkannte Arbeitsbereiche, wie die ärztliche Mission oder das Schulwesen, die dann hauptsächlich mit Subsidien finanziert wurden“ (B randl 1998:313-314). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 111 loge kostenlos zusenden und geben Sie uns Ihren Bedarf danach auf“ (MuH, November 1931:266). In derselben Ausgabe „em pfiehlt sich“ die „Musik-Abteilung“ der Missions- Buchhandlung für den Bezug von Mandolinen, Mandolas, Guitarren, Lauten, Konzert- Zithern, Akkord-Zithern und „Blechinstrum ente jed. Art u. Ausführung“ (:265). Im De- zember 1934 liegt ein Werbeprospekt des Harfe-Verlages und im Oktober 1934 ein Bü- cherprospekt der Bertelsmann Verlagsbuchhandlung Gütersloh bei. Hervorzuheben ist eine Werbung im Oktober 1936, in der eine Schreibmaschine beschrieben wird: „Für nur RM 8,30 m onatlich können Sie sich die Vorteile einer Schreibmaschine verschaffen, wenn Sie sich eine Mercedes-Prima-Kleinschreibmaschine kaufen. – Einschließlich Koffer kostet diese Maschi ne nur RM 186.- oder 24 Raten zu RM 8,30 (Anzahlung RM 16,80). Verkauf durch die Missionsbuchhandlung Stursberg & Cie., Neukirchen, Fernruf Moers 2017 Kreis Moers“ (MuH, Oktober 1936:242). Diese Anzeige ist deshalb so bemerkenswert, weil sie genau die Art von Finanzierung dar- stellt, die für Julius Stursberg und Ludwig Doll 1882 bei der Missionshypothek unan- nehmbar ist. Ein Erwerb ohne sofortige Bezahlung, der damals zur moralischen Schuld mutiert, wird nun aktiv den Freunden Neukirchens als Finanzierungsmodell für private Anschaffungen präsentiert. Auch die seitenlangen „Bücherbesprechungen“ sollen ganz offensichtlich zum Erwerb von Literatur im missionseigenen Verkauf animieren. Der Ein- druck, dass hier eine weitere Einnahmequelle entwickelt wird, scheint offensichtlich. 5 . 3 . 4 Faz it In seinem 1928 publizierten Buch Unter dem offenen Himmel: Aus d er Geschichte der Waisen und Missionsan stalt Neukirchen 1878-1928 charakterisiert sich Wilhelm Nitsch und die Neukirchener seiner Zeit als solche, die sich „als ‚E pigonen‘ fühlen, als Leute der zweiten Generation, die hoch hinaufsehen zu Männern wie Doll, Stursberg, Mandel“ (Nitsch 1928:165). In diesen Worten verbirgt sich eine bittere Wahrheit: Unter dem Druck der wirtschaftlichen Schwierigkeiten gelingt Nitsch nicht die angemessene Transformation des übernommenen Glaubensprinzips in die neuen Verhältnisse. Zwar nennt er die „Glau- bensstellung“ ein „Vorrecht“, doch sieht er die Gefahr, dass sich hieraus „ein neu es Ge- setz“ entwickelt (Nitsch 1928:165) . Für ihn ist das Moment des Glaubens in der NM vor- rangig nicht mehr ein „Denkm al eines Gebete erhörenden Gottes“, sondern wird ein Rah- men, der die Planungen begrenzt und die missionarischen Möglichkeiten einengt. Der visi- onäre Glaube, der die Neukirchener Mission als Glaubensmission in ihrer frühen Zeit aus- zeichnet, ist zum formalen Prinzip erstarrt. Während Ludwig Doll im Glaubensstandpunkt noch einen Weg zur Verherrlichung Gottes sieht (MuH, September 1883:81), nimmt Nitsch gedanklich Zuflucht in der Idee einer verkümmerten theologia crucis: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 112 „Gewiß haben andere Werke der innere n und äußeren Mission sich ganz anders nach außen hin entfalten können. Unsere Ar beit ist verhältnismäßig klein geblieben. Hier und da hat eine Arbeit, die man für erwünscht oder gar notwendig ansah, nicht in Angriff genommen werden können, weil die Mittel fehlten. Nun, dann war sie eben nicht notwendig, jedenfalls für uns nicht notwendig, wenn Gott die Mittel ver- sagte. Macht’s denn die große Ausdehnung des Werkes? Macht’s die große Zahl der ‚Gewonnenen‘, samt dem , was vor Menschenaugen imponiert? ... Und immer noch hat Gott das, ‚was nichts ist vor der Welt‘, erwählt und das Schwache und das Verachtete, auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme (1. Kor. 1,26-29)“ (Nitsch 1928:166). Der expansive Charakter der Gründerzeit scheint einer introvertierten Stimmung gewichen zu sein.28 5 . 4 Zusammenfassung Die Entwicklung des Glaubensprinzips in der Neukirchener Mission beginnt mit ihrem Gründer Ludwig Doll. Er ist es, der ohne menschliche Werbetätigkeit alleine aus dem Glauben ein Waisenhaus führen möchte, um somit einen Hinweis auf den lebendigen Gott zu schaffen. Dieser Ansatz, den er von George Müller übernimmt, sieht in der Finanzie- rungspraxis eine Mission an sich. Mit dem Aufbau der Missionsschule übernimmt Doll eine zweite Gedankenlinie von George Müller, nämlich die Ablehnung eines sendenden Charakters. Die Missionare sind gegenüber der Mission frei und in ihrem Glauben auf sich gestellt. Dieser Ansatz, dessen eigentlicher Ursprung in Müllers Ekklesiologie der Brüder- bewegung liegt, begründet auch die Ablehnung eines festen Gehaltes und jedweder anderer Verantwortung seitens der Mission. Julius Stursberg überträgt den Denkmalcharakter des Waisenhauses auch auf die Mission. Der Glaubensstandpunkt wird zum primum movens aller Lebensäußerungen von Neukirchen. Als einer der wenigen Verantwortlichen in den Glaubensmissionen räumt er die Spannung zwischen dem Werbeverzicht und der Informationspflicht ein. Schon zu sei- ner Zeit wird durch die schrittweise Ausgliederung des Waisen- und Schulwesens aus der sonst strengen Finanzierungsmethodik die Grenze des Glaubensprinzips sichtbar. Die Missionsleitung von Wilhelm Nitsch fällt in die schwierige Zeit der Inflationsjahre und der Weltwirtschaftkrise. Zwar gelingt ihm die strukturelle Reorganisation der Anstalt, doch dem wirtschaftlichen Druck ist auch er mit seinen Bemühungen nicht gewachsen. Die Kai- 28 Diese Perspektive ähnelt der von Karl Rahn, die er als Neukirchener Missionsinspektor zum 75-jährigen Jubiläum der NM abschließe nd so ausdrückt: „Ob nicht vielleicht in Gottes Augen das das Wichtigste ist bei aller Arbeit im Reiche Gottes – nicht was wir an andern ‚erreich en’, son dern wieviel wir selber innerlich, im Allerinnersten, dabei gewinnen? “ (Rahn 1953:14). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 113 serspenden und das offene Werben um Geld markieren die endgültige Erosion des Glau- bensprinzips. Grafi k 5: Chronologie der Neu k irchener Mission 1846 22. November. Ludwig Doll wird geboren 1877 George Müller predigt in Düsseldorf und Ruhrort 1878 11. Mai. Doll eröffnet das Waisenhaus in angemieteten Räumen 1879 Juni. Die erste Nummer des Missions- und Heidenbot e erscheint 1879 28. September. Erstes Stiftungsfest des Waisenhauses in Neukirchen 1880 18. Mai. Grundsteinlegung des Waisenhauses und Erklärung der Missionsabsicht 1882 27. August. Einweihung der Missionsschule in angemieteten Räumen mit George Müller 1883 23. Mai. Ludwig Doll verstirbt 1883 1. Dezember. Gründung der „ Missionsbuchhandlung Stursberg u. Cie.“ als Ko mmanditge- sellschaft für die rechtliche Trägerschaft der Anstalt 1888 4. Juni. Grundsteinlegung zum Bau des neuen Versammlungshauses 1890 Umwandlung der Kommanditgesellschaft in eine offene Handelsgesellschaft 1906 25. April. Beginn der höheren Schule in einem provisorischen Gebäude. Zeitgleich Baube- ginn 1906 16. November. Gründung des Vereins „Waisen- und Missionsanstalt“ 1909 4. Oktober. Julius Stursberg stirbt bei einer Missionsreise auf Java. Ihm folgt nach kurzer Interimszeit Wilhelm Nitsch in der Leitung 1913 „Kaiserspend e“ zu m 25-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelms II. 1919 Frühjahr. Die Missionsschule kann nach fünfjähriger Unterbrechung wegen des Krieges wieder eröffnet werden 1919 29. April. Waisenhausinspektor Heinrich Mandel stirbt 1930 16. Juli. Der erste Frauen-Missionstag in Neukirchen 1931 Übertragung der höheren Schule auf den Neukirchener Erziehungsverein 1940 Die Kommune Neukirchen-Vluyn übernimmt die Trägerschaft der höheren Schule Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 114 6 Glaubensprinzip und Spendengewinnung der Allianz-China- Mission 6.1 Fredrik Franson und Carl Polnick Die Deutsche China-Allianz-Mission (DCAM) ist die erste deutschsprachige Missionsge- sellschaft, die eine Assoziation mit der China-Inland-Mission eingeht. Die heutige Allianz- Mission (AM) in Deutschland und die Schweizer Allianz-Mission haben hier ihre Wurzeln. Zur Entstehung der DCAM tragen zwei Männer entscheidend bei: der Barmer Kaufmann Carl Polnick (1856-1919) und der schwedisch-amerikanische Evangelist Fredrik Franson (1852-1908). Polnick ist es, der mit einem Gebetskreis Fredrik Franson im September 1885 in Barmen einen Veranstaltungsort für eine Evangelisation zur Verfügung stellt (Franz 1993:80). Nach einer zweiten Evangelisation Fransons Ende 1889 in Barmen und unter dem Eindruck von Hudson Taylors Aufruf nach 1000 Missionaren in seinem bekannten Editorial To Every Creature in China’s Millions vom Dezember 1889, gründet Polnick den Allianz-Missions-Verein (:81). 6 . 1 . 1 Beginn in Barmen Der anfangs überschaubare Gebets- und Evangelisationskreis in einer Privatwohnung wird bald ein engagierter Förderkreis mit dem Ziel, Missionskandidaten für China auszubilden und für die Reise vorzubereiten. Dabei konstituiert sich der Verein jenseits aller konfessio- nellen Grenzen.1 Bertha Polnick, die Ehefrau von Carl Polnick, berichtet im Rückblick, „daß jedermann Zutritt haben sollte, der al s ein im Blute Jesu Gewaschener willig sein, für Ihn zu leben und zu wirken, für die Glieder des Vereins zu beten und in beständiger, bewußter Gemeinschaft mit dem Herrn zu bleiben“ (Polnick 1920:19). Durch seine evangelistischen und diakonischen Aktivitäten direkt in Wuppertal erlebt der Verein eine rasche Ausdehnung. So hat man im Juli 1890 schon „drei Locale für Bibelstunden, zwei, von de nen jedes 200 Personen fasst, gemietet, eins hat uns ein lieber, auch ein neubekehrter Bruder, gratis zur Verfügung gestellt, das etwa 150 Personen fasst, außerdem haben wir verschiedene Privatwohnungen zum Abhalten von Versammlungen zur Verfügung“ (Allianz-China-Mission 1890- 1892:15) Im Oktober 1890 zählen zum Verein rund 300 Mitglieder, die von drei vollzeitlichen Mit- arbeitern betreut werden, nämlich von: 1 Dies entspricht auch der Gesinnung von Polnick selbst. Konrad Bussemer schreibt: „Carl Polnick war wohl, wenn wir recht unterrichtet sind, bis an sein Ende Glied der Landeskirche, er gehörte auch dem Barmer Blau- Kreuz-Verein an und war sein Mitgründer, im Grunde aber war er ‚Independent’, nicht im kirchlichen, son- dern im persönlichen Sinn, eine geistlich-selbständige, originale Natur, die sich nirgendwo ganz unterbringen läßt“ (Bussemer 1925:65). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 115 „Bruder Ullmann, Schwester Hassel und Brude r Rittershaus, die für die innere Mis- sion und Diakonie angestellt“ (:39). Im Rahmen dieser Entwicklung formiert sich das Komitee der Deutschen China-Allianz- Mission, das die Kontakte zur CIM aufnimmt und die Missionsarbeit koordiniert. Zu ihm gehört: „Ein Bruder aus der Landeskirche, ein Bruder aus der Versammlung, zwei Brüder aus der freien Gemeinde, ein Bruder aus der Baptisten-Gemeinde, – in der That: ‚Allianz‘“ (:10). Polnick selbst gehört diesem Komitee als ehrenamtlicher „Kassierer“ an (Allianz-China- Mission 1890-1892:12). Im ersten erhaltenen Bericht über die Anfänge der China-Allianz- Mission, veröffentlicht im Emdener Gemeinschaftsblatt,2 schreiben Reismann, Weuster und Polnick: „Es ist schon, dem Herrn sei herzlich Dank, eine hübsche Summe für die China Mission zusammen, wenn man bedenkt, dass es fast alles Geber aus den niederen Klassen sind ... Wir freuten uns, dass viele Neubekehrte ihren Schmuck dem Herrn hingaben, weniger um des Wertes willen, denn solche Sachen werden nicht sonder- lich bezahlt, sondern um des Ernstes willen, den sie damit an den Tag legen und Gehorsam dem Worte Gottes gegenüber zeigen, womit sie manche ältere Kinder Gottes beschämen. 1. Petri 3,3. Auch einige Uhren haben wir bekommen, welche wir nicht verkaufen wollen, sondern als vom Herrn solchen nach China ausgehen- den Geschwistern geben, welche keine gut gehende Uhr besitzen” (:2). Am 13. Februar können 978,96 Mark der Städtischen Sparkasse Barmen „zur Verzinsung” überwiesen werden” (:2). Der Auszug aus dem Bericht der Kassen-Revision von Meyer, Hausberg und Schnütgen von der Hauptversammlung am 7. Dezember 1890 gibt einen Einblick in die Finanzgestaltung der DCAM. Die Einnahmen der Vereinskasse bestehen aus Beiträgen der Vereinsmitglieder, deren Höhe sie selbst bestimmen. Von den etwa 300 Mitgliedern sind allerdings nur 63 regelmäßig e Zahler mit durchschnittlichem Monatsbeitrag von rund 58 Pfennig. Zu diesen Einkünften kommen Erträge aus dem Verkauf von Traktaten und au- ßergewöhnliche Zuwendungen. Interessant ist, da ss das Jahr 1890 für die Vereinskasse mit einem Defizit in Höhe von 50,26 Mark schließt, was die Revisi onskommission auch prompt „moniert.“ Von den Einnahmen werden überwiegend kleine Anstellungen des Ver- eins „für die innere Missi on und Diakonie“ finanziert (:30). Die Kasse der China-Mission hat ein Saldo von 1.958,13 Mark, wovon 1.500 Mark bei der Sparkasse angelegt sind. Hier 2 In den ersten beiden Jahren ihrer Geschichte , d.h. von 1890-1892, dient das von Anton Gerhard in Emden herausgegebene Gemeinschaftsblatt zur Beförderung des auf Gottes Wort gegründeten Christenthums der DCAM als Sprachrohr. Die Jahrgänge sind bis heute in den deutschen Bibliotheken nicht nachgewiesen. Von den darin publizierten Nachrichten über die DCAM existiert noch eine hektographierte Nachschrift, in der die Erscheinungsdaten nicht immer genannt sind (Franz 1993:79). Sie ist wohl anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Allianz-Mission erstellt und liegt im Archiv der Allianz-Mission in Dietzhölztal-Ewersbach vor. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 116 stammen die Erträge aus den verteilten „Sammelbüchsen, Kollekten in Versammlungen und zum größeren Teil aus anderen freiwilligen Gaben“ (:30). In einem Baufond sind bis zum 17. November 1890 1.544,60 Mark eingegangen. Es darf angenommen werden, dass hier überwiegend die Vereinsmitglieder anzusetzen sind. 6 . 1 . 2 Fredrik Franson Während es also Polnick ist, der mit dem Allianz-Missions-Verein und dem Komitee die „Heimatbasis“ (Franz 1993:79) für die neue Mi ssion schafft, inspiriert Franson wiederum auf seinen weitläufigen Evangelisationen in Deutschland etliche junge Frauen und Männer für den Missionsdienst in China. Auch ruft er bei „jeder sich bi etenden Gelegenheit zur Mitarbeit und zu Spenden für China auf“ (:90). Wenn man selbst nicht nach China gehen kann, so solle man wenigstens das Reisegeld3 für einen Missionar geben (Allianz-China- Mission 1890-1892:4). Fransons Werben um Spenden hat dabei offensichtlich eine metho- disierende Tendenz. So rechnet er seinen Lesern im Emdener Gemeinschaftsblatt vor, wie viel die Kosten für einen Missionar in China betragen und wie man persönlich zur De- ckung dieser Ausgaben beitragen kann: „30 Geschwister, die sich entschliesse n, 5 Pfg. jeden Tag abzulegen, können ihren eigenen Evangelisten in China haben, da ein solcher für etwa M. 1,50 ernähren und kleiden kann. Sagt man 40 Geschwister, so ist das Reisen eingeschlossen ... Bruder und Schwester, der du ein Herz für die Millionen hast, die jedes Jahr in China ster- ben, nimm dir gleich ein Anzeichnungsbuch, gehe herum unter deinen geistlichen Geschwistern, sammle rasch 40 Personen, die wenigstens 5 Pfg. jeden Tag ablegen wollen, bitte dann Gott um einen passenden Bruder oder Schwester, sende ihn oder sie aus, und Gottes Segen wird auf dir ruhn“ (in Allianz-China-Mission 1890- 1892:5). Diese Sammelbüchsen, die für 5 Pfennig je Stück bei Carl Polnick erworben werden kön- nen (Allianz-China-Mission 1890-1892:5), erfreuen sich einer außergewöhnlichen Popula- rität, denn später können Franson und sein Freund Olssen von einer Reise wie folgt berich- ten: „Zuletzt möchten wir noch erwähnen, dass eine große Anzahl Geschwister an den meisten Plätzen China-Büchsen gekauft und sich entschlossen 5 Pfg. pro Tag mit Gebet zu Gott um Segen, darein zu legen“ (:10). 4 3 „Wenn man die billigste Klasse fährt, kann man zum Bestimmungsort in China für etwa M. 500.- pro Per- son von Barmen kommen” (Allianz-China-Mission 1890-1892:4). 4 Aber Franson wirbt nicht nur um Gelder für China, er bringt sich auch nachvollziehbar für die große Her- ausforderung in China selbst ein. Die Erbschaft nach dem Tod seiner Mutter Anfang 1890 leitet er direkt an die DCAM weiter, und im Gemeinschaftsblatt liest man: „Tue dasselbe! Bruder Franson hat vor kurzem M. 2500.- geerbt und den Betrag sofort für die Mission in China verwandt!” (Allianz-China-Mission 1890- 1892:3). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 117 Auch Polnick kennt keine Scheu, offen die Bedürfnisse der Mission zu kommunizieren. In einer „Extra-Beilage“ zum China-Boten (CB) im Oktober 1892 wird ein ganzseitiger Auf- ruf abgedruckt, der Spenden für eine Hungersnot in Nordchina einwirbt (CB, Oktober 1892, Extra-Beilage).5 Diese, für eine Glaubensmission doch sehr unbefangene Praxis der Spendengewinnung, wird unterstrichen in dem China-Lied , das, wohl von Polnick aufge- setzt, im Emdener Gemeinschaftsblatt erscheint. Dort lauten die vierte und fünfte Strophe: „Wenn 1000 im Ganzen nach China soll’n gehen, Wie viele von Deutschland wohl dann, Um 50 wir täglich den Heiland schon fleh‘n Nun gehe wer gehen nur kann. Wenn 50 sich melden, woher denn das Geld, Der Meister wohl sorget dafür, Wer Gott nicht kann glauben, für ihn ist das Feld nicht China – er bleibe auch hier “ (Allianz-China-Mission 1890-1892:12). Im Vergleich mit der Neukirchener Mission ist diese offensive Art der Missionsfinanzie- rung erstaunlich. Sie wird nachvollziehbar, wenn man bedenkt, aus welchem kirchlichen Umfeld Franson stammt. Als Mitarbeiter von Dwight Lyman Moody und Mitglied seiner Chicago Avenue Church hat Franson einen ganz und gar pragmatischen Zugang zur Spen- dengewinnung.6 Im Gegensatz zu Müller, Doll und Stursberg ist für ihn die Gewinnung der Finanzen nicht eine Möglichkeit, Gottes Existenz zu beweisen, sondern ein Mittel, Gottes Mission zu eröffnen. Dieser durchaus andere Ansatz als bei den Neukirchenern erlaubt es ihm und Polnick, sehr direkt um Geld zu bitten. Es ist ganz offensichtlich, dass bei der DCAM vor ihrer Assoziierung mit der CIM die Spendengewinnung kein eigenständiges Thema ist. Ihre erste Selbstdarstellung Deutsche China-Allianz-Mission. Entstehung und wunderbare Führungen des Herrn von 1892 enthält abgesehen von der Mitteilung, dass die Namen von Spendern nicht veröffentlicht werden (:78), keine Erwähnung eines beson- deren Finanzierungsprinzips. 5 Später kann Emanuel Olsson berichten, dass durch die eingegangenen Gelder 500 Chinesen vor dem siche- ren Tod gerettet worden sind. Er schließt seinen Berich t mit diesem Hinweis: „Die durch euer Geld und ge- gebene Arbeit ist eine Aussaat, die nachher Jahre lang reiche Früchte für die Ewigkeit tragen wird in der Errettung der Seelen. Aber wollt ihr nicht auch euch selbst ganz und gar als lebendige Opfer für China her- geben, nachdem ihr euer Geld dargereicht habt?“ (CB, April 1894:69). 6 Im Gegensatz zu George Müller und Hudson Taylor ist bei Moody keine Zurückhaltung gegenüber Spen- denwerbung und Kollekten feststellbar. „But unlike Müller, Moody was bold as the winter wind when it came to asking for money. He regularly and enthusiastically buttonholed America’ s corporate barons to ask for large gifts, and spent much of his time personally signing thousands of typed ‘begging letters’ sent to potential supporters” (Hamilton 2000:106). Hamilton spricht in einem Vergleich von Moodys „entrepreneu- rial model“ und Müllers „faith model“ (:106). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 118 6 . 1 . 3 Kontakte zur CIM Parallel zu diesen Entwicklungen knüpft die DCAM Kontakte mit Hudson Taylor, um mit seiner China-Inland-Mission eine Partnerorganisation für die Missionsarbeit zu erhalten (Polnick 1920:19-20). In seiner Antwort sichert Taylor der DCAM „völlige Selbständig- keit“ (Franz 1993:93) zu und biet et den Barmern die Sprachausbildung ihrer Missionare in der englischen Hauptstadt an.7 Polnick schreibt: „Mit Freuden und Dank nahmen wir dieses Anerbieten der China-Inland-Mission an, die Leiter bittend, unsere Geschwister in ihre Häuser aufzunehmen auf unsere Kosten und uns zu helfen in Bezug auf die Auszusendenden, den Willen Gottes für jeden Einzelnen zu erkennen; ist es doch so wichtig, sowohl für die Missionare, als auch für uns, gewiß zu sein, dass der He rr sendet, denn wir können nicht einmal die Garantie des Unterhaltes übernehmen, jeder ist angewiesen, auf den Herrn zu ver- trauen, der ihn aussendet und der zugleich mit der Aussendung versichert, dass Ihm alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist“ (Deutsche China-Allianz- Mission 1892:12-13). Zu den Auswahlkriterien der China-Missionare gehört das Wissen um eine persönliche Berufung, das einstimmige Votum der Komitee-Mitglieder und ein positives Urteil der CIM in deren Londoner Missionszentrale (Franz 1993:93). An dieser Stelle wird ein weite- rer Unterschied zur Neukirchener Mission sichtbar. Während Doll und Stursberg eine Art „Apostolatstheologie“ (Brandl 1998:105) vertreten und die Neukirchener Missionare für ihren Dienst nur befähigen wollen, sendet die DCAM in Absprache mit der CIM die Mis- sionare aus. Sie übernimmt damit quasi die Aufgabe, die vocatio externa zusätzlich zur vocatio interna der Kandidaten auszusprechen. Folgerichtig impliziert diese Berufung auch eine Mitverantwortung gegenüber den Ausgesandten: „Die ausgehenden Geschwister verpflicht eten sich, ihren Unterhalt im Glauben vom Herrn zu erwarten. Das Komitee wollte in demselben Glauben betend und ar- beitend hinter ihnen stehen“ (Polnick 1920:37). Als erste Missionare reisen am 13. Oktober 1890 Joseph Bender,8 Elisabeth Bäumer und Auguste Schnütgen aus (CB, Januar 1893:40). Ihre Abschiedsversammlung findet im Bar- mer Florasaal am Sonntag, dem 5. Oktober unter dem Beisein von „mehr als tausend auf- merksame[n] Zuhörer[n]“ statt (Deutsche China-Allianz-Mission 1892:17). 7 Über die Ausbildungskosten in London berichtet die DCAM: „Für den Unterhalt in London bezahlt man gewöhnlich 1 Pfund per Woche (ca. 20 Mark), doch kommen unsere Geschwister etwa um die Hälfte unter; die Schwestern für 10 Mark, die Brüder per 12 Mark die Woche” (Deutsche China-Allianz-Mission 1892:14). 8 Bertha Polnick schreibt: „Freilich, nach Br. Fransons und Br. Polnicks damaliger Auffassung hieß es für die Missionsgeschwister, alles verlassen und dem Herrn nachfolgen. Und nach diesem Grundsatz handelten die Zöglinge. Bruder Bender zum Beispiel verschenkte die meisten seiner Sachen und wanderte (nach Matth. 10,10) mit einem Anzug und einem Paar Schuhe nach London. Dafür machte er dann auch die herrlichsten Glaubenserfahrungen, wie sein Vater im Himmel für alles sorgte“ (Polnick 1920:21-22). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 119 Das „wichtigste Organ der Missi on“ (Franz 1993:101) wird der China-Bote , der im Juli 1892 das erste Mal erscheint. Er wird monatlich herausgegeben und kann schon 1894 so- wohl in Barmen (über Christian Meyer) als auch in Zürich (über Scholder-Develay) und in St. Petersburg (über Grote) bezogen werden (CB, Dezember 1994:39). Die ersten elf Jahre hat die Schriftleitung Christian Meyer inne. Ab August 1903 geht sie auf Eduard Zantop über (CB, August 1903:13).9 Vom 5. bis 12. April 1893 ist James Hudson Taylor mit seinem Übersetzer Fried- rich Wilhelm Bädeker (1823-1906)10 zu Besuch in Barmen (Franz 1993:101). Seine An- sprachen in Barmen und in den umliegenden Orten werden stenographisch aufgezeichnet und in den nachfolgenden Ausgaben des China-Boten und als Separatdruck Missions- Vorträge (1893) veröffentlicht. Es fällt auf, dass Taylor an diesen Tagen zwar oft die The- matik der Missionsspenden aufgreift (Taylor 1893:3-16; 40-50; 76-91), niemals aber in dem exklusiven Sinne, dass hierfür nicht geworben werden darf. Er stellt vielmehr die ab- solute Vertrauenswürdigkeit Gottes in den Vordergrund, wenn es darum geht, mit begrenz- ten Ressourcen die Mission in China durchzuführen: „Als einmal einige junge Männer und Jungfrauen an mich schrieben und sich anbo- ten nach China zu gehen, sagte ich ihnen, wenn sie in anderen Beziehungen geeig- net waren: Ihr habt eure Taschenbibel und das Buch enthält kostbare Verheißungen, wenn ihr diese Verheißungen glaubt, dann könnt ihr nach China gehen und auf Gott vertrauen. Wir haben den Verheißungen Gottes niemals irgend eine Verheißung noch hinzugefügt, denn wir können auch nichts dazu thun“ (:7). Wie ein Vater sich an seine Kinder erinnert, so denkt Gott an seine Söhne und Töchter, die für ihn seinen Auftrag ausüben (:6). Wenn der himmlische Vater schon die Israeliten in der Wüste mit Manna mit Wachteln versorgt, wird er erst recht sein Volk im Dienst für ihn mit den notwendigen Mitteln ausstatten (:80). Darüber hinaus motiviert Taylor seine Zuhörer am 5. April im Wupperfelder Vereinshaus zur finanziellen Unterstützung (sic!) der Barmer Allianz-Missionare mit dem Hinweis auf den göttlichen Lohn: „Diejenigen, die in letzter Zeit hinausgegangen sind, haben die Sprache noch zu er- lernen, und ich bitte euch, betet für sie und unterstützt sie mit euren Gaben, dann 9 In der ersten Ausgabe des China-Boten heißt es einleitend zum Gaben-Verzeichnis: „Die Mission wird unterhalten durch freiwillige Liebesgaben derjenigen, die sich gedrungen fühlen, für die Ausbreitung des Evangeliums in China mitzuwirken“ (CB, August 1892). Alle Spenden werden an Carl Polnick, den Kassie- rer der Mission erbeten, der „über jede Gabe eine direkte, nummerierte Quittung erteilt“. Zusätzlich werden die Initialen der Spender im Boten publiziert. 1923 hat der China-Bote eine Auflage von 6.750 Exemplaren (CB, März 1923:18). 10 Friedrich Wilhelm Bädeker (* 3. August 1823 in Witten, † 9. Oktober 1906 im englischen Clifton) emig- riert als junger Mann nach Großbritannien, erlebt durch Lord Radstock (1833-1913) eine Bekehrung und kommt als Evangelist nach Deutschland zurück. 1875 begleitet er Robert Pearsall Smith (1827-1898) als Übersetzer auf seiner Deutschlandreise, 1877 siedelt er mit seiner Frau nach Russland über, 1886 gründet er mit Anna Thekla von Weling (1837-1900) die Blankenburger Allianzkonferenz, in deren Leitung er bis zu seinem Tod bleibt. Bädeker selbst gehört zu den „Offenen Brüdern“ (Jung 1995:257-258). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 120 werdet ihr Freude haben. Gott gibt einen hohen Zinsfuß für das Geld, das für Sein Werk gegeben wird. Er hat verheißen, dass diejenigen, die ins Missionsfeld gehen, hundertmal mehr Frucht haben sollen und Er zahlt ihnen Zinsen aus bis zu 10.000 Prozent ... Er hat aber auch gesagt, daß di e, welche zu Hause beim Geräte bleiben, Teil haben sollen an der Beute. Das sind gute Dividenden für alle, welche Aktien haben an diesem großen Geschäft“ (:7-8). Es ist ganz offensichtlich so, dass Taylor in der Begegnung und Zusammenarbeit mit der DCAM das Prinzip der China-Inland-Mission, niemals Menschen um Geld zu bitten, nicht ausdrücklich betont. Weder legt er sich selbst diese Zurückhaltung auf noch macht er sie in seinen Vorträgen expressis verbis für die Allianz-China-Mission verbindlich. Die Prinzi- pien der CIM scheinen bei der DCAM keine resolute Anwendung zu finden. So ist es auch zu verstehen, dass in den später gefassten Grundsätzen und Regeln der Allianz-China- Mission (Juli 1910, ergänzt und neu durchgesehen 1935) die Prinzipien der Spendenge- winnung recht offen formuliert werden. Unter Punkt 4 Unterhalt (Allianz-China-Mission 1935:5) wird festgestellt, dass die Allianz-Mission ihre „gesamten für die Arbeit notwen- digen Mittel von ihrem Herrn” erwartet. Desh alb gehört „glaubensvolles Beten” zu ihren „wesentlichen Aufgaben”. Bei den Spende n können nur „freiwillige Gaben” verwendet werden. Kredite und Schulden lassen sich mit dem „Verhältnis völligen Gottvertrauens” nicht vereinbaren. Eine Garantie für den Unterhalt wird nicht ausgesprochen. „Gelder kön- nen ausbleiben, und die Organisation der Mission kann aufhören; Gott aber wird denen niemals fehlen, die auf ihn vertrauen, und er wird sie niemals verlassen noch versäumen” (:5). Weiter wird die Verantwortung des deutschen Komitees betont. Das Komitee (für Deutschland in Wuppertal-Vohwinkel und für die Schweiz in Winterthur) „empfängt und verwaltet die Beiträge, die für das Werk gegeben werden.” Diese werden an die Direktion der China-Inland-Mission in Schanghai weitergeleitet. Das Komitee „tut sein möglichstes, um daheim das Interesse an der Mission zu fördern” (:4). 11 Im März 1895 kann das positive Fortschreiten eines Baufonds erwähnt werden. Neben vielen kleinen Einzelspenden fallen immer wieder größere Beträge von Fredrik Franson, Erträge von einzelnen Kollekten, Zinsen und Erträge der Hoffnungslieder auf (CB, März 1894:62). Das Allianz-Missionshaus in der Seifenstraße selbst kann am 4. August 1895 im Beisein von Mr. Sloan, dem Sekretär der CIM und rund 1.000 Gästen eingeweiht werden (CB, August 1895:5-6). Auf diesem Weg erhält die Mission ein Zentrum für ihre Angele- 11 Zum Dienstverhältnis der Allianz-Missionare in China: „Die Aufsicht und Oberaufsicht wird gemeinsam von der China-Inland-Mission und dem Komitee geregelt. Der die Station führende Missionar überwacht sein Arbeitsfeld und leitet die Arbeit der ihm unterstellten Missionare und Helfer. Eine Anzahl zusammengehö- render Arbeitsgebiete bilden einen Distrikt unter der Führung eines Distriktrates. Mehrere Distrikte beauf- sichtigt der Präses“ (Allianz-China-Mission 1935:4). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 121 genheiten. Neben der Geschäftsführung finden hier regelmäßig Gebetsversammlungen, Allianz-Versammlungen, Vereinssitzungen, Bibel-Kurse, Chorübungen, Jahresfeste und Abschiedsfeste der Missionare statt.12 6 . 1 . 4 Fazit Für die ersten Jahre der Deutschen China-Allianz-Mission gilt: Die Spendengewinnung spielt in keiner Weise die Rolle wie bei der Neukirchener Mission. Sie ist hier weder Ge- genstand eingehender theologischer Reflexion noch wird sie als Beweis für die Wirklich- keit Gottes begriffen. Die DCAM kommuniziert offen und direkt ihre Bedürfnisse, um ihre Mission zu erfüllen. Sammelbüchsen, Kollekten und Mitgliedsbeiträge gehören zur Praxis. Sichtbar wird hier der Einfluss Fransons, der, von Moody geprägt, keinen Gegensatz zwi- schen dem Vertrauen und der Methodik bei der Spendenfinanzierung sieht. Im Gegensatz zu Neukirchen wird die Funktion des Komitees bei der Aussendung der Missionare her- vorgehoben. Mit der Gründung des Allianz-Missions-Vereins wird auch eine erste Form von Heimatgemeinde geschaffen. Für die weitere Entwicklung der DCAM ist es von Be- deutung, dass Hudson Taylor bei seinem Besuch in Barmen 1893 „Gla ube“ bei der Missi- onsplanung nicht im Müllerschen Sinne als Verzicht auf das Werben bei Menschen inter- pretiert, sondern als Kraft zur Ausführung scheinbar unmöglicher Aufträge versteht. Dieses Verständnis bleibt auch in späteren Jahren geistiges Profil der DCAM. Sehr prägnant kommt es bei der Abordnungsfeier am 7. September 1913 zum Ausdruck: „Im übrigen durften wir uns sagen, daß, wenn der Herr unsere Geschwister aussen- den würde, und sie als seine wahren Knechte und Mägde wandeln würden, würde er samt seinen Verheißungen auch die Garantie für den Unterh alt derselben sein“ (CM, Oktober 1913:214) In diesem Sinne gewinnt die Bezeichnung „Glaubensmission“ eine positive Tendenz: Im Vertrauen kann die Sendung gewagt werden, da sie von dem Sendenden getragen ist.13 12 In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1943 brennt das Gebäude der DCAM nieder. Das Archiv kann nicht gerettet werden (Franz 1993:123). 13 So auch Karl Bussemer in seiner Biografie über Karl Engler: „Der Charakter der Mission wurde der einer ‚Glaubens-Mission’, wie man wohl sagt, d.h. einer Mission, die sich in erster Linie von dem abhängig macht, was Gott ihr gibt, und die nicht irdischen, äußeren Rückhalt sucht“ (Bussemer 1925:67). Dieses Verständnis reicht bis in die jüngste Vergangenheit der AM. Zum 100-jährigen Jubiläum im Jahr 1989 formuliert der damalige Missionsleiter Heinz Müller den Wunsch, „daß wir weiterhin Glaubensmission bleiben, die im Glauben an Gott vertrauensvoll Wagnisse eingeht und Großes von Gott erwartet“ (Allianz-Mission 1989:64) Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 122 6 . 2 Hermann Scholder-Develay und Wilhelm Meili 6.2.1 Hermann Scholder-Develay Schon früh lassen sich in der Geschichte der DCAM Spuren in die Schweiz zurückverfol- gen. Im September 1890 teilt das Komitee mit, dass sich Graf von Korff im schweizeri- schen Neuchatel ihnen anschließt (Allianz -China-Mission 1890-1892:21). Die ersten Mis- sionare können auf ihrer Reise zum Schiff nach Genua in Zürich eine Versammlung besu- chen, die Hermann Scholder-Develay (1828-1901)14 vorbereitet. Er ist es, der den China- Boten in der Schweiz distributiert und Spenden für die Allianz-Mission sammelt und nach Barmen überweist. Die meisten Förderer gewinnt er unter Methodisten und Landeskirch- lern (Franz 1993:99). 6 . 2 . 2 Wilhelm Meili Nachdem Scholder-Develay aus Altersgründen die Arbeit abgibt, tritt Wilhelm Meili (1854-1928),15 Prediger der Freien evangelischen Gemeinde in Ennenda, an seine Stelle. Mit Meili erhält der Schweizer Zweig der DCAM zum einen eine feste Struktur durch Gründung eines eigenen Komitees16 und zum zweiten auch einen fest umrissenen Förder- kreis: die Freien evangelischen Gemeinden in der Schweiz.17 Wilhelm Meili betont in seinen Beiträgen des China-Boten die Gemeinde als ver- antwortliches Organ der missionarischen Aufgabe: „Die Gemeinde gehorchte, die zwei Mä nner wurden gesandt und das war der An- fang des viele Länder umfassenden Werkes des Apostels Paulus, dessen kräftige Wellenschläge bis in die heutige Zeit hineinreichen. Nicht eine Gesellschaft, son- dern die ganze Gemeinde der Gläubigen war die Trägerin dieses Werkes“ (CB, Juni 1925: 85). Anders als bei einer Gesellschaft ohne kirchliche Anbindung kann eine Gemeinde ihren Mitgliedern mit gutem Gewissen Informationen über etwaige finanzielle Defizite weiter- 14 Hermann Scholder-Develay (* 28. Januar 1828 im württembergischen Bergfelden, † 8. April 1901 in Zü- rich) arbeitet als Kaufmann in Stuttgart und Zürich. Er engagiert sich bis zu seinem Lebensende in der Alli- anz-Arbeit. Mit Carl Polnick verbindet ihn eine persönliche Freundschaft (CB, Mai 1901:74). 15 Wilhelm Meili (* 1. Juli 1854 im schweizerischen Buktgen, † 7. März 1928 in Gümlingen) erhält seine theologische Ausbildung in St. Chrischona, ist 1880-1911 Prediger der Freien evangelischen Gemeinde in Ennenda, 1911-1923 in Bern und ab 1924 Leiter des Diakonissenwerks Siloah in Gümlingen. Schon seit 1898 wirkt er als Redakteur beim Gärtner für die Schweizer Freien evangelischen Gemeinden mit. Meili prägt die Arbeit der Allianz-Mission von 1900-1928 (Jung 1995:272). 16 „In der Schweiz hat sich ein Neben-Komitee gebild et, bestehend aus den Brüdern Meili, Winzeler und Dintheer-Frevel. Dadurch ist in der Leitung der Mission eine Erleichterung geschaffen worden, denn diese Brüder erledigen einen Teil der schweizerischen Angelegenheiten Hand in Hand mit dem Barmer Komitee“ (CB, September 1902). 17 „Seit mehr als 25 Jahren zählt unsere Mission die Freien evangelischen Gemeinden in der Schweiz zu ihren treuesten Freunden, hat auch ein schweizerisches Missionskomitee“ (CB, Dezember 1921:4). Hervor- zuheben ist die Freie evangelische Gemeinde Winterthur, die 1923 alleine 11.000 Franken aufbringt (CB, August 1924:58). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 123 geben. Entsprechend fällt es Meili nicht schwer, solche Bedürfnisse den Lesern des China- Boten mitzuteilen. Unter der Überschrift Was unsere Freunde wissen müssen! berichtet er einleitend von den Nöten der DCAM auf der Höhe der Inflation nach dem Ersten Welt- krieg: „1. Sie müssen wissen, daß uns der Herr de r Mission auch im Jahre 1924 trotz vie- ler Schwierigkeiten ohne Schulden durchgebracht hat, damit sie ihm mit uns von Herzen danken für seine Güte und Treue. 2. Sie müssen aber auch wissen, daß un- sere Sendboten in China auf die treue Mitarbeit der Heimatgemeinde zählen, als de- ren Vertreter sie ausgegangen sind, um dem Missionsauftrag des Herrn nachzu- kommen. 3. Sie müssen ebenfalls wissen, welche Aufgaben die Missionsleitung vor Augen sieht, deren Lösung in den nächsten Monaten in Angriff genommen werden sollte“ (CB, März 1925: 35). Die Kooperation mit den Schweizer Gemeinden erweist sich für die DCAM in der Zeit zwischen den Weltkriegen als „höchst vorteil haft“ (Franz 1993:100). Durch den inflationä- ren Verfall der deutschen Mark verlagert sich der finanzielle Schwerpunkt der Mission fast ganz in die Schweiz,18 weshalb auch ab 1. Januar 1922 im Missionsnamen der Zusatz „Deutsche“ gestrichen und der Name in „A llianz-China-Mission“ (ACM) geändert wird (CB, Dezember 1921:4).19 Bis zum 31. Dezember 1924 werden in der Schweiz 632.094,12 Franken für die Mission in Barmen gesammelt (CB, Juni 1925:87). Zeitweilig wird sogar erwogen, die Zentrale der Mission ganz in die Schweiz zu verlegen (Bussemer 1925:91). Als Wilhelm Meili 1928 stirbt, wird im China-Boten rückblickend sein Gedicht Der Nickel und das Goldstück veröffentlicht. Nicht der formale Gehalt spielt hier eine Rolle, wohl aber der Duktus und die Anmutung, mit der die Spendenthematik aufgegriffen wird. Das Bitten um Gelder für die Mission geschieht hier nicht auf dem Hintergrund des kom- menden Gerichts oder des Mitleids mit den Verlorenen, sondern es wird mit den Mitteln des Humors und der Ironie kommuniziert: Es war einmal ein Nickelstück, Dem widerfuhr ein selt’nes Glück: Es traf im Missionsbüchslein Ein wirklich gold’nes Vögelein. 18 Die Schweizer Freunde „haben im Krieg den Verkeh r mit China aufrecht erhalten können und nicht nur das; sie brachten in ganz erstaunlicher Opferwilligkeit so große Mittel zusammen, daß im Krieg wie in der Inflationszeit das Werk draußen bestehen blieb“ (Bus semer 1925:91). „Infolge der Entwertung des deutschen Geldes waren wir für die Fortführung der Arbeit in China fast ganz auf unsere Geschwister in der Schweiz angewiesen“ (CB, Juli 1923:52). 19 „Zur Beachtung. Seit mehr als 25 Jahren zählt unsere Mission die Freien evangelischen Gemeinden in der Schweiz zu ihren treuesten Freunden, hat auch ein schweizerisches Missionskomitee. Dazu kommt, daß durch den Krieg und seine Folgen der Schwerpunkt des Missionsunterhalts sich immer mehr nach der Schweiz verschoben hat. Darum ist in dem Namen unserer Mission die einseitige nationale Bezeichnung ‚Deutsche’ längst nicht mehr am Platze; sie soll nun wegfallen. Vom 1. Januar 1922 ab heißt unsre Mission nicht mehr ‚Deutsche China-Allianz-Mission’, so ndern Allianz-China-Mission (Im Verband der China- Inland-Mission)“ (CB, Dezember 1921:4): Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 124 Wo kommst du her – sprach er erstaunt – Dein Meister war wohl gut gelaunt, Daß er dich nicht mit vielen andern Zur Bank, ins Kaufmannshaus, ließ wandern? – Von guter Laune kommt’s nicht her, Sprach’s Goldfüchslein, – und seufzte schwer, Man schickte mich, – ich weiß es schon – Aus and’rem Grund der Mission. „Warum denn sprach der Nickel leis,“ – „Ich plaud’re nicht, wenn ich’s schon weiß, Was konnte deinen Herrn bewegen, Ein Goldstück in die Büchs‘ zu legen?“ – „So höre,“ – sprach das kleine Ding – Du weißt, wie’s beim Zachäus ging. Der hat die Kasse auch erlesen, Nachdem der Herr bei ihm gewesen. Sieh‘ meinen frühern Prinzipal Traf auch der Gottes-Wahrheit Strahl, Er konnte keine Ruhe finden, Es drückten ihn die alten Sünden. Da sprach er: Geld hat mich betört, Ich nahm, was mir nicht zugehört, Ich hab‘ des Nächsten Recht gebogen Und ihn und Gott und mich betrogen. Nun geb‘ ich vierfach das zurück, Was nie mir brachte Heil und Glück, Und von den mir geblieb’nen Gaben Soll die Mission ihr Teil auch haben.“ – Da sprach das Nickelstücklein frisch: „Wenn alle machten reinen Tisch, Die heut‘ sich zählen zu den Frommen, Müßt‘ wohl noch mancher Goldfuchs kommen!“ (W. Meili †) (CB, Oktober 1928:153) 6 . 2 . 3 Fazit Zusammenfassend kann formuliert werden, dass die Schweizer, und unter ihnen insbeson- dere Wilhelm Meili, wesentlich dazu beitragen, dass der interdenominationelle Charakter der Allianz-China-Mission aufweicht. Indem die ACM eine Verankerung in den Freien evangelischen Gemeinden findet, werden ihr neue Wege ermöglicht, an die Spendenbereit- schaft der Förderer zu appellieren. Das Bitten um Missionsgelder erhält zusätzlich zur e- schatologischen Dimension nun auch eine ekklesiologische Begründung. Die Spendenwer- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 125 bung geschieht nicht mehr ausschließlich sub specie aeternitatis, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Verantwortung. Dieser Hintergrund erlaubt einen neuen modus loquendi . 6.3 Eduard Zantop, Karl Engler, Wilhelm Rosenkranz und Kurt Zimmermann 6.3.1 Eduard Zantop Die Ausweitung der Arbeit und ein Unfall Polnicks erfordern eine Verstärkung in der Mis- sionsleitung in Barmen. So wird am 1. März 1903 Eduard Zantop (1865-1924) aus einer Gemeindearbeit von St. Chrischona neben Polnick in die Missionsleitung berufen (CB, August 1903:6). Zantop ist es, der die Beziehungen zu den Freien evangelischen Gemein- den in Deutschland bewusst so vertieft, dass 1911 sich die Bundesleitung der Freien evan- gelischen Gemeinden mit der ACM beschäftigt: „Br. Rudersdorf regt an, zu der China -Inland-Mission [gemeint ist die ACM], die nach ihren Grundsätzen uns ziemlich nahe steht, mehr in Beziehung zu treten, was von diesen Geschwistern gern gesehen würde. Die Schweizer Brüder unterstützen auch die Ch. I Mission“ (in Jung 1995:137). 6 . 3 . 2 Karl Engler Zantop kehrt nach sieben Jahren zurück nach St. Chrischona, diesmal als Lehrer. Auf ihn folgt Karl Engler (1874-1923), der von 1910 bis 1923 die Leitung der Mission mit Carl Polnick bis zu dessen Tod am 24. Mai 1919 und anschließend alleine inne hat. Von 1912 bis 1923 unterrichtet er an der Predigerschule der Freien evangelischen Gemeinden in Vohwinkel, wodurch das Verhältnis der ACM und den Gemeinden weiter intensiviert wird. Am 21. Mai 1923 stirbt Engler und die Zeitschrift Gärtner , das Organ der Freien evangelischen Gemeinden, erinnert an seine Verdienste: „Wohl hatte sich durch seines Vorgängers [Zantop] Tätigkeit die Barmer China- Mission unseren verbundenen Gemeinden schon erheblich genähert, aber noch nicht in dem Maße, wie das heute allermeist durch sein Wirken geworden ist“ (in Jung 1995:138). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 126 6 . 3 . 3 Wilhelm Rosenkranz und Kurt Zimmermann Nach Englers Tod werden von 1923 bis 1930 Wilhelm Rosenkranz (1872-1933)20 und von 1930 bis 1964 Kurt Zimmermann (1892-1975) Missionsinspektoren der ACM.21 Auch wenn in diesen Jahren die ACM dem Namen nach immer noch eine „Allianz“-Mission ist und sie auch weiterhin Unterstützung aus landeskirchlichen Gemeinschaftskreisen in Hes- sen, Nassau, Hamburg, Pommern und Schlesien erhält (Jung 1995:136), so ist doch die schnelle Annäherung an die Freien evangelischen Gemeinden in Deutschland unverkenn- bar. Alle Missionsinspektoren nach Polnick zeichnen sich durch eine große Nähe zu ihnen aus und suchen die Zusammenarbeit mit ihnen. So ist es nur konsequent, dass die Allianz- Gemeinschaft in der Seifenstraße sich 1936 dem Bund Freier evangelischen Gemeinden anschließt und 1960 die Allianz-Mission die o ffizielle Auslandsmission des Bundes Freier evangelischer Gemeinden wird (:140). 6 . 3 . 4 Offene Kommunikation Im Laufe dieser Jahre verstärkt sich die Tendenz der bisherigen Spendenmethodik. Trans- parent werden die Spendenverläufe geschildert, um die Missionsfreunde zum Spenden zu inspirieren. So schreibt 1923 Wilhelm Rosenkranz im China-Boten : „Dennoch leiden wir geradezu darunter, daß wir unseren heimatlichen Geschwis- tern nicht mehr Geld zahlen konnten. Die Missionssache ist ja nicht eine Sache des Schreibers dieser Zeilen. Sie ist eine Sache unseres Herrn und dann auch unserer verbundenen Geschwister. Deshalb glauben wir berechtigt und verpflichtet zu sein, von diesen unseren inneren Nöten den Missionsfreunden offene Mitteilung zu ma- chen, damit auch sie mit uns tragen und beten“ (CB, August 1923:64). Diese offene Kommunikation wird mit der Rolle der „Missionsgemeinde“ begründet. So schreibt die Mission im wirtschaftlich schwierigen Jahr 1928: „Noch ein Größeres, unsere Kasse noch mehr Belastendes, steht uns für das neue Jahr bevor. Es sind die in Aussicht genommenen Heimreisen, Neu- und Wiederaus- sendungen ... Wiederholt ist uns die Frage gekommen, ob wir nicht die Pflicht ha- ben, der gläubigen Missionsgemeinde – uns eren Freunden – diese Bedürfnisse of- fen darzulegen. Nach unserer Erkenntnis müssen wir diese Frage bejahen“ (China- Bote, Dezember 1928:188). Auch finden regelmäßig Kollekten Erwähnung, die die ACM selbst durchführt oder von Förderern erhält. So beträgt die „Missionskollekte“ beim „Jahresfest“ am 25. Mai 1913 20 Zu Wilhelm Rosenkranz siehe CB, Mai 1933:66-67. 21 „Sie war ja unter den deutschen Missionsgesellschaften immer die ‚Laienmission‘“ (CB, Mai 1923:34). Bis auf Zantop, der an St. Chrischona studierte, hat keiner der Inspektoren eine theologische Ausbildung genos- sen. Polnick ist Kaufmann, Engler Lehrer und Rosenkranz Beamter als Kreisrentmeister, der nach der Pensi- onierung die Aufgabe übernimmt (CB, Mai 1923:34). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 127 155 Mark (CB, Juni 1913:93), und Bertha Polnick, die nach dem Tod ihres Mannes in die Vereinigten Staaten ausreist, „kann einen für unsere Verhältnisse großen Betrag aus einer Missionskollekte überweisen“ (CB, Dezember 1 923:77). Und es ist Karl Engler selbst, der im Rahmen des monatlichen Gabenverzeichnisses im China-Boten vorschlägt, einmal im Monat in der Gemeinde die Kollekte für die Mission einzusammeln. (CB, Okto- ber/November 1921:11). Es passt ins Bild der Mission, dass 1939 in der Jubiläumsbroschüre Fünfzig Jahre Allianz-China-Mission. Grundsätzliches über Wesen und Arbeitsweise einer Allianz- Mission in Mittel-China das Prinzip der China-Inland-Mission „nie in offener oder ver- steckter Form Menschen um Gaben zu bitten oder Geldsammlungen abzuhalten“ (Zim- mermann 1939:20) zwar Erwähnung findet, aber an keiner Stelle für die eigene Arbeit ver- bindlich gemacht wird. Nur zwei übliche Kennzeichen der Taylorschen Spendenmethodik finden langfristig Eingang in der ACM: Der bewusste Verzicht der Kreditaufnahme zur Unterstützung der Mission und die Ablehnung von Kollekten außerhalb der Gemeinden. Gegenüber Kollektanten, die unabgesprochen Sammlungen von Haus zu Haus im Namen der China-Allianz-Mission durchführen, wird festgehalten: „Wir haben noch nie einen Menschen beau ftragt, für uns zu kollektieren und den- ken auch nicht daran, dies in Zukunft zu tun. Wir würden gegen unser Gewissen handeln, wenn wir versuchten, Gelder für den Bau des Reiches Gottes durch Kol- lektieren von Haus zu Haus zu bekommen. Wir erwarten vielmehr, daß der Herr der Mission für uns sorgt und seine Kinder willig macht, die für die Arbeit nötigen Mit- tel aufzubringen“ (CB, April 1925:63). Dieser selbstauferlegte Verzicht auf Hauskollekten, das heißt die Spendensammlung au- ßerhalb des gemeindlichen Raums, schließt a llerdings nicht die Inaspruchnahme staatlicher Gelder aus. In einem Brief vom 21.11.1921 bestätigt der Direktor der Deutschen Missions- Hilfe, August Wilhelm Schreiber, gegenüber Missionsinspektor Karl Engler, den Antrag des ACM-Missionars Röhm beim Auswärtigen Amt um eine finanzielle Unterstützung zur Ausreise nach China. Schreiber bezieht sich auf einen Dezernenten, der von Röhm berich- tet, er hätte „schon 24 000,- M., bedürfte aber noch 10 000,- M.“ (EMW 89). Schreiber fährt fort: „Es scheint mir, dass die Aussichten auf Bewilligung günstige sind. Es läge ein be- sonderer Fall vor, meinte der Dezernent. Die Regierung kann keine Mittel für die direkte Missionsarbeit bewilligen; es mö chten daher in der Eingabe die nationale und kulturelle Bedeutung der Aussendung eines deutschen Missionars nach China hervorgehoben werden“ (EMW 89). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 128 6 . 3 . 5 Ekklesiologische Verankerung Bei allen Bemühungen um Einnahmeerweiterungen wird jedoch die grundsätzliche Ver- antwortung für die Mission konsequent bei den Gemeinden lokalisiert. Sie ist nicht Aufga- be einzelner Christen, sondern Herausforderung und Berufung der ganzen Gemeinde. In der genannten Jubiläumsbroschüre führt der Göttinger Professor für Reformierte Theolo- gie, Dr. Otto Weber (1902-1966), der seinerzeit dem Barmer Missionskomitee angehört, die ekklesiologischen und missiologischen Linien des Neuen Testamentes in dem Essay Mission und Gemeinde zusammen. Weber konstatiert: „Die Mission ist der Weg von der Gemei nde Jesu zur Gemeinde Jesu. Ihr Aus- gangspunkt auf Erden ist die Gemeinde, und ihr Ziel ist wiederum die Gemeinde. Nicht einzelne ‚Interessenten’ schaffen di e Mission; sie ist ni cht das Ergebnis der besonderen ‚Liebhaberei’ einzelner ... Daß die Mission der Weg von der Gemeinde zur Gemeinde ist, zeigt das Neue Testament mit ganzer Klarheit. Gewiß haben die Boten Jesu ihren Dienst wie der heutige Missionar als einzelne tun´ müssen, mitten in allen Nöten und Gefahren, die die Einsamkeit mit sich bringt. Aber sie wurden getragen von der aussendenden Gemeinde. So sehen wir es bei Paulus, der von An- tiochia ausgesandt wird (Apostelgeschichte 13, 1 f.). Und das Ergebnis sind Ge- meinden, die alsbald wieder selbst Missionsarbeit tragen und Missionsarbeit trei- ben“ (in Zimmermann 1939:25). Diese Wahrheit sieht Weber auch in der Geschichte der Allianz-China-Mission dargestellt. Sie ist „der lebendige Ausdruck einer eigena rtigen und zum Teil absonderlich erscheinen- den Erweckungsbewegung“ (:26). Und diese Bewegung entwickelt zentrifugale Kräfte, die über die eigenen geographischen Grenzen hinaus reichen. „Die Bewegung in der Heimat- gemeinde trieb zur Mission“ (:26). Die Tats ache, dass in Barmen ein „Kreis von unmittel- bar Verantwortlichen“ existiert und die ACM somit auch eine Heimat hat, ist für ihn eine neutestamentliche Ausdrucksform: „Wir dürfen sagen: die Mission hat nicht abseits der Gemeinde gelebt und lebt nicht abseits von ihr“ (:27). Die ekklesiologische Verankerung der Mission findet inter alia nun darin ihren Ausdruck, dass sich die ACM vorzugsweise nicht an Einzelspender, sondern an ganze Gemeinschaf- ten und Gemeinden respektive deren Gruppen zuwendet. So informiert der China-Bote 1923 über die bevorstehende Ausreise von Missionarin Mahner: „Gemeinden und Vereine, die den Besuch der Schwester und ihren Dienst in Frauen- und Jungfrauenversammlungen wünschen, bitten wir, uns dies schnellstens mitzuteilen“ (CB, Juli 1923:55). Von Missionar Manz wird erwähnt, dass seine Reisen zu den Förderkreisen von Westdeutschland bis zur russischen Grenze geschehen (CB, Januar 1925:14). Eine Systematisierung erfährt der Ausbau der Förderkreise im Jahr 1926. Im Komi- tee entsteht die Frage, „was zu geschehen habe, um das Missionsinteresse der Gläubigen Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 129 hin und her für das ihnen aufgetragene Werk im fernen Osten zu beleben“ (CB, Mai 1926:77). So schreibt man im China-Boten : „Wir haben vor dem Herrn die Verpflicht ung, an den zentralen Stellen der einzel- nen Bezirke, in denen Gott uns Träger unserer Arbeit in lieben Brüdern und Schwestern schenkte, in gewissen Zeitabständen Gelegenheiten zu besonderen Zu- sammenkünften zu geben. In diesen soll das Glaubens-, Liebes- und Hoffnungsle- ben der für unsere Mission betenden und gebenden Gläubigen für unsere uns in China vom Herrn gegebene herrliche Aufgabe gestärkt und lebendiges Interesse bei anderen Brüdern und Schwestern, die bisher noch ferne standen, geweckt werden“ (CB, Mai 1926:77). Am 18. April 1926 wird das erste Bezirks-Missionsfest in Wülfringhausen abgehalten, am 15. August 1926 das zweite Bezirks-Missionsfest in Wermelskirchen, denn „in Wermels- kirchen und Umgegend haben wir seit der Gründung unserer Mission treue Freundeskrei- se“ (CB, September 1926:142). 22 Es folgen das Bezirks-Missionsfest am 13. März 1927 in Lüdenscheid, am 12. Juni 1927 das erste hessische Bezirks-Missionsfest in Bellnhausen bei Marburg (CB, Mai 1927:87) und am 10. Juli 1927 das Bezirks-Missionsfest in Sim- mern auf dem Hunsrück (CB, Juni 1927:98). Diese Art der Pflege der Freundeskreise wird konsequent auch jenseits der geographischen Grenzen für spezifische Zielgruppen organisiert. Am 12. Oktober 1930 kann das erste Mis- sions-Jugendfest im Solinger Diakonissenmutterhaus Bethanien durchgeführt werden (CB, November 1930:162). Die neue Konzentration auf ganze Gemeinden und Gruppen scheint sich auf Dauer zu bewähren, denn im März 1929 heißt es im China-Boten : „Mit Freude und Dank gegen Gott nahmen wir die Mitteilung hin, daß sich der Freundeskreis im vergangenen Jahr gegenüber 1927 vergrößert hat, was besonders an einer erhöhten Einnahme von ca. 12 % zu erkennen ist“ (CB, März 1929:30). Einer besondere Rolle bei der Förderung von Freundeskreisen kommt der „Frauenhilfe der Allianz-China-Mission“ zu. Im September 1926 wird von ihrer konstituierenden Werbe- versammlung am 4. August berichtet. Ganz ungezwungen bittet Frau Martha Spies- Rosenkranz um „die Anwerbung von Mitglieder n“. Werbeschreiben werden versandt und ein freiwilliger Jahresbeitrag von mindestens 50 Pfennig wird zukünftig erhoben (CB, Sep- tember 1926:144). Im Oktober 1926 gehören schon etwa 400 „Schwestern“ zu diesem neuen Arbeitszweig der ACM (CB, Oktober 1926:158), zwei Monate später 571 Frauen (CB, Dezember 1926:190) und im April 1927 gar über 1.200 Frauen (CB, April 1927:69). „Die Frauenhilfe will in keiner Weise störe nd wirken auf andere segensreiche Reichsgot- 22 „Wir hatten das Gefühl: alte Freunde unserer Mission sind für die Arbeit aufs Neue erwärmt und neue Freunde gewonnen worden“ (CB, September 1926:143). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 130 tesarbeit, sie will einfach sein, was ihr Name sagt: Eine Frauen-Hilfe der A.-C.-M., und zwar hinsichtlich des Gebets, als auch des Gebens“ (CB, Februar 1927:30). 23 Wie schon beim Schweizer Zweig der China-Allianz-Mission beschrieben, befähigt diese ekklesiologische Perspektive24 eine Spracherweiterung bei der Spendenwerbung. Diese wird besonders augenfällig in den pädagogischen Impulsen, welche im China-Boten regelmäßig anzutreffen sind. Gemäß dem Motto von Polnick, dass „Missionskassen Kriegskassen seines [d.h. Gottes] Königreich es“ sind, wo es „nicht zu kargen“ gilt (Alli- anz-China-Mission 1890-1892:90), motivieren die jeweiligen Inspektoren ihre Förderer immer wieder mit in ihrem Sinne vorbildlichen und nachahmenswerten Beispielen des Gebens.25 Dabei erscheint die positive Haltung der Spender als eine conditio sine qua non : „Gebet ohne Geld ist besser al s Geld ohne Gebet. Wer aber beides vermag, der gebe bei- des“ (CB, Januar/Februar 1922:3). Für heutige Verhältnisse bemerkenswert kritisch sind die Sätze, die die Mission ge- genüber mangelnder Spendenbereitschaft formuliert.26 So heißt es im Jahresbericht 1920/21: „Was die Reichen betrifft, so können wir ni cht mit den Worten Jesu sagen: ‚Viele Reiche legten viel ein‘“ (CB, August 1921:3). Als der Preis des China-Boten wegen der fortschreitenden Inflation angehoben werden muss, erlaubt sich Engler „an die werten Ver- teiler und Leser unseres Chinaboten“ die An merkung, dass alle die, die das Magazin ohne Not abbestellen werden, sich vor dem „Richt erstuhl Christi“ vera ntworten müssen (CB, Februar 1921:4).“ Und 1923 berichte t er mit ironischem Unterton: „So wurde uns z.B aus der Kasse einer Gemeinde von Gläubigen auf dem Lande kürzlich der Betrag von 100 Mk. überwiesen, damals ungefähr der Preis für ein Ei! Es muß leider ausgesprochen werden, daß überhaupt viele Gläubige in bezug auf das Geben noch gar nicht mit den heutigen Zahlen rechnen, während sie doch be- züglich ihrer Einnahmen meistens ganz gut rechnen können“ (CB, März 1923:19). 23 „Frauen-Ecke. Mitteilungen der Fraue nhilfe der Allianz-China-Mission (F.-H. d. A.-C.-M.). Postscheck- Konto Dortmund 301 36, Hierfür verantwortlich: Frau Martha Spies, Schwelm.“ Im Blick auf den Missions- tag am 17. Februar 1929 schreibt Martha Spies: „Mic h beschäftigt seit jenen Stunden, in denen wir mit den außerordentlichen Bedürfnissen für das laufende Jahr bekannt gemacht wurden, die eine Frage: Sollten wir nicht von der Frauenhilfe die für die Aussendung der vier Schwestern erforderlichen Gelder aufbringen kön- nen?“ (China-Bote, Mai 1929:30). 24 „Die Gemeinde ist Träger, aber nicht Herr der Mi ssion. Auch ihre Aufgabe ist Dienst, nicht Regiment“ (Weber in Zimmermann 1939:25). 25 „Opferwillige eingeborene Christen “ (CB, Dezember 1895:45); „Der Lohn“ (CB, Februar 1907:17); „Die Mission und das Geld“ (CB, November 1912:192-193); „Noch etwas zur Beherzigung“ (CB, April 1923:31); „Vom rechten Geben“ (CB, Februar 1925:26). 26 „Was dem Herrn wohlgefällt und Seinem Werke förder lich ist, das sind Leute, die nicht nur dann und wann eine warme Herzensregung und eine offene Hand haben, sondern Leute, die stets von ganzem Herzen, mit völliger Liebe und Hingabe für das Werk des Herrn einstehen. Um solche Missionsfreunde werben wir. Ja, um solche wirbt der Herr selbst“ (CB, August 1921: 3-4). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 131 Parallel zu den kritischen Einlässen finden sich auch Warnungen vor konkurrierenden Spendenwerbern. Im November und Dezember 1922 besucht Karl Engler die Freien evan- gelischen Gemeinden in der Schweiz. Zu seinen „mancherlei Reisegedanken“ gehört die Feststellung, dass „eine Flut von Bittgesuc hen“ und „zahlreiche Kollektanten“ das Land überschwemmen. Die Christen dort werden, so Engler, von etlichen deutschen Gesell- schaften förmlich „angebettelt“. Seinen Schweizer Freunden rät er deshalb: „Seid vorsichtig, fallt nicht auf jeden Bette lbrief herein, nehmt nicht ungeprüft die Kollektanten auf, laßt nicht durch neue Eindringlinge euch abwendig machen von den alten und bisher bewährten Gotteswerken“ (CB, Januar 1925:2-3). Das sind unmissverständliche Worte im Konkurrenzkampf der Spendenorganisationen um wertvolle Schweizer Franken.27 Dass die Allianz-China-Mission auch den usus von fixierten Gehältern kennt, wird auf dem Hintergrund der Devisenknappheit im Nationalsozialismus deutlich. So berichtet Kurt Zimmermann im Januar 1938 rückblickend auf das vergangene Jahr: „Um in Deutschland alle uns zur Verfügung gestellten Devisen und in der Schweiz eine größere Summe Franken nach China senden zu können, sahen wir uns genö- tigt, ab 1. Juli eine Kürzung der Unterhälter aller in unserem Missionswerk tätigen Mitarbeiter daheim und draußen vorübe rgehend vorzunehmen. Soweit wir überse- hen können, wird der Abschluß des Jahres so sein, daß wir allen unseren Verpflich- tungen nachkommen können, und auch noch hoffen dürfen, ein gut Teil der Kür- zung am Unterhalt unserer Geschwister zurückzahlen zu können“ (CB, Januar 1938:14-15). Die Erwähnung eines „Zurückzahlens“ macht deut lich, dass die ACM es als ihre Schuldig- keit betrachtet, den Missionaren eine vereinbarte Summe für ihren Dienst zu überlassen. Wichtiges Kommunikationsinstrument bleibt weiterhin der China-Bote . Mit Blick auf die starken Preisschwankungen wird in der Ausgabe vom Januar/Februar 1922 mitgeteilt, dass von nun an eine unentgeltliche Abgabe erfolgt (CB, Januar/Februar 1922:3). Im Oktober und November 1923 muss der Druck eingestellt werden, denn die „Geldmittel reichten dafür nicht aus“ (CB, Dezember 1923:77). Wegen hoher Druck- und Versandkosten wer- den von März bis August 1923 die obligatorischen Gabenverzeichnisse ausgelassen (CB, März 1923:19). 1929 wird für Sonntagschulen der Kleine China-Bote herausgegeben. Er ist grundsätzlich kostenlos und „soll möglichs t von freiwilligen Gaben der Kinder unter- halten werden“ (CB, Oktober 1929:151). Ab Oktober 1927 wird dem China-Boten eine 27 1921 gehen die Spenden infolge der gestiegenen Arbeitslosigkeit um die Hälfte zurück. Dank des gestiege- nen Wertes des Schweizer Franken in China, können aber alle Ausgabe bestritten werden (CB, August 1921:3-4). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 132 Zahlkarte beigefügt. In erster Linie ist sie für die Leser gedacht, die eine Vergütung für die Zeitschrift einsenden wollen, sie „kann aber auch benutzt werden zur Überweisung von Missionsgaben“ (CB, Oktober 1927:175). 6 . 3 . 6 Fazit Als Fazit für die Spendenwerbung der Missionsinspektoren Karl Engler, Eduard Zantop, Wilhelm Rosenkranz und Kurt Zimmermann kann gesagt werden, dass sie die theologische Linie der Schweizer Missionsfreunde aufgreifen und in der Praxis konsequent umsetzen. Mission ist in ihren Augen nicht eine Spezialität einzelner Christen, sondern die Angele- genheit der Gemeinde. Entsprechend dieser ekklesiologischen Verankerung bemühen sich die Leiter der ACM in erster Linie um die Gewinnung ganzer kirchlicher und freikirchli- cher Gruppen und Gemeinden. Darüber hinaus ermöglicht dieser Ansatz ihnen auch ein breites Spektrum an sprachlichen Ebenen, wozu vor allen Dingen der Appell an das Ver- antwortungsbewusstsein zu zählen ist. 6.4 Zusammenfassung Die Spendengewinnung ist bei der Allianz-China-Mission kein Gegenstand eingehender theologischer Reflexion noch wird sie wie in Neukirchen als Beweis für die Wirklichkeit Gottes begriffen. Die ACM kommuniziert offen ihre Bedürfnisse, um ihre Mission zu er- füllen. Sammelbüchsen, Kollekten und Mitgliedsbeiträge gehören zu ihrer frühen Praxis. Sichtbar wird hier der Einfluss ihres Mitgründers Fransons, der, von Moody geprägt, kei- nen Gegensatz zwischen dem Vertrauen und der Methodik bei der Spendenfinanzierung sieht. Der an sich pragmatische Ansatz von Hudson Taylor schafft hier keine grundlegende Veränderung. Im Gegensatz zu Neukirchen wird die Funktion des Komitees bei der Aus- sendung der Missionare hervorgehoben. Mit der Gründung des Allianz-Missions-Vereins wird auch eine Form von Heimatgemeinde geschaffen. Durch die Verbindung zu Schweizer Freien evangelischen Gemeinden verliert der interdenominationelle Charakter der ACM sukzessive an Bedeutung. Indem die Mission eine konfessionelle Verankerung findet, werden ihr neue Wege ermöglicht, an die Spen- denbereitschaft der Förderer zu appellieren. Das Bitten um Missionsgelder erhält zusätz- lich zur eschatologischen Dimension nun auch eine ekklesiologische Begründung. Durch die Missionsinspektoren Karl Engler, Eduard Zantop, Wilhelm Rosenkranz und Kurt Zimmermann wird diese Linie fortgeführt. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 133 Die Bezeichnung „Glaubensmission“ erhält bei der Allianz-China-Mission eine aktive Tendenz: Im Vertrauen kann die Sendung gewagt werden, da sie von dem Sendenden ge- tragen wird. Grafik 6: Chronologie de r Allianz-China-Mission 1889 Dezember. Taylors Aufruf To Every Creature in China’s Millions 1890 Januar. Polnick gründet den Allianz-Missions-Verein. Bildung des Komitees der Deut- schen China-Allianz-Mission 1890 5.Oktober. Verabschiedungsfeier der ersten drei Missionare in Barmen 1892 Juli. Herausgabe des China-Boten 1893 5.-12. April. Hudson Taylor besucht Barmen 1895 4. August. Eröffnung des Missionshauses in der Barmer Seifenstraße im Beisein von Mr. Sloan, dem Sekretär der CIM 1900 Wilhelm Meili übernimmt von Hermann Scholder-Develay den Versand des China-Boten in der Schweiz 1902 Gründung des Schweizer Komitees 1903 1. März bis 1910. Berufung von Eduard Zantop in die Missionsleitung (mit Polnick) 1905 Reise von Eduard Zantop nach China 1910 bis 1923. Berufung von Karl Engler in die Missionsleitung (mit Polnick) 1912 Reise von Carl und Berta Polnick nach China 1919 24. Mai Carl. Polnick verstirbt 1922 1. Januar. Die Mission ändert ihren Namen in „Allianz-China-Mission“ 1923 Frühjahr bis 1930. Berufung von Wilhelm Rosenkranz als zweiter Inspektor neben Karl Engler 1923 21. Mai. Karl Engler stirbt 1930 bis 1964. Kurt Zimmermann übernimmt die Missionsleitung von Rosenkranz 1936 Die Allianz-Gemeinschaft in der Seifenstraße schließt sich dem Bund Freier evangelischer Gemeinden an 1943 30. Mai. Das Missionshaus in der Seifenstraße wird bei einem Bombenagriff zerstört Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 134 7 Glaubensprinz ip und Spendengew innung bei der Liebenz eller Mission 7.1 Heinri ch Coerp er 7.1.1 Anfang in Hamburg (1899) Dem Anfang der Geschichte der Liebenzeller Mission (LM) geht das Scheitern der Kieler Mission1 als deutscher Zweig der China-Inland-Mission voraus. Nachdem sich die CIM im Mai 1899 von Johannes Witt (1862-1934) und der Kieler Mission trennt, suchen die Rep- räsentanten des Vereins für innere Mission in Schleswig-Holstein einen neuen Leiter für den deutschen CIM-Zweig. Johannes Röschmann (1862-1901), Leiter der Hamburger Phi- ladelphia-Gemeinschaft, wendet sich mit dem Einverständnis der Londoner Zentrale an seinen Freund Heinrich Coerper (1863-1936),2 der zu dieser Zeit Leiter eines Diakonissen- hauses in Strassburg ist (Franz 1993:188-197). Am 13. November 1899 trifft Coerper mit seiner Familie in Hamburg ein. Dieser Tag gilt heute gemeinhin als Gründungsdatum der Liebenzeller Mission (:196), die in ihren ersten Jahren noch den Namen „Deutscher Zw eig der China-Inland-Mission“ führt. Stand- ort der jungen Mission wird ein Haus in der Schenkendorfstraße im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst (:196). Der Anfang ist für Coerper alles andere als leicht: Die Kieler Mission verliert nur langsam an Einfluss in der Gemeinschaftsbewegung (:197), einige ihrer Vertre- ter beargwöhnen die neue Mission als „englisch es Gewächs“ (:198), und ein Verleger wei- gert sich gar, das missionseigene Magazin China s Millionen (CM) zu verlegen (:198). In der ersten Ausgabe von Chinas Millionen greift Coerper die Frage auf, ob denn die finanziellen Ressourcen für das Unternehmen gesichert sind: „Als ich von Straßburg ging, frug jem and: Ist denn das Geld vorhanden für diese Arbeit? Ich durfte ihm antworten: Freilich ist es vorhanden, und darum erwarte ich, daß der Heiland m ir von dem Vorhandenen das Nötige einhändigen wird für das Werk, wenn es auch noch nicht in meiner Hand ist“ (CM, Januar 1900, Beilage). Ein wichtiger Unterstützungskreis ist im Anfang die Philadelphia-Gemeinschaft am Ham- burger Holstenwall. Dank der Fürsprache ihres Leiters Röschmann findet Coerper allmäh- 1 Die Kieler Mission bleibt nach ihrer Trennung von der CIM weiter bestehen und wird 1918 von der Breklumer Mission übernommen. Zur Geschichte der Kieler Mission vgl. Franz 1991. 2 Heinrich Coerper (* 3. März 1863 in Meisenheim am Glan, † 8. Juli 1936 im badischen Dinglingen) stu- diert Theologie in Tübingen, Utrecht, Berlin und Bonn und wird anschließen d Dozent an der Barmer Evange- listenschule „J ohanneum“ . Seit 1890 wirkt er an der Kapellengemeinde in Heidelberg, 1894 wird er Pfarrer in Essen und 1897 Vorsteher des Diakonissenhauses in Straßb urg. 1899 folgt er dem Ruf nach Hamburg, um mit Johannes Röschmann den deutschen Zweig der China-Inland-Mission aufzubauen. Der Mission, deren Hauptarbeitsfeld zunächst die chinesische Provinz Hunan ist, schließt sich 1906 die Südseemission des EC und 1914 eine Missionsarbeit auf der zu Neuguinea gehörenden Admiralitätsinseln an (Oehler 1951:52-54). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 135 lich Eingang in den landeskirchlichen Gemeinschaften Schleswig-Holsteins, Schlesiens, Ostpreußens und Pommerns (Steinhilber 1972:42). 3 Mit ihren Spenden kann schon am 31. Dezember 1899 Heinrich Witt als erster Missionar über England nach China ausgesandt werden (Franz 1993:199). Im Unterschied zur Neukirchener Mission ist die Spendengewinnung bei Coerper nicht der Anlass zur Missionsgründung. Diese basiert vielmehr auf der „geistlichen Not Chinas“ und de m Wunsch, „aller Kreatur die fr ohe Botschaft“ zu verm itteln. Zweck der Mission ist es, „die Chinesen zu einer heilbringenden Erkenntnis von der Liebe Gottes in Christo zu führen“ (CM, Januar 1900:9). Di e Spendengewinnung erhält hier nicht die Funktion eines Gottesbeweises wie bei Ludwig Doll und Julius Stursberg, sondern wird der Mission und Evangelisation Chinas nachgeordnet.4 Aber im Gegensatz zu Fredrik Franson und Carl Polnick in der Deutschen China- Allianz-Mission nimmt die Reflexion der Missionsfinanzierung bei Coerper einen breiten Raum ein. Bei ihrer Formulierung orientiert sich Heinrich Coerper ganz an Hudson Taylor und den Prinzipien der China-Inland-Mission. Für ihn ist der Verzicht auf Spendenaufrufe eine Gestalt des Vertrauens in Gott.5 So heißt es in den Grundsätzen und Einrichtungen von Januar 1900: „Die Mission wird ganz von freiwilligen Gaben seitens des Volkes Gottes unterhal- ten. Die Bedürfnisse des Werkes werden im Gebet vor Gott gebracht; persönliche Bitten oder Sammlungen sind nicht gestattet. Es wird nicht mehr ausgegeben als eingenommen wird; Schulden zu machen wird als nicht verträglich angesehen mit dem geltenden Grundsatz eines Lebens völliger Abhängigkeit von Gott. Die Leiter können daher den Arbeitern keinerlei Versprechungen und Garantien für ein be- stimmtes Gehalt geben. Sie suchen das verfügbare Geld treulich zu verteilen, ent- sprechend den Bedürfnissen jedes Arbeiters. Aber man erwartet von letzterem, daß er seine Abhängigkeit von Gott, der ihn gerufen hat und für den er in die Arbeit ging und der seine Notdurft zu stillen vermag, klar versteht, und sich nicht auf menschliche Organisation stützt. Wenn daher Bewerber, nachdem sie angenommen worden sind, in ihrer Reiseausrüstung unterstützt, mit Reisegeld versehen und teil- weise oder ganz durch die Mission unterhalten worden sind, muß dennoch ihr Glaube sich allein an Gott halten und ihre Erwartung allein auf ihn gerichtet sein. Die Gelder könnten fehlen, die Mission könnte eingehen, wenn sie aber ihr Ver- 3 „Ich bin viel gereist, seitdem ich der Mission dienen darf, und ich muß sa gen, daß ich wohl manchmal dach- te: wenn ich nicht reisen kann, werden wir kein Geld einnehmen, denn je mehr Liebe für die Mission ge- weckt wird, desto freier werden die Hände zum Geben“ (CM, Januar 1902:7). 4 Wohl schreibt er im Rahmen des Missionshausbaus: „W ir erkannten allmählich deutlich, wie es der einzig richtige Weg sei, daß wi r nichts zurücklegten, sondern für jede neue Anforderung unsere leeren Hände gegen den Herrn ausbreiteten. Nur so konnten wir unseren Gott, den lebendigen Gott und Vater und Versorger, recht erfahren“ (CM, Dezember 1907:193). Aber dieser Weg der Erfahrung hat lediglich einen internen Cha- rakter und nicht die Funktion eines Gottesbeweises wie bei Doll und Stursberg. 5 Äh nlich auch in Unsere Grundsätze : „ Der Apostel Paulus ermahnte zwar die Gemeinden, zu geben für die arme Gemeinde in Jerusalem, für sich selbst aber erbat er nie etwas von Menschen, und doch hatte er reich- lich, so daß er sogar in Rom ein Haus mieten konnte zu Evangelisationszwecken“ (CM, Januar 1903:6). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 136 trauen auf ihn setzen, wird er sie nie verlassen noch versäumen“ (CM, Januar 1900:9). Der heimatlichen Verwaltung kommt die Aufgabe zu, „das Interesse für die Mission da- heim zu fördern“ (CM, Januar 1900:9). In der Praxis kommt hier besonders der Missions- zeitschrift Chinas Millionen eine führende Rolle zu. Die angesprochene „Abhängigkeit“ hat fü r Coerper auch ein pädagogisches Ziel. Sie trägt nämlich dazu bei, „daß jeder einzel ne sein Verhältnis zum Herrn in Ordnung halte und lehrt tauglich bleiben für das Werk des Herrn“ (CM, Januar 1903:7). Coerper fürchtet um seine Mission, wenn Männer und Frauen den Missionsdienst „zu einer Art in teressan- tem Brotberuf erwählen“ (:7). Entsprechend nennt er finanziell angespannte Zeiten auch „heilige Erziehungsstund en“ (CM, Dezem ber 1907:195). Coerpers Orientierung an Hudson Taylor beginnt nicht erst mit der Gründung des deut- schen Zweiges der China-Inland-Mission. Schon 1892 hält sich Coerper gemeinsam mit Otto Stockmayer in London auf und kann dort auch die Zentrale der CIM besuchen. 1893 in Heidelberg und 1896 in Essen kommt es zu persönlichen Begegnungen zwischen den beiden Männern (Franz 1993:190-192). Dabei gleicht Coerper Taylor in seiner pragmati- schen Herangehensweise in der Kollektenthematik. Auf die Frage eines Lesers, ob dieser eine Sammelbüchse für die Mission anschaffen dürfe, antwortet er: „Unser Sinn ist der, daß wir niem anden direkt bitten wollen, weder privatim noch in Versammlungen. Wir möchten von niemanden eine erzwungene oder erbettelte oder ungern dargereichte Gabe haben. Andererseits ist es klar, daß wir auch der Gaben der Geschwister bedürfen, um den Unterhalt der Missionare ... zu bestreiten ... So haben einige Geschwister selbständig eine Büchse in ihrem Hause aufgestellt ... Andere haben sich entschlossen, jeden Tag 10 Pfennig, andere 5 Pfg., oder sei es auch 1 Pfg., betend in eine Büchse zu legen für China. 30 Geschwister, welche täg- lich je 10 Pfennig für China geben, können einen Missionar unterhalten. Es haben sich Kreise von solchen Sammlern gebildet, welche sich gegenseitig zur Liebe und Treue und Fürbitte darin ermuntern. Ich glaube, daß auf diese W eise zusammenge- brachtes Geld besonders gesegnet ist“ (CM, April 1900:29). Hervorzuheben ist hier Coerpers Aussage, dass die Versorgung durch Gott die Hilfe der Förderer unbedingt einschließt. Deshalb negi ert er auch nicht grundsätzlich das Sammeln und Kollektieren, sondern allein die Formen, die unter psychischem Zwang und Nötigung geschehen.6 6 Ähn lich auch 1903 in Ch inas Millionen: „W ir können und dürfen es zwar nicht hindern, wenn nach Vorträ- gen Freunde von China sich gedrungen fühlen, Scherflein für das Werk zusammenzulegen, aber wir glauben, daß wir weder dazu noch zu anderen Sammlungen auffordern sollen, wir möchten vielmehr die Kraft zur Bewegung der Herzen, auch für dies Werk zu geben, allein bei dem Herrn zu suchen“ (C M, Januar 1903:6). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 137 Im Januar 1902 kann er für 1901 von einem Einnahmevolumen über 18.652,65 Mark be- richten. Neben den vielen verzeichneten Klein- und Sachspenden fallen auch einzelne Großspenden auf. Ein unbeka nnter Missionsfreund aus Lüdenscheid spendet 1.200 Mark, Schwester Agnes Graf, die Coerper noch aus Heidelberger Zeiten bekannt ist, überweist ihr Erbe von 1.600 Mark, und ein Fräulein von Zastrow stiftet 1.000 Mark (Kalmbach 1999:51). Über die gesammelten Gelder schreibt Coerper: „Überhaupt sind alle diese Gaben vollkom men freie Gaben; niemanden haben wir darum gebeten oder angebettelt als nur unseren Herrn. Wunderbar ist es, wie Er selber Seelen willig macht zum Geben; solche S eelen dürfen dann gewiß den Segen des Gebens wieder erfahren“ (CM, Januar 1902:7). Die Absage an das sogenannte „Betteln“ begründet Coerper in seiner Schrift Die Missions- pflicht der Gemeinde Gottes (1904) mit Gottes Wesensart an sich: „Macht euch das klar: für Mis sionsanstalten ist es eine Schmach, wenn sie Bettel- anstalten sind; unse r Gott ist kein Bettler, und Sein großes W erk ist kein Bettel- werk“ (Coerper 1904:6). Wenn der Herr der Mission nicht mit ein „paar Batzen“ abgespeist werden kann, dann darf es so auch mit den Organen der Mission nicht geschehen. Die Mission ist „das vornehm - lichste Geschäft der Gemeinde Gottes“. Ein dränglerischer und bettelnder Charakter ver- trägt sich einfach nicht mit der Dignität einer Missionsgesellschaft (:5-7).7 Was aber durchaus Berechtigung bei Coerper behält, ist das freiwillige Geben. Coerpers Nachfolger in der Missionsleitung, Ernst Buddeberg, berichtet in dem Lebensbild Heinrich Coerper: A us dem Leben und Wirken des Gründers der Lieb enzeller Mission (1936) von zwei Ereignissen, wo Coerper an Kollekten offensichtlich beteiligt ist: „Es war in einer Versammlung in Essen, die Dr. Baedeker hielt und wo dann am Schluß derselben auf die wichtige Arbeit hi ngewiesen wurde und alle aufgefordert wurden, der Kollekte recht zu gedenken. Dies hatte Herr Pastor Weigle bekanntge- macht, und trat unser Pfarrer Coerper noch einmal auf und riet allen Besuchern, doch alles Geld gleich auf den Teller zu legen und nichts mehr mit heimzunehmen. Als die gefüllten Teller herangebracht wurden, da schüttelte der Herr Pfarrer selbst alles aus und sogar den Uhrenschlüssel mit dazu, der aber wieder zurückgenommen wurde“ (Buddeberg 1936:60). Und weiter: 7 Als synonymen terminus technicus für das „B etteln“ gebra ucht Coerper das „Sc hieben“: „So war es uns möglich, während des Jahres 1904 sieben Geschwister hinauszusenden, 3 Brüder, 2 Schwestern und 2 Missi- onarbräute. Der Herr hat es an nichts mangeln lassen. Er hat ganz ohne auch nur das leiseste Schieben unse- rerseits mehrere Freunde willig gemacht, für den Unterhalt einiger Geschwister aufzukommen“ (CM, De- zember 1904:159). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 138 „Es war, wenn ich noch recht weiß, im Jahr 1916, als Schwester Eva von Tiele- Winckler im Eßsaal der Lioba, zu den Sc hwestern sprach. Nach Schluß der Anspra- che stand Herr Pfarrer auf und sagte: ‚N un wollen wir dem Werk von Schwester Eva ein Dankopfer geben.’ Er legte zuerst eine Gabe auf den Teller. Nachher hörte ich, 300 Mark seien eingekommen. Das war die großzügige, we itherzige Art von Pfarrer Coerper“ (:60). Wird Coerper hier seinen Grundsätzen untreu? Wahrscheinlich hat er es so nicht empfun- den. Denn bei der ersten Kollekte ist er nicht der Initiator, und die zweite Geldsammlung entbehrt eines öffentlichen Charakters, findet sie doch im engsten Kreise statt. Die Unterscheidung zwischen „freiwillig em Geben“ respek tive „Danko pfern“ auf der einen und „Betteln“ auf der anderen Seite, ermöglicht Coerper eine größere Flexibilität in der Spendenpraxis. Diese Differenzierung des „betteln den“ und „freiwillig en“ Sam - melns behält Coerper zeit seines Lebens bei. Dem Jahresbericht von 1931 ist ein Gebets- blättchen beigefügt, eine kleine vierseitige Informationsbroschüre, die auch die Grundsätze der Mission enthält. Zum Punkt Unterhalt der Mission ist zu lesen: „Die unverbrüchlichen Verheißungen des HE rrn der Mission in Seinem unantastba- ren Wort sind genügende Gewährleistung für Versorgung des Werkes. Darum bittet die Mission nicht Menschen um Gaben und veranstaltet keine Sammlungen; sie macht auch keine Schulden (Röm 13,8). Freiwillige Sammlungen der Liebe und Gaben von solchen, denen der HErr das Herz bewegt und das Werk aufs Herz legt als Antwort auf die Gebete der Glieder der Mission, werden dankbar angenommen“ (CM, Juni 1932). Anzumerken ist aber, dass Coerper sich in dieser Anwendung des Glaubensprinzips von Hudson Taylor merkbar unterscheidet, der bekanntermaßen bei se inen Auftritten Kollekten grundsätzlich ausschließt (Bacon 1983:33-34) 8 und durch dieses Verhalten großes Aufse- hen erregt (McKay 1981:184). 7 . 1 . 2 Neubeginn in Bad Lieben z ell (1902) Für Coerper bleibt die Zeit in Hamburg begrenzt. Am 17. Juli 1901 stirbt sein Freund und Förderer Johannes Röschmann. Im Herbst desselben Jahres wird der Mission das gemietete Haus gekündigt (Steinhilber 1974:33). Alle Versuche, in der Hansestadt eine entsprechen- de Immobilie zu finden, sind erfolglos. Durch das persönliche Werben der Stuttgarter Dia- konisse Lina Stahl (1842-1924) rückt das württembergische Städtchen Liebenzell in das Blickfeld der Mission. Aufmerksam geworden durch die Gebäudesuche weist sie Coerper auf zwei frei gewordene Stockwerke in der Villa Lioba in Liebenzell hin. Da der Besitzer 5.000 Mark Miete gegenüber 1.500 Mark im Hamburger Haus fordert, kommt man über- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 139 ein, dass Lina Stahl 500 Mark und ihre Freundin Hilda von Diest (1869-1946) 3.000 Mark übernehmen. Die Mission selbst trägt weiterhin den Betrag in Höhe von 1.500 Mark. Am 4. April 1902 verlässt Familie Coerper gegen den Ratschlag vieler Freunde9 Hamburg und erreicht einen Tag später Liebenzell (Franz 1993:203-204). Die kirchlichen Kreise in der neuen Heimat geben sich gegenüber der Mission an- fangs distanziert. So wird der Umzug nach Liebenzell als „Eingriff in das Einzugsgebiet der Basler Mission“ gewertet , und die württembergischen Gemeinschaften, die vom Alt- pietismus geprägt sind, verschließen sich (:204- 205). Um die Mission auf solide rechtliche Grundlagen zu stellen, wird im Herbst 1903 die juristische Form des Vereins gewählt. Doch überraschend wird ein Eintrag in das Vereinsregister des Amtsgerichts Calw abge- lehnt (:207). Es folgt am 27. April 1906 die Konstituierung der GmbH „Liebenzeller Schriftenverlag in Liebenzell“, die am 6. Juli in einem Nachtrags-Vertrag in „Lieb enzeller Mission im Verband der China-Inland-Mission, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Sitz in Liebenzell“ 10 umbenannt wird (Kalmbach 1999:59). Das Stammkapital beträgt 20.000 Mark, und die Gemeinnützigkeit wird festgeschrieben.11 Heinrich Coerper und der Fabrikant Johannes Blank werden als Geschäftsführer bestellt und sind jeder allein zeich- nungsberechtigt (:225). 7 . 1 . 3 Aufbau eines eigenen Trägerkreises In dieser Zeit der Krise beginnt nun die „Erfolgsstory“ de r Mission mit ihrer kontinuierli- chen Ausweitung der Arbeit. Ein Hauptfaktor, der diese Expansion ermöglicht, ist sicher die Schaffung eines eigenen kirchlichen Trägerkreises (Brandl 1998:320).12 Noch in Ham- burg kann Coerper 1902 wahrheitsgetreu sagen: „Unsere Mission ist nicht wie andere Gese llschaften in Deutschland von einer Ge- gend in besonderer Weise gestützt – die m eisten Provinzen haben ja ihre besondere 8 Für Moira McKay ist im Anschluss an ihre Untersuchung zur CIM der Verzicht des Kollektierens ein fun- damentales Kennzeichen der Glaubensmissionen: „t he practise of not taking up a collection at a missionary meeting is fundamental to faith missions principles“ (McKay 1981:182). 9 So schreibt ihm am 18. Februar 1902 der in Württemberg geborene Evangelist Elias Schrenk: „Ic h rate dir entschieden ab, Deine Anstalt nach Württemberg zu verlegen, wo Kirche und Gemeinschaften im festen Geleise sind; Du bekämest endlose Kämpfe von Anfang an. Es ist ja gewiß g ut gemeint von Schwester Lina, aber, Du solltest in dem Gebiet bleiben, in dem die Wiege Deiner Arbeit steht“ (in Franz 19 93:204). 10 Der Zusatz „im Verband der China-Inland-Mission“ wird während des Zweiten Weltkrieges aus politi- schen Gründen fallengelassen (Kalmbach 1999:59). 11 „Der Zweck des Unternehmens bleibt selbstverständlich nur die Mission, und alle Erwerbungen und Ein- nahmen, welche auf jener geschäftlichen Grundlage uns zukommen, werden ausschließ lich wie bisher der Missionssache unseres Herrn dienen“ ( CM, September 1906:128). 12 Unter der Rubrik Dah eim von C hinas Millionen: „Wir dü rfen jetzt etwa in 14 verschiedenen Orten Ver- sammlung halten. Wir flehen und ringen, daß der Herr die Widerstände der Finsternis brechen und uns Erwe- ckungen schenken möge“ (C M, Oktober 1903:148). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 140 Mission – sondern wir sind m ehr ein Kind der Gemeinschaftskreise hin und her in Deutschland“ (CM, Januar 1902:7). 13 Dies ändert sich durch den Umzug nach Liebenzell spürbar. Coerper versteht sein missio- narisches Engagement nicht nur in den geographischen Grenzen Chinas, sondern er sucht ebenso seine Berufung in der Heimat zu verwirklichen. So entstehen mit der Zeit von der LM geführte Gemeinschaftskreise in Freudenstadt, Mühlacker, Mühlhausen an der Enz, Mannheim, Schwaigern, im Kreis Heilbronn, Renningen und Stuttgart (Kalmbach 1999:21). Einen starken Auftrieb erfährt diese Arbeit 1909 durch eine Evangelisation der neugegründeten Zeltmission von Jakob Vetter in Calw.14 Eine kirchliche Erneuerungsbe- wegung gewinnt Gestalt, 1910 kommt es zur Gründung der „Süddeutschen Vereinigung für Evangelisation und Gemeinschaftspflege“ mit Sitz in Stuttgart-Bad Canstatt (:22). Brandl konstatiert, dass Coerper hiermit „quasi eine eigene Denomination“ entwickelt, die die Liebenzeller Mission uneingeschränkt unterstützt (Brandl 1998:320).15 Am 8. Juli 1905 wird der Grundstein für ein Missionshaus gelegt, dessen Saal etwa 600 Personen fassen kann (CM, Dezember 1924:204). Zur Förderung der Heimatmission wird mit dem Evange- listen Kaul eine separate Stelle als „Reisesekretär“ gesc haffen (CM, November 1906:170). Regionale Feste und Konferenzen stärken den internen Zusammenhalt der Gemeinschaf- ten.16 1927 heißt es zusamm enfassend in Chinas Millionen : „ Wir haben nun von unseren Brüdern und Schwestern eine große Anzahl im Schwabenland, besonders in den Gemeinschaften der süddeutschen Vereinigung stehen. Andere Arbeiten sind in Bayern, wieder andere in Baden im Landeskirchli- chen Verband für evangelische Gemeinschaft; auch in Hessen, besonders im O- denwald, dienen mehrere unserer Geschwister, desgleichen im Rheinland, in Bran- denburg und in Thüringen. Insgesamt stehen 58 Brüder und 76 Schwestern im Heimatdienst“ (CM, Juni 1927:124). Dabei werden auch diverse altersspezifische und gruppenorientierte Kreise ins Leben geru- fen: 13 Äh nlich: „D urch des Herrn Freundlichkeit durften wir am Donnerstag, den 23. Oktober, in Königsberg (Ostpreußen) vor ei ner große n betenden Versammlung unseren Bruder Heinrichsohn, welchen die christliche Vereinigung für Evangelisation und Gemeinschaftspflege in Ostpreuß en hinauszusenden übernommen hat, abordern für China“ (CM , Dezember 1902:128). 14 Später erwirbt die LM ein eigenes Zelt für Feste und Evangelisationen: „Es wu rde uns eine Summe eigens zur Anschaffung des Zeltes geschenkt, und als uns die Brüder, welche über das Tersteegensruher Zelt zu verfügen hatten, dasselbe zum Kauf anboten, und wir ihnen die uns dargereichte Summe nannten, schlugen sie ein“(C M, Mai 1913:113). 15 Nach mehr als 20-jähriger Vorstandtätigkeit seitens Coerpers kommt es in der Süddeutschen Vereinigung zu Spannungen. Das Resultat ist die Trennung Coerpers von ihr und 1933 kommt es zur Gründung des Lie- benzeller Gemeinschaftsverbandes. Beide Vereinigungen bleiben weiter „al s Beter und Spender Hauptsäulen der Liebenzeller Mission“ (Steinhilber 1974:41). 16 „Ei ne gutbesuchte Konferenz und ein Bibelkurs der Süddeutschen Vereinigung sowie ein Jugendbundfest in Liebenzell brachte unsere Mission mit sehr vielen Seelen in Verbindung, welche zum groß en Teil fröhlich, gesegnet und auch für das groß e Missionswerk erwärmt ihre Straß en zogen“ (CM, Mai 1912:119). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 141 „Sonntagschule, Kinderbund, Jugendbünde, Mä nnerstunde und die verschiedenen Bibel- und Bibelbesprechstunden konnten das vergangene Jahr über ungestört gehalten werden. Missionsflickverein, Missionsarbeitstündchen der Kinder, und etwa 50 Orte durften von hier aus regelmäßig bedient werden neben der Arbeit, welche durch die angestellten Geschwister geschieht“ (CM, Juni 1925:109). Ergänzend zu den Gemeinschaftsverbänden können auch Fördergruppen über die deut- schen Grenzen hinaus gewonnen werden. Etwa ab 1930 entwickelt sich in der Schweiz ein Freundeskreis, 1941 kann der „Liebenzeller Missionsverein Schweizerzweig, Bern“ ge- gründet werden (Franz 1993:230; K almbach 1999:136-149). Im holländischen Amerongen entsteht 1927 ein Zweig der Mission, der aber 1941 auf dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges zeitweise eingestellt werden muss (Franz 1993:230; K almbach 1999:140- 141).17 Am 6. Juli 1939 kommen einige Liebenzeller Missionare auf ihrer Reise nach Chi- na in die USA. Während ihres mehrwöchigen Aufenthalts zwecks Reise- und Werbetätig- keit bricht der 2. Weltkrieg aus und verhindert ihre Weiterreise. In New Jersey können sie am 19. Juli 1942 das Missionsheim Eben-Ezer mit Grundstück erwerben. Am 9. Juni 1945 wird ein weiteres Haus fertiggestellt. Hier finden zeitweise Missionare eine Unterkunft, die nicht nach Deutschland zurückkehren können (Franz 1993:230; Kalm bach 1999:146-153). Aber auch Kollekten werden hier für die Mission gesammelt. So findet am 30. Juni 1935 in Philadelphia das „Liebenzeller Missionsfest in Am erika“ statt: „Nun kommen wir zum Schluß, und das ist di e Kollekte oder das Opfer, das gege- ben wurde für die Liebenzeller Mission. Es ergab die schöne Summe von 120 Dol- lar; ferner 129 Dollar als Gaben (persönl iche Gaben); außerdem noch 25 Dollar für die Südseeinseln. Im ganzen 274 Dollar. Das ist gewiß eine schöne Summe für die jetzige Zeit der Arbeitslosigkeit“ (C M, September 1935:133). Diesen internationalen Gruppen kommt in der Zeit der Devisensperre des Dritten Reiches eine neue Bedeutung zu. 1966 wird im kanadischen Toronto noch die „L iebenzell Mission of Canada“ gegründet (Franz 1993:231; Kalm bach 1999:146-153).18 Auch zwei geographische Erweiterungen des Liebenzeller Missionsgebietes wirken sich langfristig günstig auf die Einnahmen aus. 1906 übernimmt die LM von dem Deutschen Jugendbund für entschiedenes Christentum (EC) die Missionsarbeit auf den Karolinenin- seln (Franz 1993:218-220), wobei „in den EC lern viele neue Missionsfreunde“ gewonne n 17 „Auc h die Verbindung mit gläubigen Kreisen in der Schweiz ist nach dem Kriege wieder reger geworden, und in Holland sind uns durch Evangelisationsversammlungen unseres Bruders Vervloet manche Kreise erschlossen worden“ (CM, Juni 1922:108). 18 Unter der Rubrik Un sere Arb eit in Amerika in C hinas Millionen: „E s ist uns eine Freude, drüben treue Freunde zu haben, die uns durch Gebet und Gaben helfen. Einige sind darin besonders treu und ausdauernd, nicht ohne Opfer, denn drüben herrscht zum Teil auch groß e Not“ (CM, Juni 1931:98). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 142 werden können (Liebenzeller Mission 1949:7). Im Jahr 1913 bittet der Bund gläubiger Offiziere die LM, eine Missionsarbeit auf den Admiralitätsinseln, die zu diesem Zeitpunkt deutsches Kolonialgebiet sind, zu übernehmen. Auch hier geschieht „eine Erweiterung des Freundeskreises“ (:7). 19 7 . 1 . 4 Hilda von Diest Neben dem Aufbau der landeskirchlichen Gemeinschaften und der Erweiterung des geo- graphischen Gebietes ist aber auch eine Frau hervorzuheben, die die rasche Ausdehnung der Liebenzeller Mission durch ihre Gelder wesentlich ermöglicht: Hilda von Diest. Ihre Verdienste können für die erste Zeit in Liebenzell gar nicht überschätzt werden, weshalb Wilhelm Steinhilber sie auch ehrfurchtsvoll als „die Patronin von Liebenzell“ bezeichnet (Steinhilber 1969:45). Sie ermöglicht wie schon angedeutet mit der teilweisen Mietüber- nahme die Neuansiedlung der Mission in Württemberg. Als bekannt wird, dass der Besit- zer der Villa Lioba seine Immobilie verkaufen will, erwirbt Frau von Diest am 31. Dezem- ber 1902 den ganzen Missionsberg mit allen Gebäuden für 150.000 Mark und überlässt den Besitz der Mission mietfrei (Franz 1993:205). Sie ist es auch, die mit Heinrich Coerper und Johannes Blank den notariellen Gesellschaftervertrag zur Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung schließt (Steinhilber 1969:41). 1911 schenkt sie der Mission das Haus „W ohlgemuth“ (Steinhilber 1974:43), 191 6 veranlasst sie Coerper zum Erwerb des herrschaftlichen Anwesens „Bethanien“ in der Liebenzeller Hindenburgstraße. Die not - wendige Summe von 70.000 Mark stellt sie der Mission unter der Bedingung zur Verfü- gung, dass dieses Haus Missionaren während ihres Heimaturlaubes dienen soll (Steinhilber 1969:44). Am 22. Mai 1918 entschließen sie und ihr Mann sich, das ganze Eigentum auf dem Missionsberg mit Ausnahme der sogenannten „Schleyerburg“, in der sie wohnen, und des „Pfarrhauses“ am Schießrain, in der Lina Stahl lebt, der Mission zu verkaufen. Der Kaufpreis in Höhe von 100.000 Mark ist derart gering, dass die Aufsichtsbehörde diese Regelung auch prompt kritisiert (:42-43). Es bedarf keiner großen Vorstellungskr aft, wie hilfreich diese Zuwendungen der jungen Mission bei ihrer Konsolidierung sind. Weder die Neukirchener Mission noch die Allianz-China-Mission können einen Mäzen dieser Güte aufweisen. 19 Als positiv für die Finanzstabilisierung ist ebenso zu nennen der Verlag, dessen Gewinne in die Missions- arbeit fließe n. „Uns ere Schriftenniederlage hat auch einen größe ren Umsatz aufzuweisen und hat dem Werk schon manche willkommene materielle Hilfe leisten können, abgesehen von dem Ewigkeitssinn, der gewiß vielen durch unsere Schriften zugekommen ist“ (CM, Dezember 1906:177). Auch der Gästebetrieb auf dem Missionsberg wirkt sich günstig aus. „D ie Ökonomie und das Gut haben ebenfalls der Mission in reichem Maß e gedient“ ( CM, Juni 1927:125). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 143 7 . 1 . 5 Geben als pädagogische Aufgabe Aber es sind nicht nur diese Großspenden von Frau von Diest und der Aufbau der eigenen landeskirchlichen Gemeinschaften allein, die den Fortgang der Liebenzeller Mission beflü- geln. Entscheidend ist auch Heinrich Coerpers offensiver Modus, über die Notwendigkeit des Gebens zu sprechen. Das Geben erscheint bei ihm nicht als singulärer Akt der Unter- stützung, sondern als integrales Element der christlichen Existenz. Ernst Buddeberg berich- tet von Coerper: „Er hat alle Gaben vom HErrn erwartet. Aber zugleich hat er die Gläubigen zu wirklichen Opfern für die große Sache ihres Gottes erzogen“ (Buddeberg 1936:59). Grundlage dieser Erziehung ist für Coerper die Bekehrung zu Christus und die Erfüllung mit dem Heiligen Geist: „ Wo Menschenherzen erweckt werden, wo Menschenherzen bekehrt werden und mit dem Geist Gottes erfüllt werden, da gewinnt man alsbald Verständnis dafür, daß Jesus Christus der Heiland der Welt ist, und da gewinnt man auch die Kraft, sein Geld, seine Zeit, ja sein Leben einzusetzen zur Erreichung der heiligen Zwecke unseres hochgelobten HErrn. Hier liegt die wahre Kraft, das Geheimnis des Segens und des Fortgangs in der Mission, der Schlüssel zu dem Missionsproblem“ (CM, Juni 1914:175). Dieses vorausgesetzte Verständnis weiß Coerpe r in unzähligen Geschichten mit appellati- vem Charakter zu vertiefen. Er erzählt in China s Millionen vom alten „Mütterchen“, das ihre wenigen Pfennige zusammenlegt und fragt den Leser „Kannst du auch so handeln? “ (CM, März 1905:46). Pars pro toto mögen ähnliche Texte wie „Ein fröhlicher Geber“ (CM, Mai 1905:75), „W er gibt, der hat oder wie Defizite vermieden werden“ (CM, Febru- ar 1908:34), „Der Segen des Zehnten“ (C M, Dezember 1922) oder „Gottesscherflein“ (CM, Mai 1934:71) genannt sein. In der Sommerausgabe 1921 von Chinas Millionen wird das Gedicht einer ausge- sandten Missionarin veröffentlicht. Auszugsweise ist dort zu lesen: „O Freunde, gebt doch, bitte, gern Von eurem Geld fürs Reich des Herrn! Die Heiden warten sehnsuchtsvoll, Bis Jesu Licht erscheinen soll. O Freunde, ihr wollt’s doch nicht hindern, Drum dürft die Gaben ihr nicht mindern! Greift tief hinein ins Beutelein Und holet einen großen Schein! Gebt ihn in voll Freud‘ in Jesu Sinn; Dann liegt ein großer Segen drin! Drum sag‘ ich noch einm al, gebt gern Von eurem Geld fürs Reich des HErrn!“ (CM, Juni/Juli 1921:111) Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 144 Dieser appellative Ansatz wird auf Coerpers theologischem Hintergrund nachvollziehbar. Als Vertreter Heiligungsbewegung besitzt er ein eminentes Interesse an der Entfaltung der christlichen Prinzipien im alltäglichen Leben (Franz 1993:74-76).20 Diese Prägung erlaubt es Coerper, defizitäre Finanzen nicht einfach als göttliches dictum zu interpretieren, son- dern eine mögliche Erklärung auch in der mangelnden Bereitschaft der Gemeinden und ihrer Mitglieder zu suchen. Über den „Geiz“ schreibt er im April 1909: „Ist es n icht eine unmenschliche Grausamkeit, Seelen zur Hölle fahren zu lassen aus Furcht, ihr müßtet euch ein wenig ei nschränken, oder eure Frauen und Kinder müßten auf geringerem Fuße leben, da de m Verlorengehen von Seelen vorgebeugt werden könnte, wenn ihr dem Fleische einige Entbehrungen auflegtet und Mittel flüssig machtet zur Rettung von unsterblichen Menschenseelen!“ (CM, April 1909:64).21 Ganz ähnlich mag dieser Satz auf die Leser von Chinas Millionen im August 1909 gewirkt haben: „Manche Christen s ind noch im Geiz gebunden; m an nennt sie Bruder oder Schwester, und das Wort Gottes sagt, sie werden das Reich Gottes nicht ererben“ (CM, August 1909:152). Coerper lässt seine Unterstützer an keiner Stelle im Unklaren darüber, dass es ihre heilige Pflicht ist, die Mission zu fördern. Mit einem großen Selb stbewusstsein fordert er die Freunde der Liebenzeller Mission zu einem progressiven Spendeverhalten heraus. Die Di- rektheit Coerpers sucht in heutiger Zeit ihren Vergleich. 1914 schreibt er programmatisch unter dem Titel W iev iel soll ich dieses J ahr für die Mission geben? : „1. W enn ich mich weigere, dieses Jahr überhaupt etwas für die Mission zu geben, dann stimme ich damit für die Abberufung der Missionare vom Missionsfelde. 2. Wenn ich dieses Jahr weniger als sonst gebe, dann spreche ich der Einschrän- kung der Missionsarbeit drauße n das Wort, und zwar im Verhältnis zu meiner ge- ringeren Beisteuer. 3. Wenn ich ebensoviel wie früher gebe, dann trete ich für Unterstützung der beste- henden Arbeit ein, habe aber keinen Blick für die Ausdehnung derselben. Ich sage: ‚W ir wollen die Festung halten’ und bedenke nicht, daß nirgends in der B ibel etwas davon steht, die Jünger Jesu sollten sich in einer Festung verschanzen. Alle Seine Diener haben den Auftrag stetig vorzudringen, denn Sein Befehl lautet: ‚Geht!’ 20 „Vi ele Menschen haben wohl Verständnis dafür, daß wir in Christi Gnade und in seinem Blute Vergebung und neues Leben finden sollen, aber daß C hristus in uns sein Leben ausleben möchte, ist für eine groß e Zahl von Frommen unverständlich, oder sie können sich nicht entschließe n, ihr eigenes Leben, die Herrschaft über sich selbst, daran zu geben und dem Herrn die Leitung des Lebens durch seinen Heiligen Geist ganz anzuver- trauen“ (i n Franz 1993:75). 21 Ähn lich auch 1904: „Wo ist eure Liebe zum himmlischen Vaterland, die euch fähig macht, euer Gold und Silber, eure Edelsteine, euren überflüssigen Luxus dem Rost und den Motten vorzuenthalten und es hinzuge- ben zum Bau des Königreichs der Himmel? “ (CM, Dezember 1904:161). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 145 4. Wenn ich meine Beiträge im Verhältnis zu früheren Jahren erhöhe, dann begüns- tige ich ein Vordringen in neue Gebiete und helfe, dieselben für Jesus zu erobern. Soll ich mich nicht dieser Klasse anschließ en? Mein Entschluß: Ich glaube, daß es nötig ist, die gegenwärtige Anzahl unserer Mis- sionare bedeutend zu vermehren, und deshalb will ich meine bisherigen Beträge für die Mission erhöhen“ (CM, Februar 1914:53). 7 . 1 . 6 Methodische Hilfestellungen Neben diesen inhaltlichen Akzenten vermittelt Coerper auch kontinuierlich methodische Hilfen für das Aufbringen der finanziellen Ressourcen. So empfiehlt er Missionsverkäufe und das Einsetzen von Sammelbüchsen (CM, Juni/Juli 1933:101). Di e „Brockensammler“ der Mission animiert er, bevorzugt Schmucksachen, Stanniol und Briefmarken zu sam- meln. „ Wer gebrauchte Briefmarken für uns sammeln möchte, sollte hauptsächlich ganz alte Sorten oder Übersee – bzw. Kolonial marken sammeln. Hat man davon auch nur weni- ge, so lohnt doch stets das Porto dafür“ (C M, Juni 1913:141). Als „Beispiel zur Beschä - mung und Nacheiferung“ führt er ein Projekt des Badischen Frauen-Vereins an, der mit Hilfe einer Verlosung von Handarbeiten der Großherzogin Luise von Baden 17.000 Mark gewinnt (CM, Februar 1914:50). Bemerkenswert ist auch sein Vorschlag sogenannter An- lassspenden: „ Wieviel könnte noch geschehen bei Gelegenheiten, an welche man gar nicht denkt! ... Oder wenn Kinder zum Besten der Mission Wolle sammeln, die Schafe an Büschen abstreiften; wenn ein Jugendbund ei n Blumenfest veranstaltet und dabei eine Gabe von 400 Mark zusammenbringt, oder wenn Geschwister bei Anlässen von Familienfesten, bei Wiederherstellung der Gesundheit, auch bei Erhaltung von etwa krank gewordenem Vieh, bei Wiederfinden eines verlorenen Gegenstandes, bei merkbarem Segen bei einer Arbeit oder aus Dankbarkeit für Segnungen bei E- vangelisationsvorträgen, auch aus Freude über die Abordnung, sich veranlaßt se- hen, ihrem HErrn ein Dankopfer in die Hand zu legen“ (CM, Juni/Juli 1921:111). Ebenso wenig scheut er sich, auf steuerliche Vorteile bei den Spendenanweisungen hinzu- weisen: „Daß wir die wohltätigen Zwecke geltende Steuerfreiheit erhielten, wodurch wir in den Stand gesetzt worden sind, Geschenke bis zu 5000 Mark steuerfrei anzuneh- men; für Ge schenke über 5000 Mk. brauchen wir nur 5% Steuer bezah len, während wir sonst von 500 Mark an eine Steuer von 10 % für jedes Geschenk hätten zahlen müssen“ (CM, Mai 1910:91). Zwecks einer komplikationslosen Abwicklung bittet Coerper 1927, das Geld nicht in ge- wöhnlichen Briefen zuzusenden, sondern Zahlkarten zu benutzen, die es auch im vorge- druckten Format vorrätig gibt (CM, April 1927:59). Im Jahr 1923, auf der Höhe der Infla- tion, ermahnt der Missionsleiter seine Förderer: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 146 „Besonders aber lasse man kein Missionsge ld, Beiträge Kollekten, Abonnentengeld usw. länger in der Schublade liegen bis zu irgendeiner Gelegenheit ... Unsere Sam- melbüchsen entleere man, ehe ihr Inhalt völlig wertlos geworden ist und tue mög- lichst nur noch wertbeständiges Geld da hinein“ (CM, Deze mber 1923:184). 7.1.7 Kaiserspende (1913) Als letzter interessanter Gesichtspunkt bei Coerper sei seine Handhabe des Themenkom- plexes „Kaisersp ende“ erwähnt. 22 Im Anschluss an Taylor und sein eigenes Prinzip des „freiwilligen Sammelns“ sind öffentliche Sammlungen mit Werbecharakter grundsätzlich ausgeschlossen.23 Spenden für die Mission dürfen nur von Christen angenommen werden, die nicht von Menschen, sondern ausschließlic h von Gott dazu bewegt werden. So weiß auch Buddeberg zu berichten, dass Coerper einmal „einen na mhaften Betrag“ einer „Theathergesellschaft“ m it dem Hinweis „Gottes Sache sei ei ne heilige Sache, und Er dul- det keine fremden Opfer“ ablehnt (Buddeberg 1936:60). Aber es ist offensichtlich, dass Coerper angesichts der Nationalspende zum 25-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Wil- helms II., die mit erheblichem Werbeaufwand im Deutschen Reich durchgeführt wird, mit einer großen Flexibilit ät reagiert. So schreibt er 1913 in Chin as Millionen: „Öfters bin ich gefragt worden über di e Kaiserspende ... Unsere Freunde wissen, daß wir uns von jeher nicht auf so allgemeine Sammlungen gestützt haben, sondern daß wir vielm ehr unsere Petitionen dem himmlischen Kabinett vorlegten, und unser Gott weiß, daß unsere Mission auch eine Arbeit tut in den deutschen Kolonien“ (CM, Juni 1913:127). Doch mit Blick auf die außerordentlichen Au sgaben für die Mission in Mikronesien, for- muliert Coerper: „Er [Gott] weiß, wie auf den Hunderten von kleinen Inseln Tausende von unsterbli- chen Seelen sich nach Licht von oben und nach Hilfe aus ihrem eigenen Verderben sehnen. Er weiß auch, wie die Arbeit besonders kostspielig ist. Vielleicht ist es eine der kostspieligsten Arbeiten aller Missionen, weil wir durch die vielen Missionen gezwungen sind, mehr Stationen anzulegen, mehr Arbeiter hinauszusenden, mehr und teurere Verkehrsmittel anzuschaffen, als dies sonst in den meisten Missionsar- beiten nötig ist. Dies alles legen wir unserem Meister hin, und wir bitten unsere Freunde, dies mit uns zu tun. So sind wir überzeugt, der Herr wird uns von der Na- tionalspende schon das Rechte zuweisen“ (CM, Juni 1913:127). 22 Die „Natio nalspende für die deutschen christlichen Missionen in unseren Kolonien und Schutzgebieten“ erbringt 3,5 Millionen Mark für die evangelische und 1,5 Millionen Mark für die katholische Mission. Der größ te Teil der Einnahmen wird an die Missionen verteilt, rund 500.000 Mark werden der Deutschen Evan- gelischen Missionshilfe zugestiftet (Oehler 1951:34). 23 Hudson Taylor formuliert apodiktisch: „Money wrongly placed and m oney given from wrong motives are both greatly to be dreaded. We can afford to have as little as the Lord chooses to give, but we cannot afford to have unconsecrated money, or to have money placed in the wrong position. Far better no money at all, even to buy food with; fo r there are plenty of ravens in China, and the Lord could send them again with bread and flesh” (i n Bacon 1983:35). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 147 Verschafft die Kaiserspende in der Neukirchener Mission noch ernsthafte Irritationen, so wird die Annahme von Coerper mit Hinweis auf die hohen Kosten ohne Unsicherheit be- fürwortet. Am Ende sind es 66.215 Mark, die die Mission von der Kaiser-Jubiläums- Spende für ihre Arbeit in den deutschen Hoheitsgebieten erhält (CM, Dezember 1913:280). Die Offenheit, mit der in Chinas Millionen über den Hergang der Spendenaktion berichtet, macht deutlich, wie selbständig die LM das Taylorsche Glaubensprinzip weiterentwickelt (CM, August 1913:182).24 Auch sonst scheut sich Coerper nicht, staatliche Zuwendung zu erbitten und in Anspruch zu nehmen. In einem Brief vom 27. Mai 1914 bittet er den Deutschen Evangelischen Mis- sions-Rat sich dafür einzusetzen, dass die vom Reichstag beschlossene Fahrtvergünstigung für die auf das Neu-Guinea-Gebiet ausziehenden Missionare auch auf die Liebenzeller Missionare Anwendung findet. Und er wünscht weiterhin: „Ferner, daß uns auch für China die für die Erteilung des deutschen Unterrichts ver- sprochene staatliche Beihilfe zu teil werde“ (EMW 92). Der „Glaube“ wird von Coerper im Laufe der Jahre immer seltener als Verzicht auf Spen- denwerbung dargestellt. Er mutiert vielmehr zu einem Synonym für mutige Aktion im Ver- trauen auf Gott. So schreibt er im Mai 1904 in seinem Aufsatz „Glauben und Rechnen“ in Chinas Millionen : „Der Vers tand sagt: ‚W ir müssen rechnen!’ Ganz recht, wir müssen rechnen! W ir müssen lernen, treue Verwalter zu werden! W er hätte da nicht schon Fehler ge- macht! Abe r wir dürfen auch da den rechten Faktor, und zwar den Hauptfaktor nicht aus der Rechnung lassen. Dieser Hauptfaktor aber ist Gott selbst ... Gott er- zieht sein Volk zum rechten Rechnen, zum Glauben. Wir sollen nämlich lernen, immer nur den nächsten Schritt vor uns zu sehen, und dann dem Herrn für den nächsten Schritt zu vertrauen. So will der Herr Sein Volk erziehen, Ihm Schritt um Schritt zu vertrauen und in Seiner Abhängigkeit zu bleiben, wo nichts zu hoffen ist. Das ist Glauben und Rechnen in seliger Paarung (CM, Mai 1914:115). 7 . 1 . 8 Faz it Zusammenfassend kann für Heinrich Coerper gesagt werden, dass er bei der Spendenge- winnung einen originalen Ansatz vertritt, der sich von Neukirchen deutlich unterscheidet. Im Gegensatz zu Ludwig Doll und Julius Stursberg ist für ihn der Verzicht auf das Kollek- tieren nicht eine Gestalt der Mission. Das Glaubensprinzip erhält nicht die Funktion eines 24 Heinrich Coerper wird auch Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Evangelischen Missions-Hilfe, die im Anschluss an die Kaiserspende am 6. Dezember 1913 im Sitzungssaal des Berliner Herrenhauses gegründet wird. Ebenso gehören zu den Mitgliedern dieses Gremiums Karl Engler und August Rudersdorf von der ACM und Gottfried Paschen von der NM (Hartmann 1985:VIII-X VII). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 148 Gottesbeweises. Glaube ist für Coerper vielmehr der Anstoß, Mission zu wagen und zu gestalten.25 Dieser Ansatz erlaubt ihm die Differenzierung des „freiwilligen“ und des „bet- telnden“ Sammelns. In der praktischen Kons equenz ist dies allerdings, wie der Umgang mit der Kaiserspende zeigt, auch eine Weiterentwicklung gegenüber Hudson Taylor. Im Vergleich mit Carl Polnick und den Barmern fällt Coerpers Kommunikationsprofil auf, das aus dem Gedanken der Verpflichtung erwächst. Die Anleitung zum Geben wird als päda- gogische Aufgabe begriffen. Ist bei Coerper der Grund des Gebens das geheiligte Leben, so ist es bei den Barmern die Verantwortung, die aus dem Wissen um die Gemeinde ent- springt. In concreto : Coerpers Theologie des Gebens ist soteriologisch, die der Barmer ekklesiologisch verankert. 7 . 2 Ernst Buddeberg 7.2.1 Organische Fortführung Am 1. Januar 1934 übernimmt auf persönlichen Wunsch von Heinrich Coerper Pfarrer Ernst Buddeberg (1873-1949)26 die Leitung der Liebenzeller Mission. Das Urteil von And- reas Franz, hier geschehe nun mehr als „nur eine Ablösu ng der Führungspersönlichkeit“, nämlich „die endgültige Abkehr der Missi on von ihrem Heiligungserbe“ (Franz 1993:231), ist sicher zu kritisch. Wahr ist, was Steinhilber so kommentiert: „Pf arrer Coerper war Neu- pietist, sein Nachfolger war vom Altpietismus geprägt“ (Steinhilber 1974:47). Die theolo- gische Assimilierung der Liebenzeller Mission findet, was den Bereich der Spendengewin- nung betrifft, schon zu Zeiten von Heinrich Coerper statt. Ernst Buddeberg steht somit nicht für eine Diskontinuität, sondern für die organische Fortführung dieser Entwicklung. Buddebergs Perspektive der Finanzgewinnung lässt sich gut an seiner Beurteilung Coer- pers dokumentieren. 1936 skizziert er in der Biographie Heinrich Coerper: Aus dem Leben und Wirken des Gründers de r Liebenzeller Mission den Standpunkt seines Vorgängers wie folgt: 25 Über den Bau des Missionssaales schreibt er: „E inmal wollte längere Zeit keine Ermutigung und Hilfe kommen. Wir prüften uns und beugten uns und reinigten uns. Da kam groß e Zuversicht in mein Herz, und ich durfte bei einer Besprechung im Neubau dem Architekten sagen, er möge nur die nötige Anzahl Arbeiter bestellen zum Weiterbau ... Wir dürfen ehrlich sagen, wir haben das Haus auf den Knien gebaut“ (C M, De- zember 1906:179). 26 Ernst Buddeberg (* 11. September 1873 in Köln, † 9. Jan uar 1949 in Bad Liebenzell) studiert als Sohn eines Kaufmanns Theologie in Halle und Berlin bei Martin Kähler und Adolf Schlatter. Als Vikar in Neukir- chen bei Moers und als späterer Dozent am Wuppertaler Johanneum kommt er mit dem niederrheinischen Pietismus in Berührung. Seit 1901 wirkt er als Pfarrer der reformierten Gemeinde in Heiligenhaus im Rhein- land, 1907 wird er als Inspektor der Evangelischen Gesellschaft berufen. 1934 folgt er Heinrich Coerper in die Leitung der Liebenzeller Mission. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 149 „Man kann sagen, wie Huds on Taylor erwartete er von seinem herrlichen Heiland alles und wollte es aus Seinen Händen allein empfangen. Die ganze Versorgung des Werkes erwartete er vom HErrn und nicht von Menschen ... Die Voraussetzung dieser Glaubensstellung war, dass er mit den Verheißungen seines Gottes rechnete wie mit Zahlen“ (Buddeberg 1936:58). Aber für Buddeberg ist es ebenso wichtig darauf hinzuweisen, dass „seine andern Mitar- beiter nach Maßgabe der Gaben, die einliefen, ih r Gehalt bezögen“ (:58). Auch sträubt sich Coerper in seinen Augen nicht „gegen Sicherungen und Stützen“ die peu à peu von staatli- cher Seite verlangt werden: „Brüder und Schwestern si nd Mitglieder der Krankenkasse und Angestelltenversi- cherung, die Häuser wurden in die Feuerversicherung aufgenommen; denn sie ge - hörten ja nicht ihm, sondern dem Werk des Herrn, und darin wurde er nicht inkon- sequent. Es verband sich im Gegenteil mit der Glaubensstellung, die vom Herrn al- les erflehte und erwartete, eine nüchterne Beurteilung der Gegebenheiten in der Welt“ (:59 ). Diese für sein Empfinden „nüchterne Beurte ilung der Gegebenheiten in der Welt“ über - nimmt Buddeberg bei der Spendengewinnung. Und die Herausforderungen, die sich ihm stellen, geben auch allen Anlass dazu: Das Werk verlangt eine interne Umstrukturierung (CM, Juni/Juli 1934:106; St einhilber 1974:47), eine Verringerung des Spendenaufkom- mens hat zur Folge, dass den Missionaren nicht immer der volle Unterhalt ausgezahlt wer- den kann,27 und auf die Liebenzeller Mission fallen die ersten Schatten des Dritten Reichs. Eine erste direkte Konsequenz der politischen Umstände ist die Belastung der ausländi- schen Kontakte: „Unsere Beziehungen zum Ausland, Holland, Amerika und Schweiz, haben durch die ganze Entwicklung der deutschen Verhältnisse eine gewisse Not zu durchkämp- fen. Aber wir dürfen unseren Freunden im Ausland versichern, daß wir das Reich bauen, das nicht von dieser Welt ist, und daß unsere Augen gespannt auf das Kö- nigreich Jesu Christi in aller Welt gerichtet sind“ (CM, Juni/Juli 1934:107). 7 . 2 . 2 Staatliche Restriktionen Wie für alle Missionswerke hat die Devisenbeschränkung 1934, die die staatliche Zutei- lung der ausländischen Valuta begrenzt, für die LM eine einschneidende Wirkung. Auf der ersten Seite von Chinas Millionen im September 1934 schreibt Buddeberg mit der Über- schrift „Sch iff in Not!“: „Und nun erhebt sich ein großes Ungestüm im Meer, ganz plötzlich, wenn wir auch schon lange darauf vorbereitet waren: Devisennot, d.h. die deutsche Regierung ist in solche finanzielle Schwierigkeiten hineingekommen, daß sie uns vorläufig nur 27 „Das Ga benbrünnlein floß l angsamer als in den Jahren zuvor. Infolgedessen konnten wir unsere Geschwis- ter draußen nicht immer rechtzeitig mit den nötigen Mitteln versorgen, und hie und da wurde ein Murmeln laut, dessen wir uns heute schämen“ (C M, Juni/ Juli 1934:87). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 150 wenige Devisen zustellen konnte von dem, was wir beantragt hatten“ (CM, Sep- tember 1934:129).28 Ein weiterer Konflikt, der den Nerv der Mission berührt, ist das Sammlungsgesetz von 1935. Durch den Sondererlass VW 6197/14/2. 23 . 1. vom 27. März 1935 erteilt der Reichs- und Presseminister des Innern den im Deutschen Evangelischen Missionstag zusammenge- schlossenen Missionsgesellschaften unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs die Genehmi- gung zur Sammlung von Geldspenden für das ganze Reichsgebiet bis zum 31. September 1935. Für die Liebenzeller Mission bedeutet das praktisch: „Es wird ausdrücklich erlaubt das Au fstellen von Sammelbüchsen in den Wohnun- gen der Missionsfreunde (nicht aber in Geschäften, Läden, öffentlichen Lokalen usw.). Ferner der Verkauf von Gegenständen bei den Missionsveranstaltungen. (Wir bitten unsere Freunde, nur solche Verkäufe zu veranstalten, die mit einer Mis- sionsversammlung verbunden sind, um nicht mit dem Gesetz in Widerspruch zu ge- raten.)“ (C M, Mai 1935:68). Buddeberg empfiehlt den Missionsfreunden in dieser schwierigen Zeit, einen Sinn für Kre- ativität in Sachen Missionsspenden zu entwickeln, denn „die Liebe ist erfinderisch und weiß auf allerlei W eise Gaben für den Dienst des Herrn zu schaffen“ (:68). Er erinnert an Coerpers Idee vom „Da nkopfer“, schlägt den bewussten Verzicht auf üppige Mittagessen vor, um den entstehenden Überschuss der Mission zu schenken oder animiert in den ländli- chen Gegenden zur Aufzucht von „Missionssc hweinchen“, deren E rtrag der Liebenzeller Mission zugute kommen kann (:68). Buddeberg geht 1935 insofern selbst neue Wege, als dass „auf mehrfachen Wunsch“ Chinas Millio nen nun eine Zahlkarte beigefügt wird, „um unseren Freunden die Einzahlung zu erleichtern“ (CM, Juni/Juli 1935:111). 1937 kann er berichten, dass „eine dauernde Missionsschau“ im Haus Elim nun zur Besichtung zur Ver- fügung steht. „ Die Veranlassung zum Bau des Hauses war der Wunsch unserer älteren Missionare und der Wunsch weiter Freundeskreise, daß wir etwas hätten, auf der die ein- zelnen Arbeitsgebiete der Liebenzeller Mission anschaulich vor das Auge der Missions- freunde treten könnten“ (CM, Juni/Juli 1937:83). In de m Faltblatt Der Dienst der Fü rbitte 28 „W ir sind gefragt worden, ob es Zweck habe, heute noch für die Millionen zu opfern, da wir ja noch immer unter der Devisensperre leiden und nur wenig an unsere Geschwister nach drauße n senden können. Darauf die Antwort: Das Werk der Liebenzeller Mission steht nicht still, sondern geht auch unter den riesenhaften Schwierigkeiten der Zeit weiter. Und darum muß auch die opferbereite Liebe unserer Freunde weitergehen, damit das Werk nicht stillsteht und zum Erliegen kommt. Wir glaubten diese Worte unseren Freunden schul- dig zu sein, damit der HErr weiter die Verantwortung für unser Werk und die Gebefreudigkeit auf ihr Herz legen kann“ (C M, Dezember 1934:183). „ Die Devisensperre hat sich wie eine Mauer um unsere Missionsfel- der gelegt“ (C M, Januar 1935:1). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 151 für die L iebenzeller Mission im Jahre 1939/40 (1939) werden rückseitig die Grundsätze der Mission erläutert. Bezüglich der Spendenakquise wird ausgeführt: „Entsprechend dem Charakter der China-Inland-Mission steht sie für die Gewin- nung ihrer Mittel auf dem Glaubensgrundsatz, daß der Herr der Mission ihr die nö- tigen Mittel darreichen wird; desh alb möchte sie keinem menschlichen Betrieb Raum geben. Darum will sie auch zur Ehre Gottes an dem Grundsatz festhalten, keine Schulden zu machen“ (Liebenzeller Mission 1939). Diese Umschreibung bestätigt die gewonnene Einsicht über die Liebenzeller Interpretation des sogenannten Glaubensprinzips: Der Glaube ist der Garant für die Fortführung der Mis- sion. Die menschliche Bemühung um Finanzen schließt das grundsätzlich nicht aus, nur der „Betrieb“, d.h. eine m echanische Veräußerung der Finanzgewinnung wird abgelehnt. 7 . 2 . 3 Faz it Mit Buddeberg hält auch eine neue Begrifflichkeit im Rahmen der Spendenberichte Ein- zug. So heißen nun in Chinas Millionen fortan die Jahresabrechnung „D er irdische Ernte- segen“ und die laufende Statistik „Aus de m Erntebuch“ (CM, Juni/Juli 1934:104). Spen- denrückgänge und -zunahmen nennt Buddeberg „W ellentäler und Wellenberge“ (C M, Feb- ruar 1936:19). Überhaupt scheint er keine ausgesprochene Affinität zu abstrakten Zahlen zu besitzen. In einem Bericht über die Einnahmen der evangelischen Weltmission weltweit schreibt er: „Solche Statistik en sind eigentlich nicht nach unserem Geschmack; den n im Reiche Gottes werden die Gaben nicht gezählt, sondern gewogen“ (CM, Septem ber 1936:140). Im Vergleich mit Coerper fallen bei Buddeberg keine wesentlich neuen Akzente bei der Spendengewinnung auf. Er knüpft dort an, wo Coerper 1933 aufhört: Das Geben und damit auch das Werben um das Geben wird offen kommuniziert. 7 . 3 Zusammenfassung Heinrich Coerper übernimmt mit der Gründung der LM Taylors Prinzipen der Spendenge- winnung. Die Tatsache, dass diese in sich schon einen pragmatischen Kern beinhalten, verhilft Coerper zu einer flexiblen Finanzpraxis. Im Gegensatz zu Ludwig Doll und Julius Stursberg ist für ihn der Verzicht auf das Kollektieren nicht eine missionarische Gestalt und ermöglicht deshalb auch keinen Gottesbeweises. Ähnlich wie bei der ACM ist für Coerper Glaube vielmehr der Anstoß, Mission zu wagen und zu gestalten. Die Differenzie- rung des „freiwilligen“ und des „bettelnden“ Sammelns eröffnet ihm eine offene Kommu- nikation in der Thematik der Finanzen. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 152 Im Vergleich mit Carl Polnick und der ACM fällt Coerpers Kommunikationsprofil auf, welches aus dem Gedanken der Verpflichtung erwächst. Ist bei Coerper der Grund des Gebens das geheiligte Leben, so ist es bei den Barmern die Verantwortung, die aus dem Wissen um die Gemeinde entspringt. In concreto : Coerpers Theologie des Gebens ist sote- riologisch, die der Allianz-China-Mission ekklesiologisch verankert (vgl. Grafik 8). Grafi k 7: Chronologie der Li ebenzeller Mission 1863 3. März. Heinrich Coerper wird in Meisenheim geboren 1899 13. November. Beginn der Liebenzeller Mission in Hamburg-Uhlenhorst 1899 31. Dezember. Mit Heinrich Witt Entsendung des ersten Missionars nach China 1900 1. November. Erstes Jahresfest im Vereinshaus am Hamburger Holstenwall 1900 Publikation von Chinas Millionen 1901 Kündigung des Hauses in Hamburg-Uhlenhorst auf den 1. April 1902 1902 5. April. Heinrich Coerper trifft in Bad Liebenzell ein 1903 1. April. Adolf Witt wird Sekretär und Verwaltungsleiter (bis 31. Dezember 1950) 1903 Frau von Diest kauft den „Missionsberg“ und verpachtet ihn der LM 1906 16. Juli. Anerkennung als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (G.m.b.H.) 1906 Beginn der Missionsarbeit auf den Karolinen 1907 28. April. Einweihungsfeier des neuen Missionshauses 1909 Publikation von Missionsglöcklein 1910 Gründung der Süddeutschen Vereinigung für Evangelisation und Gemeinschaftspflege 1911 Erster allgemeiner Bibelkursus in der ersten Januarwoche 1911 Frau von Diest kauft für die LM das Wohlgemutsche Anwesen („Haus Salem“) 1913 1. Januar. Zusammenlegung von Missionsbote und Chinas Millionen 1914 Beginn der Missionsarbeit auf Manus, dem heutigen Papua-Neuguinea 1916 Frau von Diest kauft für die LM das Kirrmansche Anwesen („ Haus Bethanien“) 1918 Frau von Diest schenkt der LM den Missionsberg 1924 Frau von Diest schenkt der LM das Haus „ Pilgerhütte“ 1925 Erster Jugendtag mit etwa 2.000 Jugendlichen 1927 Beginn der Missionsarbeit in Japan 1933 Gründung des Liebenzeller Gemeinschaftsverbandes 1934 1. Januar. Ernst Buddeberg übernimmt die Werksleitung 1936 8. Juli. Heinrich Coerper stirbt 1937 6. Mai. Einweihung von Haus Elim als Missionsschau Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 153 Grafik 8: Quellen des Glaubens prinz ips im deutschen Kontext George Müller Verzicht auf Spendenwerbung Begründung: ekklesiologisch und Idee des Gottesbeweises Hudson Taylor teilweiser Verzicht auf Spendenwerbung Begründung: a) politisch b) psychologisch Fredrik Fra nson Praxis der Spendenwerbung Neukirch ener Mission Verzicht auf Spendenwerbung Begründung: Gottesbeweis Lieben zeller Mission Praxis der Spendenwerbung Begründung: soteriologisch (Geben als Heiligung) Allianz -China-Mission Praxis der Spendenwerbung Begründung: ekklesiologisch (Geben aus Verantwortung) Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 154 8 Statistische Tendenz en der Spendenentw icklung 8.1 Gesamtentw ick lung der Spenden Für die Spendeneingänge in Deutschland werden die Jahrb ü cher der Sä chsischen Missi- onskonferenz (1888ff.) und die Jahrbücher der vereinigten deutschen Missionskonferenzen (1913ff.) benutzt. Beide garantieren eine gewisse Vergleichbarkeit der Missionsspenden, da die Rechnungsjahre hier immer dem Kalenderjahr folgen. J ahr N euk irchener M issio n Allianz - China- M issio n Lieben zeller M issio n 1899 92.912 22.347 1 9 0 0 62.249 23.162 18.652 1 9 0 1 70.852 32.922 25.314 1 9 0 2 68.308 25.333 34.170 1 9 0 3 77.842 28.876 34.120 1 9 0 4 96.101 33.855 48.378 1 9 0 5 83.733 36.898 81.083 1 9 0 6 108.726 43.834 94.067 1 9 0 7 102.766 46.177 98.863 1 9 0 8 104.545 50.376 126.127 1 9 0 9 132.600 54.536 132.100 1 9 1 0 119.404 59.642 165.171 1 9 1 1 164.355 70.061 148.905 1 9 1 2 119.446 80.344 160.434 1 9 1 3 175.191 79.270 257.179 1 9 1 4 130.362 64.989 135.618 1 9 1 5 134.296 66.600 116.744 1 9 1 6 167.631 68.401 140.995 1 9 1 7 225.192 76.740 188.136 1 9 1 8 222.183 105.274 249.369 1 9 1 9 269.586 127.742 378.926 1 9 2 0 370.984 248.274 869.789 1 9 2 1 607.435 352.174 1523.615 1 9 2 2 21.793.567 1.666.475 85.001.721 1 9 2 3 nicht ausgewiesen 2.141.981.128.113 nicht ausgewiesen 1 9 2 4 53.772 48.708 219.194 1 9 2 5 64.395 57.978 290.245 1 9 2 6 77.662 63.669 294.854 1 9 2 7 97.432 66.093 295.447 1 9 2 8 116.839 72.051 307.165 1 9 2 9 122.662 91.966 347.934 1 9 3 0 107.840 84.118 318.512 1 9 3 1 93.450 87.090 263.858 1 9 3 2 82.892 75.848 200.107 1 9 3 3 77.816 62.679 210.826 1 9 3 4 81.342 61.625 217.916 1 9 3 5 101.725 64.045 236.618 1 9 3 6 119.116 63.662 237.508 1 9 3 7 89.793 63.852 218.936 1 9 3 8 99.499 64.679 247.862 Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 155 Nicht explizit aufgeführt werden in dieser Tabelle die Einnahmen im Ausland, die Ein- nahmen auf den Missionsfeldern und die sogenannten „Grants“, d.h. die Zuschüsse der Kolonialregierungen. Bei der Neukirchener Mission ist zu beachten, dass in den genannten Einnahmen die zweckbestimmten Spenden für das Waisenhaus nicht inbegriffen sind. Für das Jahr 1899 liegt kein Spendenergebnis der Liebenzeller Mission vor. Durch die Inflation existieren für 1923 keine vollständigen Angaben. Bis 1925 sind die Angaben in Mark, von 1926 bis 1938 in Reichsmark verzeichnet. Allgemein ist eine kontinuierliche Progression der Spenden in den Jahren 1899 bis 1913 zu verzeichnen. Alle drei Missionen erreichen in diesem Zeitraum eine erhebliche Steigerung der Einnahmen (NM 1900:62.249 Mark; N M 1913:175.191 Mark; ACM 1900:23.162 Mark; ACM 1913:79.270 Mark; LM 1900:18.652 Mark; LM 1913:257.179 Mark). Eine besondere Spendensteigerung findet für die Neukirchener Mission und die Liebenzeller Mission im Jahr 1913 statt, da sie hier ihren Anteil an der Kaiser- Jubiläumsspende erhalten (LM: 66.215 Mark; [CM, Juni 1914:181]; NM:42.536 Mark [MuH, August 1914:273]). In den Kriegsjahren 1914, 1915 und 1916 kommt es zu einem leichten Rückgang bzw. geringfügigem Wachstum. Ab 1917 macht sich immer stärker die Inflation bei den Missionen bemerkbar, die 1923 ihren Zenit erreicht. So betragen in diesem Jahr die deut- schen Spenden der Allianz-China-Mission die astronomische Höhe von 2.141.981.128.113 Mark, was den Gegenwert von nur 6.500 Goldmark ergibt (CM, August 1924:58). Es ist die Zeit, in der die Vermögenswerte im Deutschen Reich zusammenschmelzen „wie Schnee vor der Sonne“ (Richter 1935b:329). In dieser Phase kommen den Spenden aus dem Ausland eine besondere Bedeutung zu. Hier ist es vor allen Dingen die Allianz-China- Mission, die von den Schweizer Förderern profitiert (ACM 1919:49.248 Franken; 1920:87.888 Franken; 1921:67.273 Franken; 19 22:63.717 Franken; 1923:56.679 Franken). So entsprechen die 56.679 Franken im Jahr rund 46.000 Goldmark (CM, August 1924:58). Nach der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 und der Umstellung auf die Reichsmark am 30. August 1924 konsolidieren sich die finanziellen Verhältnisse in Deutschland, und eine leichte Spendensteigerung tritt in den folgenden Jahren bis 1929 ein (NM 1929:122.662 Reichsmark; ACM 1929:91.966 Reichsm ark; LM 1929:347.934 Reichsmark). Die Entwicklungen der Spendeneinnahmen von 1930 bis 1938 sind nicht eindeutig, verbleiben aber insgesamt gesehen auf demselben Niveau. Erschwerend kom- men in diesen Jahren die Sammelverbote und die Devisenregulierung der nationalsozialis- tischen Regierung hinzu (Richter 1935b:330). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 156 Bei einem Vergleich der drei Missionen untereinander fällt auf, dass die ACM mit ihren Einnahmen die kleinste Mission darstellt, gleichzeitig aber auch einen relativ stabilen Spendeneingang verzeichnet. Größeren Schwankungen sind dagegen die Neukirchener Mission und die Liebenzeller Mission ausgesetzt. Nach dem Ersten Weltkrieg erleidet die Neukirchener Mission eine schleichende Regression, während die Liebenzeller Mission eine kontinuierliche Progression verzeichnet. Summa summarum ist die Relation der Spenden zum wirtschaftlichen und politi- schen Kontext augenfällig. Auch bei den Glaubensmissionen sind die Spenden nicht nur auf Glauben und Zuversicht allein zurückzuführen, sondern sie sind eben auch ein Ergeb- nis des historischen und wirtschaftlichen Umfelds, in dem sie eingeworben werden. 8 . 2 Vergleich der Jahresabrechnungen von 1912 Reizvoll ist es, einen direkten Vergleich der Jahresabschlüsse aller drei Glaubensmissionen zu unternehmen. Fällt hier doch ein stärkeres Licht auf die individuellen Eigenheiten der Einnahmequellen. Als Ausgangspunkt wird das Jahr 1912 gewählt, also ein Jahr, wo die positive Entwicklung der Missionen immer noch ungebrochen ist. Die Einnahmen der Neukirchener Mission belaufen sich vom 1. Juni 1912 bis 31. Mai 1913 wie folgt: Saldo Vorjahr 17.244,84 Mark Einnahmen Buchhandlung 1.637,29 Mark Allgemeine Einnahmen 23.069,57 Mark Einnahmen Waisenhaus 12.652,00 Mark Einnahmen Mission 104.487,39 Mark davon freie Verwendung 71.066,87 Mark Summe der Einnahmen 159.091,09 Mark Im Gegensatz zur ACM und LM führt die Neukirchener Mission 1912 noch ihre herkömm- liche Jahresrechung durch, die jeweils in der Mitte des Jahres beginnt. In dieser vereinfach- ten Darstellung ergibt sich, dass die Einnahmen für das Waisenhaus (12.652,00 Mark) 7,9% der Gesam teinnahmen betragen. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, wie die Waisenarbeit im Laufe der Jahre gegenüber der Mission an Relevanz verliert. Die Einnah- men für die Mission (104.487,39 Mark) belaufen sich auf etwa 65,6%, das Volum en der nicht zweckgebundenen Spenden für die Mission (71.066,87 Mark) umfasst etwa 68%. Nicht ersichtlich ist, inwieweit die Pflegegelder der Waisenkinder und eventuelle Subsi- dien für die höhere Schule zu veranschlagen sind. Der relativ hohe Saldo aus dem Vorjahr Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 157 ist durch zweckgebundene Bestände zu erklären, die im zurückliegenden Rechnungsjahr noch nicht ihrer Bestimmung zugeführt werden konnten. Geprüft wird die Jahresabrech- nung von G. Paschen, G. Schulte, G. Jochums und J. Pistor (MuH, September 1913:325- 331). Bei den Einnahmen der Allianz-China-Mission vom 1. Januar 1912 bis 31. Dezem- ber 1912 lassen sich diese Zahlen festhalten: Saldo Vorjahr 1.370,39 Mark Allgemeine Einnahmen 59.079,11 Mark Zw eckgeb. Einnahmen 21.264,91 Mark Summe der Einnahmen 81.714,41 Mark Die Allianz-China-Mission erscheint mit ihrem Budget als kleinste der drei Missionen. Ihre Gesamteinnahmen (81.714,41 Mark) betragen nur 51,3% des Volum ens der NM und 50,9% der LM. Veranschlagt m an allein die Größe der Missionseinnahm en bei der NM, so bringt die ACM etwa 78,2% davon auf. Die pro zentuale Größe der freien Spenden ist m it 72,2% m essbar größer als die der N M (68%) un d der LM (43,6%). Geprüft wird der Kas- senbericht 1912 von Gustav Küster und Karl Schuffert (CB, Juni 1913:95). Ein Blick in die Einnahmen der Liebenzeller Mission vom 1. Januar 1912 bis 31. Dezember 1912 ergibt dieses Bild: Saldo Vorjahr 172,57 Mark Allgemeine Einnahmen 69.997,68 Mark Einnahmen Hei mat 9.100,00 Mark Einnahmen Aussendung 6.607,54 Mark Einnahmen China 48.279,07 Mark Einnahmen Hungersnot China 2.850,59 Mark Einnahmen Südsee 23.426,79 Mark Summe der Einnahmen 160.434,24 Mark Mit ihrem Einnahmenergebnis von 160.434,24 Mark allein für die Missionsarbeit ist die LM die stärkste der drei Missionen. Bei den zweckgebundenen Spenden erreichen die Ein- nahmen für China mehr als die doppelte Größe als die für die Südseearbeit. Bemerkens- wert ist, dass von den Eingängen für die Südsee 11.567,78 Mark direkt vom Deutschen Verband des Jugendbundes für Entschiedenes Christentum (EC) stammen, ein Anteil von 49,3%. Ähnlich wie die NM weist die LM bei ih ren Ausgaben auch „Gaben“ aus, „welche zu reservieren sind“. U nter anderem zählen dazu 4.600 Mark für „ein Missionszelt in der Heimat“. Sowohl die LM als auch die AC M benennen Einnahmen und Ausgaben als exakt Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 158 identisch. Geprüft wird der Jahresabrechnung 1912 von J. Blank und E. Kirrmann (CM, Mai 1913:118). 8 . 3 Kassenverw altung bei der Neuk irchener Mission 1885 Die Kassenverwaltung der Neukirchener Mission im Jahr 1885 sieht bei Finanzspenden drei Wege der Zuwendung vor: a) Gaben ohne Bestimmung. Sie werden je nach aktuellem Bedürfnis von der Anstaltslei- tung über die Allgemeine Verwendungskasse den einzelnen Kassen zugewiesen. b) Gaben mit direkter Bestimmung. Hier erfolgt eine unmittelbare Zuordnung. c) Gaben mit allgemeiner Bestimmung für die Mission respektive für das Waisenhaus. Mittels der beiden Verwendungskassen geschieht die Zuleitung je nach Situation zu den separaten Kassen. Der Missionsleiter Julius Stursberg betont im Beiblatt zum Missions- und Heidenboten im Juli 1885 den Wunsch einer Zweckbestimmung bezüglich der Spen- den (MuH, Juli 1885, Beiblatt 1-4). Grafik 9: Kassenverw altung bei der Neuk irchener Mission 1885 Ge meinsame Kasse Allgemeine Verwendung Gaben ohne Besti mmung Kasse für das Waisenhaus a) zur Verpflegung b) für den Bau des Waisenhauses Allgemeine Verwendungskasse (je nach Bedürfnis) Kasse fü r die höhere Schule Kasse für den Bau des Ver- sammlungshauses Kasse für das Missionshaus a) zur Verpflegung b) für den Bau des Missionshauses c) für die auszusen- denden und ausgesand- ten Missionsbrüder Kasse für die Evangelisten- brüder Gaben mit d irekter Bestimmung (je nach Zweck) Waisen-Verwendungskasse (je nach Bedürfnis) Missions-Verwendungsk asse (je nach Bedürfnis) Gaben mit allgemeiner Bestimung („ für die Waisen- oder Missionssache“) Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 159 Neben verwaltungstechnischen Gründen spielt hier sicher auch der Gedanke eine Rolle, dass die Spender somit eine projektorientierte Zuordnung verfügen können. Eine größere emotionale Nähe des Spenders zum Spendenobjekt wird somit ermöglicht. Im Resümee deutet die Neukirchener Kassenverwaltung etwas von der durchaus differenzierten Finanz- technik der Glaubensmissionen an. 8.4 Detailanalysen z ur Spendenverteilung Es sind nicht nur die Gesamtsummen der Missionen, die erwähnenswert sind. Von Interes- se ist auch die Verteilung der eingehenden Spenden. Gibt sie doch Auskunft über die Spender und ihre Neigungen. An dieser Stelle werden jeweils Jahreszahlen aus den Anfän- gen der Missionen gewählt. Verz eichnis der zw eckbestimmten Gabe n und Geschenke für die Neukirchener Mission vom 1. April bis 31. Mai 1885: Spenden lfd. Kosten Waisenhaus unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-2 5 Mark 26-5 0 Mark 51-1 0 0 Mark > 100 Mark Summe 1.505,66 Mark Anzahl 10 108 40 23 6 1 0 188 Verteilung 5,3 % 57,4 % 21,2 % 12,2 % 3,1 % 0,5 % 0 % 100 % Spenden Anbau Wai- senhaus unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-25 Mark 26-50 Mark 51-100 Mark > 100 Mark Summe 952 Mark Anzahl 0 8 5 8 2 2 2 27 Verteilung 0 % 29,6 % 18,5 % 29,6 % 7,4 % 7,4 % 7,4 % 100 % Spenden lfd. Kosten Missionshaus unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-25 Mark 26-50 Mark 51-100 Mark > 100 Mark Summe 1.387,33 Mark Anzahl 10 85 17 16 6 4 0 138 Verteilung 7,2 % 61,5 % 12,3 % 11,5 % 4,3 % 2,8 % 0 % 100 % Spenden Aussendung Missionare unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-25 Mark 26-50 Mark 51-100 Mark > 100 Mark Summe 1.030,99 Mark Anzahl 1 22 3 14 5 3 0 48 Verteilung 2,0 % 45,8 % 6,2 % 29,1 % 10,4 % 6,2 % 0 % 100 % Spenden für eine höhere Schule unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-25 Mark 26-50 Mark 51-100 Mark > 100 Mark Summe 22,50 Mark Anzahl 0 0 0 1 0 0 0 1 Verteilung 0 % 0 % 0 % 100 % 0 % 0 % 0 % 100 % Bei einer Interpretation der zweckbestimmten Spenden aus den Monaten April und Mai 1885 fällt der Umstand auf, dass fast alle Spenden runde Beträge darstellen. Eine mögliche Erklärung ist die Tatsache, dass man beim Einsenden von Spenden auf gebrochene Sum- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 160 men verzichtet. Bei einem Einzelvergleich sind die meisten Gelder für die laufenden Kos- ten des Waisenhauses bestimmt (1.505,66 Mark), gefolgt von den Spenden für die laufen- den Kosten des Missionshauses (1.387,33 Mark), den Spenden für die Aussendung der Missionare (1.030,99 Mark) und den Spenden für den Bau des Waisenhauses (952 Mark). Die Einnahmen für den Bau einer höheren Schule sind mit 22,50 Mark kaum nennenswert. Bei allen Projekten überwiegen die kleinen Spenden zwischen ein und fünf Mark. Prozentual werden am häufigsten größere Spenden für den Bau des Waisenhauses und die Aussendung der Missionare gegeben. Gegenüber den laufenden Kosten handelt es sich hier um zeitlich begrenzte Projekte. Zu den aufgeführten Beträgen kommen etliche Lebensmittel- und Sachspenden hinzu, die mit der Versorgung des Waisenhauses zu erklä- ren sind (MuH, Juli 1885, Beiblatt 1-4). Gabenverz eichnisse für die Allianz-China -Mis sion von Oktober 1898 bis Februar 1899: Gabenverzeichnis Oktober 1898 Spenden Mission unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-2 5 Mark 26-5 0 Mark 51-1 0 0 Mark > 100 Mark Summe 1.366,50 Mark Anz ahl 2 15 6 11 3 1 2 40 Verteilung 5 % 37,5 % 15 % 27,5 % 7,5 % 2,5 % 5 % 100 % Zusätzlich jeweils Einzelspenden für notleidende russische Christen: 5,00 Mark; für den Missionssaal: 1,50 Mark und für Armenien: 10,68 Mark. Gabenverzeichnis November 1898 Spenden Mission unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-2 5 Mark 26-5 0 Mark 51-1 0 0 Mark > 100 Mark Summe 1.228,07 Mark Anz ahl 6 17 11 23 5 3 0 65 Verteilung 9,2 % 26,1 % 16,9 % 35,3 % 7,6 % 4,6 % 0 % 100 % Zusätzlich Spenden für den Missionssaal: 1.007,26 Mark; für notleidende russische Christen: 8,00 Mark; für Armenien: 72,00 Mark; für Indien: 15,00 Mark; für Findelkinder: 15,50 Mark und für den Evangelistenbund: 6 Mark. Gabenverzeichnis Dezember 1898 Spenden Mission unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-2 5 Mark 26-5 0 Mark 51-1 0 0 Mark > 100 Mark Summe 2.525,47 Mark Anz ahl 1 24 11 19 8 1 4 68 Verteilung 1,4 % 35,2 % 16,1 % 27,9 % 11,7 % 1,4 % 5,8 % 100 % Zusätzlich Spenden für Armenien: 8,00 Mark. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 161 Gabenverzei chnis Januar 1899 Spenden Mission unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-2 5 Mark 26-5 0 Mark 51-1 0 0 Mark > 100 Mark Summe 2.355,84 Mark Anz ahl 0 26 23 9 6 3 3 70 Verteilung 0 % 37,1 % 32,8 % 12,8 % 8,5 % 4,2 % 4,2 % 100 % Zusätzlich Spenden für Armenien: 3,00 Mark; für den Missionssaal: 15,20 Mark und für den Evangelisten- bund: 15,20 Mark Gabenverzeichnis Februar 1899 Spenden Mission unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-2 5 Mark 26-5 0 Mark 51-1 0 0 Mark > 100 Mark Summe 1.355,85 Mark Anz ahl 2 27 11 12 1 3 3 59 Verteilung 3,3 % 45,7 % 18,6 % 20,3 % 1,6 % 5,0 % 5,0 % 100 % Zusätzlich Spenden für den Missionssaal: 30,70 Mark; für die China-Inland-Mission: 112,00 Mark; für Ar- menien: 15,85 Mark und für Ernst Fröhlich: 185,00 Mark. Die Allianz-China-Mission erhält etwa neun Jahre nach ihrer Gründung überwiegend klei- ne Spenden zwischen ein bis fünf respektive sechs bis zehn Mark. Darin ähnelt sie der Neukirchener Mission und der Liebenzeller Mission. Ein deutlicher Anstieg der Spenden ist zum Jahreswechsel ausgewiesen, was sich auch in anderen Jahren und bei den anderen Missionen grundsätzlich bestätigt. Im Gegensatz zur NM werden neben dem Missionshaus und den weiterzuleitenden Spenden (Armenien etc.) fast keine zweckbestimmten Spenden aufgeführt. Einzige Ausnahme für den beschriebenen Zeitraum ist eine separate Spende für Missionar Ernst Fröhlich im Februar 1899. Eine ähnlich differenzierte Kassenpraxis wie bei der NM existiert deshalb nicht. Bis auf einige Schmucksachen werden ebenso keine Sachspenden verzeichnet (CB, November 1898:32; CB, Dezem ber 1898:40; CB, Januar 1899:48; C B, Februar 1899:56; CB, März 1899:64). Gabenquittung der Liebenzeller Mission für November 1905 Spenden Mission unter 1 Mark 1-5 Mark 6-10 Mark 11-2 5 Mark 26-5 0 Mark 51-1 0 0 Mark > 100 Mark Summe Anz ahl 11 88 47 30 11 12 5 204 Verteilung 5,3 % 42,7 % 22,8 % 14,5 % 5,3 % 5,8 % 2,4 % 100 % Ähnlich wie bei der Allianz-China-Mission und der Neukirchener Mission sind die meisten Einzelspenden kleine Beträge zwischen eins und fünf Mark (42,7 %). Was die L M sechs Jahre nach ihrem Beginn in Hamburg und dreieinhalbe Jahre nach ihrem Neubeginn in Bad Liebenzell auszeichnet, ist die Menge ihrer Spender. Die Zahl der 204 Eingänge ist vergli- chen mit der der NM und der ACM einige Jahre nach ihrer Gründung beträchtlich größer. Neben den Geldspenden führt Coerper auch ein Konto B) für „Naturalien und andere Ga- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 162 ben“ und ein Konto C) für „W ertgegenstände“ auf. Nur zwei zweckbestimm te Spenden werden gekennzeichnet. Dieser Umstand ist wahrscheinlich darin begründet, dass die Un- terstützung von einzelnen Missionaren noch nicht weit fortgeschritten ist. 8 . 5 Regierungssubsidien der Neu k irchener Mission Unter dem Titel F ür Mis sionsstatistiker veröffentlicht der Missions- und Heidenbote für den Zeitraum vom 1. Juni 1929 bis 31. Mai 1930 den Gesamthaushalt der Neukirchener Mission „für Missionszw ecke“ (MuH, Juli 1930:174): A. Gesa mteinnahmen in Deutschland für Missions z we cke: 122. 6 6 2 , 5 8 R eichsmark B. Weitere Einnahm en für die Javam ission: 1. Einnahmen des Salatigakomitees in Holland 28.372,98 Gulden 2. Direkt in Java für die laufenden Bedürfnisse einge- nommen 11.316,00 Gulden 3. Beiträge der javanischen Christen 3.048,26 Gulden 4. Schulgelder der javanischen Schulen 3.942,92 Gulden Schulgelder der holländischen Schulen 23.827,00 Gulden 5. Regierungssubsidie a) für unsere javanischen Schulen 24.456,37 Gulden b) für unsere holländischen Schulen 0,00 Gulden c) für unsere Missionskrankenhäuser 124.793,51 Gulden 6. Sonstige Einnahmen der Krankenhäuser 73.958,36 Gulden Summe 293.716,00 Gulden = 4 9 4 . 9 1 1 , 4 6 Reichsm ark C. Afrikamis sion 1. Beiträge der Christen 1.105,50 Schilling 2. Schulgeld 17,00 Schilling Summe 1122,50 Schilling = 1 . 1 4 4 , 9 5 Reichsm ark Gesa mt: 618. 7 1 8 , 9 9 R eichsmark Das frappierende Ergebnis dieser Jahresstatistik ist die Tatsache, dass die internationalen Regierungsgelder und die Wirtschaftseinnahmen der Krankenhäuser mit 494.911,46 Reichsmark die deutschen Heimatspenden in Höhe von 122.662,58 Reichsmark um ein etwa Vierfaches übersteigen. Nicht die Gelder der vielen Kleinspender, sondern die staat- lich und wirtschaftlich erworbenen Einnahmen bilden den finanziellen Grundstock der Neukirchener Mission. Diese Zahlen stellen das gerade von der Neukirchener Mission ver- tretene Glaubensprinzip prinzipiell in Frage. Im Gesamthaushalt kristallisiert sich heraus, dass die Mission keineswegs ein nur auf Glauben ruhendes Werk ist, sondern durchaus ein Wirtschaftsunternehmen darstellt. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 163 8 . 6 Zusammenfassung Die Korrelation zwischen Missionseinnahmen und wirtschaftlichem Kontext sind bei den drei zu untersuchenden Glaubensmissionen offensichtlich. In den Jahren 1899 bis 1913 ist eine stetige Progression der Spenden zu verzeichnen. In den Kriegsjahren 1914, 1915 und 1916 erleben sie dagegen einen leichten Rückgang respektive ein nur geringfügiges Wachstum. Von 1917 bis 1923 schlägt bei den Einnahmen die immer stärker fortschreiten- de Geldentwertung zu Buche. In dieser Phase kommen den Spenden aus dem Ausland eine besondere Bedeutung zu. Eine Stabilisierung kann erst durch die Einführung der Renten- mark 1923 bzw. der Reichsmark 1924 erreicht werden. Im Vergleich wirbt die Allianz-China-Mission die wenigsten Spenden ein, verfügt aber über einen relativ stabilen Spendenzufluss. Größeren Schwankungen sind dagegen die Neukirchener Mission und die Liebenzeller Mission ausgesetzt. Nach dem Ersten Welt- krieg erleidet die Neukirchener Mission eine schleichende Regression, während die Lie- benzeller Mission eine kontinuierliche Progression verzeichnet. Alle drei Missionen erhal- ten einen Großteil ihrer Einnahm en aus Kleinspenden. Bemerkenswert sind die Regie- rungssubsidien, die die Neukirchener Mission empfängt. Sie übersteigen bei weitem die heimatlichen Spenden. Das Beispiel der Neukirchener Kassenverwaltung ist ein Hinweis auf die durchaus differenzierte und professionelle Finanzverwaltung der Glaubensmissio- nen. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 164 9 Interpretationsmodell für die Spendenakquise 9.1 Ausgangslage Im Anschluss an die Feststellung, dass die Glaubensmissionen nolens volens um Gelder werben, soll an dieser Stelle die Frage im Fokus stehen, welche Faktoren zur Spendenge- winnung tatsächlich beitragen. Welche Umstände, Verfahren und Einflüsse sind für die Erfolge respektive Misserfolge der Finanzgewinnung nachzuweisen? Ziel ist es also, ein Interpretationsmodell für die Spendengewinnung der Glaubensmissionen aufzuzeigen. Die so gestellte Aufgabe wird allerdings dadurch erschwert, dass in den Publikatio- nen der Glaubensmissionen keine grundsätzlichen Erörterungen zu dieser Frage existieren, wie dies etwa bei den Vertretern der alten deutschen Missionsgesellschaften der Fall ist. Es lassen sich also nur deskriptiv die entscheidenden Faktoren benennen. Dies geschieht des- halb unter Zuhilfenahme der Ergebnisse aus der aktuellen Forschung zum Fundraising.1 In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Fundraising-Diskussion ist die theoretische Grundlagenarbeit von Detlef Luthe hervorzuheben. In seinem 1997 publizierten Buch Fundraising 2 beschreibt Luthe die professionelle Spendengewinnung mit Hilfe neuer An- sätze aus der Marketing-Forschung. In Abkehr von der konventionellen Vierfeldersystema- tik (Product, Place, Price, Promotion) des herkömmlichen Marketings, greift er den mo- dernen Ansatz des Relationship Marketings für erfolgreiches Fundraising auf (Luthe 1997:274-283). Nicht die Produkt-, Distributions-, Finanzierungs- und Kommunikations- politik stehen alleine im Zentrum der Bemühungen, sondern die „Beziehungsarbeit“ ist der „rote Faden“, der sich durch a lle Aspekte des Marketings zieht (:283). Entsprechend gilt das Beziehungsmanagement nicht bloß als ei n Teil des Marketing, sondern das Marketing wird zu einem Instrument des Beziehungsmanagements (:288). In seiner Zusammenfassung (:313-321) definiert Luthe Fundraising konsequent als „beziehungsorientiertes Marketi ng“ (:316). Erfolgreiche Elem ente in diesem Beziehungs- kontext sind das „Engagement“ der Organisation und das „Vertrau en“ der Öffentlichkeit in sie (:316). Spendengewinnung ist daher nicht einfach eine hohe „Kunst des Bettelns“ (:318), sondern der „Aufbau“ , die „Aufrechterhaltung“ und „Verbesserung“ von Bezie- hungen zu „allen relevanten Partnern“ (:317) . In seinem 2001 erschienenen Essay Fundrai- sing als integrierte Kommunikation nennt Luthe Beziehungen „ei n Kapital, das zunächst 1 Einen guten Einblick in den säkularen Bereich vermitteln Fundraising Akademie (Hg.) 2001 und Luthe 1997. Für den kirchlichen Raum seien Eskridge et Noll (Hg.) 2000, Jeavons et Basinger 2000 und Lienemann (Hg.) 1989 genannt. 2 Dem Buch liegt die Dissertation Fundraising als beziehungsorientiertes Marketing – Entwicklungsaufgaben für Nonprofit-Organisationen (1996) an der Universität Bremen zugrunde (Luthe 1997:2). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 165 einmal aufgebaut werden muss, und Spenden sind die Zinsen, die sich aus dem Kapital ergeben“ (Luthe 2001:93). Die Gestaltung von Beziehungen wird eine „Querschnittsaufga- be“ aller Mitarbeiter (:93). Der von Luthe skizzierte Orientierungsrahmen hilft, die Prozesse der Spendenge- winnung bei den Glaubensmissionen besser nachzuvollziehen. Ihre Erfolge bzw. Fehl- schläge geschehen nicht im luftleeren Raum, sondern sind das Ergebnis einer differenzier- ten Beziehungsgestaltung mit ihren Spendern. Mit Blick auf die vorliegenden Quellen sol- len hier vier Schlüsselfaktoren des Beziehungsnetzes herauskristallisiert werden: erstens die Existenz und Vermittlung einer inspirierenden Leitidee, zweitens die Präsenz einer beziehungsorientierten Leitung, drittens das Vorhandensein einer strategischen Publizistik und viertens die systematische Entwicklung von Fördergruppen. Dabei kommt der Leitidee insofern eine kardinale Bedeutung zu, als dass sie der inhaltliche Kern der Missionen ist, die es gilt, in eine fruchtbare Beziehung mit der Öffentlichkeit zu stellen. Sie findet dem- entsprechend eine Gestalt auf der personalen Ebene (Leitung), in den Medien (Publizistik) und der strukturellen Form (Förderkreise). In einem weiteren Schritt werden neben diesen vier kohärenten Schlüsselfaktoren der Glaubensmissionen deren externe Umfelder untersucht. Zum letzteren zählen soziokul- turelle, ökonomische und politisch-juristische Kontexte. Liegen die internen Faktoren eher im jeweils eigenen Verantwortungsbereich der Glaubensmissionen, so befinden sich die externen Einflüsse mehr oder weniger außerh alb ihrer Gestaltungsmöglichkeiten. Sie bil- den damit den Resonanzboden der Bemühungen. Die Geltung dieser externen Faktoren ist in der gegenwärtigen Fundraising-Forschung unumstritten. So resümiert Marita Heibach in ihrem Essay Fundraising-Märkte im Vergleich (2001), „dass unterschiedliche soziokultu- relle und politische Gegebenheiten einen große n Einfluss auf den Umfang des Fundraising- Kuchens und dessen Verteilung auf unterschiedliche Zwecke haben“ (Heibach 2001c:128). So wirke sich beispielsweise die Tatsache, dass es in den USA keine Kirchensteuer gebe, nicht nur erheblich auf die Höhe der privaten Spenden aus, vielmehr spiegele sich darin auch wider, dass fast die Hälfte des Aufkommens religiösen Zwecken zugute komme (Heibach 2001c:128).3 Insgesamt ergeben die genannten Faktoren ein Interpretationsmodell, mit dem das Spendenaufkommen der Missionsgesellschaften gedeutet werden kann (vgl. Grafik 10). 3 So lag 1994 der durchschnittliche Spendenanteil am individuellen Einkommen in den USA bei 0,57 Pro- zent, in Deutschland bei 0,18 Prozent und in Frankreich bei 0,13 Prozent (Heibach 2001c:130). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 166 Grafik 10: Interpretationsmodell der Spendengew innung Politisch- juristisch er Kontext Soz iokultureller Kontext Aufbau von Förderkrei sen (strukturelle Ebene) Inspirie rende Leitidee (wird in Bezie- hung zur Öffent- lichkeit gesetzt) Strategische Publiz istik (mediale Ebene) Bez iehungs- orientierte Leitung (personale Ebene) Ökonomisch er Kontext Ö ffentlichk eit Öffentlichk eit Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 167 9 . 2 Eschatologischer Horizont als inspirierende Leitidee In der gegenwärtigen Fundraising-Literatur wird als notwendige Bedingung für die erfolg- reiche Spendengewinnung einer Einrichtung ein „überzeugender Organisationszweck“ (Haibach 1998:80; 2001a:314), eine „Mission“ (Urselmann 2001:488), d.h. eine „Leitidee“ (Scheibe-Jaeger 2001:331) vorausgesetzt. „Wer Fundraising betreiben will, muss in der Lage sein, anderen deutlich zu machen, wo der Bedarf liegt“ (Haibach 2001:316). Um im Wettstreit mit den Mitbewerbern bestehen zu können, muss dieses „b esondere Profil“ ein- deutig formuliert werden. Der Spender darf nicht im Unklaren gelassen werden, welchem Zweck sein Geld dient. Aus der Leitidee ergibt sich im Idealfall der „unique giving rea- son“, der „einzigartige Spendengrund“ für die jeweilige Organisation (Scheibe-Jaeger 2001:331). Was heute ältere Unternehmen im Rahmen ihrer Organisationspsychologie unter großen Mühen neu formulieren müssen, scheint bei den Glaubensmissionen in der Frühzeit ein starker Motor gewesen zu sein. Ohne Zweifel spielt dabei der eschatologische Horizont eine dominierende Rolle. Er wiederum gliedert sich in die beiden Hauptelemente der Paru- sie Christi und der Rettung vor dem Jüngsten Gericht.4 9 . 2 . 1 Die Parusie Christi Klaus Fiedler charakterisiert das Eschatologieverständnis der Glaubensmissionen weniger als „spekulativ“, sondern vielmehr als „app likativ“ (Fiedler 1987:132). Dabei bezieht er sich auf die Tendenz vieler Glaubenmissionare, die sich kurz vor der Parusie Christi wäh- nen. Anstatt aber nun in spekulative Zeitberechnungen zu verfallen, erwächst hier der star- ke Impuls möglichst alle Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Als prägnantes Beispiel für diese applikative Eschatologie der deutschen Glau- bensmissionen ist der Mitbegründer der Allianz-China-Mission, Fredrik Franson, zu nen- nen. Unter dem Eindruck von Taylors Aufruf zur Mission in China im Dezember 1889 schreibt er im Emdener Gemeinschaftsblatt: „Das Bewusstsein von der bevorstehenden Wiederkunft Christi ist es, was die Got- teskinder dazu treibt, solche ausserordentliche Pläne und Anstrengungen zu ma- 4 Außeracht bleibt an dieser Stelle das Neukirchener Leitbild mit der Betonung eines Gottesbeweises, da die Darstellung schon unter Kapitel 5 erfolgt ist. Im Separatdruck Die Waisen- und Missionsanstalt in Neukir- chen, Kreis Moers, ihr Entstehen, ihre Grundsätze und ihre Arbeitsfelder (1898) greift Stursberg Dolls Zent- ralgedanken auf, indem er das Wesen der NM als „Den kmal“ beschreibt: „Nach dem Wunsch des Stifters soll die Waisen- wie die Missionsanstalt neben dem, was ihre Name besagt, ein Denkmal der Barmherzigkeit, Allmacht und Treue eines Gebete erhörenden Gottes sein, der für die Bedürfnisse der Armen und Elenden zu sorgen weiß, wenn Menschen auch nicht darum gebeten werden. Alles Bitten um Gaben bei Menschen, wel- ches wir an sich für erlaubt halten, wird darum für unsere Anstalten von uns grundsätzlich vermieden“ (Stursberg 1898:7). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 168 chen. Mehr und mehr wird es geglaubt, dass wir leben, nicht nur in den letzten Ta- gen, sondern in den letzten Stunden der letzten Tage. Die prophetischen Zahlen und zwar nach den verschiedensten Auffassungen laufen in diesen letzten Jahren dieses Jahrhunderts aus, und die Pflicht, das Evangelium zuvor allen Nationen zu bringen, drängt sich den Kindern Gottes mit Macht auf“ (Allianz-China-Mission 1890- 1892:3).5 Schnell werden sich deshalb Franson und Polnick einig, dass sie einen für ihre Verhältnisse beachtlichen Teil der benötigten 1.000 Evangelisten für das Reich der Mitte zur Verfügung stellen wollen: „Nun ist die große Frage an uns hier in Barmen mit Macht herangetreten: wenn 1000 Evangelisten von der ganzen Christenheit ausgehen sollen, wie viele müssen dann von Deutschland ausgehen? Jedenfalls Hundert. Nun sind wir einige hier in Barmen und Umgegend, die einig geworden sind, Gott um wenigstens 50 in diesem Jahre zu bitten“ (in Allia nz-China-Mission 1890-1892:4). In seinem 1897 aus dem Schwedischen übersetzten Buch Die Himmelsuhr führt Franson die deutschen Leser in eine schon stark systematisierte Gedankenwelt der prämillenialen Eschatologie ein.6 Dreh- und Angelpunkt seiner Ausführungen ist die angenommene Ana- logie zwischen der Zeit Jesu nach der Kreuzigung und der Kirchengeschichte. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Jesus nicht drei Tage und drei Nächte, sondern nur von „3 Uhr Freitag nachmittags bis Sonntag morgens“ im Tod verharrte und nach 2. Petrus 3:8 „ein Tag für den Herrn ist wie 1000 Jahre für uns“ (Franson 1897:V.-VI.), folgert er: „Wenn ein Tag = 1000 Jahre ist, so ist eine Stunde (1/24 des Tages = 41 2/3 Jahre, und somit sind die sechs Stunden, welche Jesus auf Golgatha zubrachte – von 9 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags oder von der dritten bis zur neunten Stunde (Mark. 15, 25 u. 34) – genau 250 Jahre. Wie erstau nte ich als ich fand, daß dieses genau mit der Verfolgungszeit, welche die Gemeinde Gottes zu erleiden hatte, überein- stimmte. Im Jahre 63 wurde als erster Märtyrer der Apostel Jakobus mit dem Schwert getötet, und im Jahre 313, als der Kaiser Konstantin das Christentum an- nahm, hörte die Verfolgung auf; sie dauert e also 250 Jahre. Gerade wie damals Jo- seph von Arimatia Christus vom Kreuze nahm, nachdem Er ein ¼ Tag gehangen hatte, so hat Konstantin die Kirche vom Kreuz genommen, nachdem sie ein ¼ Jahr- tausend dort gewesen war“ (:VI.). 5 Im ähnlichen Duktus wird Geraldine Guinness im China-Boten im April 1894 zitiert: „Die Zeit ist schnell dahin, unser Leben fließt dahin. Thun wir alle was wir können, um an diesem Werke zu helfen? Keiner, der aufmerksam den großen Gegenstand der Missionen verfolgt, kann zweifeln, daß Gott wirksam ist, und daß die Evangelisation der Welt das große Werk unseres Jahrhunderts und des Schlusses dieses Zeitalters ist“ (CB, April 1894:71). 6 Allerdings werden diese differenzierten Gedanken Fransons zur Eschatologie nicht bindendes Gedankengut in der Allianz-China-Mission. So schreibt Polnick 1894: „Was die Evangelisation der Welt vor der Wieder- kunft des Herrn anbelangt, so sind wir der Überzeugung, daß aus allen Völkern, Sprachen und Nationen solche da sein werden, die zur Brautgemeinde gehören, und daß es unsere Aufgabe ist, das Evangelium nach Matth. 28,19 zu predigen und zu lehren. Das Evangelium des Reiches (Matth. 24,14) wird dagegen erst nach der Aufnahme der Braut im tausendjährigen Reich allen Nationen zu einem Zeugnis auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden, und dann wird das Ende kommen. Einige unserer Freunde aber arbeiten auch unter dem Eindruck, daß sie durch das Evangelium das Reich des Herrn herzustellen haben“ (CB, Juni 1894:86). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 169 In seinen weiteren Überlegungen drückt Franson die Überzeugung aus, dass mit dem Jahr 1897 die Wiederkunft Christi kurz bevorstehe. Die „himmlische Uhr“ zeige „5 Uhr am Ostermorgen“ (:VII.). Parallel zu versch iedenen Berechnungen mit Hilfe der Johannes- Apokalypse und des alttestamentlichen Buchs Daniel hebt er zwei bestätigende Zeichen für die baldige Parusie hervor: die Sammlung der Juden als eine Nation (:154-161)7 und die zunehmende Zahl der bekehrten Heiden aus allen Völkern (:187-188; 198-199). Dass eine „Beschleunigung der Ankunft de s Herrn“ seitens der Christen möglich ist, gilt für Franson als sicher. Biblische Belegstelle ist für ihn 2. Petrus 3:12, wo er das „wartet und eilet“ mit einem „beschleuniget“ üb ersetzt (:202). An dieser Stelle setzt nun wieder ein applikatives Moment des eschatologischen Horizonts ein. Franson nennt näm- lich als denkbare Gründe für die bisher ausbleibende Wiederkunft Christi zum einen das mangelnde Gebet um dieselbe und die fehlende Zahl von Christen: „Andere brachten die Sache vor den Herrn und fragten nach der Ursache. Die Ant- wort war: ‚Mich verlangt darnach, zu kommen, aber die Za hl ist nicht voll. Arbeitet darum und erntet die Garben sowohl in den Heimat- wie in den Heidenländern. Nö- tiget, die zu Hause, und ladet die da draußen ein“ (:199). 8 Die Empfindung die Parusie stehe kurz bevor wird somit ein lebendiger Leitgedanke zur Freisetzung der notwendigen Mittel für die Mission.9 9.2.2 Das Jüngste Gericht Als leitende Idee tritt ein zweiter Gedanke hinzu, der auch Bestandteil des eschatologi- schen Horizontes ist: die Rettung der Menschen vor dem Jüngsten Gericht. Diese Missi- onsmotivation zählt zu den geistigen Fundamenten der Glaubensmissionen. Im April 1893 hält Hudson Taylor seine Missions-Vorträge in Barmen und Umgebung. Was er hier sagt und später in einem Separatdruck der Deutschen China-Allianz-Mission veröffentlicht wird (Taylor 1893), lässt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Für Taylor steht fest: Ein Mensch ohne Christus geht auf ewig verloren. So stellt Hudson Taylor am 8. April 1893 in Wermelskirchen auf recht drastische Art und Weise seinen Zuhörern die Frage: 7 Als wichtiges Datum benennt Franson „eine Weltkonferenz“ von „zahlreichen angesehenen Juden“ im August 1897 zwecks „Kolonisation Palästinas“ (:155-156). 8 Sehr ähnlich formuliert Hudson Taylor es bei seinem Vortrag am 8. April 1893 in Wermelskirchen: „So lange das Evangelium nicht gepredigt wird zum Zeugnis in aller Welt, ist die Braut nicht bereit und die Tafel der Erwählten nicht besetzt und so lange die Zahl der Erwählten nicht voll ist, kann der Herr Jesus nicht kommen“ (Taylor 1893:57) 9 Franson schreibt im Zusammenhang der bald erwarteten Wiederkunft: „W er will gehen? Kannst du selbst nicht gehen, so suche jemanden zu finden, der an deiner Statt geht. Es heisst eigentlich nicht sende aus, son- dern gehe aus, aber wenn es dir selbst unmöglich ist zu gehen, Bruder oder Schwester, so kannst du vielleicht Reisegeld, M. 500.- zu einem oder zu zwei geben. Was du aber tun willst, das tue bald“ (Allianz-China- Mission 1890-1892:4). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 170 „Seitdem wir hier in der Versammlung sind, sind in China ungefähr tausend Seelen in die Ewigkeit gegangen, die nie den Namen Jesu gehört haben. Was wird aus ih- nen werden, die dahin sterben und nie etwas von dem Namen Jesu gehört haben?“ (Taylor 1893:57). Seine Antwort kleidet er in ein Beispiel aus der Schifffahrt: „Ich habe Christen getroffen, welche me inten, mit den sterbenden Heiden sei es ganz in Ordnung, denn sie hätten keine Verantwortlichkeit, weil sie niemals das Evangelium gehört hätten. – Wenn zwei Da mpfschiffe auf dem Ozean gegeneinan- der fahren und eins davon geht zu Grunde, wird dann alles in Ordnung sein, weil die Leute das Rettungsboot nicht gesehen haben?“ (:57). Die Rettung der Verlorenen findet als Missionszweck auch ihre Resonanz bei der Lieben- zeller Mission. In seinem Aufsatz Die Missionspflicht der Gemeinde Gottes (1904) greift Heinrich Coerper die gemeinsame „Auf gabe“ mit seinen Worten so auf: „Als ich einmal in einer Versammlung den Gedanken vom Verlorengehen der Hei- den aussprach, sagte jemand: ‚Ja, die He iden sind doch nicht verloren!’ Aber ich frage euch: In wessen Hand sind sie denn? Sind sie in Jesu Hand? Freund, was nicht in Jesu Hand ist, ist verloren. Was nach diesem Leben, nach unabsehbarer Ewigkeit geschehen mag, wer weiß das? Aber das ist eine Tatsache, dass, wenn solche Menschenmassen ungerettet durchs Leben und in die Ewigkeit hineingehen, dies für unseres Herrn Sache einen unendlichen Schaden bedeutet. Sie haben nichts an Ihm, Er hat nichts von ihnen, Sein Reich hat nichts von ihnen. Verlorenes Leben, verlorenes Dasein! An Verlorenen hat man nichts“ (Coerper 1904:8). 10 Auch bei der Neukirchener Mission, die ja in erster Linie ein Beweismodell für die Wirk- lichkeit Gottes schaffen will, kann diese Leitidee der „Rettung“ nachgewiesen werden. So sind für Ludwig Doll der „unsägliche Jammer und das herzergreifende Elend“ in Afrika, welche ihn zur Mission motivieren. Er bittet seine Leser „an den armen Negern Barmher- zigkeit zu üben, indem man für sie bete oder sein Scherflein spende“ (MuH, Juni 1879:2). Selbstverständlich stößt jene Leitidee der „Rettung“ im kirchlichen Raum nicht ü- berall auf positive Resonanz (Franz 1993:4), doch braucht es keine große Vorstellungs- kraft, dass sie bei etlichen Christen eine starke Dynamik auslöst, sei es in Form von per- sönlichen Berufungen zur Mission oder in Form der finanziellen Unterstützung derselben. Im Vergleich zu diesem inspirierenden Charakter wirkt die Werbung Theodor Christliebs (1833-1889) für die Weltmission, der u.a. auf die „commerzielle Bedeutung der Mission“ hinweist, ausgesprochen nüchtern (Christlieb 1880:30). 10 Coerper hebt an anderer Stelle auch den quasi heilzeitlichen Charakter der Mission in China hervor: „Chi- na ist augenblicklich weit geöffnet durch Gottes Gnade, und Gott verlangt, daß wir Seine Gnadenabsichten mit China verstehen und ausführen helfen“ (CM, Januar 1903:6). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 171 9 . 2 . 3 Plastizität der Leitidee Doch es ist nicht nur die leitende Idee an sich, sondern auch die Kommunikation und Plas- tizität ihrer Darstellung. Der Titel des Liebenzeller Missionsmagazins Chinas Millionen bringt schlagwortartig auf den Punkt, worum es geht: um die Rettung der „425 Millionen Mitmenschen“ (Coerper 1904:8-9). Ähnlich pl astisch wird das Anliegen der LM 1905 in einigen Ausgaben von Chinas Millionen vorgestellt. Auf den Titelseiten erscheinen unter der Überschrift „China für Jesum!“ die Landka rten der chinesischen Provinz Hunan und des Deutschen Reiches, womit die Größe der gestellten Aufgabe einen nachvollziehbaren bildlichen Ausdruck findet. Im Mai 1905 publiziert Chinas Millionen eine ganzseitige Pho- tographie eines kleinen chinesischen Jungen, der mit großen runden Augen den Betrachter anschaut. Der dazugehörige Text lautet: „Unser Bild zeigt uns einen kleinen Chin esen, der in der Schule in Wentschau er- zogen wurde. Sieben Knaben, darunter auch unser kleiner Freund, erkrankten an den Masern; alle genasen bis auf dieses Bübchen, das noch Lungenentzündung be- kam und von dem guten Hirten heimgeholt wurde. Möge sein Bild zu manchem Herzen reden! Jesus stellt uns dies Kind vor Augen als Vertreter eines großen Vol- kes und fragt uns: ‚Was habt ihr an Meinen Geringsten getan? Wer ist durch eure Mithilfe in dem finsteren Lande gerettet worden? Wie lange wollt ihr müßig ste- hen? O säumt nicht mehr, denn die Zeit e ilt schnell vorbei!!’“ (CM, Mai 1905:79). Über die schriftlichen Medien hinaus, findet die Visualisierung der Leitidee auch neue und kreative Wege. Von Carl Polnick wird berichtet, dass er bei Vorträgen die Dringlichkeit der Mission mit großen Farbtextilien unterstre icht. Seine Witwe erzählt im Rückblick: „So leicht vergaß man es nicht wieder, we nn er seine farbigen Bänder entrollte, die die Anhängerschaft der verschiedenen Religionen veranschaulichen sollten. Wie überwältigend dürftig erschien die kleine Rolle, die die Zahl der rechten Christen darstellte, gegenüber dem langen, schwarzen Band des Heidentums, das schier kein Ende nehmen wollte! Da erschauerte manche Seele bis in die Tiefe unter dem Be- fehl des Herrn Jesu ... Der Herr läßt sein Wort nicht leer zurückkommen nach sei- ner Verheißung. So durfte Br. Polnick viele Geschwister zur Mitarbeit anregen“ (Polnick 1920:28-29). Auf entsprechende Weise findet diese Gegenüberstellung der Religionen in den Publikati- onen der Glaubensmissionen ihren Eingang. Im Separatabdruck der Missions-Vorträge von Hudson Taylor im Jahr 1893 in Barmen wird eine einseitige farbige „Missions-Tafel“ bei- gefügt (Taylor 1893). Die Frage an den Leser lautet: „Ist es nicht eine traurig ernste Thatsach e, daß von je drei Personen auf dem ganzen Erden rund zwei niemals etwas gehört haben von dem Heiland Jesus Christus?“ Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 172 8 . 2 . 4 Soziale Not Flankierend zur Leitidee der „ewigen Rettung“ treten auch soziale Momente. So berichten 1892 die ersten Missionare der DCAM aus dem chinesischen Che-Kiang über die katastro- phalen Verhältnisse dort: „Die größte Sünde scheint mir die zu sein, daß die Leute hier viele kleine Mädchen umbringen. Keiner will mehr wie zwei Mädchen haben, weil es zu teuer ist, sie auf- zuziehen, da sie nachher nichts einbringen. Die Frauen bringen die Kleinen vor die Stadt, wo eine Grube ist; da hinein we rfen sie einfach die Kinder, und die Hunde verzehren sie ... Geht es uns nichts an, lieber Bruder, liebe Schwester? Sollen wir sprechen wie Kain: Soll ich meines Bruders Hüter sein? Unser Herr Jesus lehrt uns das Gegenteil! Liebe üben!“ (Deuts che China-Allianz-Mission 1892:68). Wer konnte sich beim Lesen dieser Berichte mit gutem Gewissen aus der Verantwortung lösen? „Money follows mission, not the reverse” is t ein Kernvers der kirchlichen Spen- dengewinnung (Callahan 1992:4). Unbewusst wenden die Glaubensmissionen dieses mo- derne Kernprinzip der Fundraising-Praxis an und setzen es für ihre Zeit angemessen um. Nicht bloß Spendenappelle aus aktuellem Anla ss sind tragendes Element ihrer Veröffentli- chungen und Veranstaltungen, sondern die Überzeugung eines göttlichen Auftrags. Die Glaubensmissionen verfügen über eine Leitidee, die weitere Menschen inspiriert, sich selbst oder sich durch ihr finanzielles Engagement zu investieren. Der eschatologische Ho- rizont ist die geistige Mitte, die die Gesellschaften unermüdlich versuchen, in Beziehung zu ihrem Umfeld zu bringen. 9 . 3 Beziehungsorientierte Leitung Bevor eine Organisation finanzielle Mittel erhält, muss sie zuvorderst Vertrauen erwerben (Luthe 1997:290-311). „Eine unverzichtbare Basis für erfolgreiches Fundraising“, schreibt Detlef Luthe in seinem Essay Fundraising als integrierte Kommunikation , ist deshalb „die institutionelle und persönliche Bereitschaft der Akteure, sich auf einen langfristigen Pro- zess der Beziehungsgestaltung zu unterschiedlichen Zielgruppen und Personen einzulas- sen“ (Luthe 2001:92). Der englische Begri ff des „Friendraising“ als Definition des Fundraisings (:92) signalisiert, wie außerordentlich hilfre ich es ist, wenn die Beziehungs- gestaltung auch eine Personifikation findet. Marita Heibach formuliert in ihrem Text Personenbezogene Qualifikationen solche Ei- genschaften von Mitarbeitern, die die Spendengewinnung erheblich optimieren können (Heibach 2001b:105-112). Dazu gehören: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 173 - Persönlichkeitskompetenz; - Soziale und kommunikative Kompetenz; - Fachkompetenz; - Organisations- und Führungskompetenz. Solche Mitarbeiter nehmen dann ihrerseits „rollenbezogene Funktio nen“ ein. Zu ihnen zählt Heibach unter anderem (:106): - „Brückenschläger“ zwischen der Organisation und den Förderern; - „Treuhänder“ der Förderer; - „Fürsprecher“ für eine gute Sache; - „Katalysator“, der Mensch en und Ideen zusammenführt. Unabdingbare Voraussetzung für eine solche Funktion sind „Identifik ation mit den Inhal- ten und der Organisation“ gepaart, mit einem hohen Maß an „Ehrlichkeit und Glaubwür- digkeit“ (:107). Heibach schreibt: „Halbwah rheiten, Übertreibungen oder falsche Darstel- lungen zahlen sich auf Dauer nicht aus. Nur wer Vertrauen in die Arbeit einer Organisation hat, wird zum Dauerspender“ (:107-108). Moira McKay charakterisiert in ihrer Arbeit über die China-Inland-Mission Hudson Taylor als einen Menschen, der viele der beschriebenen Merkmale auf glänzende Weise offen- sichtlich verkörpert. Mit seiner Persönlichkeit und seinem Sinn für Öffentlichkeitsarbeit, erwirbt Taylor für die CIM in Gemeinden und Kirchen das notwendige Vertrauen und An- sehen: „CIM was successful financially, perhaps b ecause they prayed most, but also be- cause Hudson Taylor ‚had a na tural gift for public relations’ … It would indeed be wrong to deny that his personal charisma was a major factor in moving people to support CIM“ (McKay 1981:175). Selbst Gustav Warneck, der mit beißender Kritik an den Glaubensmissionen an keiner Stelle spart, konzediert dem Pionier der China-Mission Respekt: „Der Stifter der China Inland M. ist der Arzt Hudson Taylor, ein Mann voll heili- gen Geistes und Glaubens, völliger Hingabe an Gott und seinen Beruf, großer Selbstverleugnung, herzlicher Barmherzigkeit, seltener Gebetskraft, bewunderns- würdiger Organisationsgabe, energischer Initiative, rastloser Ausdauer, erstaunli- cher Menschenbeeinflussung und vor allem von kindlicher Demut“ (Warneck 1901:107). Was für die CIM und ihren Gründer gilt, kann für die untersuchten Glaubensmissionen und ihre leitenden Mitarbeiter im kleinen Maßstab ebenso formuliert werden. Ihnen allen Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 174 kommt in der Gründungszeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der Finanzge- winnung zu. Stellvertretend für die vielen sei Heinrich Mandel (1838-1919), Waisenhausinspek- tor der Neukirchener Mission von 1884 bis 1911, genannt.11 Neben seiner beruflichen Tä- tigkeit ist er sein Leben lang als Evangelist in Deutschland tätig und kommt so mit unge- zählten kirchlichen und freikirchlichen Gruppen in Berührung. Er hält für die Neukirchener Mission die Kontakte zur Blankenburger Allianz-Konferenz und zur Tersteegen-Konferenz in Mülheim. 1895 gibt er mit seinem Freund Carl Polnick die Friedenslieder mit neueren Evangelisations- und Heiligungsliedern heraus. Das Buch wird bis 1927 in fünfter Auflage gedruckt und in 50.000 Exemplaren verbreitet (Brandl 1998:310). Wenn „Beziehungen“ tatsächlich „das gute Kapital“ (Luthe 2001: 91) einer spendensammelnden Organisation sind, dann ist Mandel ein bestechendes Beispiel dafür, wie sie auf hohem Niveau kultiviert werden können. Walter Nitsch unterstreicht das Gesagte in seinem Nekrolog über Heinrich Mandel: „Mit Inspektor Mandel ist eine besondere charakteristische Persönlichkeit aus dem Kreise der Anstaltsmitarbeiter dahingeschieden. Er hatte dem Werk viele Freunde und einen guten Namen in weiten Kreisen erworben. Vor allem auch durch ihn war es gekommen, daß Neukirchen im Leben vieler Menschen etwas bedeutete“ (in Brandl 1998:310). Dass der Faktor der beziehungsorientierten Leitung allerdings auch seltsame Früchte tra- gen kann, muss ebenso eingeräumt werden. Von keinem Geringeren als Carl Polnick be- richtet Karl Bussemer 1925 im Rückblick, dass bei diesem die genannte Qualität immer ein Wachstumsfeld geblieben sei. So mokiert sich Bussemer über die „enthusiastische Art“ und „stürmische Methode seiner Evangelisation “, die – so interpretiert Bussemer – ein Erbe Fransons sei: „Etwas aber von der Fransonschen Art ist auf Carl Polnick übergegangen und zeit- lebens von ihm betätigt worden. Sicher war es Polnicks starke Seite, daß er allent- halben, vor Hoch und Niedrig, im Hause, auf der Straße, im Eisenbahnwagen, wo es nur Gelegenheit gab, den Herrn Jesum verkündigte und die Leute zur Bekehrung antrieb, aber er hat doch auch oft damit unweise gehandelt, Türen ohne Not einge- rannt, peinliche Szenen verursacht, wovon der Verfasser selber Zeuge war“ (Bus- semer 1925:69). 11 Zu seinem Leben vgl. Mandel 1919. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 175 9 . 4 Strategische Publizistik 9.4.1 Missionszeitschriften Keine der dargestellten Glaubensmissionen ist ohne ihre Missionszeitschriften denkbar. Neben den Verlagserzeugnissen und den altersspezifischen Missionsmagazinen sind es vor allen Dingen der Missions- und Heidenbote , der China-Bote und Chinas Millionen, mit denen bestehende Förderer erreicht und neue hinzugewonnen werden. Im Zweifelsfalle werden sie von den Missionen eher kostenlos an die Leser abgegeben, als dass auf sie ver- zichtet wird (CB, Januar/Februar 1922:3). Di e Zeitschriften sind ohne Übertreibung die Phalanx in der Werbearbeit der Missionen, und sie entsprechen damit den Mitglieder- und Fördererzeitschriften der spendensammelnden Organisationen der Gegenwart. Die heraus- ragende Bedeutung der Missionsmagazine wird besonders 1940 deutlich, als die Reichs- pressekammer die Periodika verbieten lässt.12 So unterrichtet Ernst Buddeberg am 8. Ok- tober 1940 den Vorsitzenden des Deutschen Evangelischen Missions-Rates über ein ent- sprechendes Schreiben vom Reichsverband der Evangelischen Presse, worin der Lieben- zeller Mission mitgeteilt wird: „Die Reichspressekammer ersucht uns unt er dem 2. Okt. 1940 Sie zur Einstellung Ihrer Zeitschrift ‚Chinas Mi llionen’ aus Papierersparnisgründen aufzufordern mit dem Bemerken, dass die Einstellung spätestens bis zum 30. November 1940 erfolgt sein muss. Sie wollen uns bitte die Einstellung bestätigen. Heil Hitler! Reichsver- band der Ev. Presse“ (EMW 92). Folgerichtig interpretiert Buddeberg diese Entscheidung als lebensgefährliche Entwicklung für die Missionsgesellschaft: „Das bedeutet für uns nicht bloss eine schmerzliche Einengung unserer Arbeit, son- dern geradezu eine Erdrosselung, denn damit sind wir von unserem grossen Freun- deskreis abgeschnitten und können unsere Liebenzeller Mission nicht mehr auf die Herzen unserer Missionsfreunde legen“ (EMW 92). Von strategischer Bedeutung ist vor allen Dingen die Kontinuität der Informationen, die durch die Missionszeitschriften gewährleistet wird. Mit ihrem monatlichen Erscheinungs- turnus erreichen die Gesellschaften so regelmäßig ihre Unterstützerkreise. Ohne Um- 12 1941 wird auch der Buchverkauf drastisch eingeschränkt. Der Neukirchener Heidenbote berichtet: „Im Zuge der Neuordnung des deutschen Buchhandels ist festgestellt worden, daß Bücher und Schriften, ob sie auch noch gering an Umfang und Wert sind, außerhalb von gewerblichen Räumen nicht mehr ausgestellt, feilgeboten oder vertrieben werden dürfen, wenn man nicht von amtlicher Seite dazu Erlaubnis bekommen hat. Somit dürfen z.B. bei Missionsversammlungen keine Missionsschriften mehr zum Verkauf angeboten werden“ (MuH, Januar 1941:10). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 176 schweife spricht daher die Liebenzeller Mission auch schon 1932 vom „Werbedienst“ der Zeitschriften (CM, Juni 1932:100).13 Und es ist gerade die LM, bei der die Auflagenentwicklung der Zeitschriften14 im- posante Steigerungsraten aufweist. Das gilt sowohl für Chinas Millionen als auch das Mis- sions-Glöcklein , das im Dezember 1908 erstmals als Missionsmagazin für Kinder avisiert wird (CM, Dezember 1908:208). Chinas Millionen Missionsglöcklein Jahr Auflage Jahr Auflage 1900 2.300 1 9 0 9 5.400 1 9 0 6 9.000 1 9 1 0 8.200 1 9 0 7 9.500 1 9 1 1 10.500 1 9 0 9 10.800 1 9 1 2 11.670 1 9 1 0 11.600 1 9 1 3 13.400 1 9 1 1 11.000 1 9 1 4 13.300 1 9 1 2 11.400 1 9 1 7 14.500 1 9 1 3 15.000 1 9 2 0 26.700 1 9 1 4 15.200 1 9 1 8 17.100 1 9 1 8 12.750 1 9 1 9 25.000 1 9 2 0 13.500 1 9 2 1 27.500 1 9 2 1 15.000 1 9 2 2 36.500 1 9 2 2 16.000 1 9 2 4 51.000 1 9 2 4 16.900 1 9 2 5 51.400 1 9 2 5 19.300 1 9 2 6 47.600 1 9 2 6 20.500 1 9 2 7 44.000 1 9 2 7 21.200 Diese Auflagenentwicklung kann weder die ACM15 noch die NM bei ihren Missionszeit- schriften zu irgendeinem Zeitpunkt aufweisen. So erreicht der Missions- und Heidenbote seit 1909 keine Absatzsteigerung mehr: Missions- und Heidenbote Jahr Auflage 1879 500 1 8 8 0 1.300 1 8 8 3 3.200 1 9 0 9 7.000 1 9 3 0 6.600 1 9 3 4 5.600 13 „Unsere Missionsblätter ‚Chinas Millionen‘ und ‚Missi ons-Glöcklein‘ haben weiterhin ihren Werbedienst verrichtet“ (CM, Juni 1932:100). 14 Die Auflagenmengen hier und an den folgenden Stellen sind den diversen Jahresberichten der Missionen entnommen. 15 So beträgt im Jahr 1923 die Auflage des China-Boten 8.750 Exemplare. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 177 Allerdings ist zu bemerken, dass es Julius Stursberg ist, der 1898 mit seinem Jugendmissi- onsblatt neue Maßstäbe in der zi elgerichteten Kommunikation für junge Menschen setzt. Zeitweise kann es eine Auflage von 35.000 Exemplaren erreichen, weshalb Elisabeth Doll dieses Format als „bahnbrechend“ bezeichnet (Doll 1921:119-120). 1899 lässt Stursberg Die Ährenleserin folgen, ein „allgemeines Pfennigm issionsblatt für Erwachsene“. In Inhalt und Format lehnen sich vor allen Dingen der China-Bote und Chinas Mil- lionen an die englische Ausgabe von China’s Millions der CIM an. Diese erweckt, vergli- chen mit zeitgenössischen Missionsmagazinen, einen ausgesprochen modernen Charakter. So schreibt Moira McKay über das Magazin der China-Inland-Mission: „China’s Millions was quite outstanding among the missionary magazines of the time. The format of decorated headings, pictures, easily assimilated tables and graphs, extracts from letters and stories full of human interest, presents a strangely modern appearance” (McKay 1981:177). Ähnliche Grundsätze der Gestaltung lassen sich für den China-Boten, Chinas Millionen und für den Missions- und Heidenboten formulieren. Sie entsprechen somit dem differen- zierten Kommunikationsprofil der Mitglieder- und Fördererzeitschriften der heutigen Zeit (Fraunberg 2001:635-640): - Es existiert ein klares und wiedererkennbares Erscheinungsbild durch das kontinuierli- che Layout der ersten Seite; - Eine Dramaturgie des Inhalts wird sichtbar: Längere Artikel wechseln sich ab mit kür- zeren Informationen; Bilder und Grafiken unter brechen Textabschnitte; es gibt eine in- teressante letzte Seite mit Terminen oder Gabenverzeichnissen, denn viele Leser blät- tern von hinten nach vorne die Zeitschrift auf; - Es geschieht eine Führung des Lesers durch feste Rubriken; - Variantenreiche Darstellungsformen herrschen vor: Briefe, Berichte, Artikel aus ande- ren Missionszeitschriften, biblische Impulse, Zitate, Gebetsanliegen, Anzeigen; - Die Texte zeichnen sich durch eine allgemein verständliche Sprache aus. Zwei Elemente sind bei der Skizze der drei genannten Zeitschriften besonders hervorzuhe- ben, da sie einen breiten Raum einnehmen: die emotionale Tonart und die Vermittlung des Spenderdankes. 9 . 4 . 2 Emotionalität Detlef Luthe weist darauf hin, wie wichtig in der Kommunikationsarbeit des Fundraisings „Geschichten“ sind, die zusätzlich zu den sach lichen Informationen den Lesern eine „emo- tionale Verbindung“ anbieten (Luthe 2001:89). Lu the schreibt: „Vertrauen entwickelt sich Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 178 aus einer Mischung von Informationen und Gefühlen. Die konkret nachprüfbaren Leistun- gen der Organisation sind die rationale Basis. Für eine vertrauensvolle Beziehung ist je- doch darüber hinaus immer ein zusätzliches Maß an Affektivität erforderlich“ (:93). Dabei verweist er auf die Spendenbriefe des Schweizer Reformpädagogen Johann Heinrich Pesta- lozzi (1746-1827). Ihm gelingt es, neben den sachlichen Informationen mit „Geschichten“ aus dem „Alltag“ der Kinder, di e er betreut, eine „emotionale Verbindung“ zu den Förde- rern zu knüpfen (:89). Solche emotionalen Brückengeschichten finden sich im China-Boten, in Chinas Millionen und im Missions- und Heidenboten immer wieder, ohne dabei der Gefahr der Rührseligkeit zu erliegen. Pars pro toto sei der Bericht über den Tod des kleinen Hänschen Bender, des Sohnes eines der ersten Missionare der ACM in China erwähnt (CB, Novem- ber 1895:28-29). Ein Missionar erzählt 1895 rückblickend: „Vor etwa einem Monat traf Br. Bender hier ein. Frau Bender und ihr kleiner Kna- be waren sehr krank und wir haben ihretwegen viel gebetet, da wir fürchteten, daß beide bald heimgehen würden ... Ich bin tief betrübt, zu hören, daß Benders Söhn- chen auf dem Schiffe gestorben ist, ehe sie Tschifu erreichten. Wir fühlen mit unse- rer Schwester in dieser schmerzlichen Prüfung, aber wir glauben, daß der gute Hir- te, welcher das kleine Lamm in seine Arme genommen hat, ihr beraubtes Herz trös- ten, und auch unseren lieben Bruder aufrecht erhalten wird, wenn er die traurige Nachricht hören wird“ ( CB, November 1895:28). Ein weiteres Beispiel ist der Brief an Sonntagschulen , in dem im selben Jahr eine Missio- narin über das Los der ausgesetzten Kleinkinder in China berichtet: „Wenn eine Mutter ein kleines Mädchen nicht haben will, dann wickelt sie es in ei- ne Strohdecke und trägt’s an die Stadtmau er, dort befindet sich eine Grube und da- hinein wirft sie ihr kleines Kind. Das Kindchen stirbt dort sehr bald und dann kommen die Habichte und Krähen und fressen es auf. Ich habe in Hangtschung oft die von den Raubtieren übriggelassenen Schädel als die einzigen Ueberreste solcher armen Kindlein an der Stadtmauer liegen gesehen ... Ist das nicht schrecklich trau- rig? Aber es ist nur zu wahr, und das alle s geschieht, weil sie nichts von dem lieben Gott wissen“ (CB, Dezember 1895:45). Diese starke Emotionalität findet sich im China-Boten ebenso bei Geschichten über den Mord an Missionaren (CB, November 1895:28), Opiumrauchern (CB, Mai 1896:74-75), Krankenheilungen (CB, Dezember 1911:185) und den Revolutionswirren in China (:182- 185). Ein beliebtes Thema in diesem Zusammenhang ist auch das traditionelle Einbinden der Füße bei jungen Mädchen. Im Oktober 1927 zeigt der China-Bote eine Fotographie von verkrüppelten Füßen, wie sie bei Frauen im alten China gang und gäbe sind (CB, Ok- tober 1927:175). Erklärend heißt es: „In der ersten Zeit verursacht das Binden der Füße heftige Schmerzen, nach und nach verschwinden sie aber. Manchen Frauen sind durch diese Unsitte schon ein- zelne Zehen abgefault“ (CB, Oktober 1927:175). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 179 9 . 4 . 3 Spenderdank Weiteres wichtiges Element der Missionszeitschriften ist die Gestaltung ihres Spenderdan- kes. Neben dem usus, persönliche Gabenquittungen an die Spender zu versenden, erwäh- nen die Missionen am Ende ihrer Magazine jede eingehende Spende mit einer fortlaufen- den Nummer. Diese sogenannten „Gabenverzeichnisse“ haben in erster Linie ein zweifa- ches Ziel: Sie dokumentieren sowohl den sorgfältigen Umgang mit den Geldern als auch die Dankbarkeit gegenüber den Spendern. Im Gegensatz zu späteren Ausgaben werden in der Frühzeit auch die Initialen der Geber verzeichnet (MuH, Juli 1879:22-25). Es fällt bei den Gabenlisten immer wieder auf, dass sogar Klein- und Kleinstspenden und selbst Sach- und Naturalspenden genannt werden. Mittels der Nennung des Spendeneingangs als auch der präzisen Spendengröße kann jeder Ge bende seine Gabe wiedererkennen. Auch wenn der Dank der Missionen ohne Zweifel ein authentischer Ausdruck der Freude ist, so gilt für ihn, was Lothar Schulz über den Spenderdank einer spendensam- melnden Organisation heute feststellt: Jeder Spenderdank bewirkt eine langfristige Spen- derbindung und ermutigt zum weiteren Geben (Schulz 2001:441-447). Nach der „Com- mitment Trust Theory“ von Robert Morgan und Shelby Hunt entstehen beim Wechsel oder Abbruch einer Beziehung materielle oder immaterielle Kosten. Je höher diese Kosten sind, desto mehr werden die Partner an der Aufrechterhaltung der Beziehung interessiert sein. Der Spenderdank, so Lothar Schulz, erhöhe die „Beziehungs-Abbruchkosten“ und verstär- ke somit die „Spenderbindung“. Gerade bei „v agabundierenden“ Spendern wirke sich die bewusste Bindung durch gezielten Spenderdank positiv aus (:445). Weiterhin reduziere der Spenderdank den sogenannten „Appetenz-Appetenz-Konflikt“. In de r Nachentscheidungs- phase einer Spende komme es häufig zu einem „Bedauernseffekt“ oder gar zu einer „Att- raktivitätssteigerung der nicht gewählten Alternative“ (:445 ). Ein schneller Spenderdank könne das entstehende Konfliktpotenzial abbauen (:445). 9 . 5 Systematischer Aufb au von Förderkreisen In der gegenwärtigen Fundraising-Literatur werden Förderkreise als „wertvolles Hilfsmit- tel“ bei der Spendenwerbung betont (Geude r 2001:259-267). Da hier Gleichgesinnte zu- sammenkommen, kann sich ehrenamtliches Engagement und finanzielle Unterstützung potenzieren. Die Beziehungsgestaltung erhält hier einen körperschaftlichen Ausdruck. Un- abdingbare Voraussetzung ist jedoch, dass solche Fördergruppen von der jeweiligen Ein- richtung gewollt und ihrerseits unterstützt werden. Die betreffende Organisation wirkt dann im Idealfall als „Dirigent im Orchester der Fördervereine“ (:259). Sie strebt danach, Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 180 dass sich die jeweiligen Angehörigen der Fördergruppen als Teil der „Gesamtfamilie“ ver- stehen (:259). Unter juristischem Gesichtspunkt wird heute zwischen „Förderkreisen“ und „För- dervereinen“ unterschieden. Erstere sind im rechtlichen Sinne ohne Rechtsstatus und kön- nen zum Beispiel keine Gemeinnützigkeit beantragen und somit auch keine Spendenbe- scheinigungen ausstellen. Spenden an diese Gruppen fließen di rekt in den Haushalt der spendensammelnden Mutterorganisation, jedoch immer mit Maßgabe der verfügten Zweckbindung (:260). „Fördervereine“ verfügen da gegen über den Charakter einer juristi- schen Person, wenn sie nach den Kriterien des aktuellen Vereinsrechts gegründet und in das Vereinsregister eingetragen werden (:260). Dass es sinnvoll ist, Spender nicht nur als Einzelpersonen zu betreuen, sondern vor- zugsweise auch homogene Gruppen und Gemeinschaften zusammenzuführen, dafür bietet die Geschichte der evangelischen Missionen in Deutschland zahlreiche Beispiele. So nennt Fabri 1869 für die Rheinische Mission als primäre Fördergruppen „Hülfs-Vereine“ und einen „Collecten-Verein“ (Fab ri 1869:215). Ebenso erwähnt er freie „Frauen- und Jung- frauen-Missions-Vereine“, „welche unser La ger immer auf’s Neue mit ihren Gaben verse- hen, und wohl auch durch Bazars und dergleichen manche beträchtliche Liebesgabe der Mission zuwenden“ (:220). 1909 publiziert Siegfried Knak in seiner Zeitschrift Mission und Pfarramt den Auf- satz Wie ich mir die Gestaltung der Hilfsvereins-Arbeit denke (Knak 1909). „Große Missi- onsvorträge“ mit abstrakten Themen wie die „Mission in China“ ode r die „Indische Missi- onsgeschichte“ empfindet er als ungenüge nd im Bereich der Missionsförderung (Knak 1909:65). Sein Credo ist vielmehr: „Wir wolle n nicht Missionskenner erziehen, sondern Missionsliebe wecken“ (:64-65). Und vorzugsweise kann dies durch die Gründung von Missionsvereinen geschehen. Hier lerne der Teilnehmer „eine bestimmte Missionsarbeit“ kennen, könne nach der „Stationsgründung“ di e „Gemeindegestaltung allmählich beobach- ten“ und erlebe etwas „Persönliches“ (:65). Wichtiges Instrument ist für Knak der regel- mäßige Mitgliedsbeitrag der Vereinsmitglieder: „Mitglieder mit festen Beiträgen – die Mitgliedsbeiträge mögen so klein sein, wie man will, aber feste Jahresbeiträge und Ausgabe von Mitgliedskarten – ist m.E. das erste Erfordernis für wirksame Arbeit (:64). Bei den zu untersuchenden Glaubensmissionen finden sich unterschiedliche Formen von Unterstützergruppen wieder. Hervorzuheben sind: die Gebetsgruppen, die lokalen und ü- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 181 berregionalen Missionsgruppen und die Förderkreise in Gestalt ganzer Gemeinschaften respektive Gemeinden. Ein Beispiel für die in aller Regel recht lose miteinander verbundenen Gebetsgrup- pen ist bei der Liebenzeller Mission der „Gebetsbund für China“ (CM, Dezember 1905:197). Als ein „Gebetsbund von solchen Seel en, welche sich mit unserem Werk in Gebetsgemeinschaft“ befinden, zählt er 1927 1.065 Mitglieder (CM, Juni 1927:125). Paral- lel wird auch für Kinder der „Missionsbund brennender Lichtlein“ gegründet für solche, „deren Herzen für den Heiland brennend gewo rden sind und die nun für Seine heilige Mis- sionssache beten“. 1925 haben sich etwa 500 Kinder angemeldet (CM, Juni 1925:109), 1926 sind es schon 1.160 Kinder (CM, Juni 1926:110) und 1927 1.420 Kinder (CM, Juni 1927:125). Auch wenn hier in erster Linie das gemeinsame Gebet für die Mission im Mit- telpunkt steht, sind weitere Förderungen der Mission anzunehmen. Denn wer kontinuier- lich für die Mission und ihre Anliegen betet, wird im Zweifelsfall sie auch ideell und fi- nanziell fördern. Zu den lokalen Förderkreisen zählen die Missionsnähvereine (CB, September 1926:114; MuH, September 1928:184). Als separa te Gruppen in Gemeinden und Kirchen unterstützen sie die Missionen punktuell. Im Bereich der Glaubensmissionen scheint die- sen Förderkreisen aber eher eine marginale Bedeutung zuzukommen. Einen sehr viel grö- ßeren Einfluss haben die überregionalen Frauen missionsvereine. So gelingt zum Beispiel der „Frauenhilfe der Allianz-China-Mission“ in ihren ersten Jahren ein besonderer Mobili- sierungsschub. Im September 1926 wird von der konstituierenden Werbeversammlung am 4. August berichtet. Die spätere Vorsitzende, Frau Martha Spies-Rosenkranz, bittet im Chi- na-Boten um „die Anwerbung von Mitgliedern“. Werbeschreiben werden versandt und ein freiwilliger Jahresbeitrag von mindestens 50 Pfennig wird zukünftig erhoben (CB, Sep- tember 1926:144). Dieser relativ starke Organisationsgrad erinnert an das Desiderat von Siegfried Knak 1909:64). Im Oktober 1926 gehören etwa 400 „Schwestern“ zu diesem neuen Arbeitszweig der ACM (CB, Oktober 1926:158), zwei Monate später 571 Frauen (CB, Dezember 1926:190) und im April 1927 sind es über 1.200 Frauen (CB, April 1927:69). Erklärtes Ziel der Frauen-Hilfe ist neben dem Gebet auch das Spendensammeln (CB, Februar 1927:30).16 16 „Frauen-Ecke. Mitteilungen der Fraue nhilfe der Allianz-China-Mission (F.-H. d. A.-C.-M.). Postscheck- Konto Dortmund 301 36, Hierfür verantwortlich: Frau Martha Spies, Schwelm.“ Im Blick auf den Missions- tag am 17. Februar 1929 schreibt Martha Spies: „Mic h beschäftigt seit jenen Stunden, in denen wir mit den außerordentlichen Bedürfnissen für das laufende Jahr bekannt gemacht wurden, die eine Frage: Sollten wir nicht von der Frauenhilfe die für die Aussendung der vier Schwestern erforderlichen Gelder aufbringen kön- nen?“ (CB, Mai 1929:30). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 182 Kardinale Bedeutung nehmen für die Glaubensmissionen aber die Förderkreise in Gestalt von ganzen Gemeinschaften und Gemeinden ein. Auch wenn die Allianz-China-Mission vor allen Dingen durch die Verbindung mit den Freien evangelischen Gemeinden in der Schweiz eine primär gemeindeorientierte Mission wird, erhält sie ihren ersten Impuls hier- zu schon in ihrer Gründungsphase. So berichtet ihr Mitbegründer Fredrik Franson Anfang der neunziger Jahre „allen teuren Freunden der China Mission“ gelegentlich einer Reise in Amerika, dass er nach fünf Monaten Aufenthalt schon 35 Missionare in kurzer Zeit nach China aussenden konnte. Er betont die Verantwortung der lokalen Gemeinde zur Unterstützung der Missionare. Bei Franson sind die Missionare nicht selbständig und alleine im Vertrauen auf Gott in der Mission tätig, sondern werden von der Gemeinde ausgesandt. In seiner Argumentation führt er biblische und praktische Erwägungen ins Feld: „In Betreff des Unterhalts dieser 35 Missi onare und Missionarinnen haben wir es so ordnen können, dass jede Gemeinde ihren eigenen Missionar unterhält ... Dass nun jede Gemeinde und Missionsverein ihren eigenen Repräsentanten in der Heidenwelt hat, hat viele Vorteile. Erstens es ist biblisch. Die zwei grossen Missionare, Paulus und Barnabas gingen aus der Mitte der Localgemeinde zu Antiochia aus. Apg 13. Zweitens wird auf diese Weise viel grösseres Interesse seitens der betreffenden Gemeinde für den Unterhalt [geweckt?], besonders auf die Dauer, da sie mit ihnen korrespondieren und direkte Mitteilungen bekommen darf, und wissen, dass er ihr Bote ist. Drittens werden eine viel grössere Zahl ausgehen können. Viertens wird die Arbeit und die Verantwortlichkeit des Hauptkomitees nicht so schwer“ (in Alli- anz-China-Mission 1890-1892:38). Gesetzt den Fall, ein Missionar verfüge über keine unterstützende Gemeinde, empfiehlt er den Weg eines gegenseitigen Kennenslernens: „Wir haben es so geordnet, dass die Missionare und Missionarinnen nach dem E- vangelistenkursus und nach den darauf gefolgten Probe-Missionsreisen zu den betreffenden Gemeinden, woher sie Unterhalt erwarteten, hinreisten, um mit der Gemeinde gegenseitig Bekanntschaft zu machen“ (:38). Mit Blick auf die deutschen Verhältnisse, wo die freikirchliche Struktur nicht so präsent ist wie in den Vereinigten Staaten, skizziert er den Vorschlag einer Vereinsgründung: „Von einem Platze, wo keine Gemeinde exis tiert, schreibt man mir, dass man sich dort zu einem Verein zusammengeschlossen hat, um für die China-Mission zu ar- beiten, eine Sache, die sich ausserordentlich für Deutschland besonders in landes- kirchlichen Kreisen empfehlen lässt“ (:38-39). Dass auch dieses Prinzip praktikabel ist, unterstreicht er mit dem Zitat einer schriftlichen Zusage einer Gemeinde an ihren Missionar: „G eh ruhig fort, wir werden dich versorgen, lautete eine Depesche von einer Gemeinde für einen lieben Bruder“ (:39). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 183 Ähnlich wie die ACM fördert die Liebenzelle r Mission die Unterstützung ganzer Gruppen. Auch wenn sie nicht auf ein freikirchliches Milieu zurückgreifen kann, so verfügt sie mit der von ihr gegründeten Süddeutschen Vereinigung und dem Liebenzeller Gemeinschafts- verband über ein solides Fördernetz. Die kirchlichen Parallelstrukturen der landeskirchli- chen Gemeinschaftsverbände bewirken denselben Effekt wie die Unterstützung der Freien evangelischen Gemeinden für die ACM. Die Geschichte der Neukirchener Mission hingegen weist auf die Gefährlichkeit hin, diesen Gesichtspunkt außer acht zu lassen. Bernd Brandl zeigt in seiner Dissertation auf, dass durch evangelistische Dienste der Neukirchener Mission zwar sowohl landes- kirchliche Gemeinschaften im Siegerland, am Niederrhein, in der Grafschaft Bentheim und im Wittgensteiner Land als auch Freie evangelische Gemeinden in Hessen, am Niederrhein und im Fürstentum Waldeck entstehen (Brandl 1998:319). Doch für Julius Stursberg, dem Neukirchener Missionsleiter nach Ludwig Doll, ist es geradezu „Programm“, diese Grup- pen nicht „als Missionsgemeinde“ zu organi sieren, um dadurch „das Wunder der Versor- gung der NM durch Gott noch augenfälliger“ zu machen (:321). Erst Walter Nitsch setzt es 1921 durch, dass Repräsentanten der landeskirchlichen Gemeinschaften und Freien evangelischen Gemeinschaften im Missionsausschuss vertre- ten sind (:322). Doch diese Verbindung mit eher juristischem Charakter kann die Proble- matik eines fehlendenden homogenen Förderkreises nicht mehr befriedigend aufwiegen. Als die Freien evangelischen Gemeinden in Deutschland und die Allianz-Mission sich 1960 für eine exklusive Kooperation entscheiden (Franz 1993:124), verbleiben der Neukir- chener Mission nur noch die landeskirchlichen Gemeinschaften im Siegerland und einzelne Kreise am Niederrhein (Brandl 1993:328). Bei der Betreuung der Förderkreise sind die persönlichen Besuche der Missionslei- ter und -mitarbeiter relevant. Pars pro toto mag der Hinweis von Coerper im Dezember 1908 über sich und seinen Reisesekretär Kaul gelten: „Bruder Kaul war zuletzt in der Provinz Schlesien und hofft vom 29. November bis 13. Dezember in Bayern zu sein, vom 1. – 17. Januar in Königsberg und vom 24. – 26. Januar auf der Konferenz Duisburg-Beeck. Ich selbst hoffe im Januar auf Kon- ferenzen in Godesberg, Stargard in Pommern, Köslin und Stolp zu dienen“ (CM, Dezember 1908:207). Dass diese Missionsfeste und Konferenzen keine introvertierten Angelegenheiten darstel- len, sondern vielmehr der dynamischen Ausbreitung der Mission dienen sollen, ist für Coerper ein Faktum: „Durch mancherlei Reisen der Vorstands mitglieder, der Missionare, die in der Heimat weilten, sowie auch der Zöglinge des Hauses, konnten Missionsfeste ab- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 184 gehalten werden und dem Volke Gottes die Pflicht eines noch viel fleißigeren Ein- tretens für die großer Sache unserer Missi on ans Herz gelegt werden“ (CM, Mai 1912:119). Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang auch die Einladungen an die För- dergruppen, die jeweiligen Missionshäuser zu besuchen. So berichtet Coerper 1912 rück- blickend: „Eine gut besuchte Konferenz und ein Bibelkurs der Süddeutschen Vereinigung sowie ein Jugendbundfest in Liebenzell brachte unsere Mission mit sehr vielen See- len in Verbindung, welche zum großen Teil fröhlich, gesegnet und auch für das große Missionswerk erwärmt ihre Straße zogen“ (CM, Mai 1912:119). An dieser Stelle erweist sich auch der Sinn der Missionsgebäude, die sich bei allen drei Gesellschaften im Laufe der Jahre als geistliche Zentren entwickeln. Schon früh entdeckt die ACM für sich die Notwendigkeit eines eigenen Zentrums. Zur Eröffnung im Jahr 1895, im Beisein von Mr. Sloan, dem Sekretär der CIM und etwa tausend Gästen, definiert Pol- nick die Rolle des Missionshauses: „Nun hat der Herr uns einen großen Saal gegeben, wo wir Ihn loben und preisen können, aber was soll das Haus uns sein? Ein Tempel? Nein, ein Steinbruch soll es sein, in welchem lebendige Steine gewonnen und behauen werden für den ewigen himmlischen Tempel“ (CB, August 1895:5). Für viele der Missionsfreunde sind die Missionshäuser nicht sterile Verwaltungseinheiten, sondern Orte, wo der Puls der Heidenmission zu spüren ist. Insbesondere die Abschieds- und Abordnungsfeiern sowie die Jahresfeste prägen den genius loci dieser Orte. Ein Element zur Attraktivitätssteigerung ist dabei die sogenannte Missionsschau. So erwähnt der Liebenzeller Missionsleiter Buddeberg 1937 vom „Wunsch weiter Freun- deskreise, daß wir eine dauer nde Missionsschau hätten, auf der die einzelnen Arbeitsgebie- te der Liebenzeller Mission anschaulich vor das Auge der Missionsfreunde treten könnten“ (CM, Juni/Juli 1937:83). 9 . 6 Soziokultureller Kontext 9.6.1 Internationaler Kontext Die Tatsache, dass sich die Spendenmärkte im internationalen Vergleich stark voneinander unterscheiden (Heibach 2001c:128), schlägt sich auch im Bereich des Gebeverhaltens für die evangelischen Missionen nieder. Für 1907 gibt das Jahrbuch der Sächsischen Missionskonferenz (1909:177) welt- weite Vergleichszahlen an, die die Disparität der einzelnen Länder unterstreichen: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 185 E vangelische Missionen männliche Missionare Einnahmen in Mark Anteil an Gesamteinnahmen Welt 5703 110.407.908 100,00 % Europa 3210 58.029.168 52,55 % USA und Kanada 1911 47.293.165 42,83 % England 1980 46.805.180 42,29 % Deutschland 900 6.985.863 6,32 % Asien, Australien und Afrika 582 5.085.575 4,60 % Skandinavien 173 2.378.400 2,15 % Frankreich 58 900.000 0,81 % Niederlande 78 714.200 0,64 % Schweiz 21 245.525 0,22 % Diese Art von Situationsanalyse begleitet die deutsche Missionsliteratur kontinuierlich. Im internationalen Vergleich erscheint die deutsche Missionsaktivität als „poor german missi- on“ (Lehmann 1963:129). Schon 1876 hebt Gustav Warneck in seinem Aufsatz Die apos- tolische und die moderne Mission (1876) das Ungleichgewicht der Missionseinnahmen hervor. So weist er auf den Umstand hin, dass 1876 allein die englischen Freikirchen mit ihren etwa vier Millionen Mitgliedern die Gesamtsumme von 6.300.000 Mark für die Mis- sion aufbringen. Dies entspricht dem Dreifachen, was die evangelischen Kirchen in Deutschland und der Schweiz mit ihrer siebenfach größeren Bevölkerung einnimmt (Warneck 1876:18-19).17 Als mögliche Gründe führt er den „britischen National- reichthum“, den „Colonialbesitz“, den „Sinn für überseeische Verhältnisse“ und ein „ganz anderes Verständnis für die Mission“ in „d er öffentlichen Meinung Englands und Nord- amerikas“ an (:20). 18 Doch eine befriedigende Antwort findet auch er nicht in diesen Er- wägungen: „Während in England auf den Kopf der evangelischen Bevölkerung c. 8/14 Mark Missionsbeitrag kommt, beträgt in Deutschland – die Schweiz abgerechnet – dieser Durchschnittsbeitrag kaum 1/14 Mark – ein Ergebniß, welches uns unwiderleglich beweist, daß wir unsere Missionsschul digkeit lange nicht im proportionalem Verhältniß thun!“ (:20). 17 Ebenso führt Warneck die nordamerikanischen „Congregationalisten“ an. Mit ihren etwa 400.000 Mitglie- dern bringen sie 1876 die Summe von 1.765.564 Mark auf, was eine Spende von rund vier Mark je Mitglied ausmacht (Warneck 1876:19). 18 Die Analyse von Fabri aus dem Jahr 1875 verortet die unterschiedlichen Höhen der Missionsausgaben in der gesellschaftlichen und außenpolitischen Entwicklung des englischen Nachbarn: „Die überaus hohen Ein- nahmen der englischen Missions-Gesellschaften ruhen auf der Thatsache, daß das Missions-Interesse in Eng- land ein nicht nur in den Schichten des sehr wohlhabenden Mittelstandes ganz ungleich weit verbreiteteres ist, als in Deutschland, sondern daß dort gleichzeitig in den so zahlreichen Kreisen der Reichen viele Freunde der Mission sich finden. Der Mission wird dort schon im nationalen wie im culturgeschichtlichen Interesse eine gewisse Bedeutung auch außerhalb streng kirchlicher Kreise zuerkannt. In Deutschland ist die Masse des Mittelstandes der Mission völlig abgekehrt, wo nicht feindlich, während die Reichen nur in sehr verein- zelten Ausnahmen reichlich für dieselbe steuern. Jene Thatsache ist zum Theil der alten, seebeherrschenden Weltstellung Englands, während wir uns bis vor Kurzem in kleinlich territorialistischen Verhältnissen bewegt und entwickelt haben“ (Fabri 1875:205). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 186 Welche soziokulturellen Faktoren am Ende auch die ausschlaggebenden für die Minder- einnahmen sind, auch die deutschen Glaubensmissionen bewegen sich mit ihrer Arbeit in diesem Umfeld. So gewinnt keine von ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur annähernd das finanzielle Gewicht, das die China-Inland-Mission in England oder der den Vereinig- ten Staaten erlangt. Heinrich Coerper, der Leiter der Liebenzeller Mission, greift im August 1914 diese unterschiedliche Kultur des Gebens mit der Überschrift Deutschlands Zurückbleiben in Chinas Millionen auf und interpretiert sie auf seine Weise: „Wir alle kennen den beschä- menden Ausdruck vom verschlafenen deutschen Michel. Und ist an diesem zweifelhaften Lob angesichts solcher Tatsachen nicht leider sehr viel Wahres?“ (CM, August 1914:233) Neben der Tatsache, dass Deutschland „jahrhundertelang von anderen Nationen heimgesucht und gebrandschatzt wurde und infolgedessen ärmer ist als manche anderen Völker“ und der „unselige(n) Zersplitterung des deutschen Volkes“ zitiert er das „viel ge- rühmte deutsche Gemüt“. Hinzu komme ein „s tark theoretischer Zug der Deutschen“. Die- se deutschen „Unarten“ treffe er auch in „christlichen Kreisen noch oft in bedenklicher Weise an“ (:233-234). 9.6.2 Regionale Rahmenbedingungen Parallel zu den internationalen Rahmenbedingungen existieren für die Missionsgesellschaf- ten auch kulturell bedingte Gebefaktoren, die von regionaler Prägung sind. 1914 veröffent- licht der Missionswissenschaftler Eckelmann eine Gegenüberstellung der Missionsbeiträ- ge, wie sie in den einzelnen deutschen Ländern in 1904 und in 1914 in Pfennig registriert werden können.19 Nach Eckelmanns Analyse beläuft sich der durchschnittliche Beitrag jedes Protestanten „nach Abzug aller Beit räge, die nicht aus Deutschland stammen, und unter Weglassung der Legate“ au f 14,0 Pfennig (Eckelmann 1915:114).20 Nicht aufgeführt ist Herrnhut im Königreich Sachsen, das als Ort zugleich Muttergemeinde der deutschen Bruder-Unität ist. Hier beträgt der persönliche Missionsbeitrag 7 Mark und 13 Pfennig. Eckelmanns Begründung ist: „Ein geographisc hes Gebiet kann nicht mit einer religiösen 19 Die Angaben für 1904 ergeben sich aus den Berechnungen von Bemmann. Die Zahlen für 1914 ergeben sich aus Durchschnittszahlen aus den Jahren 1911 bis 1913. Alleine die unmittelbaren „Missionsgaben“ sind bei dieser Berechnung enthalten. Die Einnahmen aus dem Ausland, Erträge von Verlagen, Buchhandlungen, Vermächtnissen und die Einnahmen aus der Kaiserspende fehlen (Eckelmann 1915:115-116). 20 Auch bei Eckelmann wird der Unmut über das Abschneiden im internationalen Vergleich der Missionsbei- träge artikuliert: „Aber England und Frankreich (ca. 1,20 M.), die Schweiz (über 50 Pfg.) und Norwegen (über 40 Pfg.) zeigen deutlich, wie weit wir zurückstehen“ (:116). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 187 Gemeinschaft verglichen werden“ (:116). Die Tabelle mit ihre n Ergebnissen zeichnet ein frappierendes Bild ab: Beiträge des evangelischen Deutsch- lands für die Mission (in Pfennig) 1 9 0 4 191 4 Thüringen 3,9 3,0 Oldenburg 3,0 3,8 Lübeck 2,8 3,8 Brandenburg 4,0 4,2 Braunschweig 2,5 5,2 Mecklenburg-Strelitz 5,2 5,3 Anhalt 6-7,9 5,8 Ostpreußen 5,0 5,9 Mecklenburg-Schwerin 4,6 6,3 Schlesien 5,2 6,4 Posen 6,2 6,7 Westpreußen 5,9 7,1 Hessen (Großherzogtum) 7,2 7,3 Sachsen (Provinz) 7,1 7,8 Hessen 6,3 8,2 Waldeck - 8,8 Pommern 8,8 9,6 Hamburg 7,8 9,8 Sachsen (Königreich) 4,5 13,6 Hannover 11,0 13,7 Bayern 13,8 15,0 Elsaß-Lothringen 15,4 15,4 Schleswig-Holstein 15,6 17,0 Lippe-Detmold 26,0 21,2 Westfalen 21,5 23,2 Baden 13,9 23,2 Rheinprovinz 21,7 24,3 Lippe-Schaumburg - 27,5 Württemberg 29,3 30,4 Bremen 38,0 39,0 Es fällt auf, dass tendenziell die ost- und norddeutschen Landesteile die geringeren Beiträ- ge verzeichnen. Sieht man von der norddeutschen Ausnahmeerscheinung Bremen ab, wird das Spitzenfeld von den rheinischen, westfälischen und süddeutschen Ländern angeführt. Das Mittelfeld lässt sich geografisch nicht eindeutig zuordnen. Als „maßgebend“ für die unterschiedlichen Mi ssionsbeiträge nennt Eckelmann die „wirt- schaftliche Lage“ (:8). Zusätzlich nennt er auch den „A mtswechsel eines Ephorus oder Geistlichen, der ein besonderer Missionsmann war, dessen Kommen oder Gehen von merkbarem Einfluss ist“ (:113). Diese zweite Interpretation Eckelmanns, die sich eher an der theologischen Prägung der Kirchen und ihrer Pastoren orientiert, lässt sich schon bei Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 188 Theodor Christlieb aufzeigen. In seinem Text Der gegenwärtige Stand der evangelischen Heidenmission (1880) macht er deutlich, dass diese „große Ungleichheit in dem Missions- interesse der Gemeinden“ vom „ungleichen Verh alten der Geistlichen“ herrührt (Christlieb 1880:31). „Nein, an Geld fehlt es nicht, aber an Verständniß und innerer Liebe für dieses Werk“ (:32). „Am weitesten stehen wol die Gegenden (besonders des mittleren Deutsch- lands) zurück, in welchen die Nachwirkungen des alten Rationalismus noch am fühlbarsten sind“ (:28). Nach der Theologie rationalistischer Färbung entdeckt Christlieb auch im Konfes- sionalismus eine Hemmschwelle für ein angemessenes Missionsengagement. Denn die meisten Finanzen für die Weltmission bringen „t heils mild lutherische, theils unirte Lande wie Württemberg, Rheinland und Westfalen (besonders die Siegener und das Raven- berg’sche Land)“ auf (:28). Die Zahlen belegen eindrücklich, dass das religiöse Klima der jeweiligen Landeskirchen ein wichtiger Faktor im Spendenverhalten der evangelischen Bevölkerung evoziert. Die Frage des regionalen Standortes der Missionsgesellschaft ist somit von eminenter Bedeu- tung. Für die Glaubensmissionen lässt sich das an der Überführung der Liebenzeller Mis- sion 1902 von Hamburg nach Liebenzell sehr schön nachzeichnen. Sicher ist dieser Stand- ortwechsel kurzfristig eine Krise für die noch kleine Mission, aber langfristig gesehen können sich Coerper und seine Mitarbeiter in Süddeutschland weitaus besser entfalten. Nicht im lutherischen Hamburg, sondern erst im pietistischen Süddeutschland beginnt der nachhaltige Aufschwung der LM. Gehört Württemberg doch zu der Region in Deutsch- land, wo traditionell mindestens doppelt so viel für Mission gespendet wird als in im nord- deutschen Hamburg, Hannover, Oldenburg oder in Schleswig-Holstein (:28). Es sind die alten Kernlande des Pietismus, die schon lange Jahre durch die Basler Mission für die Mis- sion sensibilisiert sind. Gleiches gilt für Allianz-China-Mission und die Neukirchener Mis- sion. In Westfalen und der Rheinprovinz bewegen sie sich in einem kirchlich offenen Kli- ma für Weltmission. Ein Wachstum in Schlesien, Brandenburg, Pommern, Posen oder Preußen wäre sicher so nicht möglich gewesen. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 189 9 . 7 Ökonomischer Kontext Als ein bedeutender externer Schlüsselfaktor im Feld der Spendengewinnung ist der öko- nomische Kontext der Missionen zu taxieren. Wie das soziokulturelle Umfeld ist er ausge- sprochen augenfällig. Auch wenn die deutschen protestantischen Missionen im internationalen Vergleich nie den Einfluss ihrer angelsächsischen Partner erlangen, so sind auch für sie die Jahre bis zum Ersten Weltkrieg eine missionarische Kraftentfaltung. Spätestens mit der Kaiserspen- de 1913 erhalten sie auch die gesellschaftliche Anerkennung, die sie bis dahin vergeblich einfordern. Eine Tabelle von dem Missionswissenschaftler Julius Richter aus dem Jahr 1935 belegt das Wachstum auch mit den finanziellen Einnahmesteigerungen (Richter 1935a:315)21: Jahr Einnahmen (in Mark) Missionare 1875 2.490.800 480 1 8 8 5 3.521.300 547 1 8 9 5 3.750.000 750 1 9 0 0 6.333.000 1197 1 9 0 7 6.666.000 1213 1 9 1 0 7.942.843 1401 1 9 1 5 8.516.141 1602 1 9 2 4 5.000.000 711 1 9 3 3 6.107.690 1555 Sowohl die Höhe der Einnahmen als auch die Summe der Missionare nimmt von 1875 bis 1915 stetig zu. Die Missionen profitieren in dieser Phase ganz offensichtlich von dem wirt- schaftlichen Aufschwung, den das Deutsche Reich seit der Neugründung 1871 erlebt (Neu- hoff 2001:25). In diese Zeit der wirtschaftlichen Prosperität fällt auch ganz allgemein der Beginn des neuzeitlichen Fundraisings in Deutschland. Neben den vielen kommunalen Aktivitäten, von denen heute noch etliche Denkmäler in der Städten erzählen, kommt es auch zu landesweiten Spendensammlungen. Hervorzuheben sind: die „Nationalspende des deutschen Volkes“ 1908 für den Luftschiffbau (Erlös: 6,1 Millionen Goldmark), 1911 die Spendeneinwerbung für die Gründung der „Kai ser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft“, der heutig en „Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissen- schaft e.V., (Erlös: 10 Millionen Goldmark) und 1914 – als Höhepunkt des deutschen 21 Richter urteilt über den Wert von statistischen Angaben ein wenig humorvoll: „Statistische Tabellen haben für die meisten Menschen nichts besonders Anziehendes; man muß sie schon zum Reden bringen, um etwas von ihnen zu lernen; und wenn sie anfangen zu sprechen, ist das erste, daß sie uns warnen, bei ihrem Gebrauch vorsichtig zu sein“ (Richter 1935a:314). Die Zahlen hier beinhalten auch die Einkommen außer- halb von Deutschland. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 190 Fundraisings – die Gründung der Frankfurter Un iversität. Durch das Zusammenlegen älte- rer Wissenschaftsstiftungen, das Errichten neuer Stiftungen mit entsprechender Zweckbe- stimmung und intensives Spendenwerben kommen für die als Reformuniversität gedachte Schule, 20 Millionen Goldmark zusammen (:28). 9 . 7 . 1 Folgen des Ersten Weltkrieges Eine offensichtliche Zäsur ist für die Zeit nach 1915 zu konstatieren. Im Gegensatz zum deutsch-französischen Krieg 1870/1871 greift de r Weltkrieg direkt in die Arbeit auf den Missionsfeldern als auch in der heimatlichen Missionswerbung ein (Michael 1915:96-97). Richter resümiert: „Weltkrieg und Nachkriegs zeit haben einen schweren Bruch gebracht, der auch heute noch nicht wieder geheilt ist“ (Richter 1935a:315). Dies scheint in den Au- gen mancher Verantwortlichen umso tragischer als man meinte nun begänne ein weiteres Wachstum ad infinitum. So schreibt Michael über den Einschnitt des Krieges im Jahrbuch der Sächsischen Missionskonferenz für das Jahr 1915: „Schmerzlich war es freilich gerade jetz t, wo das Missionsleben zur schönsten Blü- te sich entfaltete und auf dem besten Wege war, mehr und mehr eine Sache der Gemeinden, vielleicht des ganzen Volkes zu werden“ (Michael 1915:104). Im Urteil von Richter sind die Folgen auch 1935 für die deutsche Mission noch nicht aus- gestanden. Den wieder zu verzeichnenden Anstieg der Spenden seit 1933 begründet er mit den zunehmenden Spenden aus Holland und der Schweiz. „In Deutschl and selbst sind die Gesamteinnahmen der Mission bereits wieder im Abgleiten begriffen“ (Richter 1935a:315). In seinem düster anmutenden Essay De profundis aus dem Jahr 1923 skizziert Gus- tav Warneck die Situation in den Nachkriegsjahren aus seiner Sicht: „Die enge Verflochtenheit der deutschen Mission in das Geschick des deutschen Volkes tritt uns jetzt im tiefen Leid und beim Hinabgleiten aus einer Not und Ver- legenheit in die andere noch deutlicher entgegen, als sie uns in den Tagen des Glücks und Glanzes zum Bewusstsein kam“ (Warneck 1923:1). Eines der großen Probleme sieht er wie Richte r in dem Verfall des heimatlichen Spenden- aufkommens in der deutschen Nachkriegszeit. Nicht, dass er dafür das Spenderengagement der Missionsförderer selbst verantwortlich macht: „Und der Eife r und die Opferwilligkeit scheinen noch immer im Wachsen und suchen sich neue Wege, wie neuerdings die sich schnell einbürgernden, so ungemein wertvollen Naturallieferungen“ (:1). Es sind vielmehr die Entwicklungen auf dem Finanzmarkt, die er für die Unbill der Missionen in der Verantwortung sieht: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 191 „Aber allerdings auch diese hohe Anspa nnung hält entfernt nicht Schritt mit der schnellen Entwertung des deutschen Geldes; wenn heute die Mark kaum noch 1/300 ihrer früheren Kaufkraft besitzt und ei ne Familie im Inlande mit einem Jah- reseinkommen von einer Million Mark nicht soweit reicht wie früher mit 6000 Mark, so ist erst recht im Auslande mit deutschem Geld rein nichts mehr zu ma- chen“ (:1). Trotz aller Schwierigkeiten sieht Warneck aber auch Chancen für „Neugestaltungen“ (:1). Die von ihm immer favorisierte Lösung, „daß die deutschen Missions gesellschaften aus ihrer Zersplitterung heraus sich zusammenschließen“ sieht er zwar nicht bestätigt (:1-2), aber „drei andere Wege scheinen sich aussicht svoll zu erweisen“ (:5). Einmal nennt er die internationale Zusammenarbeit der Missionsgesellschaften zum Zweck der Devisenbe- schaffung (:5), sodann die „Erschließung wirtsc haftlicher Hilfsquellen in den Missionslän- dern“, worunter er ein stärkeres Finanzau fkommen der Missionskirchen versteht (:6), und drittens die „Verschiebung de r Unterhaltungspflicht“, die au s einem immer stärker erwa- chenden „Selbständigkeitsstreben der eingeboren en Kirchen“ hervorgeht (:6). Die Zukunft, so Warneck, liege in einer Neuordnung der Zusammenarbeit („cooperation on definition“) zwischen den deutschen Missionsgesellschaften und den Missionskirchen (:6). Allerdings seien dies nur „hin und her wogende Nebe l, noch keine festen Gebilde“ (:7). Auch an den sogenannten „Glaubensmissionen“ gehen diese ökonomischen Einflüsse nicht spurlos vorüber. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges werden die finanziellen Auswirkungen noch nicht so klar gesehen (CB, Juli 1915:60-61), viel schwerer scheint der Eindruck zu wiegen, dass mit England und Deutschland zwei christlich geprägte Länder miteinander im Krieg liegen (CB, Oktober 1914:156-158). Die ökonomischen Konsequenzen werden erst ab 1920 wirklich offenbar. Mit Blick auf die Spenden der Schweizer Missionsfreunde schreibt Karl Engler als Missionsleiter der ACM im Jahresbericht 1920/21 des China- Boten : „Infolge der Geschäftsstockung und Arbeitslosi gkeit in der Schweiz gingen die Ga- ben dort beträchtlich zurück, so daß in de n letzten Monaten kaum die Hälfte ein- ging“ (CB, August 1921:3). Nur durch die „Wege des Herrn“ in Form einer Kurssteigerung des europäischen Geldes in China können diese Verluste für die Allianz-China-Mission aufgefangen werden (CB, Au- gust 1921:3). Doch im November desselben Jahres beginnt der Wert des chinesischen Dol- lars wieder zu steigen, und Engler scheut sich nicht, den Lesern des China-Boten seine Befürchtungen mitzuteilen: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 192 „Menschlich angesehen, sieht’s sehr trübe aus, und zwar deshalb, weil es hier in der Heimat auf schiefer Ebene abwärts geht, und weil das Schicksal unseres Missions- werkes mit dem Schicksal unseres Volkes eng verknüpft ist ... Wie lange wird es dann noch dauern, bis wir an dem Punkte sind, an dem Oesterreich längst ange- kommen ist, da wir mit deutschem Geld im Ausland, also auch in China, nichts mehr ausrichten können?“ (CB, Oktober/November 1921:3). Unumwunden erkennt Engler damit die ökonomische Abhängigkeit der Mission von dem deutschen Finanzmarkt an. Der Preis für eine Schiffskarte nach China kostet nun 180.000 Mark respektive 2.000 Schweizer Franken (CB, August 1922:1). 9 . 7 . 2 Das Inflationsjahr 1923 Noch gravierender schlägt der ökonomische Faktor im Jahr 1923 zu Buche, also im Zenit der Inflationszeit und des wirtschaftlichen Niedergangs in Deutschland. Zwar steigen die Spendeneinnahmen in astronomische Höhen, doch die damit verbundene Geldentwertung bringt den regulären Missionsbetrieb zum Erliegen. Der Kassenbericht aus dem Jahr 1923 der Allianz-China-Mission veröffentlicht diese Zahlen: M onat Aus Deutschland (Mark) Aus der Schweiz (Franken) Januar 1.208.847,10 4.596,85 Februar 3.123.595,80 4.489,10 M ärz 2.715.121,15 5.642,65 April 4.189.528,00 7.708,51 Mai 6.375.156,00 5.359,30 Juni 8.965.402,00 4.633,90 Juli 23.476.417,00 2.768,45 August 365.386.722,00 4.418,80 September 7.753.354.324,00 3.883,10 Oktober 764.937.857.000,00 3.621,65 November 424.990.022.000.000,00 5.654,10 Dezember 1.716.218.000.000.000,00 3.866,67 Gesamtsumme 2.141.981.128.652.113,05 56.679,08 Die mehr als zwei Trillionen Mark an Einnahmen in 1923 belaufen sich auf nur rund 6.500 Gold-Mark, die knapp 57.000 Schweizer Franken dagegen auf umgerechnet 46.000 Gold- Mark (CB, August 1924:58). Wieder ist die ACM fast vollständig auf die Einnahmen in der Schweiz angewiesen (CB, Juli 1923:53). Im Oktober und November 1923 kann der China-Bote nicht erscheinen. Der Grund ist unmissverständlich: „Unsere Geldmittel reich- ten dafür nicht aus“ (CB, Dezember 1923:77). Nur durch ein Entgegenkommen der Dru- ckerei kann die Dezemberausgabe versandt werden. Erstmalig erhält die ACM auch Natu- ralien in größerer Menge (CB, Dezember 1923:77). In den Gabenverzeichnissen werden die Beträge in Mark abgerundet, um Papier zu sparen (CB, August 1923:64), zeitweise Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 193 entfallen sie ganz (CB, März 1923:19). Im selben Monat teilt die Missionsleitung die Aus- setzung von Quittungen über Spendenbeträge unter 10.000 Mark mit, da die dafür entste- henden Kosten in keiner gesunden Relation mehr stehen (CB, August 1923:64). Erst 1924 kommt es durch die Stabilisierung der Mark als Währung wieder zu höheren Einnahmen. Das Jahreseinkommen in Deutschland übersteigt sukzessive die Schweizer Einnahmen (CB, Juli 1925:104). Ähnliche Komplikationen finden im Bereic h der Liebenzeller Mission statt (CM, Dezember 1923:184). Offen gesteht sie den Lesern von Chinas Millionen ein, dass sie in dieser prekären Zeit die Gehälter nicht mehr in der gewohnten Weise überweisen kann: „Und so kam es, daß nicht mehr das volle Gehalt für unsere Geschwister hinausge- sendet werden konnte, vielmehr konnten denselben immer nur gewisse Prozente ih- res Gehaltes ausgesendet werden. So durften wir auch vollends nicht mehr daran denken, das Geld für die eingeborenen Helfer und für die Stationsbedürfnisse von hier hinauszusenden“ (CM, 1922 Juni/Juli:83). Aufgrund der galoppierenden Inflation ist es auch der Neukirchener Mission in diesem Zeitraum nahezu unmöglich, noch Spenden in die Missionsgebiete zu überweisen (Brandl 1993:341). Der dunkle Hintergrund der Nachkriegsjahre mit dem Höhepunkt des Jahres 1923 lassen die Verflochtenheit der Spendenwicklung bei den deutschen Glaubensmissionen und der internationalen Finanzpolitik hell aufleuchten. Die Einnahmengrößen sind nicht ein abs- traktes Produkt des Glaubens, sondern auch ein compositum mixtum ökonomischer Gege- benheiten. 9 . 8 Politisch-juristischer Kontext „Das Fundraising tangiert eine Vielzahl von R echtsgebieten und rechtliche Vorschriften, die noch dazu von Staat zu Staat verschieden sind“, schreibt Marita Heibach (1998:64). Da die Spendengewinnung eine Summe von vielfältigen Tätigkeiten umfasst, kommt es ge- zwungenermaßen zu etlichen Berührungen mit Rechtsfragen. Neben dem schon angeführ- ten Presserecht sind an dieser Stelle vor allen Dingen das Organisationsrecht, das Steuer- recht, das Finanzrecht, das Erbrecht und das Sammlungsrecht zu nennen. Entsprechend der politischen Großwetterlage gestaltet sich auch für die Spendengewinnung der Aktionsradi- us. Unter juristischen Gesichtspunkten sind für die Glaubensmissionen zwei Momente ihrer Geschichte erwähnenswert. In ihrer Frühzeit kämpfen sie alle um ihre juristische An- erkennung und der damit einhergehenden Berechtigung, Spenden einzunehmen. So muss Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 194 die Liebenzeller Mission auch nach ihrer Eintragung als GmbH 1909 sich an das Finanz- ministerium wenden, um von der Schenkungssteuer befreit zu werden (CM, April 1909:64). Grund ist die bisherige Nichtanerkennung als wohltätiges, mildtätiges oder kirchliches Werk (CM, Juni 1909:99). Doch im Mai 1910 kann Coerper endlich die Leser benachrichtigen, „daß Er trotz großer Schwierigkeiten es uns gelingen ließ, daß wi r die für wohltäti- ge Zwecke geltende Steuerfreiheit erhielten, wodurch wir in den Stand gesetzt wor- den sind, Geschenke bis 5000 Mark steuerfrei anzunehmen; für Geschenke über 5000 Mk. brauchen wir nur 5% Steuer be zahlen, während wir sonst von 500 Mark an eine Steuer von 10% für jedes Geschenk hätten bezahlen müssen“ (CM, Mai 1910:91). Von viel schwerwiegenderer Bedeutung sind aber die politischen und rechtlichen Entwick- lungen, die mit dem Anbruch des Dritten Reiches verbunden sind. Einmal erhalten die Ge- sellschaften durch die staatlich protegierten Spendenkampagnen wie dem „Winterhilfs- werk“, dem „Hilfswerk Mutter und Kind“ und de n „Metallspenden des deutschen Volkes“ eine enorme Konkurrenz. Gezwungenermaßen müssen alle evangelischen Missionen in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur Werbeanzeigen dieser Spendenkampagnen in ihre Missionszeitschriften einfügen. Ohne Vergleich in den Auswirkungen sind jedoch die Neugestaltungen des Devisen-, Sammlungs- und Steuerrechts, die letztendlich zum finanziellen Kollaps der evangelischen Missionen führen. 9 . 8 . 1 Devisenbeschränkungen Auf der ersten Seite von Chinas Millionen im September 1934 schreibt der Leiter der Lie- benzeller Mission, Ernst Buddeberg; mit der Überschrift Schiff in Not! : „Und nun erhebt sich ein großes Ungestüm im Meer, ganz plötzlich, wenn wir auch schon lange darauf vorbereitet waren: Devisennot, d.h. die deutsche Regierung ist in solche finanzielle Schwierigkeiten hineingekommen, daß sie uns vorläufig nur wenige Devisen zustellen konnte von dem, was wir beantragt hatten“ (CM, Sep- tember 1934:129).22 Schon kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wird die Zuteilung der aus- ländischen Valuta einer staatlichen Kontrolle unterworfen. Im September 1935 erhält jede Missionsgesellschaft nur so viele Devisen, „um das nackte Gehalt der Missionare zu zah- len“, allerdings nur mit einem Aufschlag von 20 Prozent als „Besch affungszuschlag“ (CM, Mai 1935:69). Diese restriktiven Maßnahmen führen zu einer großen Verunsicherung unter 22 Auch an anderer Stelle lässt Buddeberg keinen Zweifel an den Folgen dieser staatlichen Maßnahmen: „Die Devisensperre hat sich wie eine Mauer um unsere Missionsfelder gelegt“ (CM, Januar 1935:1). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 195 den Spendern für die Mission. Laut wird die Frage artikuliert, ob es sich angesichts dieser Entwicklungen überhaupt lohne, für die Mission zu geben. Buddeberg antwortet: „Wir sind gefragt worden, ob es Zweck habe, heute noch für die Missionen zu op- fern, da wir ja noch immer unter der Devisensperre leiden und nur wenig an unsere Geschwister nach draußen senden können. Darauf die Antwort: Das Werk der Lie- benzeller Mission steht nicht still, sondern geht auch unter den riesenhaften Schwierigkeiten der Zeit weiter. Und darum muß auch die opferbereite Liebe unse- rer Freunde weitergehen, damit das Werk nicht stillsteht und zum Erliegen kommt. Wir glaubten diese Worte unseren Freunden schuldig zu sein, damit der HErr wei- ter die Verantwortung für unser Werk und die Gebefreudigkeit auf ihr Herz legen kann“ (CM, Dezember 1934:183). Im Bereich der Devisengesetze profitieren die Liebenzeller Mission, die Allianz-China- Mission und die Neukirchener Mission von ihrer Zugehörigkeit zum Deutschen Evangeli- schen Missionstag (DEMT). Dieser beschließt 1935 die Einrichtung eines Büros für Devi- senangelegenheiten aller angehörigen Missionsgesellschaften (Pörksen 1974:9). Damit wird ein profiliertes Gegenüber zur Reichsstelle für die Devisenbewirtschaftung ins Leben gerufen. Die Devisenbestimmungen werden immer unübersichtlicher. Streng untersagt wird den evangelischen Missionen die organisierte Aussendung von jeweils zehn Reichs- mark an deutsche Missionare durch Missionsfreunde. Da es immer öfter zu juristischen Konflikten der Missionen mit den nationalsozialistischen Behörden kommt, entschließt sich der Deutsche Evangelische Missionsrat (DEMR) als Vorstand des DEMT in seiner Sitzung am 29. April 1936 in Barmen „von Zeit zu Zeit die Devisengeschäftsführ ung der im D.E.M.T. angeschlossenen Gesellschaften zu prüfen und nach Einblick in die Devisengeschäfte eine Ausspra- che mit den Leitungen über ihr devisenrechtliches Verfahren herbeizuführen“ (EMW 318). Faktisch lockern die Missionen einschließlich der ihr ange schlossenen Glaubensmissionen somit ihre Finanzhoheit. Im Jahr 1937 beträgt die benötigte Devisenmenge der deutschen evangelischen Missionsgesellschaften 172.500 Reichsmark (Pörksen 1974:10). Im Proto- koll des DEMR und seiner Devisenkommission vom 20. Februar 1935 in Leipzig wird aber festgehalten, dass die Reichsbank maximal 40.000 bis 80.000 Mark für die Missionen er- übrigen wird. Die restlichen Valuta müssen daher auf weiteren Wegen beschafft werden. Neben ausländischen Hilfen kommt anfänglich der „Auftauung ei ngefrorener Guthaben und Umwandlung derselben in Devisen“ ei ne wichtige Bedeutung zu (EMW 318). In einem Brief vom 5. Juli 1937 an den Neukirchener Missionsinspektor Wilhelm Nitsch rechtfertigt Siegfried Knak die immer geringer werdende Devisenzuteilung an die Missionen mit dem Hinweis, dass von März auf April 1937 die Devisenüberweisung an Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 196 den DEMR von 90.000 Reichsmark auf 24.000 Reichsmark sank (EMW 320). Knak schreibt weiter: „Angesichts der Tatsache, daß die Devisenlage im allgemeinen immer schwieriger geworden ist und auch in absehbarer Zeit wenig Hoffnung auf Besserung besteht, haben wir von der Devisenstelle aus Schritte unternommen, um durch eigenen Ex- port Devisen zu gewinnen ... Diese neuen Versuche müssen vorsichtig unternom- men werden und eignen sich noch nicht zu einer Darstellung an dieser Stelle“ (EMW 320). Diese neuen Versuche münden unter anderem in der Gründung einer dem Missionsrat zu- geordneten Autofirma in Südafrika. Im Protokoll der Hauptversammlung des DEMT am 27. und 28. September 1938 in Neudietendorf wird erwähnt, dass der Geschäftsführer der Devisenstelle des DEMT, Herr Otto, sich zwecks Erweiterung des Devisenvolumens um die Gründung der „South African Motors, Imports and Industries Limited“ bemüht. Im Rahmen dieses Unternehmens sollen von nun an deutsche Wagen nach Südafrika ver- schifft und dort verkauft werden, um so die Devisenmenge zu vergrößern. Den Missions- gesellschaften wird allerdings empfohlen, sich in der Berichterstattung über diesen Weg Zurückhaltung aufzuerlegen (EMW 316). 9.8.2 Sammlungsgesetze Neben der kontinuierlichen Verschärfung des Devisenrechts versucht das Dritte Reich, auch über die Einschränkung der heimatlichen Werbearbeit, die nichtstaatlichen Organisa- tionen langsam verkümmern zu lassen. Ein wichtiges Instrument, das auch die Missionen betrifft, ist die Veränderung des Sammlungsgesetzes. Im Reichssammlungsgesetz vom 5. November 1934 werden erstmals alle Geldsammlungen der staatliche Kontrolle unterwor- fen. Auch die kirchlichen Spendensammlungen bedürfen nun der Genehmigung (Holzhau- er 2001:1145). Wie bei den Devisenfragen richtet nun der Deutsche Evangelische Missi- onsrat eine Kommission zur Beratung der anhängigen Fragen für die Missionsgesellschaf- ten ein (Pörksen 1974:10). Auch hier kann DEMR anfänglich juristische Erfolge aufwei- sen. So erteilt der Reichs- und Presseminister des Innern am 27. März 1935 durch einen Erlass (VW 6197/14/2.23.1.) den im Deutschen Evangelischen Missionstag zusammenge- schlossenen Missionsgesellschaften „unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs“ „die Ge- nehmigung zur Sammlung von Geldspenden für das ganze Reichsgebiet bis zum 31. De- zember 1935“ (CM, Mai 1935:68). Zwar führen die Glaubensmissionen keine klassischen Haussammlungen durch, doch durch den Gebrauch ihrer „Sammelbüchsen“ müssen auch sie sich mit dem Sammlungsgesetz auseinandersetzen. Noch 1935 kann die Liebenzeller Mission ihre Förderer in Chinas Millionen beruhigen: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 197 „Für unsere Liebenzeller Mission kommt Folg endes besonders in Betracht. Es wird ausdrücklich erlaubt das Aufstellen von Sammelbüchsen in den Wohnungen der Missionsfreunde (nicht aber in Geschäften, Läden, öffentlichen Lokalen usw.). Fer- ner der Verkauf von Gegenständen bei den Missionsveranstaltungen. (Wir bitten unsere Freunde, nur solche Verkäufe zu veranstalten, die mit einer Missionsver- sammlung verbunden sind, um nicht mit dem Gesetz in Widerspruch zu geraten.) (CM, Mai 1935:68). In einem Rundschreiben vom 19. Januar 1938 hält die Sammlungskommission des DEMT fest: „Ein ausdrückliches Verbot der Büchse n besteht bis heute nicht. Jedoch dürfen die Büchsen von den Gesellschaften nur auf ausdrückliche Anforderung von Missionsfreunden ausgegeben werden“ (EMW 358). Doch Anfa ng 1941 wird auch diese juristische Lücke seitens der Politik geschlossen. Wilhelm Nitsch unterrichtet die Leser des Missions- und Heidenboten entsprechend: „Nun ist von amtlicher Stelle festgestellt worden, daß sich das Ausgeben von Dankopferbüchsen nicht vertrage mit dem Reichsgesetz über das Sammlungswe- sen. Die Missionsgesellschaften sind darum aufgefordert worden, diese Dankopfer- büchsen nicht nur nicht weiter auszugeben, sondern auch die früher ausgegebenen Büchsen zurückzufordern oder vernichten zu lassen. Wir geben auch unseren Freunden hiervon Kenntnis und bitten, die etwa bei den einzelnen vorhandenen Büchsen nicht weiter als Sammelbüchsen für die Mission zu verwenden“ (MuH, Januar 1941:10). Selbst der Empfang von Naturalien wird dem staatlichen Reglement unterworfen. Im Janu- ar 1936 berichtet Nitsch von Unregelmäßigkeite n bei der Weiterleitung der Kartoffelspen- den durch das Winterhilfswerk: „In den übrigen Orten waren, der erst ge gebenen Vorschrift entsprechend, die Kar- toffeln dem Winterhilfswerk übergeben worden und sollten ja durch die Winterhilfe an uns weitergegeben werden. Einen Zuteilungsschein haben wir inzwischen auch erhalten, worauf die genaue Menge vermerkt ist; aber Kartoffeln selber sind uns bis jetzt, Anfang Dezember, noch nicht zugegangen“ (MuH, Januar 1936:18). 9 . 8 . 3 Steuergesetzgebung Ein weiteres Gebiet, auf dem die Politik im Dritten Reich bewusst Einfluss nimmt, um das Engagement der nichtstaatlichen Organisationen einzuschränken, ist das Feld der Steuerge- setzgebung. Die relativ liberale Besteuerungspraxis der Weimarer Republik wird massiv eingeschränkt, wobei als Höhepunkt das Urteil des Reichsfinanzhofes vom 29. November 1938 gelten kann. In ihm wird die Steuerbegünstigung den deutschen Missionsgesellschaf- ten ausdrücklich entzogen: „Als steuerbegünstigte kirc hliche Zwecke sind nur solche kirchlichen Bestätigun- gen anzusehen, die sich entweder innerhalb des deutschen Reiches auswirken oder Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 198 deutschen Volksgenossen im Ausland zugute kommen. Die Mission in überseei- schen Ländern ist daher nicht steuerbegünstigt“ (EMW 358). Um dennoch den Genuss der Steuerbegünstigung zu behalten, ermuntert der DEMT seine Gesellschaften den Dienst an den „deutschen Volksgenossen im Ausland“ in schriftlichen Petitionen zu unterstreichen. Auch die Vertreter der Glaubensmissionen scheuen sich nicht, diese Möglichkeit auszuüben. Dabei bewegen sie sich augenscheinlich auf einem schmalen Grat zwischen politischer Anpassung und eigener Identität. So verweist der Liebenzeller Missions-Superintendent Heinrich Witt in einem Brief vom 7. Juni 1939 darauf, dass die „Partei“, „der übrigens eine An zahl unserer Missionare angehören“, „unseren Dienst anzu- erkennen gewusst“ hat. Einmal hätte die Miss ion gar eine „Ueberlassung von Winterhilfs- geldern“ von ihr erhalten (EMW 359). Wilhelm Nitsch markiert die Wichtigkeit der Neu- kirchener Mission in seinem Brief vom 13. Juni 1939 mit der Aussage: „In weiten Kreisen ist anerkannt, dass deutsche Missionare als (der Regel nach besonders wertvolle) Vertreter deutscher Art im Ausland dastehen und als solche für deutsche Art Wertschätzung und Anerkennung erwerben“ (EMW 359). Und in se inem Schreiben vom 6. Juni 1939 betont Kurt Zimmermann, dass die zwei Ärzte der Al lianz-China-Mission „sehr“ dazu beitragen den „Ruf des Deutschtums zu festigen und zu mehren“ (EMW 359). Trotz dieser Eingaben wird letzten Endes den Missionen die Gemeinnützigkeit aberkannt (Brandl 1998:335). Dies führt bei der Neukirchener Mission zu internen Umstrukturierungen in der Buchhaltung. Im Jahresbericht 1940/41 der Neukirchener Mission informiert Wilhelm Nitsch die Leser: „Früher hatten wir eine schlichte Buchf ührung: in dem einen Buch wurden alle Einnahmen und in einem zweiten Buch alle Ausgaben eingetragen, Nummer für Nummer ... Aber die veränderten Verhältnisse, insbesondere die neue Steuergesetz- gebung, die eine Steuerbegünstigung der Missionsarbeit nicht mehr kennt, erfor- dern eine streng kaufmännische Art von Buchführung“ (Nitsch 1941:7). Nitsch überlässt infolgedessen die Kassenführung zukünftig Missionsinspektor Schneider (:7). 9 . 9 Zusammenfassung Die beschriebenen Faktoren unterstreichen, dass die Spendengewinnung der Glaubensmis- sionen nicht im luftleeren Raum zwischen Himmel und Erde stattfindet. Glaube und Gebet verlieren nicht ihre Bedeutung, doch ausschließliche Interpretationsfaktoren sind sie kei- nesfalls. Sie füllen vielmehr die genannten Faktoren mit Leben und sind gleichzeitig Teil des Prozesses. Die Leitidee des eschatologischen Horizonts führt zu einer beziehungsorien- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 199 tierten Ausrichtung der leitenden Mitarbeiter, zum Profil einer strategischen Publizistik und der systematischen Ausgestaltung von Fördergruppen. Die Leitidee findet so eine Ges- talt auf der personalen Ebene, in den Medien und der Struktur. Der soziokulturelle Kon- text, das ökonomische Umfeld und das politisch-juristische Klima bilden zusammen den externen Handlungsrahmen, in denen die internen Schlüsselfaktoren ihr Ergebnis bilden können. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 200 1 0 Die Legitimation des Glaubensprinzips 1 0 . 1 Ausgangslage Eingedenk des von Gerhard Ebeling übernommenen methodologischen Ansatzes, dass die „Kritik“ ein „Haupterfordernis historischer Arbeit“ (Ebeling 1947:10) sei, soll nun die Fra- ge nach der Legitimation des Glaubensprinzips und der damit einhergehenden Finanzie- rungspraxis gestellt werden. Im Mittelpunkt der Überlegungen soll dabei der inhaltliche Kern des Glaubensprinzips, nämlich der bewusste Werbeverzicht, stehen. Der Anspruch einer sachgemäßen Kritik kann aber nur erhoben werden, wenn die theoretische Begründung des Glaubensprinzips bedacht wird. Denn die Untersuchung zeigt, dass an dieser Stelle zwei unterschiedliche Traditionslinien existieren, die schon in der Genese des Glaubensprinzips nachgewiesen werden können. Die erste Linie wird von George Müller in Bristol verkörpert (vgl. Kapitel 4.3). Zwar entwickelt er auf sehr originale Weise die missionarische Dimension des Glaubens- prinzips (Müller 1906:80-81), doch das theoretische Fundament für diesen Werbeverzicht liegt in seiner Interpretation der biblischen Texte. Es sind insbesondere die ekklesiologi- schen Grundüberzeugungen der Plymouth Brethren, die Müller zum Werbeverzicht von Spendengeldern veranlassen. Er will um jeden Preis den Anschein eines kirchlichen Amtes in der Gemeinde verhindern (:155-156). Die zweite Linie findet sich bei Hudson Taylor (vgl. Kapitel 4.4). Für ihn bildet das Glaubensprinzip ein Kraftpotenzial, die Mission ohne menschliche Sicherheiten auszu- üben. Insgesamt gesehen ist bei Hudson Taylor der Werbeverzicht deshalb weniger ein Element theologischer Überzeugung als vielmehr der Ausdruck eines neuartigen psycholo- gischen und politischen Zugangs zur Thematik der Spendengewinnung. Zum einen versucht Taylor den Eindruck der Nachhaltigkeit für das Anliegen der Mission zu vermitteln. Zum anderen will er so den Eintritt in eine Konkurrenzsituation mit den bestehenden Missionsgesellschaften vermeiden (Guinness 1893:239). Das Glaubens- prinzip mit dem implizierten Kollektenverzicht wird dadurch zu einem individuellen Profil der Missionsgesellschaft und erhebt keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Dass das Glaubensprinzip im Laufe der Jahre die Rolle einer theologischen Wahrheit bei der CIM förmlich einnimmt, ist eine Problematik eigener Provenienz. Diese zwei Linien der unterschiedlichen Begründung des Glaubensprinzips lassen sich in ähnlicher Weise auch bei den beiden ersten Leitern der Neukirchener Mission nachzeichnen. Während Ludwig Doll ganz ungeniert bei den in der Öffentlichkeit spen- densammelnden Organisationen von einer „Sch wäche“ der „sonst ausgezeichneten Anstal- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 201 ten“ spricht (MuH, Juli 1879:19), ist für Julius Stursberg die Anwendung des Glaubens- prinzips nicht eine biblische Grundfrage, sondern eine der persönlichen Führung. (MuH, September 1883:79). Entsprechend muss eine Rückfrage nach der Legitimität des Glaubensprinzips auch beiden Begründungslinien sachgerecht nachgehen. Sie muss dort, wo eine theologische Begrün- dung des Glaubensprinzips erfolgt, diese Theologumena kritisch durchleuchten. Und da, wo der Kollektenverzicht aus pragmatischen oder persönlichen Gründen geübt wird, muss sie die grundsätzliche Praktikabilität bewerten. Deshalb beinhaltet die folgende Kritik so- wohl theologische als auch kommunikationstheoretische Komponenten. 1 0 . 2 Das theologische Defizi t des Glaubensprinzips Wie die Darstellung von Groves, Müller, Taylor und auch teilweise bei den deutschen Glaubensmissionen zeigt, sind die biblischen Beweisführungen für das Glaubensprinzip ausgesprochen vielgestaltig. Wie schon beschrieben, formuliert Müller 1830 seine Schrift- gründe wie folgt: „About the same time also my wife and I ha d grace given to us to take the Lord’s commandment, ‚Sell that ye have, and give alms’ (Luke xii. 33), literally, and to carry it out. Our staff and support in this matter were Matthew vi. 19-34, John xiv. 13,14. We leaned on the arm of Lord Jesus” (Müller 1906:47). Harald Rowdon betont, dass in der einschlägigen Literatur Matthäus 6:34 förmlich den „key text“ des Konzeptes vom „living by faith” bildet (Rowdon 1995:341). Es ist aber frappierend festzustellen, dass der neutestamentliche locus classicus zum Thema der Spendengewinnung, nämlich die Jerusalemkollekte des Paulus (Gal 2:10, 1. Kor 16, Röm 15:31, 2. Kor 8 und 9), in den genannten Zusammenhängen grundsätzlich nicht beachtet wird. Denn bei Paulus, dem Missionar par excellence , findet sich an der Stelle des „Glaubensprinzips“ die „Verantwor tung der Gemeinde“. So wendet er sich ohne Scheu und Zurückhaltung an die Gemeinden Kleinasiens, um der Urgemeinde in Jerusalem eine finanzielle Hilfe zu schaffen. Für ihn ist das Sammeln der so dringend benötigten Gelder nicht ein malum, sondern ein geistliches bonum schlechthin. „Gnade“ (2. Kor 8:1), „Ausgleich“ (2. Kor 8:13) und „Segen“ (2. Ko r 9:5) sind seine Prädikate für die Geld- sammlung. Die natürlich damit einhergehende Werbung für diese Sammlung wird nicht in Frage gestellt.1 1 Vgl. von Dieter Georgi Den Armen zu gedenken: Die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem (1994) und Burkhard Beckheuer Paulus und Jerusalem: Kollekte und Mission im theologischen Denken des Heidenapostels (1997). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 202 Auch die durchaus differenzierten Aussagen des Heidenapostels zum Themenkomplex des Gehaltes (1. Kor 9:11-18, 2. Kor 2:17, 11:7-11, 1. Thess 2:9) werden weitestgehend ausge- spart. Im Vordergrund stehen stets die synoptischen Texte, in denen Christus vor dem Reichtum warnt und zum radikalen Vertrauen aufruft. Eine Antwort, warum hier wichtige Elemente der paulinischen Biographie und Theologie selektiv ausgeblendet werden, bleiben die Glaubensmissionare selbst schuldig. Sie liegt aber auf der Hand. Der Grund liegt in der Tatsache, dass das Glaubensprinzip im Kern ein historisches Erbe der Plymouth Brethren ist. In der klassischen Ausgestaltung von George Müller ist es ein Versuch, die Gefahr eines exklusiven Amtsverständnisses einzu- dämmen.2 Müller selbst verzichtet deshalb persönlich und bei der Konzeption seiner Bi- belgesellschaft auf jegliche öffentlichen Geldsammlungen. Auch wenn er das Glaubens- prinzip bei der Bristoler Waisenhausarbeit als Beweismodell für die Existenz Gottes erwei- tert, so bleibt sein von den Plymouth Brethren geteiltes Ekklesiologieverständnis doch das geistige Fundament des Spendenverzichts. Und in diesem ekklesiologischen Gehäuse hat der Gedanke, dass eine oder mehrere Gemeinden finanzielle Verantwortung für einen Mis- sionar außerhalb ihres Radius übernehmen we nig Platz. Würde dies doch der Schaffung einer amtlichen Profession wieder Vorschub leisten. Eine Unterstützung kann maximal im Rahmen des persönlichen Engagements ausgeübt werden. Das theologische Defizit des Glaubensprinzips mit seinem Kern des Werbever- zichts ist also in der ekklesiologischen Verengung zu verorten. Aus dem berechtigten An- liegen George Müllers, das Priestertum der Gläubigen zu profilieren, entwickelt sich am Ende eine extreme dogmatische Position, die zwangsläufig zur Selektion von neutesta- mentlichen Zeugnissen führt. An dieser Stelle verliert die Bibel tatsächlich ihre Funktion als lydius lapis und verkümmert zum Steinbruch für konfessionelle Überzeugungen. Ohne diesen Hintergrund en detail zu kennen, übernehmen etliche Glaubensmissionen dieses stilbildende Profil der Finanzierungsmethodik. Der biblischen Weite zur Thematik der Spendengewinnung werden sie dadurch aber nicht gerecht.3 2 Timothy Larsen kristallisiert diesen theologischen Hintergrund in seinem Essay scharf heraus, wenn er schreibt: „This theological background helps explain the strength of their commitment to ‚living by faith’ They felt that a salary was a sign that a man was a professional minister. A salaried pastor would have gone against the grain of Brethren egalitarianism” (Larse n 1998:88). Die „Exclusive Brethren” im Gefolge von John Nelson Darby verzichten gar ganz auf den Dienst des Ältestenamtes (:88). 3 Eine präzise Darstellung der neutestamentlichen Qu ellen zum Themenkomplex der Spendenwerbung bietet die Arbeit von Jouette Basslers God and Mammon : Asking for Money in the New Testament (1991). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 203 Aber schon bei Hudson Taylor lassen sich Tendenzen finden, die diesen Rigorismus – je- denfalls in der Theorie – aufweichen. Du rch seine Verschiebung in der Begründung des Glaubensprinzips, eröffnen sich auch neue praktische Optionen. Ein schönes Beispiel für diese größere Weite des Denkens sind Taylors Gedanken über den angemessenen Gebrauch der „Mittel“ im Glauben. In seiner Retrospect erzählt Taylor 1894 rückblickend von seiner Überfahrt als junger Missionar nach China. Während eines aufziehenden Sturms stellt sich ihm die Frage nach der Benutzung eines Rettungsringes, und damit einhergehend die grundsätzliche Frage nach der Inanspruchnahme von „Mitteln“ („means“): „One thing was a great trouble for me th at night. I was a very young believer, and had not sufficient faith in God to see Him in and through the use of means. I had felt it a duty to comply with the earnest wish of my beloved and honoured mother, and for her sake to procure a swimming-belt. But in my own soul I felt as if I could not simply trust in God while I had this swimming-belt; and my heart had no rest until on that night, after all hope of being saved was gone, I had given it away. Then I had perfect peace; and, strange to say, put several light things together, like to float at the time we struck, without any thought of inconsistency or scruple. Ever since, I have clearly seen the mistake I made – a mistake that is very common in these days, when erroneous teaching on faith-healing does much harm, misleading some as to the purposes of God, shaking the faith of others, and distressing the mind of many. And our faith in God ought not to hinder our using whatever means He has given us for the accomplishment of His own purposes” (Taylor 1894:41- 42). Für Taylor steht fest, dass es in Fragen des Lebens im Allgemeinen und der Gesundheit im Speziellen einen angemessenen Gebrauch der Mittel geben muss. Mit dieser Perspektive scheint die Spendenwerbung als Mittel grundsätzlich diskussionswürdig. Denn auch hier spart der Glaube menschliche Möglichkeiten nicht aus, sondern macht sie sich zunutze. Es ist in diesem Zusammenhang faszinierend, an William Carey zu erinnern, den Pionier der neuzeitlichen protestantischen Missionsgeschichte, der in seinem Essay Enqui- ry into the Obligation to use means for the Conversion of the Heathens (1792) gerade den Gebrauch der „means“ zur Förderung der Missio n propagiert. Carey nennt hier die Bildung von Sozietäten und Komitees (Carey 1934:82-83) und die Verpflichtung von Gemeinden und Einzelpersonen zur regelmäßigen Spende (: 84-87). Carey skizziert seine Erwartung für sein Heimatland England und die Mission beim richtigen Gebrauch solcher Mittel: „If congregations were to open subscrip tions of one penny, or more per week, ac- cording to their circumstances, and deposit as a fund for the propagation of the gos- pel, much might be raised in this way. By such simple means they might soon have it in their own power to introduce the preaching of the gospel into most of the vil- lages in England; where though men are pla ced whose business it should be to give light to those who sit in darkness, it is well known that they have it not. Where there was no person to open this house for the reception of the gospel, some other Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 204 building might be procured for a small sum, and even then something considerable might be spared for the Baptist, or other committees, for propagating the gospel amongst the heathen” (:85-86). Und was am Anfang der neuen evangelischen Mission steht, hat heute an Aktualität nicht verloren. 10.3 Das kommunikationstheoretisch e Defizit des Glaubensprinzips Neben der biblischen Begründung für das Glaubensprinzip, existiert auch das der individu- ellen Berufung. Wie schon bei Taylor und Stursberg gezeigt, wird hier der Werbeverzicht nicht als biblisches Strukturmerkmal der Mission an sich, sondern als Ausdruck der eige- nen Werksbiographie interpretiert. Der Werbeverzicht wird hier maximal als bene esse, nicht aber als esse der Mission verstanden. Insofern muss sich eine Kritik auch hier ent- sprechend gestalten. Die grundsätzliche Frage, die sich deshalb nun hier stellt, ist die, ob das Glaubensprinzip an sich überhaupt eine vernünftige Option darstellt. Oder mit anderen Worten: Ist der prinzipielle Werbeverzicht eine kommunikative Möglichkeit, die sich mit der postulierten Stringenz durchhalten lässt? Die Analyse der historischen Diskussion zur Spendengewinnung zeigt, dass diese kommunikative Möglichkeit stets bestritten wird. Präzise ist die Kritik von Franz Michael Zahn in seinem Essay Mission und Geld (1891) über den Versuch, nie öffentlich um Geld zu bitten: „Allein eine Bitte nicht aussprechen, ist manchmal nur die andre Form zu bitten. Auch diese Männer würden schwerlich so viel von ihrem Werke veröffentlicht ha- ben, wenn sie nur das Gebet nötig gehabt hätten. Nach der Ordnung Gottes dient es zu unsrer Erziehung, dass auch in geistlichen Dingen die äußere n Mittel bedürfen“ (Zahn 1891:363). Ähnlich argumentiert auch der schon zitierte Christoph Schomerus 1933: „Man verschleiert die Sache, wenn man sagt, die Mission solle nur Gott, aber nicht Menschen bitten. Jedes Wort über die Mission ist ausgesprochen oder nicht eine Bitte um Geld“ (Schomerus 1933:803). Im Bereich der deutschen Glaubensmissionen ist es vor allen Dingen Stursberg, der diesen Vorwurf der „indirekten Bitte“ aufgreift und zu widerlegen bemüht ist. Er, der wie Müller, alle Opferbüchsen im Missionshaus entfernen lässt (Stursberg 1897:43), zitiert 1883 in einer Ausgabe des Heidenboten die gehörte Behauptung, die „Berichte“ und „Gabenver- zeichnisse“ der Neukirchener Mission seien eine Form von „verstecktem Collectiren“ (MuH, September 1883:82). Gegen dieses Argument wehrt er sich mit der lauteren Moti- vation der Missionsleitung: Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 205 „Den mancherlei Einwürfen und Vorwürfe n von verstecktem Collectiren durch un- sere Berichte und Gabenverzeichnisse gegenüber, die wir oft zu hören bekommen, freuen wir uns vor dem Herrn ein gutes Gewissen zu haben. Er ist treu und weiß schon dafür zu sorgen, daß wir auf dergleichen, was nun einmal wohl nicht weg- bleiben darf, nicht unser Vertrauen und unsere Hoffnung setzen; wo uns aber ein- mal ein solcher Gedanke kommen will, da ist der Herr nach seiner Treue, daß wir so sagen, fast augenblicklich dahinter her“ (:82). Auch wenn das „gute Gewissen“ von Stursberg nicht zur Disposition steht, ist seine Ant- wort es umso mehr. Es ist eben eine Verkennung der Sachlage, Spendenwerbung nur als eine schriftlich oder mündlich artikulierte Bitte zu verstehen. Das Interpretationsmodell in Kapitel 9 zeigt, dass die Spendenwerbung der Glaubensmissionen mit dem Beginn ihrer Aktivitäten verbunden ist. Durch die inspirierende Leitidee, den Aufbau der Förderkreise, die strategische Publizistik und beziehungsorientierte Leitungsfiguren entwickeln sie eine ausgesprochene Attraktivität in ihren Milieus. „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick 1967:53). Diese simple Erkenntnis der Kommunikationstheorie ist die stärks- te Axt an der Wurzel des Glaubensprinzips. Ob die deutschen Glaubensmissionen es woll- ten oder nicht – sie warben für ihre Zwecke durch ihr schlichtes Dasein. Das Gesagte gilt auch für die angelsächsischen Vorbilder Müller und Taylor. Man vergegenwärtige sich einen Georg Müller, der sein Leben lang durch ganz Europa und die halbe Welt reist und überall von seinen Waisenhäusern berichtet, die sich ohne Werbung alleine durch Gebet finanzieren. Das ist Werbung – nur eben auf einem recht hohen Ni- veau. Und James Hudson Taylor, das kann ohne Widerspruch gesagt werden, ist mit sei- nem persönlichen Charisma die beste Werbung für die China-Inland-Mission. Seine Integ- rität öffnet die Herzen und Börsen seiner Zeit. Harold Rowdon fasst die theoretische und praktische Unmöglichkeit des Glaubens- prinzips in seinem Essay The Concept of ‚Living By Faith’ (1995) klar zusammen, wenn er die Situation der modernen „Glaubensmissi onare“ und ihre Praxis der Spendengewinnung beschreibt „As soon as it becomes known that someone is ‚living by faith’, that person ceases to ‚live by faith’. It is a fact that most missionaries who ‚liv e by faith’ spend a con- siderable proportion of their time (sometimes a third) telling people in their home countries about the work they are doing. At least some of this time is needed for physical renewal, renewing family and friendship relationships, and necessarily re- laxation. And, of course; ‚deputation’ is a valuable way of stimulating prayer sup- port. But, strictly speaking, if the rigorist view of the matter is being followed, there should be no need for it. At its best, such reporting [as in the case of the annual re- port meeting at which Müller gave an annual report and the published Narrative which provides minute details of amazing answers to prayer] is intended to be noth- ing more than directing attention to the faithfulness of God. But, unintentionally, no doubt, it fulfils a further function – that of drawing attention to the existence of ma- Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 206 terial needs. At its worst, it can degenerate into subtle hints [e.g. a request to ‚pray with me for the provision of this or that]’)” (Rowdon 1995:354). Mit Blick auf diesen Befund ist deshalb festzuhalten, dass das Glaubensprinzip mit seinem postulierten Werbe- und Kollektenverzicht eine nicht durchführbare Methode darstellt. Das Glaubensprinzip in seiner klassischen Gestalt entpuppt sich bei näherer Analyse als kom- munikative Unmöglichkeit. Diese Brüchigkeit der Idee an sich, mag auch einer der Anlässe sein, weshalb das Glaubensprinzip relativ rasch bei den drei untersuchten Missionsgesell- schaften sukzessive umgewandelt, abgelegt oder erst gar nicht angewandt wird.4 10.4 Eine Neubewertung des Glaubensprinzips Die Übersicht der zeitgenössischen Rezeptionen in Kapitel 2 stellt das Glaubensprinzip als Konstitutivum der Glaubensmissionen dar. Neben der Kritik von Oehler (Oehler 1951:46) und Brandl (Brandl 1998:453-455) betonen alle Autoren übereinstimmend, dass die Identi- tät der Glaubensmissionen keinesfalls auf das Glaubensprinzip verengt werden kann, aber doch zu einem ihrer Hauptmerkmale zählt. Allein Klaus Fiedler gibt der Interdenominatio- nalität als Charakter der Glaubensmissionen einen Vorrang gegenüber dem Glaubensprin- zip der Finanzierung (Fiedler 1992:146). Mit Blick auf die Ergebnisse dieser Arbeit ist die berechtigte Frage zu stellen, ob das Glaubensprinzip als solches diese Rolle in der Wesensbestimmung der Glaubensmissi- onen mit Recht einnehmen kann. Kann also das Glaubensprinzip eine Rolle als Charakter- merkmal differentia specifica einnehmen? Anhand der Geschichte der drei ersten deutschen Glaubensmissionen muss die Fra- ge dezidiert verneint werden. Allein die Neukirchener Mission ist es, die sich ernsthaft bemüht, die von Müller und Taylor formulierte Spendengewinnung zu praktizieren. Und gerade sie ist es, die schmerzhaft erfährt, wie Schritt für Schritt wichtige Bereiche ihres Missionswerkes aus der Finanzierungspraxis des Glaubensprinzips herausgelöst werden. Sowohl Waisenanstalt als auch die höhere Schule werden in die staatliche Versorgung auf- genommen. Und etwa 50 Jahren nach ihrer Gründung erhält sie durch die Regierungssub- sidien für ihre Missionskrankenhäuser ein Vielfaches mehr an Einnahmen als durch die heimatlichen Spenden der Missionsförderer. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass das Glaubensprinzip im Neukirchener Kontext seine Verheißungen nicht erfüllt. 4 Andreas Franz unternimmt zwar eine Art „Ehrenrettung“ des Glaubensprinzips, in dem z.B. festhält, dass die Allianz-Mission „keine garantierten finanzielle n Zuwendungen“ vom Bund Freier evangelischer Ge- meinden erhält (Franz 1993:125). Doch tut dieses Argument wenig zur Sache. Denn – wie die Untersuchung zeigt – geht die Allianz-Mission im Laufe der Zeit zu festen Gehältern über und praktiziert niemals den strengen Werbeverzicht. Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 207 Bei der Allianz-China-Mission und der Liebenzeller Mission kommt es erst gar nicht zur ausdrücklichen Anwendung des Glaubensprinzips. Zwar werden Schulden vermieden, doch der inhaltliche Nukleus des Glaubensprinzips, nämlich der Werbeverzicht, findet kei- ne Beachtung. Offen werden Bedürfnisse kommuniziert, um den Auftrag der Mission zu erfüllen. Nicht das sogenannte Glaubensprinzip und die daraus resultierende Finanzie- rungspraxis ist ein Wesensmerkmal der Glaubensmissionen, sondern ihre Interdenominati- onalität (McKay 1981:6; Fiedler 1992:146). An dieser Stelle ist die kritische Frage zu stellen, ob es wirklich sinnvoll ist, den Begriff der „Glaubensmission“ weiter in Anspruch zu nehmen. Bemerkenswert ist der Um- stand, dass die Glaubensmissionen selbst diesen Ausdruck so gut wie nie für sich in An- spruch nahmen. Sie nannten sich entweder nach den Ländern und Städten aus denen sie stammten oder in die sie reisten. Ob man deshalb heute den untersuchten Missionen in der historischen Aufarbeitung wirklich einen Dienst mit dem Begriff „Glaubensmissionen“ erweist, ist ernsthaft zu hinterfragen. Wird mit der Begrifflichkeit doch etwas suggeriert, was entweder nicht angewandt oder aber umgedeutet oder letztendlich aufgegeben wurde.5 Meines Erachtens käme es der Wirklichkeit näher, die untersuchten Missionen so zu nennen, wie sie sich heute unter ihrem Dachverband der Arbeitsgemeinschaft evangeli- kaler Missionen (AEM) selbst bezeichnen, nämlich als „evan gelikale Missionen“. Dass sie – der historischen Typologie von Klaus Fiedle r entsprechend (:12-35) – missionsgeschicht- lich eine eigenständige Gruppe bilden, bleibt davon unberührt. 1 0 . 5 Das bleibende Proprium Das bleibende Proprium in der Finanzierungspraxis der deutschen Glaubensmissionen ist nicht ihr angeblicher Werbeverzicht, die Schuldenvermeidung oder die Ablehnung fester Gehälter. Eingedenk der Worte Heinrich Bornkamms, dass in der „geschichtlichen Erinne- rung“ „eine unerschöpfliche Quelle gemeinsam ge istigen Besitzes“ liegt, aus der „sich jede Zeit ergänzen und erneuern“ kann (Bornkamm 1949:19), ist das Element des visionären Glaubens der Glaubensmissionen für die Gegenwart zu betonen. In einer Phase, wo kein Geringerer als Gustav Warneck die „Routine“ und die „Rhetorik“ als „Hauptgefahr“ des Missionslebens erkennt und eine „innerliche Ermattung“ konstatiert (Warneck 1876:26), sind die Glaubensmissionen in Deutschland eine Erneuerungsbewegung. Warneck be- 5 So noch der Informationsdienst der Evangelischen Allianz (idea) 1991 in seiner Dokumentation über die Jahrestagung des Arbeitskreises für evangelikale Missiologie zum 125-jährigen Jubiläum der Glaubensmissi- onen unter dem Titel Missionswerke ohne Spendenkampagnen – Die Glaubensmissionen heute und in der Vergangenheit (IDEA 1991). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 208 schreibt in seinem Buch Die apostolische und die moderne Mission (1876) die Zeiten, wie sie sich in seinen Augen darstellen: „Es fehlt in vielen Missions kreisen der lebendigmachende Geist. An der Stelle ei- nes wirklich belebenden Missionsgeistes herrscht viel bloßer Mechanismus; der Missionsbetrieb wird traktirt als ein Gewerbe und die Form der Sache mit der Sa- che selbst verwechselt“ (:26). Die Gefahr bestehe, so Warneck, dass die Mission zu einem „ opus operatum“ herabsinke (:26). Nicht „die feindliche Welt“ sei die Hauptbarriere für das Missionsleben, sondern „dieses Hinderniß liegt in denjenigen Kreise n, die den Schein der Missionsfreundschaft haben, aber die Kraft derselben verleugnen“ (:27). Ähnlich Töne schlägt Theodor Christ- lieb an, wenn er 1880 an die „tiefe Begeis terung der Gründungszeit unserer meisten Missi- onsgesellschaften“ erinnert (Christlieb 1880:19) und resigniert feststellt: „Draußen unter den Heidenchristen flammt noch je und je das Feuer der ersten Liebe zu ähnlichem Eifer für die Sache des Herrn auf, - aber in der Heimath?“ (:19). In diesem für die älteren Missionsgesellschaften schwierigen Umfeld entstehen die Glaubensmissionen als Reformgruppen.6 Und sie beleben einen entscheidenden Faktor der klassischen Missionen neu: den visionären Glauben. In der schon genannten Arbeit Die apostolische und die moderne Mission (1876) skizziert Warneck diesen Charakter als con- ditio sine qua non für alle Missionsunternehmungen. So schreibt er: „Neben der nüchternsten Besonnenheit braucht also eine Missionsleitung den kühnsten Glaubensmuth, der durch ängstliche Berechnungen sich nicht aufhalten läßt, wenn die deutlich erkennbare Führung Gottes die Losung: ‚Vorwärts’ giebt“ (Warneck 1876:13). Für Warneck bedeutet dies bei der Budgetierung der Missionsausgaben praktisch, dass die „Ausdehnung des Missionswerkes“ nicht aussch ließlich abhängig gemachten werden darf von den momentanen „Leistung en der heimathlichen Missionsgemeinde“ (:13). Als Gleichnis führt er das biologische Wachstum eines Menschen an: „Das Wachsthum eines Menschen richtet sich ja nicht nach den Kleidern, die er hat, sondern die Kleider müssen nach dem Wachsthum gemacht werden“ (:13). Was Fabri 1869 den „von der Weisheit au s Erfahrung getragene Glaubensgeist“ nennt (Fabri 1869:231) und Warneck 1876 als den „kühnsten Glaubensmuth“ bezeichnet (Warneck 1876:13) findet eine neuartige Verkörperung im visionären Handeln der Glau- bensmissionen. Es ist dieses ausgesprochene Vertrauen im Bereich der finanziellen Gege- 6 So auch Klaus Fiedler, der mit seiner historischen Typologie die Kirchengeschichte nicht nur „als die linea- re Entwicklung der Denominationen“, sondern als eine Abfolge „von aufeinanderfolgenden Erneuerungsbe- wegungen“ interpretiert (Fiedler 1992:14). Vgl. ebenso Oehler (1951:44). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 209 benheiten, mit der die neuen Missionen ihre Arbeit beginnen.7 Pars pro toto mag als Bei- spiel der Brief des Liebenzeller Superintendenten Witt an Ernst Buddeberg gelten, der 1935 in Chinas Millionen publiziert wird: „Ich habe den Brüdern des Brüderrats ge schrieben, daß im Blick auf Neuaussen- dung von Missionaren wir den Geldpunkt nicht zu sehr berücksichtigen dürfen. Wir dürfen im Glauben von Gott das Recht in Anspruch nehmen, daß wir, kurz ausge- drückt, die Maschine weiter laufen lassen, d.h. daß die Urlauber, die unter normalen Verhältnissen ausgesandt werden würden, auch jetzt selbstverständlich von uns willkommen geheißen werden. Auch neue Geschwister gehören dazu. Das weiß Gott auch, und mir scheint, in bescheidener Zahl sollten wir sie auch ruhig kommen lassen. Wir sind mit unseren Geldern wahrlich nicht verschwenderisch, und Gott ehrt auch den Glauben. Wenn das Geld ganz aufhört, dann ist es einerlei, ob wir mit 70 oder 80 Geschwistern am Ende sind. Wenn aber Gott zeigt, daß er uns durch- bringen will und kann, dann sollten wir auch nicht blöde sein“ (CM, Juni/Juli 1935:86). In dieser Zeit der Devisenverknappung wird die Zahl der Missionare nicht auf das rechne- risch zu erwartende Ergebnis reduziert, sondern im Vertrauen auf Gott wird der begonnene Auftrag fortgeführt. Auf derselben Linie liegt das Diktum Heinz Müllers, des langjährigen Leiters der Allianz-Mission, wenn er 1989 zum 100-jährigen Jubiläum seiner Mission im Missionsbo- ten seine „Wünsche des Missionsleiters für da s begonnene zweite Jahrhundert der Allianz- Mission“ formuliert: „Es ist mein Wunsch“, sc hreibt Müller, ... „daß wir weiterhin Glau- bensmission bleiben, die im Glauben an Gott vertrauensvoll Wagnisse eingeht und Großes von Gott erwartet“ (Allianz-Mission 1989:64). Die „unerschöpfliche Quelle“ des „gemeinsam geistigen Besitzes“ (Bornkamm 1949:19) in der Beschäftigung mit der Finanzierungspraxis der Glaubensmissionen ist also dieses We- sen des visionären Glaubens. Dieser Glaube ist aber nicht ein „Prinzip“, sondern eine Ges- talt der fiducia, des credere in deum.8 7 Einen geradezu klassischen Ausdruck findet sie in der schon zitierten Stelle, wo Heinrich Coerper seine Anfangsphase in Hamburg beschreibt: „Als ich von Straßburg ging, frug jemand: Ist denn das Geld vorhan- den für diese Arbeit? Ich durfte ihm antworten: Freilic h ist es vorhanden, und darum erwarte ich, daß der Heiland mir von dem Vorhandenen das Nötige einhändigen wird für das Werk, wenn es auch noch nicht in meiner Hand ist“ (CM, Januar 1900, Beilage). 8 Vgl. den Vortrag am 8. April 1997 von Eberhard Troeger, dem ehemaliger Missionsleiter der Evangeliums- gemeinschaft Mittlerer Osten (EMO), der früheren Sudan-Pionier-Mission in Bad Liebenzell: „Abraham überläßt die Sache ganz Gott und erfährt, daß Gott ei ne ganz überraschende Lösung schenkt. Das ist das sogen. ‚Glaubensprinzip’. ‚Prinzip’ ist dafür allerdings ein verkehrtes Wort. Aus Glauben kann man kein Prinzip, kein Dogma, keine Lehre machen. Auf jeden Fall wird es verkehrt, wenn das Prinzip an die erste Stelle rückt. Denn der Glaube richtet sich auf eine lebendige Person. Das tiefe Vertrauensverhältnis zwischen zwei Personen kann man nur mit Liebe umschreiben. Wir können groß von unserem Herrn denken, wir können ihn ehren, wir können ihm Großes zutrauen – aber ihn von ganzem Herzen lieben, das ist der tiefste Ausdruck des Vertrauens zu ihm“ (Troeger 1997:2). Mission und Geld. Glaubensprinzip und Spendengewinnung der deutschen Glaubensmissionen 210 1 1 Bibliographie 11.1 Archive u nd Archiv alien Archiv der Allianz-Mission (Dietzhöztal-Ewersbach) Archiv der Bibelschule Wiedenest (Wiedenest) Archiv des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (Witten) Archiv des Bundes-Verlages (Witten) Archiv des Evangelischen Missionswerks (Hamburg) Archiv der Liebenzeller Mission (Bad Liebenzell) Archiv der Neukirchener Mission (Neukirchen) Archiv des Theologischen Seminars des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (Dietzhöztal-Ewersbach) EMW 6. Nationalspende zum Kaiserjubil äum. Organisation und Durchführung. Archiv des Evangelischen Missionswerks Hamburg. EMW 12. Nationalspende zum Kaiserjubiläum . Verteilung der Kaiserspende 1913. Archiv des Evangelischen Missionswerks Hamburg. EMW 89. Verschiedene Missionsgesellschaften (A-C) . Archiv des Evangelischen Missionswerks Hamburg. EMW 92. Verschiedene Missionsgesellschaften (J-M) . 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